Verfahrensgang
OLG Hamburg (Entscheidung vom 20.01.2023; Aktenzeichen 1 U 76/21) |
LG Hamburg (Entscheidung vom 18.05.2021; Aktenzeichen 311 O 156/17) |
Tenor
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts - 1. Zivilsenat - vom 20. Januar 2023 zugelassen.
Das Urteil wird gemäß § 544 Abs. 9 ZPO aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des dritten Rechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 26.650,56 €
Gründe
I.
Rz. 1
Der Kläger nimmt den Beklagten im Zusammenhang mit einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage auf Schadensersatz in Anspruch.
Rz. 2
Er beteiligte sich im Dezember 2014 auf Anraten eines Vermittlers mit einem Mezzanine-Darlehen (Nachrangdarlehen) in Höhe von 25.000 € (zuzüglich 875 € Agio) und einer Laufzeit bis Ende 2017 an der D. B. H. VII GmbH (nachfolgend Fonds VII oder Fondsgesellschaft). Mit dem eingeworbenen Kapital sollte sich die Fondsgesellschaft an einer türkischen Projektgesellschaft beteiligen, die wiederum acht Wasserkraftwerke in der Türkei bauen und in Betrieb nehmen sollte. Nach den den Anlegern zugänglich gemachten Produktinformationen (bezeichnet als "Memorandum") sollten die Bauarbeiten 2014 begonnen werden und Ende 2015 abgeschlossen sein. Sodann war beabsichtigt, dass die Fondsgesellschaft ihre Beteiligung an der Projektgesellschaft bis 2017 gewinnbringend an einen Investor verkaufte. Für die Überlassung der Darlehen wurde den Anlegern eine Verzinsung von 11,25 % im Jahr 2014 und 5 % in den Jahren 2015-2017 nebst Erfolgsbeteiligung in Aussicht gestellt.
Rz. 3
Die Fondsgesellschaft (Fonds VII) war Teil einer Unternehmensgruppe. Muttergesellschaft war die D. B. AG, deren Tochtergesellschaft die D. B. V. II GmbH war. Der Fonds VII und die D. B. F. S. GmbH - die für den Vertrieb der Fondsprodukte zuständig und deren Geschäftsführer der Beklagte seit 2012 war - waren ihrerseits Tochtergesellschaften der D. B. V. II GmbH. Vorstand der Muttergesellschaft und Geschäftsführer des Fonds VII war der vom Kläger als Zeuge benannte Y. D..
Rz. 4
Zum Unternehmenskonglomerat gehörte auch der Vorgängerfonds des Fonds VII, die D. H. VI GmbH & Co. KG (nachfolgend Fonds VI), die ebenfalls ein Investment - dort in Form einer unternehmerischen Beteiligung - in in der Türkei zu errichtende Wasserkraftwerke zum Gegenstand hatte. Wegen der missbräuchlichen Verwendung von Geldern dieses Fonds wurde Y. D. unter Einbeziehung einer weiteren Verurteilung Anfang 2018 rechtskräftig wegen Untreue in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und vier Monaten verurteilt.
Rz. 5
Auch das für den Fonds VII eingeworbene Kapital wurde nach den vorinstanzlichen Feststellungen von Y. D. veruntreut. Das diesbezügliche Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt. Y. D. lebt mittlerweile in der Türkei. Die Fondsgesellschaft (Fonds VII) ist insolvent und masselos.
Rz. 6
Der Kläger hat behauptet, Y. D. habe nie vorgehabt, das für den Fonds VII eingesammelte Geld in eine türkische Projektgesellschaft zu investieren und später an die Anleger zurückzuzahlen. Dementsprechend habe es - entgegen den Angaben im "Memorandum" - nie eine Mittelverwendungskontrolle gegeben. Dies habe auch der Beklagte gewusst, der zu der rechtswidrigen Verwendung der Gelder Beihilfe geleistet habe, indem er den Vertrieb der Nachrangdarlehen organisiert und neben Y. D. eine Schlüsselposition eingenommen habe. Der Beklagte ist dem entgegengetreten.
Rz. 7
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Zwar hat das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers zu der Organisation des Vertriebs durch den Beklagten in Kenntnis einer geplanten zweckwidrigen Verwendung der eingesammelten Gelder durch Y. D. anders als das Landgericht für schlüssig gehalten, einen entsprechenden Beweisbeschluss über die Vernehmung des Y. D. als Zeugen erlassen und Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. Nachdem dieser in zwei Telefonaten mit dem Einzelrichter des Berufungsgerichts geäußert hatte, nicht zu einem Gerichtstermin nach Deutschland reisen zu wollen und nicht bereit zu sein, in der Sache auszusagen, hat die Vorinstanz den Zeugen aber als unerreichbar und den vom Kläger zu führenden Beweis als nicht erbracht angesehen.
II.
Rz. 8
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Zu Recht rügt der Kläger, die Vorinstanz habe sein Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
Rz. 9
1. Auf der Grundlage des Klägervorbringens kann ein gegen den Beklagten gerichteter Anspruch aus unerlaubter Handlung nicht ausgeschlossen werden.
Rz. 10
Nach § 826 BGB ist derjenige zum Schadensersatz verpflichtet, der einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt. Geschäftsführer, (faktische) Geschäftsleiter oder Vorstandsmitglieder einer Gesellschaft haften nach § 826 BGB auf Schadensersatz, wenn das von ihnen ins Werk gesetzte Geschäftsmodell der Gesellschaft von vornherein auf Täuschung und Schädigung der Kunden angelegt ist, es sich mithin um ein Schwindelunternehmen handelt (vgl. zB Senat, Versäumnisurteil vom 4. Februar 2021 - III ZR 7/20, NJW 2021, 1759 Rn. 16; BGH, Versäumnisurteil vom 14. Juli 2015 - VI ZR 463/14, WM 2015, 2112 Rn. 24; jeweils mwN). Dies ist etwa der Fall, wenn das Konzept von Beginn an chancenlos ist und im Ergebnis nur dem eigenen Vorteil der maßgeblich damit befassten Personen dient (vgl. Senat aaO; BGH, Urteil vom 17. März 2015 - VI ZR 11/14, WM 2015, 819 Rn. 26). In einem solchen Vorgehen kann zugleich ein Eingehungsbetrug zum Nachteil der jeweiligen Anleger liegen und damit ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bestehen (Senat aaO Rn. 17 mwN). Die Voraussetzungen für die Teilnahme an einer unerlaubten Handlung im Sinne von § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB richten sich nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Für eine Beihilfehandlung muss ein Verhalten festgestellt werden, das den rechtswidrigen Eingriff in ein fremdes Rechtsgut unterstützt hat und von der Kenntnis der Tatumstände und dem auf die Rechtsgutverletzung gerichteten Willen getragen war (BGH, Urteil vom 11. September 2012 - VI ZR 92/11, WM 2012, 2195 Rn. 24). Eine Hilfeleistung in diesem Sinne ist jede Handlung, die die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert, wobei sie für den Eintritt des Erfolges in seinem konkreten Gepräge nicht in irgendeiner Weise kausal geworden sein muss (BGH aaO mwN). Eine Teilnahme verlangt neben der Kenntnis der Tatumstände wenigstens in groben Zügen den Willen des jeweiligen Beteiligten, die Tat gemeinschaftlich mit anderen auszuführen oder sie als fremde Tat zu fördern. Ein darauf bezogener bedingter Vorsatz kann auch dann zu bejahen sein, wenn sich der Betreffende trotz der sich aufgrund der ihm bekannten Umstände aufdrängenden Missbrauchsgefahr einer Kenntnis bewusst verschließt und seine Berufspflichten in einem solchen Maß leichtfertig verletzt, dass sein Verhalten als bedenken- und gewissenlos zu bezeichnen ist (vgl. zB BGH, Urteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 39, 43).
Rz. 11
Dies zugrunde gelegt, ist eine Haftung des Beklagten als Teilnehmer/Gehilfe einer unerlaubten Handlung (§§ 826, 830 BGB; § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB - oder § 266 oder § 246 Abs. 2 StGB) ohne weiteres zu bejahen, wenn er bei der Einwerbung des für den Fonds VII benötigten Kapitals gewusst oder billigend in Kauf genommen hat, dass der Zeuge Y. D. die Umsetzung des Fondskonzepts nicht beabsichtigte, sondern die Gelder für andere Zwecke - sei es für bestehende Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit dem Fonds VI oder für sonstige Belange - verwenden wollte und damit die Anleger keine Chance hatten, ihr Geld zurückzuerhalten, oder er die Augen bewusst vor einer solchen sich ihm aufdrängenden Erkenntnis verschlossen hat. Denn in diesem Fall hat er mit seiner Vertriebstätigkeit den Absatz eines von ihm als von vornherein chancenlos erkannten Anlageprodukts objektiv und (bedingt) vorsätzlich gefördert.
Rz. 12
2. Das Berufungsgericht hat dementsprechend zutreffend das unmittelbar unter Beweis durch das Zeugnis des Y. D. gestellte Klägervorbringen für schlüssig gehalten und einen Beweisbeschluss über die Behauptung erlassen, der Beklagte, dem im Sommer 2014 bekannt gewesen sei, dass die über den Vorgängerfonds finanzierten Wasserkraftwerke nicht verkauft und übergeben worden seien, habe in Kenntnis der nicht beabsichtigten Umsetzung des Anlagekonzepts des Fonds VII dafür gesorgt, dass der Vertrieb unwissende Anleger akquiriert und der Zeuge Y. D. die so eingesammelten Gelder zweck- und prospektwidrig für andere Zwecke habe verwenden können.
Rz. 13
In der Folge hat das Oberlandesgericht jedoch von der beabsichtigten Erhebung des angebotenen Beweises abgesehen und damit das Verfahrensgrundrecht des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn dies im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (st. Rspr.; vgl. zB Senat, Urteil vom 16. März 2023 - III ZR 104/21, NJW 2023, 1734 Rn. 13 und Beschluss vom 25. November 2021 - III ZR 202/20, BeckRS 2021, 41003 Rn. 10; BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 - VI ZR 1206/20, NJW-RR 2021, 1294 Rn. 7; jew. mwN). Dies ist vorliegend der Fall, denn die Vorinstanz durfte den Zeugen jedenfalls auf der Grundlage des derzeitigen Sachstands nicht als unerreichbar ansehen (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 5 StPO). Dafür genügte es nicht, dass der Zeuge nicht bereit war, nach Deutschland zu reisen, und sein Erscheinen vor dem Prozessgericht auch nicht erzwungen werden durfte. Ebenso wenig reichte es, dass der Zeuge telefonisch zum Ausdruck gebracht hatte, "generell" in der Sache nicht aussagen zu wollen. Vielmehr hätte das Oberlandesgericht versuchen müssen, den Zeugen Y. D. im Wege der Rechtshilfe in der Türkei vernehmen zu lassen.
Rz. 14
a) An die Annahme der Unerreichbarkeit eines Zeugen sind strenge Anforderungen zu stellen. Die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Unerreichbarkeit eines Zeugen ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Gericht unter Beachtung seiner Aufklärungspflicht alle der - hier erheblichen - Bedeutung des Zeugnisses entsprechenden Bemühungen zur Beibringung des Zeugen vergeblich entfaltet hat und keine begründete Aussicht besteht, das Beweismittel in absehbarer Zeit beizubringen (zB BGH, Beschluss vom 24. Juli 2013 - IV ZR 110/12, RdTW 2013, 398 Rn. 10). Vor diesem Hintergrund hätte sich das Berufungsgericht nicht mit den telefonischen Auskünften des Zeugen Y. D. zufriedengeben dürfen.
Rz. 15
aa) Die fehlende Bereitschaft eines Zeugen, in Deutschland auszusagen, führt für sich allein nicht dazu, dass dieses Beweismittel unerreichbar wäre. Steht fest, dass ein im Ausland lebender Zeuge vor dem Prozessgericht nicht erscheinen wird, darf er trotz der Möglichkeit der Vernehmung durch den Richter gemäß § 363 ZPO (Beweisaufnahme im Ausland) nur dann als unerreichbar angesehen werden, wenn allein seine Vernehmung vor dem erkennenden Gericht zur Wahrheitsfindung beizutragen vermag. Ob dies der Fall ist, hat das Tatgericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Selbst wenn das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass ein persönlicher Eindruck unverzichtbar ist, hat es zu erwägen, ob es den im Ausland lebenden Zeugen gemäß § 128a Abs. 2, § 284 Satz 2 ZPO im Wege der Bild- und Tonübertragung vernehmen will (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2021 - I ZR 180/20, RdTW 2021, 430 Rn. 23; vom 24. Juli 2013 - IV ZR 110/12 aaO und vom 1. Juli 2010 - V ZR 238/09, BeckRS 2010, 17422 Rn. 7).
Rz. 16
(1) Die Vorinstanz hat schon nicht hinreichend begründet, warum ein persönlicher Eindruck vor dem erkennenden Gericht zwingend erforderlich ist und nur dies zur Wahrheitsfindung beizutragen vermag.
Rz. 17
(a) Die Erwägungen des Gerichts müssen schlüssig ergeben, weshalb die Vernehmung vor einem ersuchten Richter - etwa im Wege der Rechtshilfe - zur Sachaufklärung ungeeignet und daher ohne jeden Beweiswert ist. Dabei sind die Qualität des angebotenen Beweismittels und die Bedeutung des Beweisthemas zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2021 - I ZR 180/20 aaO und vom 17. Februar 1983 - 1 StR 325/82, BeckRS 2010, 11192 unter 1).
Rz. 18
(b) Die Annahme des Berufungsgerichts, es komme aufgrund der komplexen Sachlage und des Umstands, dass die Glaubwürdigkeit des Zeugen zwingend den persönlichen Eindruck des Senats erfordere, allein eine Vernehmung vor dem erkennenden Gericht in Betracht, ist pauschal und vermag auch in der Sache nicht zu überzeugen. Eine Vernehmung im Wege der Rechtshilfe muss nicht notwendig ohne jeden Beweiswert bleiben, und die Würdigung des Beweisergebnisses darf nicht vorweggenommen werden (Stein/Jonas/Thole, ZPO, 23. Aufl., § 284 Rn. 60). Zudem besteht - wie ausgeführt - grundsätzlich die Möglichkeit der Teilnahme an einer Videovernehmung (§ 128a Abs. 2, § 284 Satz 2 ZPO). Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, hierfür hätte es eines Antrags des Zeugen D. bedurft (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl., § 128a Rn. 7 f). Angesichts der Bedeutung des Zeugen für den vom Kläger zu führenden Beweis hätte das Oberlandesgericht daher weitere Anstrengungen entfalten müssen.
Rz. 19
(2) Eine Vernehmung des Zeugen Y. D. im Ausland (Türkei) - auch im Rahmen einer Videovernehmung - ist grundsätzlich möglich. Die Türkei ist im Jahr 2004 dem Haager Übereinkommen vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen (BGBl. II 1977 S. 1452, 1472; HBÜ) beigetreten (vgl. BGBl. II 2005, 329). Damit können Rechtshilfeersuchen gemäß § 363 Abs. 1 ZPO an die Türkei gerichtet werden (vgl. § 64 Rechtshilfeordnung in Zivilsachen; ZRHO). Zwar verfährt die ersuchte (ausländische) Behörde bei Erledigung des an sie gerichteten Rechtshilfeersuchens nach den Formen, die ihr Recht vorsieht (lex fori; Art. 9 Abs. 1 HBÜ; BT-Drs. 7/4892 S. 55). Gemäß Art. 9 Abs. 2 HBÜ ist aber einem Antrag auf Durchführung nach einer besonderen Form - so auch einer Beweisaufnahme im Wege der Video- oder Telefonkonferenz - zu entsprechen, soweit kein Ausschlusstatbestand tatsächlicher oder rechtlicher Art eingreift (MüKoZPO/Pabst, 6. Aufl., HBewÜ Art. 9 Rn. 4, 8; § 64c Abs. 1 Satz 1 ZHRO). In diesem Rahmen kann das ausländische Gericht auf der Grundlage seines Prozessrechts dem deutschen Richter gestatten, direkt Fragen an die Partei oder den Zeugen zu richten (vgl. Gerken/Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl., § 128a Rn. 30).
Rz. 20
(3) Die offenbar spontan geäußerte telefonische Weigerung des Zeugen Y. D., an der Sachaufklärung mitzuwirken, steht einer solchen Vorgehensweise nicht entgegen.
Rz. 21
Zum einen kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass der Zeuge einer Aufforderung türkischer Behörden, an einer Beweisaufnahme mitzuwirken, nachkommen wird. Zum anderen kann die ersuchte Behörde bei der Erledigung des Rechtshilfeersuchens geeignete Zwangsmaßnahmen in den Fällen und dem Umfang anwenden, wie sie das Recht des ersuchten Staates für die Erledigung eines Ersuchens inländischer Behörden oder eines zum gleichen Zweck gestellten Antrags einer beteiligten Partei vorsieht (Art. 10 HBÜ). Dass es in der Türkei eine solche Möglichkeit nicht gibt, ist nicht ersichtlich.
Rz. 22
Auch ein einem Zeugen gegebenenfalls zustehendes Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 384 Nr. 2 ZPO führt nicht dazu, ihn von vornherein als ungeeignetes oder unerreichbares Beweismittel anzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 - XI ZR 168/14, NJW-RR 2015, 1151 Rn. 13). Dies gilt im Rechtshilfeverkehr gleichermaßen. Zwar wird ein Rechtshilfeersuchen nicht erledigt, soweit sich die Person, die es betrifft, auf ein Recht zur Aussageverweigerung oder ein Aussageverbot beruft, das nach dem Recht des ersuchten Staates oder des ersuchenden Staates vorgesehen ist und - im letzteren Fall - im Rechtshilfeersuchen bezeichnet und erforderlichenfalls von der ersuchenden Behörde bestätigt worden ist (Art. 11 Abs. 1 Buchstaben a und b HBÜ). Es steht zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber nicht fest, ob dem Zeugen ein solches Recht zusteht und er sich - bejahendenfalls - darauf berufen würde. Insbesondere kann - soweit es das deutsche Recht anbelangt - nicht abschließend beurteilt werden, ob eine Wiederaufnahme des gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellten Ermittlungsverfahrens wegen der Vorgänge betreffend den Fonds VII mit der Folge eines dem Zeugen zustehenden Zeugnisverweigerungsrechts gemäß § 384 Nr. 2 ZPO noch möglich wäre (vgl. dazu vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2006 - 1 StR 438/05, NStZ-RR 2007, 20; BeckOK StPO/Beukelmann, § 154 Rn. 16, 17) oder dem eine zwischenzeitlich eingetretene Verfolgungsverjährung (§§ 78-78c StGB) entgegenstehen würde. Erkenntnisse zu einem dem Zeugen nach türkischem Recht zustehenden Zeugnisverweigerungsrecht gibt es ebenfalls nicht.
Rz. 23
3. Der Gehörsverstoß ist erheblich. Mit Blick auf vorstehende Ausführungen ist nicht auszuschließen, dass der Zeuge Y. D. in absehbarer Zeit hätte vernommen werden können und die Behauptung des Klägers bestätigt hätte. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Oberlandesgericht daher eine Vernehmung des Zeugen - wie im ersten Berufungsverfahren auch zunächst in Erwägung gezogen - im Rechtshilfeweg zu veranlassen haben. Überdies wird es Gelegenheit haben, sich mit den vom Kläger vorgetragenen und in der Beschwerdeschrift (S. 16-23) erneut aufgezeigten zahlreichen Indiztatsachen und den dazu angebotenen Beweisen einschließlich ihrer gebotenen Gesamtschau (vgl. zB BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 - XI ZR 365/14, BKR 2017, 164 Rn. 32) auseinanderzusetzen.
Herrmann |
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Remmert |
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Arend |
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Böttcher |
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Kessen |
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Fundstellen
Dokument-Index HI16193287 |