Verfahrensgang

OLG München (Entscheidung vom 14.07.2022; Aktenzeichen 6 Sch 38/18 WEG)

 

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Teilurteil des Oberlandesgerichts München - 6. Zivilsenat - vom 14. Juli 2022 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.

Streitwert: 10.000 €

 

Gründe

Rz. 1

I. Die Klägerin ist ein Zusammenschluss deutscher Verwertungsgesellschaften, die Ansprüche aus § 54 Abs. 1 UrhG wegen der Vervielfältigung von Audiowerken und audiovisuellen Werken geltend machen können, wobei die Klägerin nach § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags die ihr übertragenen Rechte im eigenen Namen wahrnimmt. Die Verwertungsgesellschaft Wort und die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst haben mit der Klägerin eine Abtretungsvereinbarung geschlossen, nach der Ansprüche aus den §§ 54 ff. UrhG für Vervielfältigungen von stehendem Text und stehendem Bild aus den Zeiträumen 1. Januar 2008 bis 30. Juni 2016 an die Klägerin abgetreten wurden.

Rz. 2

Die Klägerin sowie die VG Wort und die VG Bild-Kunst haben am 1. Dezember 2015 mit dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) einen "Gesamtvertrag zur Regelung der urheberrechtlichen Vergütungspflicht gemäß §§ 54 ff. UrhG für Tablets für die Zeit ab dem 1. Januar 2012" abgeschlossen und die dort vereinbarten Vergütungssätze nach § 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 UrhWG im Bundesanzeiger vom 4. Januar 2016 als "Gemeinsamen Tarif der ZPÜ, VG Wort und VG Bild-Kunst über die Vergütung nach den §§ 54 ff. UrhG für Tablets" veröffentlicht. Nach dem Tarif sind für "Verbraucher-Tablets" im Sinne von Abschnitt 4 des Tarifs für die Jahre 2012 und 2013 6,125 €, für das Jahr 2014 7,4375 € und ab dem 1. Januar 2015 8,75 € für jedes in Verkehr gebrachte Gerät zu entrichten. Für "Business-Tablets" im Sinne von Abschnitt 4 des Tarifs sind niedrigere Vergütungssätze vorgesehen, nämlich für die Jahre 2012 und 2013 2,45 €, für das Jahr 2014 2,975 € und ab dem 1. Januar 2015 3,50 €.

Rz. 3

Mit Schreiben vom 19. August 2015 hat die Klägerin die Beklagte schriftlich zur Auskunftserteilung und Zahlung hinsichtlich des Veräußerns oder Inverkehrbringens von Tablets in Deutschland für das Jahr 2012 unter Fristsetzung bis zum 16. September 2015 aufgefordert. Mit weiterem Schreiben vom 26. Juli 2016 hat die Klägerin die Beklagte weiter unter Fristsetzung bis zum 23. August 2016 zur Auskunft für die Jahre 2013 bis 2015 aufgefordert. Die Beklagte hat weder Auskunft erteilt noch gezahlt.

Rz. 4

Die Klägerin hat ein Schiedsstellenverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingeleitet. Die Schiedsstelle hat mit Beschluss vom 17. Mai 2018 vom Erlass eines Einigungsvorschlags abgesehen.

Rz. 5

Das Oberlandesgericht hat die Beklagte antragsgemäß im Wege des Teilurteils zur Auskunft über die in den Jahren 2012 bis 2015 in Deutschland veräußerten oder in Verkehr gebrachten Tablets verurteilt und die Feststellung ausgesprochen, dass die Beklagte folgende Vergütung für jedes im genannten Zeitraum in Deutschland veräußerte oder in Verkehr gebrachte Verbraucher-Tablet/Business-Tablet schuldet: für die Jahre 2012 und 2013 6,125 €/2,45 €, für das Jahr 2014 7,4375 €/2,975 €, für das Jahr 2015 8,75 €/3,50 €. Die Revision hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen. Hiergegen hat die Beklagte Beschwerde eingelegt und möchte im Falle der Zulassung der Revision ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgen.

Rz. 6

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Er beträgt höchstens 13.000 €.

Rz. 7

1. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer richtet sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung des Urteils.

Rz. 8

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bemisst sich der Wert der Beschwer bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung nicht nach dem Wert des mit der Klage geltend gemachten Auskunftsanspruchs, sondern nach dem Interesse der verurteilten Partei, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist im Wesentlichen auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die Erteilung der hiernach geschuldeten Auskunft erfordert sowie auf etwaige Geheimhaltungsinteressen des Verurteilten (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 1994 - GSZ 1/94, BGHZ 128, 85 [juris Rn. 10]; Beschluss vom 22. März 2010 - II ZR 75/09, NJW-RR 2010, 786 [juris Rn. 2]; Beschluss vom 7. Oktober 2020 - I ZR 28/20, juris Rn. 8, jeweils mwN).

Rz. 9

b) Die Berücksichtigung eines Geheimhaltungsinteresses bei der Bestimmung des Beschwerdewerts erfordert die Darlegung, dass gerade in der Person des die Auskunft Begehrenden die Gefahr begründet ist, dieser werde von ihm offenbarten Tatsachen über den Rechtsstreit hinaus in einer Weise Gebrauch machen, die schützenswerte wirtschaftliche Interessen des zur Auskunft Verpflichteten gefährden könnte (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1983 - VIII ZR 243/82, WM 1984, 180 [juris Rn. 15]; Urteil vom 29. Oktober 1986 - IVb ZR 86/85, FamRZ 1987, 468; Beschluss vom 22. Februar 1995 - IV ZB 20/94, NJW-RR 1995, 764 [juris Rn. 6]; Beschluss vom 15. September 2009 - VI ZR 287/08, juris Rn. 1 f.; BGH, NJW-RR 2010, 786 [juris Rn. 19]; BGH, Beschluss vom 30. Juli 2020 - III ZR 15/20, juris Rn. 13).

Rz. 10

2. Im Streitfall beläuft sich die Beschwer der Beklagten auf nicht mehr als 13.000 €.

Rz. 11

a) Das Oberlandesgericht hat den Streitwert mit Beschluss vom 22. August 2022 (vorläufig) auf 10.000 € festgesetzt und dabei im Rahmen der Stufenklage gemäß § 44 GKG auf den höchsten Einzelantrag - hier: den rechtshängig gewordenen (aber mit dem Teilurteil noch nicht beschiedenen) Leistungsantrag - abgestellt. Die Sicherheitsleistung für den Auskunftsantrag hat das Oberlandesgericht im Teilurteil auf 5.000 € festgesetzt.

Rz. 12

b) Die Beschwerde macht geltend, die Beschwer belaufe sich auf mehr als 20.000 €. Der für die Beklagte mit der Erteilung der Auskunft verbundene Aufwand belaufe sich - wie der Senat mit Beschluss vom 2. Juni 2022 (Az. I ZR 3/21) für die Erteilung einer zeit- und kostenaufwändigen Auskunft entschieden habe - auf 10.000 €. Hinzu komme ein Aufschlag für das Geheimhaltungsinteresse der Beklagten. Diese habe schon mit der Klageerwiderung auf ihr Interesse verwiesen, ihre An- und Verkaufswege auf dem hart umkämpften Markt der Kommunikationstechnologie geheim zu halten; es handele sich um ein elementares Geschäftsgeheimnis. Die Beklagte habe zudem mit vielen Geschäftspartnern vertragsstrafenbewehrte Verschwiegenheitsklauseln vereinbart. Der Wert des Feststellungsausspruchs betrage angesichts des erheblichen Jahresumsatzes der Beklagten, den diese im Schriftsatz vom 3. August 2022 für den hier maßgeblichen Zeitraum auf zwischen 250 und 336 Mio. € beziffert habe, jedenfalls 80 % des zu erwartenden Leistungsausspruchs von mehr als 25.000 €, also mehr als 20.000 €.

Rz. 13

c) Die Beschwerde vermag mit ihrem Begehren, die Beschwer auf mehr als 20.000 € festzusetzen, nicht durchzudringen. Maximal 13.000 € sind angemessen, wobei auf den Feststellungstenor 8.000 € und auf den Auskunftstenor 5.000 € entfallen.

Rz. 14

aa) Die aus der tenorierten Feststellung folgende Beschwer der Beklagten beläuft sich bei Zugrundelegung von 80 % der auf den Leistungsantrag entfallenden Streitwertfestsetzung des Oberlandesgerichts auf 8.000 €.

Rz. 15

(1) Gegen die vom Oberlandesgericht vorgenommene Bewertung des Leistungsantrags mit 10.000 € wehrt sich die Beschwerde ohne Erfolg. Diesen Betrag hat die Klägerin sowohl bei der Einleitung des Schiedsverfahrens als auch in ihrer Klageschrift angegeben, ohne dass die Beklagte dem entgegengetreten ist. Auch gegen die entsprechende Wertfestsetzung der Schiedsstelle hat die Beklagte keine Einwände erhoben. Erstmals nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2022 hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 3. August 2022 unter Hinweis auf die genannten Jahresumsätze eine höhere Beschwer geltend gemacht. Das war zu spät.

Rz. 16

(2) Für die Bestimmung der Rechtsmittelbeschwer ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht maßgeblich, und zwar nach Maßgabe der dem Parteivorbringen zu diesem Zeitpunkt zugrundeliegenden tatsächlichen Angaben zum Wert (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2021 - VIII ZR 255/20, NJW 2022, 194 [juris Rn. 15]; Beschluss vom 19. Mai 2022 - I ZR 114/21, juris Rn. 15, jeweils mwN). Einer beklagten Partei, die weder die Streitwertfestsetzung in den Vorinstanzen beanstandet noch sonst glaubhaft gemacht hat, dass für die Festlegung des Streitwerts maßgebliche Umstände, die bereits dort vorgebracht worden sind, nicht hinreichend berücksichtigt worden sind, ist es regelmäßig versagt, sich erstmals im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde auf einen höheren, die erforderliche Rechtsmittelbeschwer erreichenden Wert zu berufen. Parteivortrag, der noch nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung war und erstmals nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung gegenüber den Tatgerichten zur Höhe von Streitwert und Beschwer mit dem Ziel gehalten wird, die Wertgrenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu überschreiten, ist ebenso zu behandeln wie (erstmaliger) Vortrag im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 27. Januar 2022 - I ZR 77/21, K&R 2022, 370 [juris Rn. 10]; Beschluss vom 19. Mai 2022 - I ZR 114/21, juris Rn. 15, jeweils mwN).

Rz. 17

Danach ist im Streitfall die Wertfestsetzung des Oberlandesgerichts zugrunde zu legen, wobei auf den Feststellungsantrag nur 80 % des Werts des Leistungsantrags entfallen.

Rz. 18

bb) Durch die Verurteilung zur Auskunft ist die Beklagte lediglich mit 5.000 € beschwert. Auf diesen Betrag hat das Oberlandesgericht im Rahmen der Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit die Sicherheitsleistung bemessen, die das durch die Auskunftserteilung betroffene vermögenswerte Interesse der Beklagten widerspiegelt.

Rz. 19

(1) Einen diesen Betrag übersteigenden Aufwand der Auskunftserteilung hat die Beklagte nicht glaubhaft gemacht. In anderen Fällen angesetzte Aufwandsbeträge lassen sich nicht unbesehen auf den Streitfall übertragen. Erforderlich sind hierzu substantiierte Darlegungen und deren Glaubhaftmachung etwa zum erforderlichen Zeitaufwand und zur benötigten Anzahl von Eigen- oder Fremdpersonal (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2020 - I ZR 28/20, juris Rn. 9 bis 15; Beschluss vom 2. Juni 2022 - I ZR 3/21, juris Rn. 9 bis 14). Solchen Vortrag hat die Beschwerde nicht gehalten.

Rz. 20

(2) Die Darlegungen der Beklagten zum Geheimhaltungsinteresse rechtfertigen keine Erhöhung des Beschwerdewerts. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass gerade in der Person der Klägerin die Gefahr begründet ist, diese werde von ihr offenbarten Tatsachen über den Rechtsstreit hinaus in einer Weise Gebrauch machen, die schützenswerte wirtschaftliche Interessen der Beklagten gefährden könnte (so der Obersatz der vorstehend unter II 1 b zitierten Rechtsprechung). Es ist - im Gegenteil - durch die gesetzliche Anordnung in § 54h Abs. 5 UrhG, nach der die Verwertungsgesellschaften die durch die Auskunftserteilung von Vergütungspflichtigen erhaltenen Angaben nur zur Geltendmachung der Vergütungsansprüche verwenden dürfen, sichergestellt, dass das betroffene Geheimhaltungsinteresse der Beklagten durch die Auskunftserteilung nicht berührt wird. Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass die Empfänger der Auskünfte die erhaltenen Angaben, die, wie z.B. Bezugsquellen, den Charakter von Geschäftsgeheimnissen haben, nur bestimmungsgemäß verwenden; auch auf diesen Gesichtspunkt bezieht sich die Aufsicht des Deutschen Patent- und Markenamts über die Verwertungsgesellschaften (so die Begründung für die Einführung der Regelung im Regierungsentwurf des Dritten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes, BR-Drucks. 218/94, S. 29).

Rz. 21

(3) Der Hinweis auf das Bestehen vertragsstrafebewehrter Verschwiegenheitspflichten gegenüber Vertriebspartnern rechtfertigt ebenfalls keine Erhöhung des Beschwerdewerts. Der Umstand, dass der Auskunftspflichtige sich bei Offenlegung der zu erteilenden Auskunft gegenüber Dritten haft- oder schadensersatzpflichtig machen könnte, findet bei der Bewertung eines etwaigen Geheimhaltungsinteresses keine Berücksichtigung, weil es sich um eine für die Wertbestimmung irrelevante Fernwirkung im Rahmen von Drittbeziehungen handelt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 4. Juli 1997 - V ZR 208/96, NJW 1997, 3246 [juris Rn. 9]; Beschluss vom 25. Januar 2006 - VIII ZB 33/05, juris Rn. 5; Beschluss vom 16. Oktober 2008 - IX ZB 138/07, juris Rn. 3; BGH, NJW-RR 2010, 786 [juris Rn. 17]).

Rz. 22

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Rz. 23

IV. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG. Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG bestimmt sich der Streitwert im Rechtsmittelverfahren nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG ist der Streitwert des Rechtsmittelverfahrens durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt; er kann also (es sei denn, es liegt eine Erweiterung des Streitgegenstands vor, § 47 Abs. 2 Satz 2 GKG) nicht höher sein. Dies führt dazu, dass der Streitwert vorliegend auf 10.000 € festzusetzen ist, auch wenn das Rechtsschutzziel der Beklagten - Beseitigung einer Beschwer von 13.000 € - höherwertig ist.

Koch     

Löffler     

Schwonke

Feddersen     

Schmaltz     

 

Fundstellen

Haufe-Index 15734936

ZUM-RD 2023, 473

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