Leitsatz (amtlich)
Ohne die nach §§ 546 Abs. 1 Satz 1, 621 d Abs. 1 ZPO erforderliche Zulassung durch das Oberlandesgericht ist die Revision auch dann nicht statthaft, wenn das Oberlandesgericht irrtümlich einen Fall der zulassungsfreien Revision angenommen und deshalb nicht geprüft hat, ob die Voraussetzungen der Zulassung gegeben gewesen wären.
Verfahrensgang
OLG Köln (Entscheidung vom 19.09.1979) |
LG Köln |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 19. September 1979 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Mit der Klage hat die geschiedene Ehefrau des Beklagten einen Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns geltend gemacht. Nach ihrem Tod hat ihr Testamentsvollstrecker den Rechtsstreit aufgenommen und den Anspruch weiterverfolgt. Das Landgericht, bei dem die Sache vor dem Inkrafttreten des 1. EheRG rechtshängig geworden war, hat dem Ausgleichsanspruch durch Teilurteil vom 11. Januar 1979 in Höhe von DM 165.557,02 stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist vom Oberlandesgericht (Senat für allgemeine Zivilsachen) zurückgewiesen worden.
Das Berufungsgericht hat in seinem Urteil den Wert der Beschwer des Beklagten in Höhe der Urteilssumme festgesetzt und dem Beklagten Vollstreckungsschutz gewährt. Einen Ausspruch über die Zulassung der Revision enthält das Urteil nicht.
Der Beklagte hat gegen das Berufungsurteil Revision eingelegt und im Hinblick auf § 621 d Abs. 1 ZPO beantragt,
vorweg die Statthaftigkeit der Revision festzustellen.
Er ist der Auffassung, daß die Sache revisionsrechtlich als gewöhnliche vermögensrechtliche Streitigkeit und nicht als Familiensache betrachtet werden müsse, da das Oberlandesgericht von der Revisibilität des Urteils ausgegangen sei und in den Vorinstanzen auch keine Familiengerichte entschieden hätten.
II.
Die Revision ist nicht statthaft, weil es an der nach § 621 d Abs. 1 ZPO erforderlichen Zulassung des Rechtsmittels durch das Berufungsgericht fehlt.
1.
Bei dem Klageanspruch, über den das Berufungsgericht entschieden hat, handelte es sich um einen Anspruch aus dem ehelichen Güterrecht (vgl. BGH NJW 1978, 1923 = FamRZ 1978, 771), so daß das Verfahren eine Familiensache im Sinne von § 23 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 GVG und § 621 Abs. 1 Nr. 8 ZPO ist. Die Revision wäre daher gemäß § 621 d Abs. 1 ZPO nur statthaft, wenn sie vom Oberlandesgericht zugelassen worden wäre. Die zulassungsfreie Revision bei einem Wert der Beschwer von mehr als DM 40.000,- nach §§ 545, 546 Abs. 1 ZPO ist in Familiensachen, auch wenn diese vermögensrechtliche Ansprüche zum Gegenstand haben, ausgeschlossen. Maßgebend für die Einschränkung der Revision ist dabei die materielle Rechtsnatur der Streitigkeit. Liegt materiell eine Familiensache vor, dann richtet sich die Statthaftigkeit der Revision auch dann nach § 621 d ZPO, wenn der Rechtsstreit im Berufungsverfahren nicht von einem Senat für Familiensachen (§ 119 Abs. 2 in Verb. mit § 23 b Abs. 1 Satz 1 GVG), sondern - wie hier - von einem Senat für allgemeine Zivilsachen entschieden worden ist (BGH NJW 1979, 550 = FamRZ 1979, 220).
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Ausschluß der zulassungsfreien Revision in Familiensachen, die vermögensrechtliche Ansprüche zum Gegenstand haben, bestehen nicht (BGH NJW 1979, 2046 = FamRZ 1979, 910).
2.
Daß es sich bei dem vorliegenden Verfahren um eine Familiensache handelte, war vom Oberlandesgericht bereits im Beschluß vom 6. Juli 1978, in dem nach § 36 Nr. 6 ZPO auf Fortdauer der Zuständigkeit des Landgerichts nach dem Inkrafttreten des 1. EheRG erkannt wurde, ausdrücklich ausgesprochen worden. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, daß das Berufungsgericht angenommen hat, die Revision gegen das Berufungsurteil sei aufgrund des Werts der Beschwer von mehr als DM 40.000,- ohne Zulassung statthaft. Hierfür spricht, daß der erkennende Senat des Berufungsgerichts für Familiensachen nicht zuständig war und daß im Berufungsurteil dem Beklagten Vollstreckungsschutz gewährt worden ist. Das Berufungsurteil läßt auch nicht erkennen, daß das Berufungsgericht eine etwa in Betracht kommende vorsorgliche Zulassung der Revision in Erwägung gezogen hat.
Die Frage, ob in einem solchen Fall angenommen werden kann, daß das Oberlandesgericht eine Entscheidung über die Zulassung der Revision nicht getroffen hat, und ob diese Entscheidung gegebenenfalls im Wege der Urteilsergänzung analog § 321 ZPO nachgeholt werden kann, ist - insbesondere im Hinblick auf die Neufassung des § 546 ZPO vom 8. Juli 1975 (BGBl I S. 1863) - umstritten (ablehnend zum früheren Rechtszustand: BGHZ 44, 395; ebenso auch für die Neufassung des § 546 ZPO: OLG Koblenz MDR 1976, 940; OLG Köln MDR 1978, 583 m.w.N.; Thomas/Putzo, ZPO 11. Aufl. § 321 Anm. 4 d; a. A.: Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO 38. Aufl. § 546 Anm. 2 C b; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 20. Aufl. § 546 Rdn. 13). Für die vorliegende Entscheidung kann die Streitfrage dahingestellt bleiben. Eine Nachholung des Ausspruchs über die Zulassung der Revision in entsprechender Anwendung des § 321 ZPO könnte hier schon wegen des Ablaufs der Antragsfrist nach § 321 Abs. 2 ZPO nicht mehr in Betracht kommen. Die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die von Walter (FamRZ 1979, 663, 673) in Fällen dieser Art befürwortet wird, besteht gegen die Versäumung der Antragsfrist nach § 321 Abs. 2 ZPO nicht, da es sich dabei um keine der in § 233 ZPO genannten Fristen handelt.
Das Revisionsgericht kann über die vom Berufungsgericht unterlassene Zulassung der Revision auch nicht selbst befinden. Die Entscheidung über die Zulassung nach § 621 d Abs. 1 ZPO ebenso wie nach § 546 Abs. 1 ZPO ist ausschließlich dem Oberlandesgericht übertragen. Die Nichtzulassung der Revision ist weder anfechtbar, noch kann das Revisionsgericht von Amts wegen überprüfen, ob die Zulassung zu Recht unterblieben ist. Dies gilt sowohl für den Fall, daß das Oberlandesgericht die Voraussetzungen der Zulassung nach §§ 546 Abs. 1 Satz 2, 621 d Abs. 1 Halbs. 2 ZPO verneint hat, als auch dann, wenn das Oberlandesgericht von der Zulassung ohne Prüfung dieser Voraussetzungen abgesehen hat, weil es die Revision ohne Zulassung für statthaft erachtet hat (BGH LM ZPO § 546 Nr. 16; vgl. auch BGH LM a.a.O. Nr. 85 und Stein/Jonas/Grunsky a.a.O. § 546 ZPO Rdn. 15).
Die Revision ist sonach mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann - wie vom Beklagten erbeten - bereits vor Einreichung der Revisionsbegründung durch Beschluß nach § 554 a ZPO getroffen werden, da die Unzulässigkeit des Rechtsmittels aufgrund der fehlenden Zulassung der Revision unabhängig von der Einhaltung der Formvorschriften für die Revisionsbegründung bereits feststeht (Baumbach/Lauterbach/Albers a.a.O. § 519 b ZPO Anm. 2 C; Stein/Jonas/Grunsky a.a.O. § 519 b ZPO Rdn. 26).
Fundstellen
Haufe-Index 3018779 |
NJW 1980, 785 |
NJW 1980, 785-786 (Volltext mit amtl. LS) |
MDR 1980, 388 (Volltext mit amtl. LS) |