Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 14.01.1988; Aktenzeichen 5 U 348/86) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 14. Januar 1988 – 5 U 348/86 wird nicht angenommen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 97 Abs. 1, ZPO).
Streitwert: 38.400,– DM
Gründe
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 554 b ZPO). Die Revision hat auch im Ergebnis keine Aussicht auf Erfolg (BVerfGE 54, 277).
1. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Haftungsbeschränkung des § 636 RVO komme nicht zur Anwendung, weil der Unfall, durch den der Kläger verletzt wurde, sich bei Teilnahme am allgemeinen Verkehr ereignet habe. Dagegen wendet die Revision sich ohne Erfolg.
Nach dem Zweck des Ausnahmetatbestandes für die „Teilnahme am allgemeinen Verkehr” sollen die Haftungsbefreiungen, die die §§ 636, 637 RVO an das betriebsbezogene Verhältnis zwischen dem versicherten Verletzten und dem Schädiger knüpfen, für einen Bereich entfallen, in dem der Versicherte jedem anderen Verkehrsteilnehmer gleichsteht, so daß es unbillig wäre, ihn insoweit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern durch eine Beschränkung seiner Ansprüche zu benachteiligen. Die Regelung will diejenigen Fälle erfassen, in denen der Versicherte den Gefahrenbereich, in dem er durch die Zugehörigkeit zu seinem Betrieb betroffen ist, verläßt und sich als normaler Verkehrsteilnehmer in den Gefahrenbereich des allgemeinen Verkehrs begibt. Deshalb ist nicht allein maßgebend, wo der Unfall sich ereignet hat, sondern auch, inwieweit er mit dem Betrieb und der Berufstätigkeit des Versicherten zusammenhängt. Entscheidend ist, ob sich in dem Unfall das betriebliche Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem manifestiert oder ob dieses Verhältnis zum Unfall keinen oder nur einen äußeren Zusammenhang hat (BGH Urteil vom 19. Januar 1988 – VI ZR 199/87 – BGHR RVO § 636 Abs. 1 Verkehr, Allgemeiner 2; st. Rspr.).
Der von dem Kläger geführte Bus und der mit ihm zusammengestoßene Panzer waren im Rahmen verschiedener militärischer Übungen unterwegs, die organisatorisch in keiner Verbindung standen. Sie begegneten sich außerhalb eines Truppenübungsplatzes oder eines sonstigen abgegrenzten militärischen Bereichs auf einer dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straße. Daraus hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum den Schluß gezogen, daß der Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge sich im Rahmen der Teilnahme am allgemeinen Verkehr i.S.v. § 636 RVO ereignet hat.
Aus den Urteilen des Senats und des Bundesarbeitsgerichts, auf die die Revision sich beruft, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Fälle sind von dem vorliegenden in tatsächlicher Hinsicht wesentlich verschieden.
In dem vom Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 14. März 1967 – I AZR 310/66 – VersR 1967, 656) beurteilten Fall waren zwei Fahrzeuge desselben Betriebs zum gemeinsamen Transport von Betriebsangehörigen zu und von einer Baustelle eingesetzt. Der Zusammenstoß zwischen ihnen ereignete sich daher im Rahmen eines einheitlichen Betriebsvorgangs, an dem beide beteiligt waren. So liegt der hier zu entscheidende Fall gerade nicht. Denn nach den Feststellungen waren die Aufträge, aufgrund deren der Bus und der Panzer unterwegs waren, organisatorisch völlig unabhängig voneinander.
In dem dem Senatsurteil vom 19. Oktober 1978 – III ZR 59/77 – VersR 1979, 32 – zugrundeliegenden Fall ereignete der Unfall sich auf einer „zum Übungsplatz gehörenden Panzerringstraße …, die uneingeschränkt nur für den Militärverkehr freigegeben war und dem zivilen Verkehr lediglich auf Anlieger beschränkt zur Verfügung stand.” Hier handelt es sich bei dem Unfallort um eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße. Den Umstand, daß diese Straße im Bereich der Unfallstelle tatsächlich als Verbindungsstraße zwischen zwei Truppenübungsplätzen diente und infolgedessen in verstärktem Maße mit Militärfahrzeugen zu rechnen war, reicht nicht aus, um sie wie eine Straße innerhalb eines Truppenübungsplatzes zu behandeln. Bei einer solchen Ausdehnung des Betriebsbereichs in die tatsächliche Umgebung des Betriebs würden die Grenzen des Ausnahmetatbestandes des allgemeinen Verkehrs in einem die Anwendbarkeit der Vorschrift unvertretbar erschwerenden Maße verwischt.
2. Auch die Bemessung des Mitverursachungsanteils mit 20 % zu Lasten des Klägers läßt Rechtsfehler nicht erkennen.
Die Abwägung der Mitverursachungsanteile durch den Tatrichter ist mit der Revision nur begrenzt angreifbar. Das Revisionsgericht kann lediglich nachprüfen, ob der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrundeliegen und ob der Tatrichter dabei alle Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstoßen hat (Senatsurteil vom 30. September 1982 – III ZR 110/81 – VersR 1982, 1196, 1197 f.; BGH Urteile vom 17. November 1964 – VI ZR 188/63 – VersR 1965, 88 und vom 8. Dezember 1987 – VI ZR 82/87 – VersR 1988, 412, 413). Die Revision zeigt revisionsrechtlich beachtliche Fehler dieser Art nicht auf.
Unterschriften
Krohn, Kröner, Engelhardt, Halstenberg, Werp
Fundstellen