Leitsatz (amtlich)
1. Hat ein Ehegatte ausländische Versorgungsanrechte erworben, die im Inland nicht realisierbar sind, steht dies der Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht entgegen, wenn dieser Ehegatte auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und nicht zu erwarten ist, dass er in das Ausland zurückkehrt und so in den Genuss seiner dort erworbenen Versorgungsanrechte gelangt.
2. Der Umstand, dass nur ein Ehegatte die Voraussetzungen des Fremdrentengesetzes erfüllt, lässt es nicht als grob unbillig erscheinen, dass dieser die rentenrechtlichen Vorteile, die ihm aus der Berücksichtigung seiner in der Ehezeit im Ausland (hier: Kasachstan) zurückgelegten Beitragszeiten erwachsen, mit dem anderen Ehegatten teilt.
Normenkette
BGB § 1587 Abs. 1, § 1587c; EGBGB § 17 Abs. 3, § 14 Abs. 1, § 5 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des OLG Karlsruhe v. 29.10.1999 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 1.596 Euro.
Gründe
I.
Die am 18.10.1975 in Karaganda (Kasachstan) geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den dem Ehemann (Antragsgegner) am 29.11.1996 zugestellten Antrag der Ehefrau (Antragstellerin) durch Verbundurteil des AG Karlsruhe - Familiengericht - v. 17.6.1998 geschieden (insoweit rechtskräftig seit dem 22.9.1998) und der Versorgungsausgleich geregelt. Die Ehefrau ist deutscher Abstammung und deutsche Staatsangehörige; der Ehemann ist russischer Abstammung und besitzt die russische sowie die deutsche Staatsangehörigkeit.
Während der Ehezeit (1.10.1975 bis 31.5.1998; § 1587 Abs. 2 BGB) erwarb die am 26.6.1954 geborene Ehefrau Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (weitere Beteiligte zu 1, BfA) i. H. v. 550,74 DM; in diesen Anwartschaften sind auf Grund des Fremdrentengesetzes Beitragszeiten berücksichtigt, welche die Ehefrau in Kasachstan zurückgelegt hat. Der am 26.7.1954 geborene Ehemann erwarb während der Ehezeit Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Landesversicherungsanstalt für Angestellte Baden (weitere Beteiligte zu 2, LVA) i. H. v. 18,66 DM; außerdem bestehen für ihn auf Grund in Kasachstan zurückgelegter Beitragszeiten bei einem dortigen Versorgungsträger weitere Rentenanwartschaften in ungeklärter Höhe.
Das AG hat (ausgehend von einer Rentenanwartschaft der Ehefrau i. H. v. nur 538,95 DM) den Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass es Rentenanwartschaften der Ehefrau bei der BfA i. H. v. monatlich 260,14 DM, bezogen auf den 30.10.1996, auf das Rentenkonto des Ehemanns bei der LVA übertragen hat. Gegen diese Entscheidung hat die Ehefrau Beschwerde eingelegt.
Im Verfahren vor dem OLG haben BfA und LVA bestätigt, dass mit Kasachstan kein Sozialversicherungsabkommen bestehe und mitgeteilt, dass ein solches Abkommen auch nicht absehbar sei; im Übrigen haben sie zu den in Kasachstan bestehenden Rentenanwartschaften des Ehemannes keine Stellungnahme abgegeben. Das OLG hat zu der Frage, in welcher Form der Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung der von beiden Parteien in Kasachstan erworbenen Anwartschaften durchzuführen sei, bei dem Sachverständigen G. ein Gutachten in Auftrag gegeben. Der Sachverständige hat die Akte unbearbeitet zurückgegeben, weil es ihm nicht möglich sei, zu den dort erworbenen Anwartschaften Auskünfte zu erhalten. Das OLG hat daraufhin die Beschwerde der Ehefrau gegen die Entscheidung des AG zurückgewiesen. Dagegen richtet sich ihre zugelassene weitere Beschwerde, mit der sie weiterhin die Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung begehrt, weil diese die in Kasachstan bestehenden Rentenanwartschaften des Ehemannes unberücksichtigt lasse.
II.
Das Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Das OLG geht davon aus, dass die vom Ehemann in Kasachstan erworbenen Rentenanwartschaften als tatsächlich wertlos anzusehen sind und es voraussichtlich auch bleiben werden. Mangels eines bestehenden oder zu erwartenden Sozialversicherungsabkommens sei nicht ersichtlich, dass der Ehemann jetzt oder in absehbarer Zeit in der Lage sein werde, diese Anwartschaften zu realisieren. Auch sei wenig wahrscheinlich, dass die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion gegenüber ausgewanderten Einwohnern jemals verbindliche Rentenverpflichtungen übernehmen werden. Ebenso sei nicht ersichtlich, dass der Ehemann - angesichts seiner auch deutschen Staatsangehörigkeit - jemals wieder nach Kasachstan zurückkehren werde. Da somit nicht zu erwarten sei, dass der Ehemann aus den in Kasachstan erworbenen Anwartschaften jemals Versorgungsleistungen erhalten werde, seien diese nach dem gegenwärtigen Stand überhaupt nicht in den Versorgungsausgleich einzubeziehen.
2. Diese Ausführungen sind frei von Rechtsirrtum.
a) Das OLG hat zu Recht den Versorgungsausgleich deutschem Recht unterstellt, da im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags die Ehefrau deutsche Staatsangehörige war und der Ehemann auch die deutsche Staatsangehörigkeit besaß (Art. 17 Abs. 3 S. 1 Hs. 1, Art. 14 Abs. 1 Nr. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB).
b) Ebenfalls zu Recht hat das OLG den Versorgungsausgleich öffentlich-rechtlich durchgeführt.
Zwar wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte die Ansicht vertreten, ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich könne dann nicht durchgeführt werden, wenn feststehe, dass der Ehegatte mit den wertniederen Anrechten in der Ehe ausländische Anrechte erworben habe, deren Höhe jedoch nicht aufgeklärt werden könne. Denn der Ehegatte, der Ausgleich beanspruche, müsse die Höhe seiner eigenen Anwartschaften darlegen und beweisen; die geringere Höhe der eigenen Anwartschaften sei nämlich tatbestandliche Voraussetzung für den Anspruch (OLG Köln v. 15.4.1986 - 4 UF 182/84, FamRZ 1986, 689 [690]). Stehe fest, dass der Ehegatte, der ohne Berücksichtigung der ausländischen Anwartschaften ausgleichsberechtigt wäre, über eben solche ausländischen Anwartschaften verfüge, sei deren Umfang aber nicht feststellbar, so trage er das Risiko der mangelnden Feststellbarkeit; denn ihm sei eher zuzumuten, sich hinsichtlich sämtlicher Anwartschaften mit dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu begnügen (OLG Düsseldorf v. 24.9.1993 - 8 UF 133/93, OLGReport Düsseldorf 1993, 357 = FamRZ 1994, 903).
So liegen die Dinge hier indes nicht. Zwar mögen die in Kasachstan bestehenden Anrechte des Ehemannes hinsichtlich ihres Nominalbetrags nicht feststellbar sein und sich schon deshalb nicht in die Versorgungsausgleichsbilanz (§ 1587 Abs. 1 BGB) einstellen lassen. Entscheidend ist jedoch, dass nach den tatrichterlichen Feststellungen, die revisionsrechtlich bedeutsame Fehler nicht erkennen lassen, die in Kasachstan begründeten Anrechte des Ehemannes in Deutschland nicht realisierbar und damit - auch für den Ehemann, mit dessen Rückkehr nach Kasachstan nach der Überzeugung des OLG nicht zu rechnen ist - wertlos sind. Angesichts dieser Wertlosigkeit kommt es - anders als in den von den Oberlandesgerichten Köln und Düsseldorf (OLG Köln v. 15.4.1986 - 4 UF 182/84, FamRZ 1986, 689 [690]; OLG Düsseldorf v. 24.9.1993 - 8 UF 133/93, OLGReport Düsseldorf 1993, 357 = FamRZ 1994, 903) entschiedenen Fällen, in denen werthaltige italienische Anrechte zu bewerten waren - auf den Nominalbetrag der in Kasachstan begründeten Anrechte des Ehemannes nicht an. Vielmehr sind diese Anrechte, weil wertlos, mit null in die Ausgleichsbilanz einzustellen und die verbleibenden, in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung begründeten Anrechte der Parteien gem. § 1587b Abs. 1 BGB zur Ausgleichung zu bringen (so auch OLG Nürnberg v. 10.12.1998 - 7 UF 3704/98, OLGReport Nürnberg 1999, 218 = FamRZ 1999, 1203 für in Tadschikistan begründete Anrechte). Gründe, die es rechtfertigen könnten, den Ehemann stattdessen auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu verweisen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere entstehen der Ehefrau aus der Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs keine unzumutbaren Nachteile; denn sie kann, falls sich die in Kasachstan begründeten Anrechte des Ehemannes wider Erwarten irgendwann doch noch als realisierbar erweisen sollten, gem. § 10a VAHRG auf eine Abänderung der Versorgungsausgleichsentscheidung antragen.
c) Schließlich war das OLG auch nicht, wie die Revision meint, aus sonstigen Billigkeitsgründen gehalten, von einer Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs abzusehen.
Die Frage, ob die Inanspruchnahme eines Versorgungsausgleichsverpflichteten aus Gründen der Billigkeit auszuschließen ist, kann nicht nach den allgemeinen Regeln entschieden werden. Vielmehr werden diese Regeln insoweit durch die Härteklausel des § 1587c BGB ausgeschlossen, bei der es sich um eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben handelt, die aber andere und, vor allem durch das Merkmal der groben Unbilligkeit, strengere Maßstäbe als § 242 BGB setzt (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 29.4.1981 - IVb ZB 813/80, MDR 1981, 922 = FamRZ 1981, 756; v. 30.9.1992 - XII ZB 100/89, MDR 1993, 243 = FamRZ 1993, 176 [178]). Eine grobe Unbilligkeit liegt hier nicht vor. Der Umstand, dass nur die Ehefrau die Voraussetzungen des Fremdrentengesetzes erfüllt, lässt es nicht als grob unbillig erscheinen, dass diese die rentenrechtlichen Vorteile, die sie aus der Berücksichtigung ihrer in der Ehezeit in Kasachstan zurückgelegten Beitragszeiten zieht, mit ihrem Ehemann teilt. Ebenso kann eine grobe Unbilligkeit nicht daraus hergeleitet werden, dass der Ehemann sich durch seinen fortdauernden Aufenthalt in Deutschland um die Möglichkeit bringt, den Wert seiner in Kasachstan erworbenen Rentenanrechte in Kasachstan zu realisieren. Der Ehemann besitzt - auch - die deutsche Staatsangehörigkeit. Seine Rückkehr nach Kasachstan steht schon von daher nicht zu erwarten; sie kann ihm auch nicht mit dem Ziel angesonnen werden, seine geschiedene Ehefrau versorgungsausgleichsrechtlich zu entlasten.
3. Das OLG hat mit Recht davon abgesehen, dem Ehemann höhere als die ihm vom Familiengericht zuerkannten Rentenanwartschaften zu übertragen. Zwar hat sich infolge der zwischenzeitlich veränderten Bewertung der Kindererziehungszeiten die Rentenanwartschaft der Ehefrau und damit auch der Ausgleichsanspruch des Ehemannes erhöht. Diese Erhöhung musste jedoch unberücksichtigt bleiben, da anderenfalls die angefochtene Entscheidung des Familiengerichts zum Nachteil der Ehefrau als Rechtsmittelführerin abgeändert worden wäre (st. Rspr., vgl. etwa BGH v. 27.10.1982 - IVb ZR 719/81, BGHZ 85, 180 ff. = MDR 1983, 116).
Fundstellen
Haufe-Index 986472 |
BGHR 2003, 1412 |
FamRZ 2003, 1737 |
FuR 2004, 163 |
NJW-RR 2004, 1 |
JurBüro 2004, 220 |
ZAP 2003, 1248 |
IPRax 2005, 447 |
MDR 2004, 95 |
FF 2004, 25 |
FamRB 2004, 6 |
ZFE 2003, 374 |
FK 2004, 24 |