Verfahrensgang
LG Bochum (Urteil vom 30.08.2005) |
Tenor
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Bochum – auswärtige Strafkammer Recklinghausen – vom 30. August 2005 wird als unstatthaft zurückgewiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 24. Januar 2007 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom 22. Mai 2007 bemerkt der Senat:
1. Die Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 5 i.V.m. § 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO ist ungeachtet der Frage, ob das Revisionsvorbringen insoweit den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt (zur grundsätzlichen Unzulässigkeit von Bezugnahmen auf Anlagen zur Revisionsbegründungsschrift und auf den Akteninhalt vgl. Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 344 Rdn. 21 m.N.), jedenfalls unbegründet. Ebenso wie die erste Hauptverhandlung in dieser Sache hat auch die zweite Hauptverhandlung, wie gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO erforderlich, in Anwesenheit eines Verteidigers des Angeklagten stattgefunden. Der Wahlverteidiger des Angeklagten ist, wie von diesem mit Schriftsatz vom 18. Januar 2005 „unter Niederlegung des Mandats” beantragt, bereits vor der Durchführung der ersten Hauptverhandlung in dieser Sache von dem Vorsitzenden der Strafkammer, bei der das Verfahren anhängig war, als Pflichtverteidiger beigeordnet worden (§ 141 Abs. 4 StPO). Der Vorsitzende der Großen auswärtigen Strafkammer Recklinghausen beim Landgericht Bochum hat die Pflichtverteidigerbestellung allerdings nicht ausdrücklich verfügt. Er hat dem Verteidiger des Angeklagten jedoch auf dessen Antrag durch Beschluss vom 23. März 2005 eine Dienstfahrt zur Besprechung mit dem Angeklagten zur Vorbereitung der Hauptverhandlung am 6. April 2005 und einem weiteren Tag vor dieser Hauptverhandlung genehmigt. Damit hat der Vorsitzende, was für eine Pflichtverteidigerbestellung ausreicht (vgl. BGHR StPO § 141 Bestellung 2; Meyer-Goßner aaO § 141 Rdn. 7 m.N.), konkludent zum Ausdruck gebracht, dass der Verteidiger dem Angeklagten beigeordnet wird, denn einer Entscheidung über die Erforderlichkeit der Reise eines Verteidigers im Feststellungsverfahren nach § 46 Abs. 2 Satz 1 RVG bedarf es nur dann, wenn dieser zum Beistand des Angeklagten bestellt worden ist.
Damit ist der – ohnehin unstatthafte (vgl. BGHSt 17, 94, 95; 23, 102, 103; 25, 89, 91; BGHR StPO § 33 a Satz 1 Anhörung 1) – Wiedereinsetzungsantrag gegenstandslos.
2. Der wegen der Zurückweisung der gegen die Schöffen gerichteten Ablehnungsgesuche geltend gemachte Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO ist ebenfalls nicht gegeben. Das Landgericht hat die Ablehnungsgesuche zu Recht als unbegründet zurückgewiesen. Dass die Schöffen durch die teilweise Verlesung des Urteils vom 30. August 2005 Kenntnis von der gemäß § 51 Abs. 1 BZRG nicht verwertbaren Verurteilung des Amtsgerichts Soest vom 8. September 1990 erlangt haben, vermag aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend dargelegten Gründen Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Schöffen (§ 31 Abs. 1 i.V.m. § 24 Abs. 2 StPO) nicht zu rechtfertigen.
Dass die abgelehnten Schöffen sich über den in dem Ablehnungsgesuch geltend gemachten Ablehnungsgrund nicht dienstlich geäußert haben, steht einer Überprüfung der Entscheidung des Landgerichts über das Ablehnungsgesuch durch das Revisionsgericht (nach Beschwerdegrundsätzen) nicht entgegen. Zwar ist eine solche dienstliche Äußerung gemäß § 26 Abs. 3 StPO, der gemäß § 31 Abs. 3 für Schöffen entsprechend gilt, grundsätzlich erforderlich. Ihr Fehlen ist aber dann unschädlich, wenn der zu beurteilende Sachverhalt – wie hier – eindeutig feststeht. Eine Äußerung des abgelehnten Schöffen ist, ebenso wie die eines abgelehnten Richters, nur zu Tatsachen erforderlich (vgl. BSG, Beschluss vom 29. März 2007 – B 9a – SB 18/06 zu § 202 SGG i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO; BFH, Beschluss vom 10. Januar 2007 – X B 78/06 zu § 51 FGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO). Da die dienstliche Äußerung gemäß § 26 Abs. 3 StPO allein der weiteren Sachaufklärung dient, ist sie verzichtbar, wenn der Sachverhalt geklärt ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2006 – 3 B 182/05 zu § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO). Entgegen der Auffassung der Revision kommt es für die Beurteilung der Besorgnis der Befangenheit eines Schöffen gemäß § 31 Abs. 1 i.V.m. § 24 Abs. 2 StPO nicht darauf an, ob der abgelehnte Schöffe tatsächlich parteilich oder befangen ist oder ob er sich für befangen hält; entscheidend ist allein, ob bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass besteht, an seiner Unvoreingenommenheit zu zweifeln (vgl. BVerfGE 108, 122, 129 zu § 19 BVerfGG).
Unterschriften
Tepperwien, Athing, Ri'inBGH Solin-Stojanović ist infolge Urlaubs gehindert zu unterschreiben Tepperwien, Ernemann, Sost-Scheible
Fundstellen
Haufe-Index 2553708 |
NStZ 2008, 117 |
NStZ-RR 2010, 67 |
StRR 2007, 242 |
StraFo 2007, 464 |