Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungspflicht für Vervielfältigungsgeräte (Drucker und Plotter). Europarechtliches Vervielfältigungsrecht. Verwertungsgesellschaft Bild – Kunst
Leitsatz (amtlich)
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.5.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. EG Nr. L 167 vom 22.6.2001, S. 10) folgende Fragen vorgelegt:
1. Ist die Richtlinie bei der Auslegung des nationalen Rechts bereits für Vorfälle zu berücksichtigen, die sich nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie am 22.6.2001, aber vor dem Zeitpunkt ihrer Anwendbarkeit am 22.12.2002 ereignet haben?
2. Handelt es sich bei Vervielfältigungen mittels Druckern um Vervielfältigungen mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie?
3. Für den Fall, dass die zweite Frage bejaht wird: Können die Anforderungen der Richtlinie an einen gerechten Ausgleich für Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht nach Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Gleichbehandlung aus Art. 20 der EU-Grundrechtecharta auch dann erfüllt sein, wenn nicht die Hersteller, Importeure und Händler der Drucker, sondern die Hersteller, Importeure und Händler eines anderen Geräts oder mehrerer anderer Geräte einer zur Vornahme entsprechender Vervielfältigungen geeigneten Gerätekette Schuldner der Finanzierung einer angemessenen Vergütung sind?
4. Lässt bereits die Möglichkeit einer Anwendung von technischen Maßnahmen gem. Art. 6 der Richtlinie die Bedingung eines gerechten Ausgleichs i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie entfallen?
5. Entfällt die Bedingung (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie) und die Möglichkeit (vgl. Erwägungsgrund 36 der Richtlinie) eines gerechten Ausgleichs, soweit die Rechtsinhaber einer Vervielfältigung ihrer Werke ausdrücklich oder konkludent zugestimmt haben?
Normenkette
InformationsgesellschaftsRL Art. 5 Abs. 2-3
Verfahrensgang
Tenor
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.5.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. EG Nr. L 167 vom 22.6.2001, S. 10) folgende Fragen vorgelegt:
1. Ist die Richtlinie bei der Auslegung des nationalen Rechts bereits für Vorfälle zu berücksichtigen, die sich nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie am 22.6.2001, aber vor dem Zeitpunkt ihrer Anwendbarkeit am 22.12.2002 ereignet haben?
2. Handelt es sich bei Vervielfältigungen mittels Druckern um Vervielfältigungen mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie?
3. Für den Fall, dass die zweite Frage bejaht wird: Können die Anforderungen der Richtlinie an einen gerechten Ausgleich für Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht nach Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Gleichbehandlung aus Art. 20 der EU-Grundrechtecharta auch dann erfüllt sein, wenn nicht die Hersteller, Importeure und Händler der Drucker, sondern die Hersteller, Importeure und Händler eines anderen Geräts oder mehrerer anderer Geräte einer zur Vornahme entsprechender Vervielfältigungen geeigneten Gerätekette Schuldner der angemessenen Vergütung sind?
4. Lässt bereits die Möglichkeit einer Anwendung von technischen Maßnahmen gem. Art. 6 der Richtlinie die Bedingung eines gerechten Ausgleichs i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie entfallen?
5. Entfällt die Bedingung (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie) und die Möglichkeit (vgl. Erwägungsgrund 36 der Richtlinie) eines gerechten Ausgleichs, soweit die Rechtsinhaber einer Vervielfältigung ihrer Werke ausdrücklich oder konkludent zugestimmt haben?
Gründe
Rz. 1
I. Die Parteien streiten darüber, ob Drucker und Plotter - bei einem Plotter handelt es sich um ein Ausgabegerät, mit dem insb. graphische Darstellungen wiedergegeben werden können - zu den nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F. vergütungspflichtigen Vervielfältigungsgeräten gehören.
Rz. 2
Die Klägerin nimmt als einzige Verwertungsgesellschaft in Deutschland die urheberrechtlichen Befugnisse der ihr angeschlossenen Wortautoren und ihrer Verleger wahr. Sie ist im vorliegenden Rechtsstreit auch im Auftrag der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst tätig, deren Aufgabe in der Wahrnehmung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Fotografien, Bildwerken und Grafiken aller Art besteht. Die Beklagten vertreiben Drucker und Plotter, die sie in Deutschland herstellen oder aus dem Ausland nach Deutschland einführen.
Rz. 3
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Auskunft über die Art und Anzahl der seit dem 1.4.2001 im Inland veräußerten oder sonst in Verkehr gebrachten Drucker und Plotter, die einen ASCII-Code verarbeiten, über die Leistung dieser Geräte sowie über ihre inländischen Bezugsquellen in Anspruch. Sie begehrt zudem die Feststellung, dass die Beklagten ihr für jedes Gerät einen Betrag gemäß dem von ihr zusammen mit der VG Bild-Kunst aufgestellten und im Bundesanzeiger (Nr. 63v. 30.3.2001, S. 5667) veröffentlichten Tarif zu zahlen haben.
Rz. 4
Das LG hat dem Auskunftsanspruch vollständig und dem Feststellungsantrag weitgehend stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen (OLG Düsseldorf GRUR 2007, 416 = ZUM 2007, 207). Der Senat hat die Revision der Klägerin unter Hinweis auf sein Urteil vom 6.12.2007 in der Sache I ZR 94/05 (BGHZ 174, 359 - Drucker und Plotter I) durch Beschluss gem. § 552a ZPO zurückgewiesen.
Rz. 5
Das BVerfG hat diese Entscheidung aufgehoben und die Sache an den BGH zurückverwiesen (BVerfG, Kammerbeschluss v. 21.12.2010 - 1 BvR 2760/08, GRUR 2011, 223 = ZUM 2011, 311).
Rz. 6
Die Klägerin erstrebt im erneuten Revisionsverfahren die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Rz. 7
II. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.5.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. Nr. L 167 vom 22.6.2001, S. 10; im Folgenden: Richtlinie) ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gem. Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
Rz. 8
1. Die Vergütungspflicht für Vervielfältigungsgeräte ist zwar durch das am 1.1.2008 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 26.10.2007 (BGBl. I, 2513) neu geregelt worden (§§ 54 ff. UrhG). Für den Streitfall ist jedoch die alte Rechtslage maßgeblich.
Rz. 9
2. Gemäß § 54a Abs. 1 UrhG a.F. hat der Urheber eines Werkes, wenn nach der Art des Werkes zu erwarten ist, dass es nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG a.F. durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung vervielfältigt wird, gegen den Hersteller (§ 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F.) sowie gegen den Importeur und den Händler (§ 54a Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F.) von Geräten, die zur Vornahme solcher Vervielfältigungen bestimmt sind, Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung für die durch die Veräußerung oder sonstiges Inverkehrbringen der Geräte geschaffene Möglichkeit, solche Vervielfältigungen vorzunehmen. Nach § 54g Abs. 1 UrhG a.F. kann der Urheber von den nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F. zur Zahlung der Vergütung Verpflichteten Auskunft verlangen. Der Zahlungsanspruch nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F. und der Auskunftsanspruch nach § 54g Abs. 1 UrhG a.F. können gem. § 54h Abs. 1 UrhG nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden.
Rz. 10
3. Die Klägerin und die VG Bild-Kunst, in deren Auftrag die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit ebenfalls tätig wird, sind als Verwertungsgesellschaften nach § 54h Abs. 1 UrhG a.F. befugt, den Zahlungsanspruch nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F. und den Auskunftsanspruch nach § 54g Abs. 1 UrhG a.F. geltend zu machen. Die Klägerin kann von den Beklagten, die Drucker und Plotter herstellen, importieren und vertreiben, hinsichtlich der seit dem 1.4.2001 in Verkehr gebrachten Geräte dem Grunde nach Zahlung einer angemessenen Vergütung und Auskunftserteilung beanspruchen, wenn Drucker und Plotter zu den nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F. vergütungspflichtigen Vervielfältigungsgeräten gehören. Das setzt voraus, dass diese Geräte zur Vornahme von Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG a.F. durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung bestimmt sind. Dabei ist zu beachten, dass die Vergütungspflicht nur solche Vervielfältigungshandlungen erfasst, die nach der - Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie umsetzenden - Schrankenregelung des § 53 UrhG a.F. vom Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers ausgenommen sind. Vervielfältigungshandlungen, die nicht unter die Schrankenregelung fallen und daher eine Urheberrechtsverletzung darstellen, sind nicht Gegenstand des Vergütungsanspruchs nach § 54a Abs. 1 UrhG aF.
Rz. 11
4. Die Klägerin stützt ihre Ansprüche auf das Inverkehrbringen von Druckern durch die Beklagten seit dem 1.4.2001. Deshalb stellt sich vorab die Frage, ob die Richtlinie bei der Auslegung des nationalen Rechts bereits für Vorfälle zu berücksichtigen ist, die sich nach dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens am 22.6.2001, aber vor dem Zeitpunkt ihrer Anwendbarkeit am 22.12.2002 ereignet haben.
Rz. 12
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen es die Gerichte der Mitgliedstaaten bereits ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Richtlinie soweit wie möglich unterlassen, das innerstaatliche Recht auf eine Weise auszulegen, die die Erreichung des mit dieser Richtlinie verfolgten Zieles nach Ablauf der Umsetzungsfrist ernsthaft gefährden würde (EuGH, Urt. v. 4.7.2006 - C-212/04, Slg. 2006, I-6057 = NJW 2006, 2465 Rz. 123 - Adeneler/ELOG). Die Richtlinie 2001/29/EG ist nach ihrem Art. 14 am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, also am 22.6.2001, in Kraft getreten. Danach wäre die Richtlinie bereits ab diesem Zeitpunkt bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen.
Rz. 13
Die Richtlinie berührt jedoch nach ihrem Art. 10 Abs. 2 Handlungen und Rechte nicht, die vor dem 22.12.2002 abgeschlossen bzw. erworben wurden. Das könnte dafür sprechen, dass die Richtlinie bei der Beurteilung der Frage, ob die geltend gemachten Ansprüche wegen eines Inverkehrbringens von Druckern vor dem 22.12.2002 begründet sind, für die Auslegung des nationalen Rechts nicht von Bedeutung ist (vgl. BGH, Urt. v. 30.1.2008 - I ZR 131/05, GRUR 2008, 786 Rz. 40 = WRP 2008, 1229 - Multifunktionsgeräte; vgl. aber BVerfG [Kammer], GRUR 2010, 999 Rz. 54; ZUM 2011, 313 Rz. 26).
Rz. 14
5. Zum Grund eines Vergütungsanspruchs stellen sich zwei Fragen zur Auslegung von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie.
Rz. 15
a) Zunächst stellt sich die Frage, ob es sich bei Vervielfältigungen mittels Druckern um Vervielfältigungen mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie handelt.
Rz. 16
Vervielfältigungen durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung i.S.v. § 54a Abs. 1 UrhG a.F. stellen Vervielfältigungen mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung i.S.v. § 53 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UrhG a.F. und § 53 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UrhG a.F. dar. Bei einer Ablichtung handelt es sich um ein fotomechanisches Verfahren. Der Begriff der Vervielfältigungen mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung in § 53 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UrhG a.F. und § 53 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UrhG a.F. stammt aus Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie. Er ist deshalb in Übereinstimmung mit dieser Bestimmung auszulegen.
Rz. 17
Nach Ansicht des Senats kommt es bei der Beantwortung der Frage, ob es sich bei Vervielfältigungen mittels Druckern um Vervielfältigungen mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie handelt, darauf an, innerhalb welcher Geräteketten Drucker (Plotter) zur Vornahme von Vervielfältigungen verwendet werden. Allein mit einem Drucker können keine Vervielfältigungen angefertigt werden. Dazu sind Drucker nur im Zusammenwirken mit anderen Geräten - wie insb. innerhalb der Geräteketten PC/Drucker und Scanner/PC/Drucker - in der Lage.
Rz. 18
aa) Mit einer aus PC und Drucker bestehenden Gerätekombination können jedenfalls keine fotomechanischen Vervielfältigungen vorgenommen werden. Unter fotomechanischen Verfahren sind Verfahren der Fotokopie zu verstehen. Mit einer aus PC und Drucker bestehenden Funktionseinheit können keine Fotokopien wie mit einem herkömmlichen Fotokopiergerät angefertigt werden.
Rz. 19
Es erscheint auch zweifelhaft, ob mit einer nur aus PC und Drucker zusammengesetzten Funktionseinheit Vervielfältigungen mittels anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung wie fotomechanische Verfahren erstellt werden können. Diese Zweifel beruhen auf dem Umstand, dass mit einer solchen Gerätekombination nur digitale Vorlagen - beispielsweise Texte oder Bilder, die aus dem Internet heruntergeladen werden oder auf der Festplatte des PCs abgespeichert sind - vervielfältigt werden können.
Rz. 20
(1) Die Regelung des Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie erfasst allerdings nach Auffassung des Senats nicht nur fotomechanische, sondern auch andere - insb. digitale - Vervielfältigungsverfahren. Sie setzt eine dem fotomechanischen Verfahren ähnliche Wirkung und nicht ein dem fotomechanischen Verfahren ähnliches Verfahren voraus.
Rz. 21
(2) Es erscheint jedoch fraglich, ob zur Bestimmung der Verfahren mit ähnlicher Wirkung wie fotomechanische Verfahren allein darauf abgestellt werden kann, ob bei diesen Verfahren - wie bei fotomechanischen Verfahren - im Ergebnis Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger entstehen. Dagegen spricht, dass Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie ohnehin nur Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger erfasst. Die weitere Voraussetzung des Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie, dass es sich dabei um Vervielfältigungen mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung handelt, wäre sinnlos und überflüssig, wenn sie stets schon erfüllt wäre, falls Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger hergestellt werden.
Rz. 22
(3) Die Regelung des Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie könnte daher dahin auszulegen sein, dass es sich bei den anderen Verfahren mit ähnlicher Wirkung wie fotomechanische Verfahren um Verfahren zur Vervielfältigung von analogen Vorlagen auf analogen Trägern handelt. Die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie würde dann nur Verfahren zur Vervielfältigung von Druckwerken betreffen, also Verfahren, die - wie das Verfahren der Reprographie - bewirken, dass von einem analogen Werkstück (etwa einem Buch) analoge Vervielfältigungsstücke (vor allem auf Papier) entstehen.
Rz. 23
Dafür könnte auch folgende Überlegung sprechen: Nach Erwägungsgrund 37 der Richtlinie, der sich auf Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie bezieht, sollen die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, eine Ausnahme oder Beschränkung für die Reprographie vorzusehen. Gemäß Erwägungsgrund 38 der Richtlinie, der die in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie geregelte Privatkopie betrifft, sollen die Mitgliedstaaten die Möglichkeit erhalten, unter Sicherstellung eines gerechten Ausgleichs eine Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht für bestimmte Arten der Vervielfältigung von Ton-, Bild- und audiovisuellem Material zu privaten Zwecken vorzusehen; dabei soll zwischen digitalen und analogen (privaten) Vervielfältigungen unterschieden werden, weil sich analoge (private) Vervielfältigungen auf die Entwicklung der Informationsgesellschaft nicht nennenswert auswirken, digitale (private) Vervielfältigungen hingegen eine weitere Verbreitung finden und größere wirtschaftliche Bedeutung erlangen dürften. Diese Erwägungen könnten darauf hindeuten, dass mit der Reprographie, die nach Erwägungsgrund 37 der Richtlinie keine größeren Hindernisse für den Binnenmarkt schafft und für die daher nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht vorgesehen werden können, die Vervielfältigung von analogen Vorlagen auf analogen Trägern gemeint ist.
Rz. 24
bb) Wird ein Drucker in Kombination mit einem Scanner und einem PC verwendet, können damit nach Ansicht des Senats Vervielfältigungen mittels anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung wie fotomechanische Verfahren vorgenommen werden.
Rz. 25
Die aus Scanner, PC und Drucker gebildete Funktionseinheit kann wie ein herkömmliches Fotokopiergerät dazu eingesetzt werden, von analogen Werkstücken analoge Vervielfältigungsstücke herzustellen, sei es dass die Vorlage originalgetreu auf Papier oder einem ähnlichen Träger wiedergegeben wird oder dass sie vor dem Ausdrucken im PC formatiert oder sonst bearbeitet wird. Dabei ist es unerheblich, dass die einzelnen Geräte ihre dem fotomechanischen Verfahren entsprechende Vervielfältigungsfunktion nur im Zusammenwirken mit anderen Geräten erfüllen können. Entscheidend ist, dass der Vorgang funktional einer Vervielfältigung im fotomechanischen Verfahren entspricht.
Rz. 26
Der Senat hat deshalb in der Vergangenheit auch Vervielfältigungen mittels Readerprintern, mit deren Hilfe auf Mikrofilm oder Mikrofiche verkleinertes Schriftgut lesbar gemacht und ausgedruckt werden kann (BGH, Urt. v. 28.1.1993 - I ZR 34/91, BGHZ 121, 215 - Readerprinter), Telefaxgeräten - sei es mit festem Vorlagenglas, sei es mit Einzugsschlitz oder Stapeleinzug (BGH, Urt. v. 28.1.1999 - I ZR 208/96, BGHZ 140, 326 - Telefaxgeräte) -, Scannern (BGH, Urt. v. 5.7.2001 - I ZR 335/98, GRUR 2002, 246 = WRP 2002, 219 - Scanner) und Multifunktionsgeräten (BGH, Urt. v. 30.1.2008 - I ZR 131/05, GRUR 2008, 786 = WRP 2008, 1229 - Multifunktionsgeräte) als Vervielfältigungen angesehen, die in einem Verfahren mit vergleichbarer Wirkung wie dem Verfahren der Ablichtung erfolgen.
Rz. 27
b) Für den Fall, dass die vorige Frage bejaht wird, stellt sich die weitere Frage, ob die Anforderungen der Richtlinie an einen gerechten Ausgleich für Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht nach Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Gleichbehandlung aus Art. 20 der EU-Grundrechtecharta auch dann erfüllt sein können, wenn nicht die Hersteller, Importeure und Händler der Drucker, sondern die Hersteller, Importeure und Händler eines anderen Geräts oder mehrerer anderer Geräte einer zur Vornahme entsprechender Vervielfältigungen geeigneten Gerätekette Schuldner der angemessenen Vergütung sind.
Rz. 28
Sollten Vervielfältigungen, die durch Geräteketten mittels Druckern vorgenommen werden, als Vervielfältigungen mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie anzusehen sein, wären diese Vervielfältigungen nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F. vergütungspflichtig. Der Senat hat bislang die Auffassung vertreten, es sei grundsätzlich nur dasjenige Gerät einer solchen Funktionseinheit nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F. zur Vornahme von Vervielfältigungen durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung bestimmt und damit vergütungspflichtig, das am deutlichsten dazu bestimmt sei, zusammen mit den anderen Geräten wie ein Vervielfältigungsgerät eingesetzt zu werden. In der aus einem Scanner, einem PC und einem Drucker bestehenden Funktionseinheit sei dies der Scanner. Während fast jeder Scanner im Rahmen einer solchen Funktionseinheit benutzt werde, kämen PC und Drucker häufig auch ohne Scanner zum Einsatz (BGH GRUR 2002, 246, 247 - Scanner; BGHZ 174, 359 Rz. 12 - Drucker und Plotter I). Nach Ansicht des Senats ist diese Auffassung mit Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie und Art. 20 der EU-Grundrechtecharta vereinbar.
Rz. 29
aa) Nach Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten in bestimmten Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht vorsehen. Die Richtlinie unterscheidet dabei Fälle, in denen die Einschränkung des Vervielfältigungsrechts nur zulässig ist, wenn die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a, b und e der Richtlinie), von den übrigen Fällen, in denen es den Mitgliedstaaten freisteht, einen gerechten Ausgleich vorzusehen (Art. 5 Abs. 2 Buchst. c und d, Abs. 3 Buchst. a bis o der Richtlinie; vgl. Erwägungsgrund 36 der Richtlinie).
Rz. 30
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist grundsätzlich der Endnutzer als Schuldner des angemessenen Ausgleichs zu betrachten. Den Mitgliedstaaten steht es jedoch frei, eine Vergütung zu Lasten derjenigen Personen einzuführen, die dem Endnutzer Anlagen, Geräte und Medien zur Vervielfältigung zur Verfügung stellen, da diese Personen den Betrag der Vergütung in den vom Endnutzer entrichteten Preis einfließen lassen können (EuGH, Urt. v. 21.10.2010 - C-467/08, GRUR 2011, 50 Rz. 43-50 - Padawan/SGAE; Urt. v. 16.6.2011 - C-462/09, juris Rz. 18-29 - Stichting/Opus). Da die Bestimmungen der Richtlinie nicht ausdrücklich die Frage regeln, wer den gerechten Ausgleich zu zahlen hat, steht den Mitgliedstaaten bei der Bestimmung der vergütungspflichtigen Person ein weites Ermessen zu (EuGH, Urt. v. 16.6.2011 - C-462/09, juris Rz. 23 - Stichting/Opus).
Rz. 31
Daraus folgt nach Ansicht des Senats, dass die Richtlinie diejenigen Mitgliedstaaten, die sich in zulässiger Weise dafür entschieden haben, den gerechten Ausgleich über ein System der Gerätevergütung zu finanzieren, grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, sämtliche Hersteller, Importeure und Händler der Geräte einer Gerätekette, die zur Vornahme von auszugleichenden Vervielfältigungen benutzt wird, zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs in Anspruch zu nehmen. Vielmehr steht es den Mitgliedstaaten grundsätzlich frei, nur die Hersteller, Importeure und Händler desjenigen Geräts zur Finanzierung heranzuziehen, das am deutlichsten dazu bestimmt ist, zusammen mit den anderen Geräten wie ein Vervielfältigungsgerät eingesetzt zu werden.
Rz. 32
bb) Bei der Auslegung der Richtlinie und des ihrer Umsetzung dienenden nationalen Rechts sind allerdings nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EU-Grundrechtecharta die dort aufgeführten Grundrechte zu beachten (vgl. EuGH, Urt. v. 20.5.2003 - C-465/00, Slg. 2003, I-4989 = EuGRZ 2003, 232 Rz. 68, 80 - Rechnungshof/Österreichischer Rundfunk u.a.; BVerfG [Kammer], GRUR 2007, 1064 Rz. 20; BGH, Urt. v. 14.10.2010 - I ZR 191/08, GRUR 2011, 513 Rz. 20 = WRP 2011, 762 - AnyDVD; Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2010, Art. 51 Rz. 16). Zu diesen Grundrechten zählt das Grundrecht auf Gleichbehandlung nach Art. 20 der EU-Grundrechtecharta.
Rz. 33
Auch das Grundrecht auf Gleichbehandlung gebietet es nach Auffassung des Senats jedoch nicht, sämtliche Hersteller, Importeure und Händler der Geräte einer Gerätekette, die zur Vornahme von auszugleichenden Vervielfältigungen benutzt wird, in dem Maße zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs zu verpflichten, in dem das jeweilige Gerät für solche Vervielfältigungen genutzt wird. Die praktischen Schwierigkeiten, das Maß der Nutzung des jeweiligen Geräts für solche Vervielfältigungen zu bestimmen und mehrere Schuldner zur Finanzierung des Ausgleichs in Anspruch zu nehmen, können es rechtfertigen, allein den Hersteller, Importeur und Händler desjenigen Geräts zur Finanzierung des gesamten Ausgleichs heranzuziehen, das am deutlichsten dazu bestimmt ist, zusammen mit den anderen Geräten wie ein Vervielfältigungsgerät eingesetzt zu werden. Der Schuldner des Ausgleichs wird dadurch nicht unzumutbar belastet, da er den Betrag der Vergütung in den vom Endnutzer zu entrichtenden Preis einfließen lassen kann. Eine andere Beurteilung wäre allenfalls dann geboten, wenn der Schuldner die Last der Vergütung nicht auf die Nutzer der Geräte abwälzen könnte und dadurch in seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit - anders als die Hersteller, Importeure und Händler der anderen Geräte - unzumutbar beeinträchtigt wäre (vgl. BGH GRUR 2008, 786 Rz. 35 - Multifunktionsgeräte, m.w.N.).
Rz. 34
6. Soweit Drucker bei einer mit Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie übereinstimmenden Auslegung des § 54a Abs. 1 UrhG a.F. dem Grunde nach zu den vergütungspflichtigen Vervielfältigungsgeräten gehören, stellen sich im Zusammenhang mit der Bemessung der Höhe der Vergütung weitere Fragen zur Auslegung der Richtlinie.
Rz. 35
Der Anspruch auf angemessene Vergütung nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F. besteht für die durch das Inverkehrbringen des Geräts geschaffene Möglichkeit, Vervielfältigungen durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG a.F. vorzunehmen. Der Vergütungsanspruch des § 54a Abs. 1 UrhG a.F. soll dem Urheber einen Ausgleich für die ihm aufgrund der Einschränkungen seines Vervielfältigungsrechts durch die gesetzliche Lizenz des § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG a.F. entgehenden individual-vertraglichen Lizenzeinnahmen verschaffen (vgl. BGHZ 174, 359 Rz. 23 - Drucker und Plotter I).
Rz. 36
Für die Bemessung der Vergütung nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F. ist es daher entscheidend, in welchem Maß die Vervielfältigungsgeräte bestimmungsgemäß für nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG a.F. zulässige Vervielfältigungen genutzt werden können. Wie bereits oben (Rz. 10 a.E.) ausgeführt, ist nur insoweit, als § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG a.F. Vervielfältigungen eines Werkes zulässt, für die durch das Inverkehrbringen der Vervielfältigungsgeräte geschaffene Möglichkeit, solche Vervielfältigungen vorzunehmen, eine angemessene Vergütung geschuldet. Urheberrechtlich unzulässige Vervielfältigungen begründen keinen Vergütungsanspruch nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F., sondern unter den Voraussetzungen des § 97 UrhG Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz. Urheberrechtlich ohnehin zulässige Vervielfältigungen - wie Vervielfältigungen urheberrechtlich nicht geschützter Inhalte oder eigener Werke - lösen gleichfalls keinen Vergütungsanspruch nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F. aus.
Rz. 37
a) Die in § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG a.F. vorgesehenen Schranken des Vervielfältigungsrechts beruhen auf Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie und sind daher im Lichte dieser Bestimmungen auszulegen. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit die Bestimmungen der Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie, soweit sie durch die Regelungen des § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG a.F. umgesetzt worden sind, Vervielfältigungen erfassen, die mittels Druckern angefertigt werden.
Rz. 38
aa) Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. "sind einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern (zulässig), sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage verwendet wird". Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. darf "der zur Vervielfältigung Befugte ... die Vervielfältigungsstücke auch durch einen anderen herstellen lassen, sofern dies unentgeltlich geschieht oder es sich um Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger photomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung handelt".
Rz. 39
Diese Regelung beruht auf Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/38, 20 f.). Danach können die Mitgliedstaaten Schranken des Vervielfältigungsrechts "in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke unter der Bedingung (vorsehen), dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten, wobei berücksichtigt wird, ob technische Maßnahmen gem. Art. 6 der Richtlinie auf das betreffende Werk oder den betreffenden Schutzgegenstand angewendet wurden".
Rz. 40
(1) Nach Ansicht des Senats kann allerdings kein Zweifel daran bestehen, dass Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie grundsätzlich auch Vervielfältigungen erfasst, die mithilfe von Druckern angefertigt werden, und zwar unabhängig davon, ob sich der Drucker in einer aus Scanner, PC und Drucker oder in einer nur aus PC und Drucker bestehenden Gerätekette befindet. Die Vorschrift betrifft ausdrücklich Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern und enthält keine Einschränkungen hinsichtlich des Vervielfältigungsverfahrens oder der Vervielfältigungsvorlagen. Sie erfasst daher insb. auch Vervielfältigungen von digitalen Vorlagen auf analogen Trägern und damit beispielsweise das Ausdrucken von Texten oder Bildern, die aus dem Internet heruntergeladen werden oder auf der Festplatte des PCs abgespeichert sind.
Rz. 41
(2) Jedoch stellt sich auch in diesem Zusammenhang die Frage, inwieweit es sich bei Vervielfältigungen mittels Druckern um Vervielfältigungen in einem fotomechanischen Verfahren oder anderen Verfahren mit ähnlicher Wirkung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie handelt (vgl. oben Rz. 15 ff.). Gemäß § 54a Abs. 1 UrhG a.F. ist eine angemessene Vergütung nicht für sämtliche Vervielfältigungen, sondern nur für solche Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG a.F. geschuldet, die durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung erfolgen. Soweit der Rechtsinhaber für Vervielfältigungen mittels eines Druckers innerhalb einer Gerätekette nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F. keine angemessene Vergütung erhält, weil es sich dabei nicht um Vervielfältigungen in einem anderen Verfahren mit ähnlicher Wirkung wie ein fotomechanisches Verfahren handelt (was insb. für eine aus PC und Drucker bestehende Funktionseinheit zutreffen könnte, vgl. dazu oben Rz. 18 ff.), ist die Bedingung des gerechten Ausgleichs i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie nicht erfüllt und sind derartige Vervielfältigungen nicht nach § 53 Abs. 1 UrhG a.F. zulässig. Solche Vervielfältigungen könnten dann keinen Vergütungsanspruch gegen den Hersteller, Importeur oder Händler des Druckers begründen, sondern lediglich einen Unterlassungsanspruch und möglicherweise einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Nutzer.
Rz. 42
(3) Zudem stellt sich die Frage, ob bereits die Möglichkeit einer Anwendung von technischen Maßnahmen gem. Art. 6 der Richtlinie die Bedingung eines gerechten Ausgleichs i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie entfallen lässt. Nach Ansicht des Senats ist diese Frage zu verneinen. Nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie und unter Berücksichtigung von Erwägungsgrund 35 der Richtlinie muss bei der Bemessung des gerechten Ausgleichs eine Anwendung technischer Schutzmaßnahmen in vollem Umfang berücksichtigt werden. Daraus ist nach Ansicht des Senats zu schließen, dass die Bedingung eines gerechten Ausgleichs i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie nur dann entfällt, wenn technische Maßnahmen gem. Art. 6 der Richtlinie ein Anfertigen von Vervielfältigungen tatsächlich verhindern.
Rz. 43
bb) Nach § 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4, Satz 2 Nr. 1, Satz 3 UrhG a.F. ist es zulässig, einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes
- zur Aufnahme in ein eigenes Archiv, wenn und soweit die Vervielfältigung zu diesem Zweck geboten ist und als Vorlage für die Vervielfältigung ein eigenes Werkstück benutzt wird (Satz 1 Nr. 2),
- zur eigenen Unterrichtung über Tagesfragen, wenn es sich um ein durch Funk gesendetes Werk handelt (Satz 1 Nr. 3),
- zum sonstigen eigenen Gebrauch, wenn es sich um kleine Teile eines erschienenen Werkes oder um einzelne Beiträge handelt, die in Zeitungen oder Zeitschriften erschienen sind (Satz 1 Nr. 4 Buchst. a) oder wenn es sich um ein seit mindestens zwei Jahren vergriffenes Werk handelt (Satz 1 Nr. 4 Buchst. b),
herzustellen oder herstellen zu lassen, wenn die Vervielfältigung auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger photomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung vorgenommen wird (Satz 2 Nr. 1, Satz 3).
Rz. 44
Diese Regelung beruht auf Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/38, 21). Danach können die Mitgliedstaaten Schranken des Vervielfältigungsrechts "in Bezug auf Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung, mit Ausnahme von Notenblättern und unter der Bedingung (vorsehen), dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten".
Rz. 45
In diesem Zusammenhang stellt sich erneut die Frage, inwieweit es sich bei Vervielfältigungen mittels Druckern um Vervielfältigungen in einem fotomechanischen Verfahren oder anderen Verfahren mit ähnlicher Wirkung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie handelt (vgl. oben Rz. 15 ff.). Diese Frage hat erhebliche praktische Bedeutung. Ist sie zu bejahen, handelt es sich beispielsweise dann um nach § 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a, Satz 2 Nr. 1, Satz 3 UrhG a.F. zulässige und demzufolge nach § 54a Abs. 1 UrhG a.F. vergütungspflichtige Vervielfältigungen zum sonstigen eigenen Gebrauch, wenn Rechtsanwälte einzelne Beiträge aus Fachzeitschriften, die etwa auf einem Server oder auf einer CD-ROM gespeichert sind, zum eigenen beruflichen Gebrauch ausdrucken oder ausdrucken lassen.
Rz. 46
b) Hinsichtlich sämtlicher in Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie vorgesehenen Einschränkungen des Vervielfältigungsrechts stellt sich weiter die Frage, ob die Bedingung (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie) und die Möglichkeit (vgl. Erwägungsgrund 36 der Richtlinie) eines gerechten Ausgleichs entfällt, soweit die Rechtsinhaber einer Vervielfältigung ihrer Werke ausdrücklich oder konkludent zugestimmt haben.
Rz. 47
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in der Entscheidung "Padawan" ausgeführt, aus den Erwägungsgründen 35 und 38 der Richtlinie ergebe sich, dass der gerechte Ausgleich den Urhebern die "ohne ihre Genehmigung" erfolgte Nutzung ihrer geschützten Werke angemessen vergüten solle (EuGH GRUR 2011, 50 Rz. 39, 40 und 45).
Rz. 48
Dies könnte dahin zu verstehen sein, dass die Bedingung eines gerechten Ausgleichs (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie) oder die Möglichkeit eines gerechten Ausgleichs (vgl. Erwägungsgrund 36 der Richtlinie) nicht besteht, soweit der Rechtsinhaber eine Nutzung seines Werkes genehmigt hat. Dem könnte die Überlegung zugrunde liegen, dass die Vervielfältigung eines geschützten Werkes in einem solchen Fall bereits aufgrund der Genehmigung des Rechtsinhabers und nicht erst aufgrund einer von den Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie vorgesehenen Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht zulässig ist und dem Rechtsinhaber daher kein Schaden durch die in der nationalen Regelung vorgesehene Einschränkung seines Vervielfältigungsrechts entsteht.
Rz. 49
Nach Ansicht des Senats sind jedoch von den Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie vorgesehene Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht gegenüber einer ausdrücklichen oder konkludenten Genehmigung einer solchen Vervielfältigung durch den Rechtsinhaber vorrangig. Soweit solche Einschränkungen des Vervielfältigungsrechts reichen, nehmen sie dem Rechtsinhaber die Möglichkeit, Vervielfältigungen zu verbieten oder zu gestatten. Eine Genehmigung der bereits aufgrund der Einschränkungen des Vervielfältigungsrechts zulässigen Vervielfältigungen durch den Rechtsinhaber geht ins Leere und lässt die Bedingung oder die Möglichkeit eines gerechten Ausgleichs unberührt. Soweit der Senat in den Entscheidungen "Drucker und Plotter I" und "PC I" bei seinen Überlegungen zu einer entsprechenden Anwendbarkeit des § 54a Abs. 1 UrhG a.F. einen anderen Standpunkt vertreten hat (BGHZ 174, 359 Rz. 23 - Drucker und Plotter I; BGH, Urt. v. 2.10.2008 - I ZR 18/06, GRUR 2009, 59 = WRP 2009, 80 Rz. 19 - PC I), hält er daran nicht mehr fest.
Rz. 50
Selbst wenn Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht gegenüber einer Genehmigung des Rechtsinhabers nicht als vorrangig anzusehen wären, ist die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache "Padawan" nach Ansicht des Senats jedenfalls nicht dahin zu verstehen, dass eine Genehmigung der Vervielfältigung durch den Rechtsinhaber - ohne gleichzeitige Vergütungsabrede - einen gerechten Ausgleich nach der Richtlinie ausschlösse (vgl. BVerfG, GRUR 2011, 223 Rz. 24). Erwägungsgrund 35 der Richtlinie besagt lediglich, dass in Fällen, in denen Rechtsinhaber bereits Zahlungen in anderer Form erhalten haben, z.B. als Teil einer Lizenzgebühr, ggf. keine spezifische oder getrennte Zahlung fällig sein kann.
Fundstellen
Haufe-Index 2742468 |
EBE/BGH 2011 |
CR 2011, 713 |
GRUR 2011, 1007 |
WRP 2011, 1478 |
ZUM-RD 2011, 531 |
GRUR-Prax 2011, 425 |
K&R 2011, 647 |
MMR 2011, 751 |
GRUR-Int. 2011, 955 |
Mitt. 2012, 191 |