Verfahrensgang
LG Dessau (Urteil vom 14.06.2005) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau vom 14. Juni 2005
- im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Nötigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung schuldig ist;
- im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geiselnahme zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Der Verfahrensrüge bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt. Das Rechtsmittel hat jedoch mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
Die Verurteilung wegen Geiselnahme (§ 239 b StGB) hat keinen Bestand.
Der Angeklagte hat sich seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau zwar bemächtigt, als er sie mittels Drohung mit einer von der Geschädigten für echt gehaltenen Bombenattrappe in seine Gewalt brachte, und sie so vom Verlassen ihrer Wohnung abhielt. Er hat diese von ihm geschaffene Lage auch über mehrere Stunden hinweg aufrechterhalten und auf diese Weise sein Ziel, seine Ehefrau an der Wahrnehmung eines für den Tattag anberaumten Scheidungstermins vor dem Familiengericht zu hindern, erreicht.
Er hat die Bemächtigungslage jedoch nicht, wie dies die im Zweipersonenverhältnis gebotene einschränkende Auslegung des § 239 b StGB voraussetzt, zu einer weiteren Nötigung durch qualifizierte Drohung ausgenutzt (vgl. BGHSt 40, 350, 359; BGH NJW 1997, 1082; BGH NStZ-RR 2005, 173; BGH, Beschluss vom 27. September 1996 – 1 StR 576/96). Dem Angeklagten ging es darum, seine Ehefrau über einen bestimmten Zeitraum hinweg am Verlassen der Wohnung zu hindern. Dieses Ziel hatte er erreicht, indem er sich des Opfers bemächtigte und die Bemächtigungslage unter Einsatz der qualifizierten Drohung aufrecht erhielt. Seinem darüber hinaus erstrebten Handlungsziel, auf diese Weise die Teilnahme seiner Ehefrau an dem Scheidungstermin zu vereiteln, kam demgegenüber keine eigenständige Bedeutung im Sinne eines über das Sichbemächtigen hinaus gehenden Nötigungserfolges zu. Vielmehr war dieses Ziel lediglich das Motiv des Angeklagten, seine Ehefrau über einen längeren Zeitraum in seine Gewalt zu bringen. Mithin standen das Sichbemächtigen und das abgenötigte Handeln bzw. Unterlassen – die Hinderung am Verlassen der Wohnung – in einem unmittelbaren Zusammenhang. In einem solchen Fall ist § 239 b StGB nicht anwendbar (vgl. BGHSt 40, 350, 359).
Jedoch erfüllt das Verhalten des Angeklagten den Tatbestand der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) sowie – tateinheitlich – den Tatbestand der Freiheitsbraubung (§ 239 Abs. 1 StGB). Demgemäß war der Schuldspruch zu ändern. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht anders hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich.
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Athing, Ernemann, Sost-Scheible
Fundstellen
Haufe-Index 2555318 |
NStZ 2006, 340 |
StV 2006, 693 |
StraFo 2006, 121 |