Entscheidungsstichwort (Thema)

Reisekosten des Rectsanwalts eines Unternehmens zum auswärtigen Gericht

 

Leitsatz (amtlich)

Beauftragt ein Unternehmen, das bei einem auswärtigen Gericht klagt oder verklagt wird, einen Rechtsanwalt mit der Prozessführung, der weder am Gerichtsort noch am Unternehmenssitz der Partei und auch nicht an dem Ort der unternehmensinternen Bearbeitung der Sache ansässig ist, sind die Reisekosten des Rechtsanwalts regelmäßig nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten vom Unternehmenssitz zum Gerichtsort erstattungsfähig.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 20.04.2009; Aktenzeichen 18 W 363/08)

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 01.08.2008; Aktenzeichen 3/3 O 70/07)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 18. Zivilsenats des OLG Frankfurt vom 20.4.2009 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Gegenstandswert: 516,98 EUR

 

Gründe

Rz. 1

I. Die Klägerin ist eine in London ansässige Versicherungsgesellschaft, die über eine Zweigniederlassung in Düsseldorf verfügt. Eine Rechtsabteilung hat die Düsseldorfer Zweigniederlassung nicht.

Rz. 2

Die Klägerin nahm die Beklagte wegen eines Transportschadens vor dem LG Frankfurt/M. auf Zahlung von 14.300 EUR nebst Zinsen in Anspruch. Mit der Prozessvertretung beauftragte sie in Hamburg ansässige Rechtsanwälte, die auch die vorprozessuale Anspruchsdurchsetzung übernommen hatten. Nach dem zwischen den Parteien zustande gekommenen gerichtlichen Vergleich hat die Klägerin 30 % und die Beklagte 70 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Rz. 3

Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens hat die Klägerin Kosten eines unterbevollmächtigten Rechtsanwalts für die Wahrnehmung von zwei Terminen vor dem LG Frankfurt/M. i.H.v. 1.269,85 EUR zur Kostenausgleichung angemeldet. Das LG hat bei der Kostenausgleichung die Kosten des unterbevollmächtigten Rechtsanwalts nur bis zur Höhe der Reisekosten für zwei Fahrten von Düsseldorf nach Frankfurt zur Terminswahrnehmung i.H.v. 531,30 EUR berücksichtigt.

Rz. 4

Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie die Festsetzung weiterer 516,98 EUR begehrt hat, hat das OLG zurückgewiesen. Mit ihrer (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Rz. 5

II. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.

Rz. 6

1. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Unterbevollmächtigten richtet sich nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO (BGH, Beschl. v. 9.9.2004 - I ZB 5/04, GRUR 2005, 84 f. = WRP 2004, 1492 - Unterbevollmächtigter II). Um dem erforderlichen persönlichen Kontakt und dem Vertrauensverhältnis zwischen Partei und Anwalt Rechnung zu tragen, kann eine Partei grundsätzlich die Kosten ihres Prozessbevollmächtigten auch dann erstattet verlangen, wenn dieser bei dem Prozessgericht nicht zugelassen und am Gerichtsort nicht ansässig ist (vgl. BGH, Beschl. v. 18.12.2003 - I ZB 18/03, GRUR 2004, 448 = WRP 2004, 495 - Auswärtiger Rechtsanwalt IV; Beschl. v. 6.5.2004 - I ZB 27/03, GRUR 2004, 886 = WRP 2004, 1169 - Auswärtiger Rechtsanwalt im Berufungsverfahren). Die dann ggf. zusätzlich entstehenden Kosten eines Unterbevollmächtigten sind zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aber nur insoweit erstattungsfähig, als sie die durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten ersparten erstattungsfähigen Reisekosten des Hauptbevollmächtigten nicht wesentlich übersteigen (BGH, Beschl. v. 14.9.2004 - VI ZB 37/04, NJW-RR 2005, 707, 708; Beschl. v. 21.9.2005 - IV ZB 11/04, NJW 2006, 301, 302; Beschl. v. 28.6.2006 - IV ZB 44/05, NJW 2006, 3008 Rz. 7).

Rz. 7

Maßstab für die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten des Hauptbevollmächtigten ist dabei § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO. Danach ist die Beauftragung des Hauptbevollmächtigten nicht erforderlich, wenn ein am Ort des Prozessgerichts ansässiger Rechtsanwalt als Hauptbevollmächtigter hätte beauftragt werden müssen (BGH, Beschl. v. 13.5.2004 - I ZB 3/04, NJW-RR 2004, 1212, 1213).

Rz. 8

2. Die Klägerin war zwar nicht gehalten, einen Bevollmächtigten am Gerichtsort zu beauftragen. Sie kann aber auch nicht die höheren Kosten beanspruchen, die dadurch entstanden sind, dass sie einen Hauptbevollmächtigten an einem vom Unternehmenssitz abweichenden dritten Ort beauftragt hat.

Rz. 9

Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Klägerin habe vorgetragen, dass sie über keine eigene Rechtsabteilung verfüge, als international tätiger Versicherer die in Hamburg ansässigen Prozessbevollmächtigten regelmäßig mit der außergerichtlichen und gerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im nationalen und internationalen Bereich beauftrage und diese im Jahr mit der Prüfung mehrerer hundert derartiger Vorgänge befasst würden. Diese Organisationsform, die den berechtigten Interessen der Klägerin Rechnung trägt, sich durch einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens auch vor auswärtigen Gerichten vertreten zu lassen, muss die Beklagte zwar grundsätzlich hinnehmen (vgl. BGH NJW 2006, 3008 Rz. 12). Erstattungsfähig sind die fiktiven Reisekosten des Hauptbevollmächtigten, der eine Partei vertritt, die bei einem auswärtigen Gericht klagt, und der weder am Gerichtsort noch am Unternehmenssitz der Partei ansässig ist, regelmäßig aber nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten vom Unternehmenssitz zum Gerichtsort (vgl. BGH, Beschl. v. 23.1.2007 - I ZB 42/06, GRUR 2007, 726 Rz. 13 = WRP 2007, 957 - Auswärtiger Rechtsanwalt VI). Eine Ausnahme hiervon kommt in Betracht, wenn ein Unternehmen einen Prozessbevollmächtigten an dem Ort beauftragt, an dem die vorausgegangene unternehmensinterne Bearbeitung der Sache erfolgt ist (vgl. BGH, Beschl. v. 20.5.2008 - VIII ZB 92/07, NJW-RR 2009, 283 Rz. 7). Einen derartigen Ausnahmefall hat das Berufungsgericht vorliegend aber zutreffend verneint. Dagegen ist es nach der Rechtsprechung des BGH für sich allein noch kein ausreichender Grund zur Beauftragung des auswärtigen an einem dritten Ort ansässigen Prozessbevollmächtigten, wenn zwischen der Partei und dem Prozessbevollmächtigten eine vertrauensvolle Zusammenarbeit besteht (BGH NJW-RR 2009, 283 Rz. 8). Damit vergleichbar ist der vorliegende Fall, in dem die Klägerin nicht an ihrem Unternehmenssitz in Düsseldorf, sondern in Hamburg ansässige Prozessbevollmächtigte vorprozessual und prozessual mit der Rechtsverfolgung beauftragt.

Rz. 10

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2885623

DB 2012, 229

NJW 2012, 8

EBE/BGH 2012

NJW-RR 2012, 381

JurBüro 2012, 201

ZAP 2012, 400

MDR 2012, 191

Rpfleger 2012, 288

VersR 2012, 595

GuT 2012, 58

HRA 2012, 8

RENOpraxis 2012, 106

RVGreport 2012, 114

BRAK-Mitt. 2012, 88

MarkenR 2012, 74

Mitt. 2012, 140

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