Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Entscheidung vom 15.12.2020; Aktenzeichen I-23 U 163/19) |
LG Düsseldorf (Entscheidung vom 22.11.2019; Aktenzeichen 11 O 425/17) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin zu tragen.
Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf die Gebührenstufe bis 35.000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
1. Die Revision des Klägers ist gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und das Rechtsmittel darüber hinaus keine Aussicht auf Erfolg bietet. Zur Begründung wird auf den Senatsbeschluss vom 21. März 2023 Bezug genommen (§ 552a Satz 2, § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO).
Rz. 2
2. Die im Anschluss an den Hinweis des Senats erfolgten Ausführungen der Revision im Schriftsatz vom 8. Mai 2023, wonach eine interessengerechte Auslegung des zwischen den Parteien vereinbarten Verjährungsverzichts ergebe, dass es dem Beklagten - nachdem der Kläger innerhalb des Verzichtszeitraums eine Nacherfüllungsklage erhoben habe - verwehrt sei, sich gegenüber dem nachfolgend - nach Ablauf des Verzichtszeitraums - im Wege der Klageerweiterung geltend gemachten Rückabwicklungsanspruch auf die Einrede der Verjährung zu berufen, geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.
Rz. 3
a) Entgegen der Auffassung der Revision ist der von ihr herangezogenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 1. Oktober 2020 - IX ZR 247/19, WM 2020, 2073 Rn. 42) und Literatur (jurisPK-BGB/Lakkis, 10. Aufl., § 202 Rn. 6; MünchKommBGB/Grothe, 9. Aufl., § 213 Rn. 2) nicht zu entnehmen, dass die Vorschrift des § 213 BGB bei Verjährungsvereinbarungen und auch bei Verjährungsverzichtserklärungen allgemein als Auslegungsregel heranzuziehen sei und daher deren Wirkungen stets eingriffen, wenn sie nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden seien.
Rz. 4
Die von der Revision genannten Fundstellen betreffen ausschließlich Fragen, die sich im Streitfall nicht stellen. Während die zweite der angeführten Literaturstimmen (MünchKommBGB/Grothe, 9. Aufl., § 213 Rn. 2) sich lediglich mit Auslegungsfragen im Zusammenhang mit bestimmten Tatbeständen der Verjährungshemmung (§§ 203, 205 BGB) sowie des Neubeginns der Verjährung (§ 212 BGB), nicht aber mit der Auslegung eines Verjährungsverzichts befasst, behandeln sowohl die in Bezug genommenen Ausführungen in dem vorbezeichneten Urteil des IX. Zivilsenats als auch die erste der angeführten Literaturstimmen (jurisPK-BGB/Lakkis, 10. Aufl., § 202 Rn. 6, 24) allein den Gesichtspunkt, ob eine vom Schuldner abgegebene auf einen bestimmten Anspruch bezogene Verjährungsverzichtserklärung sich auch auf solche Ansprüche erstreckt, die mit dem Anspruch konkurrieren oder wirtschaftlich an dessen Stelle treten. Dies bejaht der IX. Zivilsenat unter Verweis auf die Gesetzesbegründung zu § 202 BGB (BT-Drucks. 14/6040, S. 111) für den Fall, dass durch Auslegung nicht ein gegenteiliger Wille der Parteien ermittelt wird (Zweifelsregelung), und führt dazu unter Verweis auf die letztgenannte Literaturstimme ergänzend aus, dass auch die Vorschrift des § 213 BGB in diese Richtung deute.
Rz. 5
Im vorliegenden Fall steht indes außer Streit, dass der Beklagte auf die Erhebung der Verjährungseinrede in Bezug auf sämtliche denkbaren Ansprüche im Zusammenhang mit der in dem Motor des Fahrzeugs des Klägers (Typ EA 189) eingebauten Software verzichtet hat. Maßgeblich ist hier vielmehr die - vom Senat verneinte - Frage, ob eine Verjährungsverzichtserklärung des Schuldners ohne konkrete dahingehende Anhaltspunkte zum Inhalt hat, dass eine nach Eintritt der Verjährung, aber innerhalb des Verzichtszeitraums erfolgte Geltendmachung eines bestimmten von der Verzichtserklärung umfassten Anspruchs bewirkt, dass es dem Schuldner verwehrt wäre, sich im Hinblick auf andere von der Verzichtserklärung ebenfalls umfasste - wahlweise neben dem Anspruch oder an seiner Stelle gegebene - Ansprüche auf deren Verjährung zu berufen, wenn der Gläubiger sie erst nach Ablauf des Verzichtszeitraums geltend macht. Hierzu verhalten sich die von der Revision herangezogenen Fundstellen nicht.
Rz. 6
b) Vergeblich hält die Revision den Ausführungen des Senats in seinem Hinweisbeschluss, wonach bei Erklärung des Verjährungsverzichts - insbesondere unter Berücksichtigung der im Streitfall maßgeblichen zeitlichen Gegebenheiten - kein Bedarf bestanden habe, dem Kläger für den Fall der Erhebung einer Nacherfüllungsklage innerhalb des vereinbarten Zeitraums einen darüber hinausgehenden Zeitraum für die Geltendmachung weiterer - namentlich sekundärer - Gewährleistungsrechte einzuräumen, entgegen, dass nach "der Logik der Argumentation des Senats" ein Bedarf für die gesetzliche Regelung des § 213 BGB ebenfalls nicht bestanden habe; denn der Gläubiger könne auch innerhalb der laufenden Verjährungsfrist neben einem Nacherfüllungsverlangen hilfsweise eine Rückabwicklungsklage erheben.
Rz. 7
Abgesehen davon, dass nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, Vertragsparteien legten ihren Vereinbarungen stets die gesetzgeberischen Wertungen zugrunde, lässt die Revision hierbei außer Acht, dass der Verjährungsverzicht eine Beschränkung der dem Beklagten gesetzlich zustehenden Rechte enthält und es vor diesem Hintergrund - wie in dem Hinweisbeschluss des Senats aufgezeigt - konkreter Anhaltspunkte bedürfte, um annehmen zu können, die Parteien hätten dem Verzicht übereinstimmend eine über den in dem Hinweisbeschluss des Senats dargestellten regelmäßigen Inhalt hinausgehende Reichweite beigemessen, ihm namentlich der Regelung des § 213 BGB vergleichbare Rechtswirkungen zukommen lassen wollen.
Rz. 8
Aus diesem Grund könnte sich der Gläubiger als Empfänger einer Verjährungsverzichtserklärung - anders als die Revision meint - nur dann darauf verlassen, dass einer innerhalb des Verzichtszeitraums erhobenen Klage dieselben Wirkungen wie einer in unverjährter Zeit erhobenen Klage zukommen, wenn ein entsprechend weitgehender Verzichtswille aus der Erklärung des Schuldners hervorginge oder den sonstigen maßgeblichen Einzelfallumständen zu entnehmen wäre. Dass im Streitfall dahingehende konkrete Anhaltspunkte bestünden, behauptet auch die Revision nicht.
Dr. Bünger |
|
Dr. Liebert |
|
Wiegand |
|
Dr. Matussek |
|
Dr. Böhm |
|
Fundstellen
Dokument-Index HI15927371 |