Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß des 2. Zivilsenats des Kammergerichts vom 5. Juni 2000 aufgehoben.
Dem Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Schlußurteil der Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin vom 18. Januar 2000 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt.
Beschwerdewert: 23.425,36 DM.
Gründe
I. Der Beklagte wurde im Urkundenprozeß durch Vorbehaltsurteil des Landgerichts Berlin vom 30. September 1999 zur Zahlung von 23.425,36 DM nebst Zinsen verurteilt. Gegen das Schlußurteil des Landgerichts vom 18. Januar 2000, durch welches das Vorbehaltsurteil vom 30. September 1999 für vorbehaltslos erklärt wurde, hat der Beklagte am 9. März 2000 rechtzeitig Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 10. April 2000, eingegangen am 11. April 2000, begründet. Auf den gerichtlichen Hinweis vom 19. April 2000, zugestellt am 28. April 2000, daß die Berufungsbegründung am 10. April 2000 (Montag) hätte eingehen müssen, hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 3. Mai 2000, eingegangen am 5. Mai 2000, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist begehrt. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Rechtsanwaltsangestellte W. seiner Prozeßbevollmächtigten sei am 10. April 2000 angewiesen worden, den Schriftsatz vorab per Telefax dem Gericht zu übersenden. Dies habe sie jedoch versehentlich versäumt und den Schriftsatz stattdessen nur für den Nachtbriefkasten ausgefertigt, ohne sich dahingehend zu vergewissern, daß dort eine Zustellung noch rechtzeitig erfolgen könne. Da Frau W. irrtümlich davon ausgegangen sei, daß die Zustellung über den Nachtbriefkasten noch rechtzeitig erfolgen werde, habe sie auch die entsprechende Endfrist im Fristenbuch als erledigt streichen lassen.
Das Oberlandesgericht hat durch Beschluß vom 5. Juni 2000 den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und gleichzeitig die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Beklagten könne Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht gewährt werden, da er sich ein Organisationsverschulden seiner Prozeßbevollmächtigten entgegenhalten lassen müsse. Die dem Rechtsanwalt obliegende wirksame Ausgangskontrolle erfordere es, daß Notfristen erst dann im Fristenkalender gelöscht würden, wenn das fristwahrende Schriftstück tatsächlich abgesandt worden oder zumindest sicher Vorsorge dafür getroffen worden sei, daß es tatsächlich rechtzeitig hinausgehe. Bei der Übermittlung fristwahrender Schriftstücke per Telefax ende die Pflicht des Anwalts zur Ausgangskontrolle erst dann, wenn feststehe, daß der Schriftsatz wirklich übermittelt worden sei. Der Rechtsanwalt komme seiner Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, dabei nur dann nach, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteile, sich einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen. Daß eine solche Anweisung im Büro der Prozeßbevollmächtigten des Beklagten bestanden habe, ergebe sich aus den im Wiedereinsetzungsgesuch mitgeteilten Umständen nicht.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten.
II. Das form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel hat Erfolg.
An der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist, die am 10. April 2000 ablief, trifft die Prozeßbevollmächtigte des Beklagten kein Verschulden, das dieser sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO anrechnen lassen müßte.
Nach dem dargelegten Geschehensablauf, der durch eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsangestellten W. vom 3. Mai 2000 glaubhaft gemacht worden ist, war diese von der Prozeßbevollmächtigten des Beklagten am Tage des Fristablaufs angewiesen worden, den Berufungsbegründungsschriftsatz vorab per Telefax zum Zwecke der Fristwahrung dem Berufungsgericht zuzusenden; diese Anweisung war der Rechtsanwaltsangestellten jedoch entfallen, so daß sie den Schriftsatz lediglich für den Nachtbriefkasten ausfertigte. Bei diesem Sachverhalt ist die Prozeßbevollmächtigte des Beklagten ihrer Verpflichtung, für den rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung zu sorgen, dadurch nachgekommen, daß sie der Rechtsanwaltsangestellten W. eine konkrete Einzelanweisung erteilt hatte, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Auf die Befolgung der Weisung durch die bisher als zuverlässig erwiesene Frau W. durfte sich die Prozeßbevollmächtigte des Beklagten verlassen. Wurde die erteilte Weisung nicht ausgeführt, trifft die Prozeßbevollmächtigte des Beklagten daher kein Verschulden (st.Rspr. vgl. Senatsbeschluß vom 18. Februar 1998 – VIII ZB 1/98, NJW-RR 1998, 932; BGH, Beschluß vom 18. März 1998 – XII ZB 180/96, NJW-RR 1998, 1360 f; BGH, Beschluß vom 17. Juni 1998 – VIII ZB 14/98, NJW-RR 1998, 1444 f; zuletzt BGH, Beschluß vom 6. Juli 2000 – VII ZB 4/00, NJW 2000, 2823).
Daß im Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagten nichts zu der im Büro seiner Prozeßbevollmächtigten bestehenden Ausgangskontrolle bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax (vgl. BGH, Beschluß vom 19. November 1997 – VIII ZB 33/97, NJW 1998, 907 f m.w.Nachw.) ausgeführt worden ist, steht der beantragten Wiedereinsetzung nicht entgegen. Auf die allgemeinen Hinweise für die Einhaltung von Fristen durch Telefaxübersendung, wie sie unter III 2 des mit der Beschwerdebegründung vom 28. Juni 2000 vorgelegten Handbuchs für das Sekretariat enthalten sind, kommt es schon deshalb nicht an, weil der Rechtsanwaltsangestellten W. entfallen war, daß sie die Berufungsbegründung durch Telefax übermitteln sollte. Das gleiche gilt für die in dem Handbuch enthaltenen allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen bei Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen durch Boten zum Nachtbriefkasten sowie zur Streichung von Fristen „bei endgültiger Erledigung der Sache”, zu welchen mit der Beschwerdebegründung erstmals vorgetragen worden ist; denn vorliegend ist eine konkrete Einzelanweisung erteilt worden, die bei ihrer Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (BGH, Beschluß vom 23. April 1997 – XII ZB 56/97, NJW 1997, 1930 f; BGH, Beschluß vom 18. März 1998 aaO; BGH, Beschluß vom 25. März 1998 – IV ZB 1/98, BGHR ZPO § 233 Einzelanweisung 2; BGH, Beschluß vom 6. Juli 2000 aaO). Es bedarf daher keines Eingehens darauf, aus welchem Grund die Berufungsbegründung vom 10. April 2000 nicht mehr rechtzeitig am gleichen Tage in den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts gelangt ist, obwohl Frau W. nach ihrer Darstellung von einem noch rechtzeitigen Einwurf der Berufungsbegründungsschrift in den Nachtbriefkasten ausging und aus diesem Grund die Frist im Fristenkalender mit dem Zusatz „NB” (Nachtbriefkasten) streichen ließ. Im übrigen wäre ein hierin liegendes Verschulden der Rechtsanwaltsangestellten dem Beklagten ebenfalls nicht zuzurechnen.
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Dr. Leimert, Dr. Wolst
Fundstellen