Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OLG (Beschluss vom 23.01.1990)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 1. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 23. Januar 1990 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 4.000 DM.

 

Tatbestand

I.

Der in erster Instanz unterlegene Beklagte hat innerhalb der Frist des § 516 ZPO durch seine erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten beim Oberlandesgericht um Prozeßkostenhilfe für die beabsichtigte Berufung nachgesucht und um Beiordnung eines dort zugelassenen Rechtsanwalts gebeten. Das Oberlandesgericht hat dem Gesuch nach Ablauf der Berufungsfrist durch Beschluß vom 9. Oktober 1989 entsprochen und dem Beklagten Rechtsanwältin G. beigeordnet. Die Entscheidung ist den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten am 20. Oktober 1989 zugestellt worden. Mit einem am 30. November 1989 eingegangenen Schriftsatz hat der Beklagte Berufung eingelegt und gleichzeitig um Wiedereinsetzung gegen die Versäumung sowohl der Berufungsfrist als auch der Wiedereinsetzungsfrist gebeten. Das Oberlandesgericht hat die Wiedereinsetzung verweigert und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Der Beklagte hat die Berufungsfrist nicht eingehalten, aber vor deren Ablauf um Prozeßkostenhilfe für die Berufungsinstanz nachgesucht. Die zweiwöchige Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist (§ 234 Abs. 1 und 2 ZPO) beginnt in diesen Fällen mit der (auch formlosen) Bekanntgabe des Prozeßkostenhilfe bewilligenden Beschlusses des Gerichts (vgl. etwa Senatsbeschluß VersR 1986, 580 m.w.N.). Hier ist der Beschluß des Oberlandesgerichts vom 9. Oktober 1989 den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten am 20. Oktober 1989 förmlich zugestellt worden. Sie waren auch der richtige Zustellungsadressat, weil sie die Prozeßkostenhilfe für den Beklagten beantragt hatten, (vgl. Senatsbeschluß a.a.O.). Daß es an einem „unmißverständlichen Senatsbeschluß” gefehlt habe, wie die sofortige Beschwerde geltend macht, ist nicht ersichtlich. Die zugestellte Ausfertigung des Beschlusses, der auch die Beiordnung von Rechtsanwältin G. für den Berufungsrechtszug enthielt, war inhaltlich klar und bezeichnete die Unterschriften der drei beteiligten Richter. Das beigefügte Schreiben der Geschäftsstelle vom 18. Oktober 1989, mit dem um Entschuldigung für eine vorangegangene Zustellung einer Entscheidung mit falscher Parteibezeichnung gebeten wurde, war nicht geeignet, Mißverständnisse zu begründen.

2. Danach ist die Frist für die Anbringung des Wiedereinsetzungsgesuchs, die am 3. November 1989 ablief, durch den erst am 30. November 1989 eingegangenen Schriftsatz nicht gewahrt worden. Die nach § 233 ZPO mögliche Wiedereinsetzung gegen die Versäumung auch dieser Frist hat das Oberlandesgericht im Ergebnis zu Recht verweigert, weil ein dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden von Rechtsanwalt B., einem seiner erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, entgegensteht. Dieser ist, wie aus seiner eidesstattlichen Versicherung vom 14. Dezember 1989 hervorgeht, nach Erhalt des Beschlusses vom 9. Oktober 1989 untätig geblieben, weil er sich aufgrund eines am 21. September 1989 geführten Telefonats mit dem Berichterstatter des Berufungssenats darauf verlassen hat, daß dieser Beschluß auch dem für die Berufungsinstanz beizuordnenden Rechtsanwalt mitgeteilt werde. Er ist davon ausgegangen, daß der Vorgang damit für ihn abgeschlossen ist und keine weiteren fristwahrenden Maßnahmen mehr zu veranlassen sind. Obwohl danach eine ihm zugesicherte Benachrichtigung der für die Berufungsinstanz beigeordneten Rechtsanwältin G. unterblieben ist, kann er nicht als entlastet angesehen werden. Auch wenn nämlich eine solche unmittelbare Benachrichtigung erfolgt wäre, hätte er nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auch des Senats (vgl. VersR 1973, 319, 320 und 420, 421; Senatsbeschlüsse vom 17. März 1982 – IVb ZB 883/81 – und VersR 1986 a.a.O.; zustimmend u.a. Bergmann/Haug, Anwaltshaftung 2. Aufl. S. 334 f), nach Empfang des Beschlusses vom 9. Oktober 1989 keineswegs untätig bleiben dürfen, sondern er hätte Rechtsanwältin G. von dem Zeitpunkt der Zustellung der Entscheidung an ihn unterrichten müssen. Denn mit dem Zugang des Beschlusses an ihn begann der Lauf der Wiedereinsetzungsfrist, während derjenige an die noch nicht bevollmächtigte Rechtsanwältin G. die Frist nicht in Lauf gesetzt hätte. Hätte er pflichtgemäß mit Rechtsanwältin G. Kontakt aufgenommen oder wenigstens den Beklagten davon verständigt, daß er seine Tätigkeit für beendigt erachte und dieser selbst für die Beauftragung von Rechtsanwältin G. mit der Einlegung der Berufung sorgen solle, hätte die Fristversäumnis vermieden werden können.

 

Unterschriften

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Lohmann ist durch Urlaub an der Unterschrift gehindert. Portmann, Portmann, Krohn, Zysk, Knauber

 

Fundstellen

Dokument-Index HI3401812

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