Verfahrensgang
KG Berlin (Beschluss vom 22.09.2016) |
KG Berlin (Urteil vom 14.06.2016) |
Tenor
1. Dem Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Kammergerichts vom 14. Juni 2016 auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.
Damit ist der Beschluss des Kammergerichts vom 22. September 2016, mit dem die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Der näheren Erörterung bedarf nur das Folgende:
Der Verurteilung des Angeklagten wegen Billigung von Straftaten gemäß § 140 Nr. 2 i.V.m. § 126 Abs. 1 Nr. 2 StGB liegt ein mit dem Angeklagten geführtes Online-Interview zugrunde, in dem er zwei in Syrien von Mitgliedern des sog. Islamischen Staats (IS) vor laufender Kamera ausgeführte Tötungen von in dessen Gewalt befindlicher Gefangenen nachträglich guthieß. Zum einen handelt es sich um einen amerikanischen Journalisten, der im August 2014 geköpft worden war, zum anderen um einen jordanischen Militärpiloten, der im Februar 2015 bei lebendigem Leib verbrannt worden war. Das Kammergericht hat beide Tötungen als Kriegsverbrechen gegen Personen nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 6 Nr. 1 VStGB, somit Katalogtaten nach § 126 Abs. 1 Nr. 2 StGB, bewertet.
Diese rechtliche Beurteilung ist insoweit nicht frei von Bedenken, als § 8 Abs. 6 Nr. 1 VStGB allein den internationalen bewaffneten Konflikt betrifft. Darunter ist ein Krieg oder eine sonstige mit Waffengewalt ausgetragene Auseinandersetzung zwischen zwei oder mehreren Staaten zu verstehen, während der nichtinternationale bewaffnete Konflikt solche Auseinandersetzungen erfasst, bei denen Streitkräfte innerhalb eines Staates gegen organisierte bewaffnete Gruppen oder solche Gruppen untereinander kämpfen, sofern die Kampfhandlungen von einer gewissen Dauer und Intensität sind (vgl. Senat, Beschluss vom 17. November 2016 – AK 54/16, juris Rn. 23; MüKoStGB/Zimmermann/Geiß, 2. Aufl., § 8 VStGB Rn. 98, 108, 115 ff. mwN).
Danach war der Bürgerkrieg in Syrien zumindest anfänglich ein nichtinternationaler bewaffneter Konflikt. Dazu, ob und gegebenenfalls seit wann er durch das Eingreifen ausländischer Kräfte so weit „internationalisiert” worden ist, dass mittlerweile von einem internationalen bewaffneten Konflikt auszugehen wäre (vgl. zur Internationalisierung nichtinternationaler bewaffneter Konflikte MüKoStGB/Zimmermann/Geiß aaO, Rn. 101 ff.), verhält sich das angefochtene Urteil nicht. Die für August 2014 und Februar 2015 vorzunehmende Beurteilung versteht sich auch nicht von selbst (vgl. Senat, Beschluss vom 17. November 2016 – AK 54/16, aaO Rn. 24: zumindest im Herbst 2012 noch kein internationaler bewaffneter Konflikt). Hierüber braucht der Senat allerdings nicht zu entscheiden.
Hinsichtlich des jordanischen Piloten kann die Frage schon deshalb dahinstehen, weil er jedenfalls nach dem für beide Alternativen (internationaler oder nichtinternationaler bewaffneter Konflikt) geltenden § 8 Abs. 6 Nr. 3 VStGB taugliches Tatobjekt eines Kriegsverbrechens gegen Personen sein konnte.
Ob der amerikanische Journalist für den Fall, dass die Kampfhandlungen in Syrien im August 2014 als ein nichtinternationaler bewaffneter Konflikt zu beurteilen wären, zu den nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Personen im Sinne von § 8 Abs. 6 VStGB zählt, bedarf hingegen näherer Betrachtung:
Der Wortlaut des – insoweit allein in Betracht kommenden – § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB stellt unter anderem darauf ab, dass sich die Person, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnimmt, „in der Gewalt der gegnerischen Partei” befindet (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 17. November 2016 – AK 54/16, aaO Rn. 26). Ob der IS im Verhältnis zu dem amerikanischen Journalisten als eine solche gegnerische Partei anzusehen ist, ist fraglich. In tatsächlicher Hinsicht lässt sich dem Urteil nicht hinreichend entnehmen, wie er in den Konflikt eingebunden war; es fehlen Feststellungen dazu, ob er nicht auch neutraler Kriegskorrespondent gewesen sein und keiner im Bürgerkrieg involvierten Gruppierung angehört haben kann.
Die Auslegung der in § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB normierten Merkmale „in der Gewalt der gegnerischen Partei” ist in der Rechtsprechung bislang nicht geklärt (vgl. auch BT-Drucks. 14/8524, S. 30: „in der gegnerischen Gewalt befindliche Zivilpersonen”). Den einschränkenden Zusatz hat der Gesetzgeber in Anlehnung an Art. 4 Abs. 1 des IV. Genfer Abkommens vom 12. August 1949 zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten (BGBl. 1954 II, S. 917), auf den § 8 Abs. 6 Nr. 1 VStGB für den internationalen bewaffneten Konflikt tatbestandsbegrenzend verweist, in die Regelung des § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB aufgenommen (vgl. MüKoStGB/Zimmermann/Geiß aaO, Rn. 91 f.). Art. 4 Abs. 1 des IV. Genfer Abkommens schützt in einem internationalen bewaffneten Konflikt Personen, die sich im Machtbereich einer hieran beteiligten Partei oder einer Besatzungsmacht befinden, „deren Angehörige sie nicht sind”. Ob dementsprechend für den nichtinternationalen bewaffneten Konflikt die Legaldefinition des § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB sämtliche in der Gewalt einer Konfliktpartei befindliche Zivilpersonen erfasst, soweit sie ihr – im Sinne einer allein negativen Abgrenzung – nicht angehören (so MüKoStGB/Zimmermann/Geiß aaO, Rn. 93) oder ob etwa einer solchen Deutung der die äußerste Grenze jeder Auslegung bestimmende Wortsinn der Vorschrift („der gegnerischen Partei”) entgegensteht, kann der Senat hier indes ebenfalls offen lassen.
Katalogtaten im Sinne des § 126 Abs. 1 Nr. 2 StGB sind nicht nur bestimmte Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, sondern auch Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§ 212 StGB). Nach den vom Kammergericht getroffenen Feststellungen begingen die Mitglieder des IS durch die Tötung des amerikanischen Journalisten jedenfalls einen Totschlag.
Auf dieses – im Ausland von Ausländern an einem Ausländer begangene – Delikt ist zwar nach §§ 3 ff. StGB deutsches Strafrecht nicht anwendbar; die Vorschrift des § 1 VStGB, nach der der fehlende Inlandsbezug insoweit unschädlich ist, gilt nur für die dort in Bezug genommenen Tatbestände nach dem Völkerstrafgesetzbuch. Taugliches Objekt der Billigung im Sinne von § 140 Nr. 2 StGB ist jedoch auch eine nicht dem Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts unterfallende Auslandskatalogtat, wenn sie zur Störung des inländischen öffentlichen Friedens geeignet ist. Denn es geht hierbei nicht um die strafrechtliche Ahndung dieser Katalogtat. Die Verherrlichung von Auslandstaten kann in gleicher Weise wie die von Inlandstaten auch in Deutschland die allgemeine Bereitschaft zur Begehung ähnlicher Delikte fördern und das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Sicherheit erschüttern (zu den Schutzrichtungen des § 140 Nr. 2 StGB s. BGH, Urteil vom 9. August 1977 – 1 StR 74/77, NJW 1978, 58, 59). Für die Strafbarkeit wegen Billigung von Straftaten ist daher diese kriminogene Inlandswirkung einer Auslandstat erforderlich, aber auch ausreichend. Eine Strafbarkeit scheidet demgegenüber aus, wenn auf Grund rechtlicher oder tatsächlicher Besonderheiten im Ausland (zum Südtirol-Konflikt s. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1968 – 1 StR 161/68, BGHSt 22, 282, 283 ff.) eine solche Wirkung ausgeschlossen erscheint (vgl. zum Ganzen – zumindest im Ergebnis wie hier – LG Berlin, Urteil vom 12. Mai 2004 – (563) 81 Js 1640/02 (20/03), juris Rn. 25; LK/Hanack, StGB, 12. Aufl., § 140 Rn. 10; MüKoStGB/Hohmann, 2. Aufl., § 140 Rn. 9; NK-StGB-Ostendorf, 4. Aufl., § 140 Rn. 10 f.; S/S-Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 140 Rn. 2; offen gelassen von BGH, Urteil vom 17. Dezember 1968 – 1 StR 161/68, aaO; aA Fischer, StGB, 64. Aufl., § 140 Rn. 4; BeckOK StGB/Heuchemer, § 140 Rn. 9; SK-StGB/Rudolphi/Stein, 68. Lfg., § 140 Rn. 5). Dass die Äußerungen des Angeklagten geeignet waren, den öffentlichen Frieden in Deutschland zu stören, hat das Kammergericht im Einzelnen dargelegt (UA S. 46 ff.).
§ 265 StPO steht der Subsumtion einer der beiden vom Angeklagten gebilligten Taten unter den Straftatbestand des Totschlags nicht entgegen. Es handelt sich schon nicht um eine wesensverschiedene Tatbestandsalternative des § 140 Nr. 2 i.V.m. § 126 Abs. 1 Nr. 2 StGB (vgl. zum Kriterium der Wesensverschiedenheit bezüglich der Begehungsform BGH, Urteil vom 19. Januar 1984 – 4 StR 742/83, NStZ 1984, 328, 329; Beschluss vom 21. Januar 1997 – 5 StR 592/96, NStZ-RR 1997, 173; BeckOK StPO/Eschelbach, § 265 Rn. 9; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 265 Rn. 25, jew. mwN). Darüber hinaus hätte sich der – geständige – Angeklagte bei einem entsprechenden Hinweis nicht anders oder gar besser als geschehen verteidigen können. Auch § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB setzt die vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen voraus, was in der Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft Berlin vom 21. Dezember 2015 unter Punkt II. 5 des Wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen eindeutig ausgeführt ist.
Unterschriften
Becker, Schäfer, Gericke, Tiemann, Berg
Fundstellen
Haufe-Index 10458583 |
NStZ 2017, 6 |
NStZ 2017, 699 |
NStZ-RR 2017, 109 |
StV 2018, 101 |