Leitsatz (amtlich)
a) Zu den Anforderungen an das Fristenwesen des Rechtsanwalts für den Fall eines Fristverlängerungsantrags (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 4.9.2018 - VIII ZB 70/17 NJW-RR 2018, 1325 Rz. 15 m.w.N.).
b) Die Fristensicherung verlangt von dem Rechtsanwalt bei einem Antrag auf erstmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - auf deren Bewilligung er bei Vorliegen erheblicher Gründe (§ 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO) im Allgemeinen vertrauen darf - nicht, dass er sich bereits innerhalb der noch laufenden Berufungsbegründungsfrist durch Nachfrage beim Berufungsgericht über den Eingang des Fristverlängerungsantrags und über eine Verlängerung dieser Frist erkundigt (Anschluss an BGH, Beschl. v. 9.5.2017 - VIII ZB 69/16 NJW 2017, 2041 Rz. 19; v. 30.5.2017 - VI ZB 54/16 NJW-RR 2017, 1532 Rz. 13; v. 18.1.2018 - V ZB 166/17, juris Rz. 7; vom 2.12.2020 - XII ZB 324/20 FamRZ 2021, 446 Rz. 9 f.; st.Rspr.).
Normenkette
ZPO § 85 Abs. 2, § 233 B, Fc, Ff, § 520 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 14.07.2020; Aktenzeichen 19 S 5/20) |
AG Berlin-Mitte (Urteil vom 19.12.2019; Aktenzeichen 117 C 203/18) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des LG Berlin - Zivilkammer 19 - vom 14.7.2020 aufgehoben.
Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des AG Mitte vom 19.12.2019 gewährt.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung einer Mietkaution in Anspruch. Das AG hat der Klage stattgegeben. Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten ausweislich seines Empfangsbekenntnisses am 2.1.2020 - nach seinen Angaben in der Berufungsschrift und im späteren Wiedereinsetzungsantrag bereits am 27.12.2019 - zugestellte Urteil des AG hat dieser fristgerecht Berufung eingelegt. Mit Verfügung vom 15.3.2020, die dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 17.3.2020 zugestellt worden ist, hat das LG diesen darauf hingewiesen, dass eine Berufungsbegründung nicht vorliege.
Rz. 2
Daraufhin hat der Beklagte mit - bei dem LG am selben Tag eingegangenem - Schriftsatz vom 20.3.2020 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und zugleich die "Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat (bis zum 27. März 2020)" beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat er - unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung einer in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten tätigen Mitarbeiterin - im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 3
Sein Prozessbevollmächtigter habe mit (dem Wiedereinsetzungsgesuch in Kopie der Urschrift beigefügtem) Schriftsatz vom 21.2.2020 bei dem LG "aufgrund akuter Arbeitsüberlastung" die Verlängerung der bis zum 27.2.2020 reichenden Berufungsbegründungsfrist um einen Monat beantragt. Dieser Schriftsatz sei noch am 21.2.2020 durch die Kanzleimitarbeiterin auf den Postweg gegeben worden, indem sie ihn in Urschrift, beglaubigter Abschrift und (einfacher) Abschrift in ein Kuvert gesteckt, dieses verschlossen, ausreichend frankiert und am Freitag, den 21.2.2020, um 17.30 Uhr in den nahegelegenen Postbriefkasten an der Ecke I./Z. Straße in den "Schlitz für Berlin" eingeworfen habe.
Rz. 4
Mit Schriftsatz vom 25.3.2020, der bei dem LG am darauf folgenden Tag eingegangen ist, hat der Beklagte die Berufung begründet.
Rz. 5
Durch Beschluss vom 9.6.2020 hat das LG den Beklagten darauf hingewiesen, dass sein Wiedereinsetzungsantrag keine Aussicht auf Erfolg haben und die Berufung deshalb als unzulässig zu verwerfen sein dürfte, da nicht ersichtlich sei, dass sein Prozessbevollmächtigter unverschuldet daran gehindert gewesen sei, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Ausgehend von der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung sei der Schriftsatz vom 21.2.2020 nicht bei Gericht angekommen. Die Berufungsbegründungsfrist sei deshalb nicht verlängert worden, sondern abgelaufen. Zwar sei dem Prozessbevollmächtigten der Verlust eines ordnungsgemäß bei der Post aufgegebenen Briefs grundsätzlich nicht anzulasten. Allerdings habe der Prozessbevollmächtigte durch eine ordnungsgemäße Büroorganisation dafür Sorge zu tragen, dass nach einem Fristverlängerungsantrag eine Frist nicht versäumt werde; er habe insb. sicherzustellen, dass "vor Ablauf der zu verlängernden Frist der wirkliche Fristablauf festgestellt wird", damit er ggf. einen erneuten Fristverlängerungsantrag stellen könne (BGH MDR 2010, 401; NJW-RR 2015, 700). Dass dies vorliegend geschehen wäre, sei weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.
Rz. 6
Das LG hat mit Beschluss vom 14.7.2020 den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zurückgewiesen und dessen Berufung gegen das Urteil des AG als unzulässig verworfen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 7
Der Beklagte habe die Berufung nicht innerhalb der Zweimonatsfrist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO begründet. Sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei zwar zulässig, aber unbegründet, da er nicht glaubhaft gemacht habe, ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen zu sein.
Rz. 8
Dies gelte auch unter Zugrundelegung seines Vortrags und der von ihm vorgelegten Versicherung an Eides statt. Zwar sei einem Rechtsanwalt grundsätzlich der Verlust eines zur Post aufgegebenen Briefs nicht anzulasten. Er dürfe darauf vertrauen, dass ein solcher Brief innerhalb der üblichen Postlaufzeiten beim Empfänger ankomme. Auch habe der Prozessbevollmächtigte des Beklagten erwarten dürfen, dass die Berufungsbegründungsfrist aufgrund seines Verlängerungsantrags vom 21.2.2020 verlängert werden würde. Ein Rechtsanwalt dürfe grundsätzlich darauf vertrauen, dass einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bei Vorliegen eines erheblichen Grundes, wie hier Arbeitsüberlastung, entsprochen werde.
Rz. 9
Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten habe aber weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, durch seine Büroorganisation sichergestellt zu haben, dass nach Fristverlängerungsanträgen Fristen nicht versäumt würden. Die Fristen für die Berufung und Berufungsbegründung seien bei Zustellung des Urteils einzutragen. Werde eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt, dürfe eine neue (verlängerte) Frist nicht derart eingetragen werden, als sei die Frist mit Stellung des Fristverlängerungsantrags bereits verlängert worden. Bis die Fristverlängerung bewilligt worden sei, handele es sich um eine hypothetische Frist. Der Eintrag der verlängerten Frist sei erst zulässig, wenn die Frist tatsächlich verlängert worden sei. Deshalb sei durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, "dass vor Ablauf der Frist, deren Verlängerung beantragt worden ist, das wirkliche Ende der Frist festgestellt wird, etwa durch Rückfrage beim Gericht (BGH MDR 2010, 401; NJW-RR 2015, 700; beide zur Berufungsbegründungsfrist)".
Rz. 10
Dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten seine Büroorganisation entsprechend ausgestaltet hätte, habe er weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Im Gegenteil habe er mit seiner "Beschwerde" gegen den Hinweisbeschluss der Kammer deutlich gemacht, dass er eine verlässliche Feststellung des wirklichen Fristendes nicht für notwendig halte, weil die Berufungsbegründungsfrist "in Beton gegossen" und die Fristverlängerung um einen Monat "gesetzlich sanktioniert sei" und ein wirklicher Fristablauf deshalb nicht weiter zu prüfen gewesen sei.
Rz. 11
Dieser - dem Beklagten gem. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnende - Organisationsmangel sei für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ursächlich gewesen. Wäre die ursprüngliche Berufungsbegründungsfrist noch als offen eingetragen und bei ihr ein Fristverlängerungsantrag vermerkt gewesen, hätte die Akte dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten spätestens am Tag des Fristablaufs vorgelegt werden müssen. Er hätte dann erkannt, dass sein Fristverlängerungsantrag noch nicht beschieden worden sei, und hätte durch Nachfrage beim Gericht erfahren, dass dieser Antrag dort nicht eingegangen sei. Er hätte dann Gelegenheit gehabt, einen weiteren Fristverlängerungsantrag zu stellen oder eine Berufungsbegründung einzureichen.
II.
Rz. 12
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist (§ 233 ZPO) sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, das über die Begründetheit der Berufung zu entscheiden haben wird.
Rz. 13
1. Die nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte und auch den Form- und Fristerfordernissen genügende Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die angefochtene Entscheidung verletzt - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht geltend macht - in entscheidungserheblicher Weise das Verfahrensgrundrecht des Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (st.Rspr.; vgl. BVerfG, NZA 2016, 122 Rz. 9 ff.; BGH, Beschl. v. 12.7.2016 - VIII ZB 55/15, WuM 2016, 632 Rz. 1; v. 9.5.2017 - VIII ZB 69/16 NJW 2017, 2041 Rz. 9; v. 4.9.2018 - VIII ZB 70/17 NJW-RR 2018, 1325 Rz. 9; v. 22.9.2020 - II ZB 2/20, juris Rz. 6; v. 30.3.2021 - VIII ZB 37/19, juris Rz. 19; v. 11.5.2021 - VIII ZB 9/20, juris Rz. 28; jeweils m.w.N.).
Rz. 14
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der Beklagte hat zwar die Berufungsbegründungsfrist nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO versäumt. Ihm ist jedoch auf seinen rechtzeitig und ordnungsgemäß gestellten Antrag (§§ 234 Abs. 1 Satz 2, 236 Abs. 2 ZPO) hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er ohne ein eigenes oder ein ihm anrechenbares Verschulden seines Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) daran gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten (§ 233 ZPO). Bei seiner abweichenden Beurteilung hat das Berufungsgericht zwar noch im Ausgangspunkt rechtsfehlerfrei erkannt, dass zum einen die höchstrichterliche Rechtsprechung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei einem behaupteten Verlust eines fristgebundenen Schriftsatzes auf dem Postweg keine allzu strengen Maßstäbe anlegt und zum anderen der Berufungsführer im Wiedereinsetzungsverfahren im Allgemeinen darauf vertrauen darf, dass einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entsprochen wird, wenn dieser - wie hier - auf erhebliche Gründe i.S.d. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO gestützt wird. Jedoch hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die anwaltliche Sorgfaltspflicht des Prozessbevollmächtigten hinsichtlich der Organisation des Fristenwesens in der Anwaltskanzlei im - hier gegebenen - Fall der Beantragung einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist überspannt und dem Beklagten daher rechtsfehlerhaft eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung dieser Frist versagt.
Rz. 15
a) Noch rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass der am 26.3.2020 eingegangene Schriftsatz (Berufungsbegründung) die (zweimonatige) Frist zur Begründung der Berufung (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO) nicht gewahrt hat. Denn diese Frist endete spätestens mit Ablauf des 2.3.2020 und ist von der hierfür gem. § 520 Abs. 2 Satz 2, 3 ZPO zuständigen Vorsitzenden der Berufungskammer, in deren pflichtgemäßes Ermessen diese Entscheidung gestellt ist (vgl. BGH, Beschl. v. 16.1.2018 - VIII ZB 61/17 NJW 2018, 1022 Rz. 25 m.w.N.), mangels fristgerechten Eingangs eines Fristverlängerungsantrags des Beklagten nicht verlängert worden.
Rz. 16
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die vom Berufungsgericht vorgenommene Verwerfung der Berufung als unzulässig nicht bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Berufungsgericht nicht beachtet hätte, dass es hierzu einer vorherigen Ablehnung des Antrags des Beklagten auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bedurft hätte, so dass die Sache schon aus diesem Grund an das Berufungsgericht zurückzuverweisen wäre, um eine Entscheidung über das Fristverlängerungsgesuch nachzuholen.
Rz. 17
aa) Es trifft zwar zu, dass nach der Rechtsprechung des BGH eine Berufung nur dann wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen werden darf, wenn der Antrag des Berufungsführers auf Verlängerung dieser Frist zuvor abgelehnt wurde. Fehlt es hieran, ist grundsätzlich die noch ausstehende Entscheidung über das Fristverlängerungsgesuch nachzuholen und die Sache hierzu an das Berufungsgericht zurückzuverweisen; erst im Falle der Ablehnung einer antragsgemäßen Fristverlängerung stellte sich dann die Frage einer Wiedereinsetzung des Berufungsführers in den vorigen Stand (vgl. BGH, Beschl. v. 26.1.2017 - IX ZB 34/16 NJW-RR 2017, 564 Rz. 6 ff.; v. 17.3.2009 - VIII ZB 66/08, juris Rz. 9; v. 15.3.2005 - VI ZB 83/04 NJW-RR 2005, 792 unter II 1-3; v. 29.4.2004 - V ZB 33/03, FamRZ 2004, 1189 unter [II] 1b; v. 5.4.2001 - VII ZB 37/00 NJW-RR 2001, 931 unter II; v. 3.2.1988 - IVb ZB 19/88, NJW-RR 1988, 581 unter II).
Rz. 18
bb) Die Rechtsbeschwerde lässt jedoch - wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung zutreffend geltend macht - bei ihrer Rüge außer Betracht, dass die Anwendung der vorstehend genannten Grundsätze den rechtzeitigen Eingang des Fristverlängerungsantrags bei dem Berufungsgericht voraussetzt. Daran fehlt es hier.
Rz. 19
(1) Nach der Rechtsprechung des BGH kann die Entscheidung über einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zwar grundsätzlich auch noch nach dem Ablauf dieser Frist ergehen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Fristverlängerungsantrag bei dem Berufungsgericht vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen ist. Geht der Antrag hingegen erst nach Fristablauf ein, kann die abgelaufene Berufungsbegründungsfrist nicht mehr wirksam verlängert werden (st.Rspr.; vgl. bereits BGH, Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen vom 18.3.1982 - GSZ 1/81, BGHZ 83, 217, 220 f.; ebenso BGH, Beschl. v. 10.6.2003 - VIII ZB 126/02 NJW 2003, 3418 unter II 2; v. 13.12.2005 - VI ZB 52/05, VersR 2006, 568 Rz. 7; v. 14.6.2006 - IV ZB 36/05 NJW-RR 2006, 1565 Rz. 7; v. 18.7.2013 - V ZB 173/12, juris Rz. 6; vom 29.3.2017 - XII ZB 576/16 NJW-RR 2017, 577 Rz. 7 f.). Der Wirksamkeit einer solchen Fristverlängerung stünde die infolge des Fristablaufs eingetretene Rechtskraft entgegen (vgl. BGH, Beschl. v. 17.12.1991 - VI ZB 26/91, BGHZ 116, 377, 378 f.; v. 24.1.1996 - XII ZB 184/95 NJW-RR 1996, 513 unter II 2; v. 19.7.2016 - II ZB 3/16, NJW-RR 2016, 1529 Rz. 17; jeweils m.w.N.).
Rz. 20
(2) Hiernach kommt im vorliegenden Fall eine Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur Nachholung der Entscheidung über das Fristverlängerungsgesuch des Beklagten nicht in Betracht. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in dem angefochtenen Beschluss, an die der Senat hier gem. §§ 577 Abs. 2 Satz 4, 559 Abs. 1 ZPO gebunden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 30.3.2021 - VIII ZB 37/19, juris Rz. 22), ist der Antrag des Beklagten vom 21.2.2020 auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht vor Ablauf dieser Frist eingegangen. Die Rechtsbeschwerde macht nicht geltend, dieser Antrag sei entgegen den Feststellungen des Berufungsgerichts bereits innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingegangen. Sie beruft sich vielmehr - entsprechend dem Wiedereinsetzungsvorbringen des Beklagten - darauf, der Fristverlängerungsantrag sei rechtzeitig in einen näher bezeichneten Postbriefkasten eingeworfen worden, bei dem Berufungsgericht aber offenbar nicht angekommen.
Rz. 21
b) Das Berufungsgericht hat jedoch - wie die Rechtsbeschwerde zutreffend rügt - dem Beklagten rechtsfehlerhaft die von ihm beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Berufungsbegründungsfrist versagt.
Rz. 22
aa) Nach § 233 Satz 1 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist der Partei zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Die Partei muss die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen glaubhaft machen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Rz. 23
bb) Hiervon ausgehend hat das Berufungsgericht noch rechtsfehlerfrei erkannt, dass der Berufungsführer zwar grundsätzlich damit rechnen muss, dass der Vorsitzende des Berufungsgerichts in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist versagt, der Berufungsführer nach der Rechtsprechung des BGH jedoch im Allgemeinen darauf vertrauen darf, dass einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - wie er nach dem Wiedereinsetzungsvorbringen des Beklagten mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 21.2.2020 gestellt worden ist - entsprochen wird, wenn dieser auf erhebliche Gründe i.S.d. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO gestützt wird. Zu den erheblichen Gründen im Sinne dieser Vorschrift zählt insb. die Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten (st.Rspr.; vgl. hierzu im Einzelnen Senat, Beschl. v. 9.5.2017 - VIII ZB 69/17, NJW 2017, 2041 Rz. 11 ff.; ebenso BGH, Beschl. v. 26.1.2017 - IX ZB 34/16 NJW-RR 2017, 564 Rz. 10; v. 20.2.2018 - VI ZB 47/17 NJW-RR 2018, 569 Rz. 7 ff.; jeweils m.w.N.). An die Darlegung eines erheblichen Grundes für die Notwendigkeit der Fristverlängerung dürfen bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine hohen Anforderungen gestellt werden. Daher reicht der bloße Hinweis auf eine Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten zur Feststellung eines erheblichen Grundes i.S.d. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO aus, ohne dass es einer weiteren Substantiierung bedarf (BGH, Beschl. v. 9.5.2017 - VIII ZB 69/17, a.a.O., Rz. 12 f.; v. 20.2.2018 - VI ZB 47/17, a.a.O., Rz. 8 f.; jeweils m.w.N.).
Rz. 24
Nach diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die in dem genannten Schriftsatz vom 21.2.2020 als Grund für die erstrebte erstmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist angeführte "akute Arbeitsüberlastung des diesen Fall allein bearbeitenden [Prozessbevollmächtigten]" den vorstehend dargestellten Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung genügt und der Beklagte sich deshalb im Wiedereinsetzungsverfahren insoweit auf sein Vertrauen in die Fristverlängerung berufen kann.
Rz. 25
cc) Ebenfalls noch ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht erkannt, dass dem Prozessbevollmächtigten einer Partei der Verlust eines zur Post aufgegebenen Briefs - wie hier des Schriftsatzes vom 21.2.2020 mit dem Fristverlängerungsantrag des Beklagten - grundsätzlich nicht anzulasten ist, sondern er darauf vertrauen darf, dass ein zur Post aufgegebener Brief - innerhalb der üblichen Postlaufzeiten - beim Empfänger ankommt.
Rz. 26
(1) Dabei hat das Berufungsgericht - unausgesprochen - im Ausgangspunkt rechtsfehlerfrei angenommen, dass eine Aufgabe des vorgenannten Schriftsatzes zur Post am 21.2.2020 (Freitag) - wie im Wiedereinsetzungsgesuch vorgebracht - ausreichend war, um den Eingang bei Gericht innerhalb der erst (frühestens) am 27.2.2020 (Donnerstag) ablaufenden Berufungsbegründungsfrist zu gewährleisten.
Rz. 27
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung darf eine Partei grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Postlaufzeiten eingehalten werden und im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden (vgl. nur BGH, Beschl. v. 17.1.2012 - VIII ZB 42/11, WuM 2012, 157 Rz. 7; v. 16.8.2016 - VI ZB 19/16 NJW 2016, 3312 Rz. 5; v. 23.1.2019 - VII ZB 43/18, NJW-RR 2019, 500 Rz. 10; v. 21.3.2019 - V ZB 97/18, NJW-RR 2019, 827 Rz. 20; jeweils m.w.N.). Im Verantwortungsbereich des Rechtsmittelführers liegt es allein, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß zur Post aufzugeben, dass es nach den normalen Postlaufzeiten den Empfänger fristgerecht erreichen kann (vgl. nur BGH, Beschl. v. 3.2.2011 - I ZB 74/09, NJW-RR 2011, 702 Rz. 7 f.; v. 17.1.2012 - VIII ZB 42/11, a.a.O.; vom 18.2.2016 - V ZB 126/15 WM 2016, 2139 Rz. 7 f.). Geht eine solche Sendung auf dem Postweg verloren oder wird sie verspätet ausgeliefert, darf dies der Partei grundsätzlich nicht als Verschulden angerechnet werden (vgl. BGH, Beschl. v. 19.6.2013 - V ZB 226/12, juris Rz. 7).
Rz. 28
(2) Wird - wie hier - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Behauptung begehrt, ein fristgebundener Schriftsatz sei auf dem Postweg verloren gegangen, kann eine Partei dies regelmäßig nicht anders glaubhaft machen als durch Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Aufgabe des Schriftstücks zur Post, die als letztes Stück des Übermittlungsgeschehens noch ihrer Wahrnehmung zugänglich ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist daher Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn der Antragsteller aufgrund einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe bis zur rechtzeitigen Aufgabe des in Verlust geratenen Schriftsatzes zur Post glaubhaft macht, dass der Verlust mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht im Verantwortungsbereich seines Verfahrensbevollmächtigten eingetreten ist. Ein Nachweis dafür, dass das Schriftstück tatsächlich in den Postlauf gelangt ist, ist dagegen ebenso wie eine Glaubhaftmachung, wo und auf welche Weise es zum Verlust des Schriftstücks gekommen ist, nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschl. v. 13.1.2021 - XII ZB 329/20 FamRZ 2021, 619 Rz. 8; v. 22.9.2020 - II ZB 2/20, juris Rz. 8; vom 28.4.2020 - VIII ZB 12/19, NJW-RR 2020, 818 Rz. 15, 18; v. 21.3.2019 - V ZB 97/18, NJW-RR 2019, 827 Rz. 21; v. 11.7.2017 - VIII ZB 20/17, juris Rz. 11; v. 10.9.2015 - III ZB 56/14 NJW 2015, 3517 Rz. 14; jeweils m.w.N.). Auch bedarf es nicht der Darlegung und Glaubhaftmachung der organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Postausgangs- und Fristenkontrolle in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten, wenn auf andere Weise glaubhaft gemacht wird, dass der Schriftsatz tatsächlich rechtzeitig zur Post aufgegeben wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 22.9.2020 - II ZB 2/20, a.a.O., Rz. 10; v. 10.9.2015 - III ZB 56/14, a.a.O., Rz. 17; jeweils m.w.N.).
Rz. 29
(3) Das Wiedereinsetzungsvorbringen des Beklagten genügt diesen Anforderungen. Der Beklagte hat zur Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs vorgetragen und durch die eidesstattliche Versicherung einer Kanzleimitarbeiterin seines Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht, dass diese den von ihm unterschriebenen (an das LG Berlin, Littenstraße 12-17, adressierten) Schriftsatz vom 21.2.2020 mit dem auf Arbeitsüberlastung gestützten Antrag auf erstmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist noch am selben Tag (21.2.2020) in Urschrift, beglaubigter Abschrift und (einfacher) Abschrift in ein Kuvert gesteckt, dieses verschlossen, mit einer 80-Cent-Briefmarke versehen und diesen Brief anschließend um 17.30 Uhr in den nahegelegenen Postbriefkasten an der Ecke I./Z. Straße in den "Schlitz für Berlin" eingeworfen habe.
Rz. 30
Damit hat der Beklagte nach § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft gemacht, dass der genannte Schriftsatz rechtzeitig zur Post aufgegeben wurde und der Verlust dieses Fristverlängerungsantrags mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht im Verantwortungsbereich seines Prozessbevollmächtigten eingetreten ist (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 28.4.2020 - VIII ZB 12/19, NJW-RR 2020, 818 Rz. 19 ff.; v. 13.1.2021 - XII ZB 329/20 FamRZ 2021, 619 Rz. 11 f.). Diese Würdigung des Wiedereinsetzungsvorbringens und der Mittel der Glaubhaftmachung, die das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht vorgenommen, sondern das Wiedereinsetzungsvorbringen insoweit lediglich als zutreffend unterstellt hat, kann der Senat selbst vornehmen, da es diesbezüglich weiterer Tatsachenfeststellungen nicht bedarf und Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der eidesstattlichen Versicherung nicht bestehen (vgl. BGH, Beschl. v. 21.3.2019 - V ZB 97/18, NJW-RR 2019, 827 Rz. 19; v. 10.9.2015 - III ZB 56/14 NJW 2015, 3517 Rz. 16; jeweils m.w.N.; vgl. auch Senatsbeschluss vom 28.4.2020 - VIII ZB 12/19, NJW-RR 2020, 818 Rz. 16 ff., 28). Anhaltspunkte für solche etwaigen Zweifel zeigt auch die Rechtsbeschwerdeerwiderung nicht auf.
Rz. 31
dd) Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerhaft angenommen, der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist stehe entgegen, dass der Beklagte - trotz Hinweises - weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht habe, dass sein Prozessbevollmächtigter im Rahmen der Büroorganisation sichergestellt habe, dass nach Fristverlängerungsanträgen Fristen nicht versäumt würden. Hierbei hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die anwaltliche Sorgfaltspflicht des Prozessbevollmächtigten überspannt, indem es unter Verkennung der ständigen Rechtsprechung des BGH - offenbar aufgrund eines Fehlverständnisses einer in einer älteren Entscheidung des BGH enthaltenen Formulierung (BGH, Beschl. v. 24.11.2009 - VI ZB 69/08 VersR 2010, 789 Rz. 8) - angenommen hat, im Rahmen der anwaltlichen Fristenkontrolle müsse für den - hier gegebenen - Fall eines Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch geeignete Maßnahmen sichergestellt sein, dass bereits vor dem Ablauf der ursprünglichen Berufungsbegründungsfrist ("vor Ablauf der Frist, deren Verlängerung beantragt worden ist") das wirkliche Ende der Frist, "etwa durch Rückfrage beim Gericht", festgestellt werde.
Rz. 32
Dabei hat das Berufungsgericht verkannt, dass die Fristensicherung von dem Rechtsanwalt bei einem Antrag auf erstmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - auf deren Bewilligung er bei Vorliegen erheblicher Gründe, wie hier, im Allgemeinen vertrauen darf - nicht verlangt, dass er sich bereits innerhalb der noch laufenden Berufungsbegründungsfrist durch Nachfrage beim Berufungsgericht über den Eingang des Fristverlängerungsantrags und über eine Verlängerung dieser Frist erkundigt.
Rz. 33
(1) Ein Rechtsanwalt hat nach ständiger Rechtsprechung des BGH durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierzu hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen auszuschließen (st.Rspr.; vgl. im Einzelnen BGH, Beschl. v. 4.9.2018 - VIII ZB 70/17 NJW-RR 2018, 1325 Rz. 13 f. m.w.N.). In der Organisation des Fristenwesens einer Anwaltskanzlei muss deshalb insb. gewährleistet sein, dass außer der eigentlichen Rechtsmittelbegründungsfrist auch eine Vorfrist notiert wird, mit der sichergestellt werden soll, dass dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt für die Fertigung der Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelbegründung hinreichend Zeit verbleibt (st.Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 4.9.2018 - VIII ZB 70/17, a.a.O., Rz. 14 m.w.N.).
Rz. 34
Für den Fall eines Fristverlängerungsantrags - wie hier - bestehen zusätzliche Anforderungen an das Fristenwesen. In diesen Fällen muss als zusätzliche Fristensicherung auch das hypothetische Ende der beantragten Fristverlängerung bei oder alsbald nach Einreichung des Verlängerungsantrags im Fristenbuch eingetragen, als vorläufig gekennzeichnet und rechtzeitig, spätestens nach Eingang der gerichtlichen Mitteilung überprüft werden, damit das wirkliche Ende der Frist festgestellt werden kann (st.Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschl. v. 14.7.1999 - XII ZB 62/99 NJW-RR 1999, 1663 unter II 1; v. 13.7.2010 - VI ZB 1/10 NJW 2011, 151 Rz. 6; v. 22.3.2011 - II ZB 19/09 NJW 2011, 1598 Rz. 12; v. 28.5.2013 - VI ZB 6/13 NJW 2013, 2821 Rz. 9; v. 22.9.2015 - XI ZB 14/14, juris Rz. 14; jeweils m.w.N.; v. 4.9.2018 - VIII ZB 70/17, a.a.O., Rz. 15). Zugleich mit der Eintragung des beantragten (voraussichtlichen) Fristendes ist hierfür auch eine Vorfrist einzutragen (BGH, Beschl. v. 14.7.1999 - XII ZB 62/99, a.a.O., unter II 2; v. 22.3.2011 - II ZB 19/09, a.a.O., Rz. 14, 16 v. 4.9.2018 - VIII ZB 70/17, a.a.O.). Auf diese Weise kann die Fristwahrung in der Regel selbst dann gewährleistet werden, wenn die Eintragung der ursprünglichen Frist versehentlich gelöscht worden und die Eintragung der verlängerten Frist versehentlich unterblieben ist (BGH, Beschl. v. 22.3.2011 - II ZB 19/09, a.a.O.; v. 4.9.2018 - VIII ZB 70/17, a.a.O.).
Rz. 35
(2) Nach diesen Maßstäben gereicht es dem Beklagten - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht zum Verschulden, dass sein Prozessbevollmächtigter sich nicht innerhalb der noch laufenden Berufungsbegründungsfrist durch Nachfrage beim Berufungsgericht über eine Verlängerung dieser Frist erkundigt hat und das Fristenwesen seiner Kanzlei dementsprechende Vorkehrungen auch nicht vorsah.
Rz. 36
(a) Soweit einer von dem Berufungsgericht für seine gegenteilige Rechtsauffassung herangezogenen früheren Entscheidung des VI. Zivilsenats des BGH (BGH, Beschl. v. 24.11.2011 - VersR 2010, 789 Rz. 8) aufgrund der dort gewählten Formulierung, wonach in jedem Fall durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen sei, dass "vor dem Ablauf der Frist, deren Verlängerung beantragt worden ist, das wirkliche Ende der Frist - ggf. durch Rückfrage bei Gericht - festgestellt wird", eine - in der Rechtsprechung des BGH allerdings auch damals nicht vorgesehene (vgl. nur BGH, Beschl. v. 13.12.2005 - VI ZB 52/05, VersR 2006, 568 Rz. 6 f.) - Erkundigungspflicht noch vor Ablauf der ursprünglichen gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist entnommen werden könnte, hat dieser Senat selbst an dieser Auffassung nicht festgehalten, sondern vorsorglich eine entsprechende Klarstellung vorgenommen (BGH, Beschl. v. 30.5.2017 - VI ZB 54/16 NJW-RR 2017, 1532 Rz. 13).
Rz. 37
(b) Es entspricht - was das Berufungsgericht übersehen hat - seit langem ständiger Rechtsprechung des BGH, dass ein Prozessbevollmächtigter, wenn er - wie hier - mit der erstmaligen Verlängerung der Begründungsfrist mit großer Wahrscheinlichkeit rechnen durfte, nicht gehalten ist, sich vor Ablauf der ursprünglichen Frist zu vergewissern, ob dem Fristverlängerungsgesuch stattgegeben wurde (st.Rspr.; vgl. BVerfG, NJW 2001, 812, 813 f.; BGH, Beschl. v. 11.11.1998 - VIII ZB 24/98 VersR 1999, 1559 unter [II] 2b, c [zu § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO a.F.]; vom 16.10.2007 - VI ZB 65/06 NJW-RR 2008, 367 Rz. 9; v. 16.3.2010 - VI ZB 46/09 NJW 2010, 1610 Rz. 10; v. 26.1.2017 - IX ZB 34/16 NJW-RR 2017, 564 Rz. 11 f.; v. 9.5.2017 - VIII ZB 69/16 NJW 2017, 2041 Rz. 19; v. 30.5.2017 - VI ZB 54/16 NJW-RR 2017, 1532 Rz. 13; v. 18.1.2018 - V ZB 166/17, juris Rz. 7; v. 20.2.2018 - VI ZB 47/17 NJW-RR 2018, 569 Rz. 10; v. 2.12.2020 - XII ZB 324/20 FamRZ 2021, 446 Rz. 9; jeweils m.w.N.).
Rz. 38
(3) Die seitens des Berufungsgerichts vorgenommene Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellt sich auch nicht etwa deshalb als richtig dar (§ 577 Abs. 3 ZPO), weil die Fristenkontrolle in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Beklagten - unter Zugrundelegung des Wiedereinsetzungsvorbringens - auch bei zutreffender Anwendung der nach der vorstehend (unter II 2b dd (1)) genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung geltenden Maßstäbe den Anforderungen an das anwaltliche Fristenwesen bei Anträgen auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht genügte. Denn diese Sorgfaltspflichtverletzung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten ist im vorliegenden Fall für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht ursächlich geworden, da die Berufungsbegründung am 26.3.2020 und damit vor Ablauf der von dem Beklagten mit seinem Fristverlängerungsantrag begehrten erstmaligen Verlängerungsfrist von einem Monat (§ 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO) bei dem Berufungsgericht eingegangen ist.
Rz. 39
ee) Mit der vorgenannten Einreichung der Berufungsbegründung hat der Beklagte zugleich gem. § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 ZPO die versäumte Prozesshandlung innerhalb der mit Zustellung des gerichtlichen Hinweises am 17.3.2020 in Gang gesetzten einmonatigen Wiedereinsetzungsantragsfrist (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) nachgeholt (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 2.12.2020 - XII ZB 324/20 FamRZ 2021, 446 Rz. 15 f. m.w.N.). Das Berufungsgericht hätte deshalb auch von daher gesehen dem Beklagten die von ihm mit Schriftsatz vom 20.3.2020 beantragte Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist nicht versagen und demzufolge auch die Berufung des Beklagten nicht wegen Versäumung der Begründungsfrist als unzulässig verwerfen dürfen.
Rz. 40
3. Nach alledem kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben; sie ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Der Senat entscheidet hinsichtlich des Wiedereinsetzungsantrags in der Sache selbst, weil sie insoweit zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Ein dem Beklagten nach §§ 233 Satz 1, 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Anwaltsverschulden liegt aufgrund der von ihm dargelegten und glaubhaft gemachten Umstände (§ 236 Abs. 2 ZPO) nicht vor. Da auch die übrigen Voraussetzungen für die beantragte Wiedereinsetzung erfüllt sind, ist dem Wiedereinsetzungsgesuch stattzugeben. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig ist damit gegenstandslos und aufzuheben (vgl. BGH, Beschl. v. 21.2.1990 - VIII ZB 5/90, juris Rz. 13; v. 19.6.2013 - V ZB 226/12, juris Rz. 15; jeweils m.w.N.; v. 11.1.2018 - III ZB 81/17, BGHZ 217, 199 Rz. 19; vom 8.8.2019 - VII ZB 35/17 NJW 2020, 157 Rz. 21). Die Sache ist zur Durchführung des Berufungsverfahrens an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 14684943 |
DB 2021, 2490 |
NJW 2022, 400 |
JurBüro 2022, 111 |
NZM 2022, 462 |
ZAP 2021, 906 |
JZ 2021, 543 |
MDR 2021, 1082 |
MDR 2021, 1248 |
ErbR 2021, 909 |
FF 2021, 376 |
NJW-Spezial 2021, 542 |
RENOpraxis 2021, 271 |
VRR 2021, 15 |
VRR 2021, 2 |
BRAK-Mitt. 2021, 299 |
Mitt. 2021, 469 |
NZFam 2021, 5 |