Leitsatz (amtlich)
Der vertragliche Ausschluß von Schadensersatzansprüchen des Mieters gegen den Vermieter wegen Sachschäden, welche durch Mängel der Mietsache verursacht sind, für die der Vermieter aufgrund leichter Fahrlässigkeit einzustehen hat, durch die in einem vom Vermieter gestellten Formularmietvertrag über Wohnraum enthaltene Klausel
„Führt ein Mangel des Mietobjekts zu Sach- oder Vermögensschäden, so haftet der Vermieter gegenüber dem Mieter … für diese Schäden – auch aus unerlaubter Handlung – nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.”
ist wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam.
Normenkette
AGBG § 9
Verfahrensgang
AG Hamburg |
LG Hamburg |
OLG Hamburg |
Tenor
Der vertragliche Ausschluß von Schadensersatzansprüchen des Mieters gegen den Vermieter wegen Sachschäden, welche durch Mängel der Mietsache verursacht sind, für die der Vermieter aufgrund leichter Fahrlässigkeit einzustehen hat, durch die in einem vom Vermieter gestellten Formularmietvertrag über Wohnraum enthaltene Klausel
„Führt ein Mangel des Mietobjektes zu Sach- oder Vermögensschäden, so haftet der Vermieter gegenüber dem Mieter … für diese Schäden – auch aus unerlaubter Handlung – nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.”
ist wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam.
Gründe
I.
Die Kläger mieteten durch Mietvertrag vom 18. April 1996 eine im zweiten Stock eines Hauses in Hamburg gelegene Wohnung. In dem schriftlichen Vertrag, einem vom Grundeigentümer-Verband Hamburg e.V. herausgegebenen Formularmietvertrag der Beklagten, sind unter § 14 folgende Klauseln vereinbart:
„Führt ein Mangel des Mietobjektes zu Sach- oder Vermögensschäden, so haftet der Vermieter gegenüber dem Mieter und den in § 16 Ziff. 2 genannten Personen für diese Schäden – auch aus unerlaubter Handlung – nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.
…
Die Haftungsbeschränkung gilt auch, wenn ein schadenverursachender Mangel des Mietobjektes oder dessen Ursprung bereits bei Abschluß des Mietvertrages vorhanden war.”
Am 19. Januar 1997 trat während urlaubsbedingter Abwesenheit der Kläger aufgrund eines Defektes im Flachdach des Hauses Wasser in die Wohnung der Kläger ein. Dabei wurde Mobiliar der Kläger beschädigt. An dem Flachdach war es in den vorangegangenen Jahren mehrfach zu Schäden gekommen, die die Beklagte jeweils hat beheben lassen.
Mit beim Amtsgericht Hamburg erhobener Klage verlangen die Kläger von der Beklagten Ersatz des ihnen am Mobiliar entstandenen Schadens, den sie insgesamt auf 25.218,75 DM beziffern. Das Amtsgericht hat die Klage nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen S. über die Ursache des Wassereintritts sowie zu der Frage, ob dieser für die Beklagte vorhersehbar gewesen sei, abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Zwar treffe die Beklagte der Vorwurf, ihre Sorgfalt hinsichtlich des Zustandes der Dachhaut außer Acht gelassen zu haben. Denn sie habe den ihr obliegenden Entlastungsbeweis, daß sie für den in ihre Sphäre fallenden Mangel der Dachhaut nicht verantwortlich sei, nicht führen können. Der Vorwurf grober Fahrlässigkeit könne ihr aber nicht gemacht werden. Dem Schadensersatzbegehren der Kläger stehe deshalb der Haftungsausschluß in § 14 des Mietvertrages entgegen, welcher entsprechend der vom Oberlandesgericht Stuttgart vertretenen Auffassung (Rechtsentscheid vom 11.4.1984 – 8 REMiet 1/84, NJW 1984, 2226 = WuM 1984, 187) als wirksam anzusehen sei.
Das auf die Berufung der Kläger mit der Sache befaßte Landgericht Hamburg möchte der Klage stattgeben. Es ist aufgrund des Gutachtens S. zu der Überzeugung gelangt, daß der Wassereintritt durch einen Defekt der Dachhaut ermöglicht worden sei, die wegen ihres spröd-harten Zustandes keine Spannungen durch thermische Belastungen mehr habe aufnehmen können. Die Dachabdichtung habe deshalb besonderer Beobachtung und Kontrolle bedurft. Dieser Kontrollpflicht sei die Beklagte nicht nachgekommen. Sie habe damit zwar die ihr obliegende Sorgfalt nicht beachtet. Ein grob fahrlässiges Verhalten könne ihr aber nicht vorgeworfen werden. Das Landgericht ist ferner aufgrund der Auskunft des Sachverständigen K. zu der Annahme gelangt, ein Mieter könne Schäden an ihm gehörenden Sachen infolge Eindringens von Niederschlagswasser nicht – insbesondere nicht mit der gängigen Hausratsversicherung nach den VHB 1992 – versichern, während dieses Risiko andererseits von einer weithin üblichen Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung abgedeckt werde. Das Landgericht vertritt die Ansicht, die Klausel über die Beschränkung der Haftung des Vermieters auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit in § 14 des Mietvertrages sei wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam, weil der Ausschluß der Haftung des Vermieters für Schäden, die ihren Grund in einer schuldhaften Verletzung der Instandhaltungspflicht hätten, den Mieter unangemessen benachteilige, wenn der Mieter sich gegen diese Schäden nicht durch eine zumutbare und praktisch lückenlos verbreitete Versicherung absichern könne. Es sieht sich an einer dahingehenden Entscheidung jedoch durch den Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 11. April 1984 (8 REMiet 1/84, aaO.) gehindert, wonach eine Beschränkung der Haftung des Vermieters auf vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten für Schäden an Einrichtungsgegenständen des Mieters durch Feuchtigkeitseinwirkungen nicht gegen § 9 AGBG verstoße. Das Landgericht hat deshalb dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg folgende Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt:
Ist die Formularklausel in einem Wohnraummietvertrag,
„Führt ein Mangel des Mietobjektes zu Sach- oder Vermögensschäden, so haftet der Vermieter gegenüber dem Mieter und den in § 16 Ziff. 2 genannten Personen für diese Schäden – auch aus unerlaubter Handlung – nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.”
die die Haftung des Vermieters für leicht fahrlässig verursachte Schäden generell ausschließt, wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam?
Das Hanseatische Oberlandesgericht hat sich durch Beschluß vom 6. Juni 2001 der Rechtsmeinung des Landgerichts Hamburg angeschlossen und dem Bundesgerichtshof die vom Landgericht formulierte Rechtsfrage zur Beantwortung vorgelegt und sie klarstellend dahin präzisiert, daß der zu beurteilende Haftungssausschluß Sach- und Vermögensschäden umfaßt.
II.
Die Vorlage an den Bundesgerichtshof ist zulässig (§ 541 Abs. 1 ZPO).
1. Gegenstand der Vorlage ist eine Rechtsfrage, die sich aus einem Mietvertragsverhältnis über Wohnraum ergibt. Das Landgericht hat als Berufungsgericht darüber zu entscheiden.
2. Die vorgelegte Rechtsfrage ist vom Rechtsstandpunkt des Landgerichts aus in ihrem wesentlichen Kern für die Entscheidung über die Berufung der Kläger erheblich.
a) Landgericht und Oberlandesgericht haben die Vorlagefrage dahin gefaßt, ob der in § 14 Abs. 1 des Mietvertrages niedergelegte „generelle” Ausschluß der Haftung des Vermieters für leicht fahrlässig verursachte Sach- und Vermögensschäden unwirksam ist. Diese Frage geht über den entscheidungserheblichen Teil der Vertragsklausel hinaus. Da die Mieter lediglich Ersatz für die Beschädigung ihnen gehörender Sachen verlangen, kommt es nicht darauf an, ob der Haftungsausschluß auch in bezug auf sonstige Vermögensschäden wirksam ist. Der Senat hat daher die Antwort auf die Vorlagefrage, wie aus der Beschlußformel ersichtlich, beschränkt, ohne damit den Kern der Fragestellung anzutasten (vgl. BGHZ 123, 233, 238).
b) Im übrigen ist die vorgelegte Rechtsfrage entscheidungserheblich. Die Klage ist abzuweisen, wenn der Haftungsausschluß wirksam ist. Ist dieser hingegen unwirksam, ist die Klage dem Grunde nach gemäß § 538 Abs. 1 2. Alt. BGB a. F. (ab 1. September 2001: § 536a Abs. 1, 2. Alt. BGB n. F.) und § 823 Abs. 1 BGB erfolgreich. Auf die Frage, ob der Ausschluß der Haftung für leicht fahrlässig zu vertretende Mängel unwirksam ist, käme es allerdings möglicherweise dann nicht an, wenn die Beklagte für den geltend gemachten Schaden auch ohne ein Verschulden einzustehen hätte. Ein solcher Anspruch ergibt sich aus § 538 Abs. 1, 1. Alt. BGB a. F. (§ 536a Abs. 1, 1. Alt. BGB n. F.), wenn der Mangel der Mietsache bereits bei Vertragsschluß vorhanden war. Nach der Aktenlage, die für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsentscheides über den im Vorlagebeschluß mitgeteilten Sachverhalt hinaus zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Beschluß vom 11. Juli 1990 – VIII ARZ 1/90 = NJW 1990, 3142 unter b), ist an das Vorliegen eines solchen anfänglichen Mangels zu denken. Die Ansicht des Landgerichts, in dem Zustand des Daches sei noch kein Mangel zu sehen, vielmehr sei der Beklagten eine Verletzung der laufenden Überwachungspflicht anzulasten, ist aber nicht unvertretbar (vgl. BGHZ 136, 314, 318).
3. Das vorlegende Oberlandesgericht will von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abweichen (§ 541 Abs. 1 S. 3 ZPO). Seine Ansicht, ein formularmäßiger Ausschluß der Schadensersatzhaftung des Vermieters für leicht fahrlässig verschuldete Mängel der Mietsache sei unwirksam, steht in Widerspruch zu dem vom Oberlandesgericht Stuttgart getroffenen Rechtsentscheid vom 11. April 1984 (aaO). Dem steht nicht entgegen, daß sich die vom Oberlandesgericht Stuttgart als wirksam beurteilte Klausel auf den Ausschluß von Schäden an Einrichtungsgegenständen des Mieters durch Feuchtigkeitseinwirkungen jeglicher Art und Herkunft erstreckte. Ausreichend für eine Divergenz ist, daß sich die vorgelegte mit der bereits entschiedenen Rechtsfrage ihrem wesentlichen Inhalt nach deckt (BGHZ 136, 314, 320). Das ist der Fall; denn zum einen überschneiden sich die in den Klauseln geregelten Schadensursachen und zum anderen hat das Oberlandesgericht Stuttgart die ihm vorliegende Klausel deshalb als wirksam angesehen, weil eine Beschränkung der Haftung des Vermieters aus § 538 Abs. 1 BGB a.F. (§ 536a Abs. 1 BGB n. F.) auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit generell nicht wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 AGBG unwirksam sei.
III.
Der Senat beantwortet die Vorlagefrage wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich.
1. Ob ein Vermieter von Wohnraum seine Schadensersatzhaftung für leicht fahrlässig verschuldete Mängel der Mietsache durch Formularvertrag wirksam abbedingen kann, ist umstritten. Nach einer Meinung soll der Haftungsausschluß wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 (Löwe/von Westphalen/Trinkner, Großkommentar AGBG, 2. Aufl., Bd. III „MietAGB” Rdnr. 41) oder Nr. 2 AGBG (Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., Anh. §§ 9-11 Rdnr. 504) unwirksam sein. Nach anderer Auffassung wird ein solcher Ausschluß unter Hinweis darauf, daß Schäden an eingebrachten Sachen des Wohnraummieters den Vertragszweck nicht gefährdeten, für zulässig erachtet (OLG Stuttgart aaO; ähnl. MünchKomm-BGB/Voelskow, § 538 Rdnr. 17). Eine weitere Ansicht geht dahin, der Haftungsausschluß sei nur für solche Schäden unwirksam, durch die der Mietgebrauch unmöglich gemacht würde (Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., Abschn. II Rdnr. 690), oder sei nur für vertragstypische, den Kern des Vertrages berührende Verpflichtungen zur Instandhaltung unwirksam (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 7. Aufl., § 538 Rdnr. 136). Nach einer im Einzelfall differenzierenden Ansicht soll der Haftungsausschluß nur für solche vertragstypischen Risiken unzulässig sein, deren Vermeidung nach dem Vertragszweck des konkreten Vertragsverhältnisses unbedingt geboten ist, weil der Mieter auf die Mangelfreiheit der Mietsache besonders vertrauen durfte (Erman/Jendrek § 538 Rdnr. 24; MünchKomm-BGB/Basedow § 9 AGBG Rdnr. 44; Kraemer in: Bub/Treier aaO Abschn. II, Rdnr. 1293; Bub in: Bub/Treier aaO Abschn. II Rdnr. 520 f).
2. Nach § 9 AGBG sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, die den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Zwar ist es nach der besonderen Regel des § 11 Nr. 7 AGBG nicht von vornherein untersagt, die Haftung für einen Schaden, der auf einer mit nicht grober, also einfacher Fahrlässigkeit begangenen Vertragsverletzung des Verwenders beruht, formularmäßig abzubedingen. Gleichwohl kann der Ausschluß der Haftung für einfache Fahrlässigkeit für bestimmte Vertragsverletzungen oder für einzelne Schäden nach § 9 AGBG als unangemessen zu beurteilen sein (allg.M.; etwa BGH, Urteil vom 9. November 1989 – IX ZR 269/87, NJW 1990, 761, 764 unter III 1 sowie BGHZ 145, 203, 244). Ein Ausschluß der Haftung für die verschuldete Nichterfüllung von Vertragspflichten kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG als eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners anzusehen sein, wenn dadurch wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so eingeschränkt werden, daß die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet ist (BGHZ 89, 363, 367 f; BGH, Urteile vom 23. Februar 1984 – VII ZR 274/82, NJW 1985, 3016 unter II 2; vom 11. November 1992 – VIII ZR 238/91, NJW 1993, 335 unter II 2 a; vom 26. Januar 1993 – X ZR 90/91, NJW-RR 1993, 560 unter III 2 b aa; vom 19. Februar 1998 – I ZR 233/95, WM 1998, 2064 = NJW-RR 1998, 1426 unter II 2 a und BGHZ 145, 203, 244). Leitender Maßstab dafür ist die Frage, ob der Haftungsausschluß zu einer Aushöhlung derjenigen vertraglichen Pflichten (sog. Kardinalpflichten) führt, die die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrages erst ermöglichen und auf deren Erfüllung der Vertragspartner des Verwenders deshalb vertraut und vertrauen darf (BGH, Urteile vom 23. Februar 1984 und vom 11. November 1992 jew. aaO; vgl. auch Urteil vom 28. Juni 2001 – I ZR 13/99 unter II 1 b (2) bb (zur Veröffentlichung bestimmt)). Denn der Gesetzgeber hat bei der Fassung von § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG ausdrücklich an diesen schon zuvor in der Rechtsprechung (etwa BGHZ 49, 356, 363; 65, 364, 367; 71, 226, 228) entwickelten Grundsatz des Verbots der Aushöhlung zentraler vertraglicher Pflichten angeknüpft (Begründung des Gesetzesentwurfs zum AGBG, in: BT-Drucks. 7/3919, S. 23).
3. Der Ausschluß der auf einfacher Fahrlässigkeit beruhenden Haftung des Vermieters von Wohnraum für Schäden des Mieters, die durch Mängel der Mietsache verursacht sind, stellt jedenfalls dann eine gegen § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG verstoßende Einschränkung der Rechte des Mieters dar, wenn von dem Ausschluß Schäden an eingebrachten Sachen des Mieters umfaßt sind, gegen die sich der Mieter üblicherweise nicht versichern kann.
a) Die sich aus § 536 BGB ergebende Pflicht des Vermieters, die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten, ist eine wesentliche Vertragspflicht des Mietvertrages im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG. Sie ist nämlich, jedenfalls soweit sie den grundlegenden baulichen Zustand der Mietwohnung betrifft und insofern die Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters ergänzt, eine im Gegenseitigkeitsverhältnis mit der Mietzinspflicht des Mieters stehende Hauptpflicht (BGHZ 108, 1, 6; 92, 363, 367; vgl. auch BGH, Urteil vom 1. Juni 1979 – I ZR 103/78, VersR 1979, 901 unter II. 3. b (zum Lagervertrag)). Nach der Zielrichtung der Vorschrift, eine Aushöhlung der den typischen Vertragszweck prägenden Pflichten zu verhindern, sind jedenfalls die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Hauptpflichten eines Vertrages als wesentliche Vertragspflichten im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG anzusehen (BGH, Urteile vom 12. Mai 1995 – X ZR 14/93, NJW-RR 1996, 783 unter III. 3 c und vom 12. Januar 1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060 unter III. 2 b); Erman/Hefermehl/Werner § 9 AGBG Rdnr. 14; Palandt/Heinrichs § 9 AGBG Rdnr. 27; Soergel/Stein § 9 AGBG Rdnr. 43; Staudinger/Coester (1998) § 9 AGBG Rdnr. 208).
b) Der Ausschluß der Haftung des Vermieters für Schäden durch Mängel der Mietsache, die der Vermieter fahrlässig zu vertreten hat, schränkt die Instandhaltungspflicht des Vermieters zum Nachteil des Mieters nicht unerheblich ein. Zwar bleibt die Instandhaltungspflicht des Vermieters als solche von der Freizeichnungsklausel unberührt. Eine vertragliche Pflicht wird aber auch dann eingeschränkt im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG, wenn ihre Verletzung sanktionslos bleibt (vgl. Staudinger/Coester aaO Rdnr. 210). Der Ausschluß der Schadensersatzpflicht für Sachmängel hätte im Wohnraummietrecht allerdings nicht zur Folge, daß der Mieter bei einer fahrlässigen Verletzung der Instandhaltungspflicht seitens des Vermieters völlig rechtlos gestellt wäre. Dem Mieter steht das nach § 537 Abs. 3 BGB a. F. (§ 536 Abs. 4 BGB n. F.) unabdingbare Recht zur Minderung zu sowie die Verzugshaftung nach § 538 Abs. 1, 3. Alt. BGB a. F. (§ 536 a Abs. 1, 3. Alt. BGB n. F.), die meist auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhen wird. Diese Rechte können jedoch den Wegfall der Verschuldenshaftung nicht hinreichend kompensieren. Das Minderungsrecht des Mieters gleicht nur die zeitweise geschmälerte Gebrauchstauglichkeit der Mietsache aus. Ein Mangel der Mietsache kann zunächst unerkannt bleiben und mit Eintritt seiner Wirkungen einen erheblichen Schaden verursachen, während die Gebrauchsminderung der Wohnung durch den Mangel nur vergleichsweise geringfügig ins Gewicht fällt. Im Hinblick auf solche Fallgestaltungen ist dem Mieter bei Verletzung der Instandhaltungspflicht durch den Vermieter ein Schadensersatzanspruch zuzubilligen, um einer Vernachlässigung dieser Pflicht durch den Vermieter schon vorbeugend entgegenzuwirken. Eine Begrenzung dieses Anspruches auf vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten des Vermieters schränkt deshalb mittelbar den Anspruch des Mieters gegen den Vermieter auf Instandhaltung der Mietsache ein.
c) Die durch den Haftungsausschluß für einfache Fahrlässigkeit bewirkte Einschränkung der Instandhaltungspflicht des Vermieters gefährdet den Vertragszweck eines Wohnraummietvertrages, weil sie Sachschäden an Einrichtungsgegenständen des Mieters umfaßt, gegen die dieser sich nicht in zumutbarer Weise schützen kann.
aa) Vertragszweck des Wohnraummietvertrages ist auf Mieterseite die Nutzung der überlassenen Räume zur privaten Lebensgestaltung. Dafür ist der Mieter auf einen Grundbestand an eigenen Einrichtungsgegenständen angewiesen. Durch Mängel der Mietsache, insbesondere durch bauliche Mängel, können an den vom Mieter eingebrachten Hausratsgegenständen Schäden entstehen, deren Beseitigung dem Mieter wirtschaftlich nicht zuzumuten ist. Werden die beschädigten Gegenstände nicht repariert oder ersetzt, so kann ihm aber eine wesentliche Grundlage für die Nutzung der Mieträume als Wohnung entzogen sein. Der Ausschluß von Ansprüchen des Mieters auf Ersatz von Schäden, die ihm durch einen vom Vermieter leicht fahrlässig verschuldeten Mietmangel entstehen, ist deshalb geeignet, den Vertragszweck des Wohnungsmietvertrages erheblich zu beeinträchtigen.
bb) Diese Schäden kann der Mieter nicht durch eigene Vorsichtsmaßnahmen abwenden. Kann der Vertragspartner des Verwenders das Schadensrisiko in tatsächlicher Hinsicht beherrschen, so ist dies ein Gesichtspunkt, der für die Zulässigkeit eines Haftungsausschlusses spricht (vgl. BGHZ 103, 316, 329 f; BGH, Urteil vom 23. April 1991 – XI ZR 128/90, ZIP 1991, 792 unter II. 2. b)). Das kommt bei der vorliegenden Freizeichnungsklausel aber schon deshalb nicht in Betracht, weil der Haftungsausschluß auch Mängel umfaßt, die außerhalb der gemieteten Wohnung liegen können und nicht dem Zugriffsbereich des Mieters unterliegen. Dem Mieter würden deshalb auch Schadensrisiken auferlegt, die er weder überschauen noch in irgendeiner Weise vermeiden kann (vgl. auch BGH, Urteil vom 28. Juni 2001, aaO).
cc) Der Ausschluß der Haftung für Schäden an Einrichtungsgegenständen des Mieters gefährdet auch deshalb den Vertragszweck des Mietvertrages, weil solche Schäden eine typische und deshalb für den Vermieter vorhersehbare Folge von Mängeln einer Mietwohnung sind. Ein formularmäßiger Ausschluß der Haftung für vertragstypische, vorhersehbare Schäden, die aus der Verletzung vertragswesentlicher Pflichten entstehen, ist darum von der Rechtsprechung wiederholt als unwirksam angesehen worden (BGHZ 145, 203, 244 f.; BGH, Urteil vom 11. Juni 1992 – VIII ZR 238/91, NJW 1993, 335 unter II. 3.).
dd) Der Mieter kann sich vor diesem Schadensrisiko nicht durch den Abschluß eines allgemein angebotenen Versicherungsvertrages schützen. Die Freizeichnung eines Klauselverwenders von der Haftung für einfache Fahrlässigkeit, die den Vertragszweck zu beeinträchtigen geeignet ist, kann zulässig sein, wenn sich der Vertragspartner des Verwenders üblicherweise dagegen versichern kann (vgl. BGHZ 103, 316, 326; BGH, Urteil vom 22. Mai 1968 – VIII ZR 133/66, NJW 1968, 1718 unter 4 b; vgl. ferner Brandner in: Ulmer/Brandner/Hensen, aaO, § 9 Rdnr. 153). Das Landgericht hat jedoch, sachverständig beraten, rechtsfehlerfrei festgestellt, daß jedenfalls im Jahr 1997 keine Versicherungsverträge angeboten wurden, die Schäden am Hausrat des Mieters abdecken, wenn diese ihren Ursprung in Mängeln des Wohngebäudes, insbesondere einem undichten Dach bei Niederschlagswasser haben. Die Hausratversicherung nach den VHB 84 und 92 umfaßt zwar den gesamten Hausrat des Versicherungsnehmers, mit Ausnahme von Leitungswasserschäden jedoch nicht solche Gefahren, die vom mangelhaften Zustand der Wohnung oder des Hauses ausgehen (vgl. §§ 3-8 VHB 94, 9 Nr. 2 a und Nr. 4 b).
d) Gegen die Angemessenheit des zu beurteilenden Haftungsausschlusses spricht darüber hinaus, daß es dem Vermieter als Klauselverwender durch den Abschluß einer weithin üblichen Versicherung möglich ist, den dem Vertragspartner drohenden Schaden abzudecken (vgl. etwa M. Wolf NJW 1980, 2433, 2438 f.). Auch insoweit hat das Landgericht nach Hinzuziehung eines Sachverständigen festgestellt, daß ein Vermieter Schäden, die vom Zustand des Gebäudes oder der Wohnung ausgehen, weitgehend durch den Abschluß einer Haftpflichtversicherung absichern kann. So umfaßt beispielsweise die Vermietern zum Abschluß empfohlene (vgl. Dallmayer in: Bub/Treier, aaO, Abschn. IX Rdnr. 84) Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung, von allmählich wirkenden Feuchtigkeitsschäden abgesehen, auch Schäden aus einer Verletzung der Pflicht des Eigentümers zur baulichen Instandhaltung (Ziff. 2.2 der besonderen Bedingungen der Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht). Der Versicherungsschutz erstreckt sich für solche Pflichtverletzungen neben deliktischen Ansprüchen auch auf solche aus § 538 Abs. 1 BGB a. F. bzw. § 536a Abs. 1 n. F. (vgl. BGHZ 43, 88, 89 f; Späte, AHB, § 1 Rdnr. 151). Die Notwendigkeit zum Abschluß einer solchen Versicherung ist für den Vermieter ohne Schwierigkeiten erkennbar, weil Schäden an Einrichtungsgegenständen des Mieters eine typische und deshalb voraussehbare Folge baulicher Mängel sind. Der Abschluß einer entsprechenden Haftpflichtversicherung ist dem Vermieter auch deshalb zumutbar, weil er die Kosten der Versicherung als Betriebskosten formularmäßig auf den Mieter umlegen kann (vgl. § 5 MHG i.V.m. Nr. 13 der Anlage 3 zu § 27 der II. BerechnungsVO). Aus diesem Grunde entsteht dem Vermieter, wenn die Schadensersatzhaftung für mit einfacher Fahrlässigkeit zu verantwortende Mängel bei ihm verbleibt, keine finanzielle Mehrbelastung, während andererseits dem Mieter durch einen Haftungsausschluß ein hohes, den Vertragszweck gefährdendes Risiko auferlegt würde, gegen das er sich nicht in zumutbarer Weise versichern kann.
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Beyer, Wiechers, Dr. Wolst, Dr. Frellesen
Fundstellen
Haufe-Index 668105 |
BGHZ |
BGHZ, 89 |
DB 2002, 1441 |
BGHR 2002, 145 |
DWW 2002, 67 |
IBR 2002, 387 |
JurBüro 2002, 331 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 1019 |
ZIP 2002, 220 |
ZMR 2002, 184 |
JZ 2002, 1001 |
JuS 2002, 397 |
MDR 2002, 330 |
NJ 2002, 78 |
WE 2002, 186 |
WuM 2002, 141 |
ZfS 2002, 174 |
GuT 2002, 45 |
ZGS 2002, 6 |