Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 13.08.2019; Aktenzeichen 931 XIV 74/19 L) |
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 31.03.2020; Aktenzeichen 2-21 T 151/19) |
Tenor
Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 31. März 2020 wird zurückgewiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 13. August 2019 die Freiheitsentziehung des am gleichen Tag in polizeilichen Gewahrsam genommenen Beschwerdeführers für zulässig erklärt und ihre Fortdauer bis längstens zum 13. August 2019, 20 Uhr, angeordnet. Mit Schreiben vom 1. September 2019 hat der Betroffene hiergegen Beschwerde eingelegt. Unter dem 17. September 2019 hat er nach gerichtlichem Hinweis beantragt, die Rechtswidrigkeit seiner Freiheitsentziehung vom 13. August 2019 festzustellen. Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 31. März 2020, zugestellt am 7. April 2020, die Beschwerde zurückgewiesen. Der Betroffene hat mit Schreiben vom 2. Mai 2020, eingegangen beim Bundesgerichtshof am 6. Mai 2020, hiergegen „Rechtsbeschwerde” eingelegt und Verfahrenskostenhilfe beantragt.
Rz. 2
1. Der Zulässigkeit des Antrags auf Verfahrenskostenhilfe steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer bisher nicht durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten ist. Zwar besteht nach § 10 Abs. 4 Satz 1 FamFG vor dem Bundesgerichtshof, also auch in Rechtsbeschwerdeverfahren, grundsätzlich der Zwang zur Vertretung durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt. Die genannte Vorschrift nimmt hiervon jedoch ausdrücklich die Verfahrenshandlungen im Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe nach §§ 76 ff. FamFG aus.
Rz. 3
2. In der Sache dringt der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe jedoch wegen mangelnder Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsbeschwerde nicht durch. Nach § 76 Abs. 1 FamFG finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe Anwendung. Danach kann diese nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Rz. 4
a) Zwar begegnet die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde keinen rechtlichen Bedenken (vgl. § 74 Abs. 1 Satz 1 FamFG), insbesondere ist diese statthaft.
Rz. 5
Nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG ist die Rechtsbeschwerde in Freiheitsentziehungssachen auch ohne Zulassung nach § 70 Abs. 1 FamFG eröffnet, sofern sie sich gegen den Beschluss richtet, der die Freiheitsentziehung anordnet (§ 70 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Erfasst hiervon ist nicht nur der Anordnungsbeschluss selbst, sondern auch derjenige, mit dem das Beschwerdegericht die erstinstanzliche Anordnung der Freiheitsentziehung bestätigt (vgl. BeckOK FamFG/Obermann, 38. Ed., § 70 Rn. 40). Die vorliegend auf § 32 des Hessischen Gesetzes über die Sicherheit und Ordnung (HSOG) gestützte Maßnahme unterfällt auch dem Anwendungsbereich des § 70 FamFG, denn § 33 Abs. 2 Satz 2 HSOG verweist für gerichtliche Entscheidungen gegen die Freiheitsentziehung ohne Einschränkung auf die entsprechende Anwendung des FamFG, weshalb alle Vorschriften des 7. Buches des FamFG einschließlich derjenigen über die Rechtsbeschwerde zur Anwendung kommen (vgl. für die inhaltsgleiche Vorschrift des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen: BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 – 3 ZB 8/19, juris Rn. 8 mwN; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. August 2011 – I-3 Wx 188/11, juris Rn. 13; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. September 2016 – StB 26/16, NStZ-RR 2017, 24).
Rz. 6
Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind gegeben. Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist die Rechtsbeschwerde zwar binnen einer Frist von einem Monat nach schriftlicher Bekanntgabe der Entscheidung – hier mit Zustellung am 7. April 2020 – durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt (§ 10 Abs. 4 Satz 1 FamFG) einzulegen. Dies ist bislang nicht geschehen. Doch käme bei Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe eine Wiedereinsetzung in die Rechtsbeschwerdefrist in Betracht. Denn ein Beteiligter, der Rechtsmittel einlegen will, die Kosten der Verfahrensführung aber nicht oder nur in Raten aufbringen kann, hat grundsätzlich Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn er – wie hier – rechtzeitig bis Ablauf der Rechtsmittelfrist einen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe und eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Februar 2008 – XII ZB 151/07, FamRZ 2008, 871; vom 18. November 2009 – XII ZB 79/09, FamRZ 2010, 283).
Rz. 7
b) Die Rechtsbeschwerde kann in der Sache jedoch keinen Erfolg haben (§ 74 Abs. 3 FamFG).
Rz. 8
aa) Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel liegen nicht vor. Soweit der Betroffene rügt, im Beschwerdeverfahren nicht erneut persönlich angehört worden zu sein, vermag er damit nicht durchzudringen, denn das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass hiervon keine neuen Erkenntnisse zu erwarten waren (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Weder aus dem Akteninhalt noch dem Beschwerdevorbringen hatten sich neue entscheidungserhebliche Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte gegenüber dem in den Akten dokumentierten Ergebnis der erstinstanzlichen Anhörung des Betroffenen ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2016 – XII ZB 478/15, NJW-RR 2016, 578 Rn. 10).
Rz. 9
bb) Die Anwendung materiellen Rechts weist ebenfalls keinen Rechtsfehler auf (§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, § 559 ZPO analog). Unter Zugrundelegung der sich aus dem angefochtenen Beschluss ergebenen tatsächlichen Umstände war die Ingewahrsamnahme rechtmäßig (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 HSOG). Denn der Beschwerdeführer hatte bei Eintreffen der Polizeibeamten bereits begonnen, die Eingangstür des Gerichtsgebäudes mit einem Hammer zu beschädigen (§ 303 StGB). Weder in seiner Anhörung vor dem Amtsgericht noch in dem weiteren Verfahren hat er sich hiervon distanziert, sondern die vorgenommenen Beschädigungen stets mit einem vermeintlichen Notwehrrecht aus § 34 StGB gerechtfertigt. Vor diesem Hintergrund und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit bereits mehrfach in gleicher Weise auffällig geworden war, stand nicht zu erwarten, dass er – entsprechend seiner Einlassung vor dem Amtsgericht und im (Rechts-)Beschwerdeverfahren – ohne Ingewahrsamnahme freiwillig nach Hause gegangen wäre.
Unterschriften
Schäfer, Wimmer, Hoch, Anstötz, Kreicker
Fundstellen
Haufe-Index 14497637 |
NStZ-RR 2021, 226 |