Leitsatz (amtlich)
Zur Höhe des Schonvermögens des Betreuten nach neuem Betreuungsrecht.
Normenkette
BGB §§ 1908i, 1836c, 1836d; BSHG § 88 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluß des Landgerichts Augsburg – 5. Zivilkammer – vom 14. Februar 2001 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde des Betreuers gegen den Beschluß des Amtsgerichts Augsburg vom 10. November 2000 wird zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 581 DM.
Gründe
I.
Für die Betroffene ist zur Besorgung ihrer Angelegenheiten Betreuung angeordnet und ein Betreuer bestellt. Dieser führt die Betreuung berufsmäßig und begehrt für seine in der Zeit vom 1. September 1999 bis 30. April 2000 geleistete Tätigkeit Vergütung und Aufwendungsersatz in Höhe von 991,64 DM aus der Staatskasse. Das Vermögen der Betroffenen belief sich nach dem Vermögensverzeichnis im Zeitpunkt der Bestellung des Betreuers am 24. November 1998 auf 6.270,62 DM.
Das Vormundschaftsgericht hat dem Betreuer durch Beschluß vom 10. November 2000 für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 1999 unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 45 DM eine Vorschußzahlung aus der Staatskasse in Höhe von 410,54 DM zugestanden. Den die Tätigkeiten ab dem 1. Januar 2000 betreffenden Antrag des Betreuers hat das Vormundschaftsgericht abgelehnt, weil die Betroffene über ein Sparguthaben von 6.163,10 DM verfüge und ihr Vermögen damit die ab 1. Januar 2000 maßgebliche Schongrenze übersteige. Auf die sofortige Beschwerde des Betreuers hat das Landgericht die Vergütung für den gesamten Abrechnungszeitraum antragsgemäß unter Gewährung eines Stundensatzes von 60 DM einschließlich des begehrten Aufwendungsersatzes aus der Staatskasse zuerkannt. Gegen diesen Beschluß wendet sich die Staatskasse mit der von dem Landgericht zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde.
Das Bayerische Oberste Landesgericht möchte die angefochtene Entscheidung aufheben und die sofortige Beschwerde des Betreuers gegen den Beschluß des Amtsgerichts als unbegründet zurückweisen. Es sieht sich an der Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 13. September 2000 (16 Wx 97/00 – OLG Report 2001, 92 ff.) gehindert. Darin hat das Oberlandesgericht Köln ausgesprochen, daß das einem Betreuten gemäß § 1836 c Nr. 2 BGB i.V.m. § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 b) 2. Alt. der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung zu belassende Schonvermögen nach der Neuregelung durch das Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 25. Juni 1998 (BGBl. I 1580) 8.000 DM betrage. Demgegenüber hält das Bayerische Oberste Landesgericht aufgrund der geänderten gesetzlichen Regelungen seit dem 1. Januar 1999 für die Feststellung der Mittellosigkeit eine Schongrenze in Höhe von 4.500 DM für maßgebend.
II.
Die Vorlage ist zulässig. Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich, daß das vorlegende Bayerische Oberste Landesgericht zu einer anderen als der von ihm beabsichtigten Entscheidung gelangen würde, wenn es sich der abweichenden Ansicht des Oberlandesgerichts Köln anschlösse, und daß es aus der Sicht des vorlegenden Gerichts für die zu treffende Entscheidung auf die streitige Rechtsfrage ankommt (vgl. Senatsbeschluß vom 5. Februar 1986 – IVb ZB 1/86 – FamRZ 1986, 460, 461; Senatsbeschluß BGHZ 120, 305, 307). An diese Beurteilung ist der Senat – soweit die Zulässigkeit der Vorlage in Frage steht – gebunden (st.Rspr., vgl. Keidel/Kahl, FG 14. Aufl. § 28 Rdn. 32).
1. Das Oberlandesgericht Köln hält nach der Neuregelung des Betreuungsrechts für die Feststellung der Mittellosigkeit gemäß § 1836 c Nr. 2 BGB eine Schongrenze in Höhe von 8.000 DM für zwingend. Nach § 1836 c Nr. 2 BGB, § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 b, 2. Alt. DVO belaufe sich das einem Betreuten zu belassende Schonvermögen auf 8.000 DM. Ein Betreuter bedürfe zwar nicht unbedingt der in § 69 a Abs. 3 BSHG genannten Pflege. Eine Betreuung nach § 1896 Abs. 1 BGB setze jedoch voraus, daß der Betroffene seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst besorgen könne. Seine Situation sei daher qualitativ ungleich schwieriger als im Normalfall einer Hilfe in besonderen Lebenslagen, bei der der Hilfesuchende häufig in allen Lebensbereichen noch handlungsfähig sei. Es könne auch nicht außer acht gelassen werden, daß nach § 56 g Abs. 2 Satz 3 FGG das Vormundschaftsgericht von einer Festsetzung der vom Betreuten zu leistenden Zahlungen absehen könne, wenn die Ermittlung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betreuten einen unverhältnismäßigen Aufwand verursache. Dies könne aber auch dann eintreten, wenn in jedem Einzelfall geprüft werden müsse, ob die Situation eines Betreuten derjenigen eines Blinden oder eines Schwerstbehinderten entspreche.
2. Demgegenüber ist das Bayerische Oberste Landesgericht der Auffassung, daß nach der Neuregelung durch das Betreuungsrechtsänderungsgesetz das dem Betreuten zu belassende Schonvermögen 4.500 DM betrage. Ein Betreuter gelte als mittellos, wenn er die Vergütung des Betreuers und die entstandenen Aufwendungen aus seinem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen gemäß § 1836 d BGB nicht aufbringen könne. Der Betreute habe gemäß § 1836 c Nr. 2 BGB i.V.m. § 88 BSHG grundsätzlich sein gesamtes verwertbares Vermögen einzusetzen, soweit keiner der Verschonungstatbestände des § 88 Abs. 2 BSHG vorliege. Hinsichtlich des einzusetzenden Einkommens stelle § 1836 c Nr. 1 BGB ausdrücklich auf die für die Hilfe in besonderen Lebenslagen geltende Freigrenze ab. Das Gesetz gebe damit zu erkennen, daß es Betreute im Grundsatz den Personen gleichstelle, die auf die Hilfe in besonderen Lebenslagen angewiesen seien. Diese Intention des Gesetzes sei auch zu beachten, wenn zu entscheiden sei, welche der sozialhilferechtlich vorgesehenen Schongrenzen für die Heranziehung des Kleinvermögens gemäß § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG im Rahmen der Prüfung gemäß § 1836 c BGB maßgebend sei. Die Schongrenze von 4.500 DM erhöhe sich nur bei blinden und bei schwerstbehinderten Betreuten gemäß §§ 67, 69 a Abs. 3 BSHG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 b) 2. Alt. der zu § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG ergangenen Durchführungsverordnung. Sie sei ferner angemessen zu erhöhen, wenn im Einzelfall eine besondere Notlage des Betreuten im Sinne von § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 DVO bestehe oder ein Freibetrag von lediglich 4.500 DM für den Betreuten eine „Härte” bedeute. Unter Zugrundelegung dieser Kriterien sei die Entscheidung des Landgerichts aufzuheben, da die Betroffene nach dem seit 1. Januar 1999 geltenden Recht nicht mittellos sei. Eine Erhöhung der Schongrenze komme nicht in Betracht, da die Voraussetzungen der §§ 67, 69 a Abs. 3 BSHG nicht gegeben seien, noch eine besondere Notlage der Betroffenen vorliege. Zudem bestünden keine finanziellen Belastungen, die es erforderten, der Betroffenen einen über 4.500 DM hinausgehenden Freibetrag zuzubilligen.
III.
Angesichts der dargelegten abweichenden Auffassungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Oberlandesgerichts Köln sind die Voraussetzungen für eine Vorlage gemäß § 28 Abs. 2 FGG erfüllt. Der Senat hat daher gemäß § 28 Abs. 3 FGG anstelle des vorlegenden Gerichts über die sofortige weitere Beschwerde zu entscheiden.
1. Die vom Landgericht zugelassene sofortige weitere Beschwerde ist gemäß § 29 Abs. 2 i.V.m. §§ 56 g Abs. 5, 69 e Satz 1 FGG zulässig. Die Staatskasse ist auch beschwerdeberechtigt (§ 20 Abs. 1 FGG).
2. Die Entscheidung des Landgerichts hat keinen Bestand. Die Ansicht des Beschwerdegerichts, daß die Vergütung des Betreuers und der Ersatz seiner Aufwendungen für den gesamten Abrechnungszeitraum von der Staatskasse zu zahlen ist, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Der Beteiligte zu 1 hat als Berufsbetreuer gegen die Betroffene einen Anspruch auf Vergütung seiner Amtsführung gemäß §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BGB und auf Ersatz seiner Aufwendungen gemäß § 1835 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Vormundschaftsgericht hat zwar bei der Bestellung des Betreuers nicht festgestellt, daß dieser die Betreuung gemäß § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB berufsmäßig führt. Es bestand indes nach der alten Rechtslage kein Anlaß zu dieser Feststellung, da die Anordnung der Betreuung und die Bestellung zum Betreuer vor dem 1. Januar 1999 erfolgt sind. Aus der regelmäßigen Gewährung der Vergütung aufgrund entsprechender Anträge des Betreuers ergibt sich zudem, daß das Gericht ihn als Berufsbetreuer angesehen hat. Eines förmlichen Beschlusses, der lediglich klarstellende Wirkung hätte, bedurfte es daher insoweit nicht (vgl. Senatsbeschluß vom 31. August 2000 – XII ZB 217/99 – NJW 2000, 3709, 3711).
b) Dem vorlegenden Gericht ist zuzustimmen, daß der Betreuer die zu bewilligende Vergütung und den Aufwendungsersatz nicht von der Staatskasse gemäß §§ 1836 a, 1835 Abs. 4 Satz 1 BGB erstattet verlangen kann, da die Betroffene nicht mittellos ist.
(1) Gemäß §§ 1908 i Abs. 1, 1836 d BGB gilt ein Betreuter unter anderem als mittellos, wenn er die Vergütung oder den Aufwendungsersatz aus seinem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen nicht aufbringen kann. Für die Kosten der Betreuung hat der Betreute gemäß §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 c Nr. 2 BGB, § 88 Abs. 1 BSHG sein gesamtes verwertbares Vermögen einzusetzen, soweit keiner der Tatbestände des § 88 Abs. 2 BSHG vorliegt (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 31; Staudinger/Engler, BGB, (13. Bearb. 1999), § 1836 c Rdn. 7). Nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG sind dem Betreuten kleinere Barbeträge oder sonstige geringe Geldwerte zu belassen, wobei der anrechnungsfreie Geldbetrag durch die dazu ergangene Durchführungsverordnung konkretisiert wird (vgl. Schellhorn, BSHG, 15. Aufl., § 88 Rdn. 64; Kunz in: Oestereicher/Schelter/Kunz/Decker, BSHG, 40. Erg.-Lfg. Sept. 2000, § 88 Rdn. 18). Diese sieht in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) 1. Alt. DVO einen Schonbetrag von 4.500 DM vor, wenn Hilfe in besonderen Lebenslagen gewährt wird.
(2) Nach den Feststellungen des Landgerichts lag das von der Betroffenen einzusetzende Vermögen deutlich über diesem Schonbetrag. Daß dieser Betrag seit der Neuregelung des Betreuungsrechts für die Feststellung der Mittellosigkeit maßgebend ist, entspricht herrschender Meinung (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 17, 29 ff.; BayObLGZ 2000 331, 332 ff.; OLG Zweibrücken, BtPrax 2000, 264 ff.; SchlHOLG FGPrax 2001, 75, 76; Bühler, BWNotZ 1999, 25, 36; a.A. OLG Köln Beschluß vom 13. September 2000 – 16 Wx 97/00 – OLG Report 2001, 92, 94; Knittel, BetreuungsG, 24. Erg.-Lfg. Dez. 2000, § 1836 c 2.1 Rdn. 11; Winterstein in: Jürgens, BetreuungsR, 2. Aufl., § 1836 c BGB Rdn. 12; Winhold-Schött in: HK-BUR, 26. Erg.-Lfg. Mai. 2001, § 1836 c BGB Rdn. 27). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Ein erhöhter Betrag von 8.000 DM ist als Schonvermögen nur in den besonderen Fällen der §§ 67, 69 a Abs. 3 BSHG anzusetzen, das heißt, wenn eine erhöhte Pflegebedürftigkeit des Betreuten besteht, oder der Betreute blind ist. Soweit das Beschwerdegericht und das Oberlandesgericht Köln (vgl. Beschluß vom 7. Juli 2000 – 14 Wf 75/00 – OLG Report 2001, 92, 94) eine Freistellung eines Schonvermögens von 8.000 DM für zwingend erachten, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
(3) Bis zum Inkrafttreten des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes war es der Rechtsprechung überlassen, Kriterien für die Mittellosigkeit nach § 1835 Abs. 4 BGB zu entwickeln, da das Betreuungsrecht insoweit keine Regelungen enthielt (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 13 m.w.N).
Im Gegensatz zu der früher geltenden Rechtslage enthalten die Neuregelungen in §§ 1836 c bis 1836 e BGB Vorschriften, die den Begriff der Mittellosigkeit definieren (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 29; Wagenitz/Engers, FamRZ 1998, 1273, 1276 ff.). Ziel der Neuregelung war es, den finanziell Bedürftigen bei der Bewältigung der durch die Betreuungsbedürftigkeit verursachten Kosten öffentliche Hilfe zuteil werden zu lassen (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 29 ff.). Dieses Bestreben hat der Gesetzgeber durch Heranziehung des Bundessozialhilfegesetzes gelöst, indem er in § 1836 c Nr. 2 BGB ausdrücklich auf § 88 BSHG verweist. Diese Vorschrift verweist zwar – anders als § 1836 c Nr. 1 BGB – direkt auf § 88 BSHG. § 1836 c Nr. 1 BGB nimmt jedoch bei der Berücksichtigung des Einkommens ausdrücklich auf den bei Hilfe in besonderen Lebenslagen geltenden Freibetrag Bezug. Es ist daher auch bei der Inanspruchnahme des Vermögens auf diesen Freibetrag zurückzugreifen, da eine sachliche Rechtfertigung dafür fehlt, Einkommen und Vermögen des Betreuten unterschiedlich zu behandeln (vgl. Gregersen/Deinert, Die Vergütung des Betreuers, 2. Aufl., Anmerk. 8.5.1, S. 123; Deinert, FamRZ 1999, 1187, 1188 ff.). Die in § 1836 c Nr. 1 BGB normierte Regelung gibt zudem zu erkennen, daß der Gesetzgeber Betreute im Grundsatz den Personen gleichstellen wollte, die auf Hilfe in besonderen Lebenslagen angewiesen sind. Diese Intention des Gesetzgebers ist daher auch für die Frage maßgebend, welche sozialhilferechtlich vorgesehenen Schongrenzen bei der Heranziehung des Kleinvermögens zu beachten sind. Die Neuregelung des Betreuungsrechts läßt es dagegen nicht mehr zu, sämtliche Betreute und damit auch die Betroffene dem Kreis der Hilfesuchenden mit dem erhöhten Schonbetrag von 8.000 DM zuzuordnen. Dies ließ sich zwar auf der Grundlage der früheren Regelungen bei entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes begründen (vgl. BayObLG, BTPrax 98, 236, 237), ist aber angesichts der Intention der Neuregelung des § 1836 c BGB (BT-Drucks. 13/7158 S. 31) mit der vorgeschriebenen direkten Anwendung des § 88 BSHG nicht mehr zu vereinbaren (vgl. BayObLG, Beschluß vom 23. November 2000, 3 Z BR 320/00 – BayObLGZ 2000, 331, 332 ff.).
In der Begründung des Entwurfs zu § 1836 c Nr. 2 BGB wird ausdrücklich auf die zu § 88 Abs. 2 Nr. 8 ergangene Durchführungsverordnung verwiesen und ausgeführt, daß nur bei besonders schwerer Behinderung des Betreuten der Schonbetrag vom 8.000 DM anzusetzen sei (BT-Drucks. 13/7158 S. 31). Aufgrund dieser Zielsetzung des Gesetzes verbietet es sich, von einer grundsätzlichen Vergleichbarkeit der Situation der Betreuten mit derjenigen von Blinden und Schwerstpflegebedürftigen im Sinne von §§ 67, 69 a Abs. 3 BSHG auszugehen und sämtliche Betreute dem unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 b) 2. Alt. DVO fallenden Personenkreis zuzurechnen.
Soweit § 1836 c Nr. 2 BGB über § 88 BSHG i.V.m. § 1 DVO auf abgestufte Schonbeträge verweist, wird der Wille des Gesetzes deutlich, für Betreute, je nach dem Grad ihrer Behinderung, unterschiedliche Schongrenzen festzulegen. Eine Betreuung nach § 1896 Abs. 1 BGB setzt zwar voraus, daß der Betroffene seine Angelegenheiten ganz oder teilweise selbst nicht mehr besorgen kann. Daraus allein kann jedoch noch nicht auf das Vorliegen einer Behinderung geschlossen werden, die der in § 69 a Abs. 3 BSHG vorgesehenen Pflege bedarf.
(4) Eine Gleichstellung von Betreuten mit Schwerstpflegebedürftigen läßt sich auch nicht aus § 56 g Abs. 2 Satz 3 FGG ableiten, wonach das Vormundschaftsgericht den Anspruch des Betreuers gegen die Staatskasse festsetzen kann, wenn die Ermittlung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betreuten einen unverhältnismäßigen Aufwand verursacht. Das Gesetz hat zwar durch diese Regelung die Möglichkeit geschaffen, zur Vermeidung eines nicht vertretbaren Aufwandes eine „Pauschalentscheidung” zu Lasten der Staatskasse zu treffen (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 35 ff.). Hieraus kann indes nicht geschlossen werden, daß der Gesetzgeber von einer generellen Einzelfallprüfung über den Grad der Behinderung des Betreuten absehen und sämtliche Betroffenen den Schwerstpflegebedürftigen gleichstellen wollte (vgl. a.A. OLG Köln, aaO S. 94). Vielmehr kann von einer Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betreuten nur dann abgesehen werden, wenn die mit ihr verbunden Kosten höher sind, als die für die Staatskasse entstehenden Nachteile (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 36).
(5) Ebensowenig ist erkennbar, aus welchen Gründen es für die Bestimmung des Freibetrages darauf ankommen soll, ob eine hilfsbedürftige Person von sich aus um Hilfe nachsucht oder die Hilfeleistung von Amts wegen erfolgt (vgl. a.A. LG München, BTPrax 2000, 134, 135). Entscheidend ist allein, daß der Gesetzgeber durch die Neuregelungen des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes für das einzusetzende Vermögen nunmehr auf § 88 BSHG verweist und damit auch die unterschiedlichen Schonbeträge nach der zu § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG erlassenen Durchführungsverordnung zur Anwendung kommen (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 31; OLG Zweibrücken, BTPrax 2000, 264).
3. Eine Erhöhung der Schongrenze ergibt sich vorliegend nicht aus § 88 Abs. 2 Nr. 8 i.V.m. § 2 Abs. 1 DVO. Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des vorlegenden Gerichts an; eine besondere Notlage der Betroffenen liegt nicht vor. Gleiches gilt für die Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, daß eine wegen des Einsatzes des Vermögens resultierende Härte der Betroffenen im Sinne von § 88 Abs. 3 Satz 3 BSHG nicht gegeben ist.
4. Da die Feststellung weiterer Tatsachen nicht zu erwarten ist, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden. Nach den obigen Ausführungen kann der Betreuer für den verfahrensgegenständlichen Abrechnungszeitraum keine Vergütung und keinen Aufwendungsersatz aus der Staatskasse verlangen, da die Betroffene gemäß § 1836 c Nr. 2 BGB nicht mittellos ist. Soweit das Amtsgericht der Betroffenen für den Zeitraum bis 31. Dezember 1999 einen Freibetrag von 8.000 DM zugestanden hat und für die bis dahin ausgeführten Betreuergeschäfte einen Vorschuß gewährt hat, muß es dabei verbleiben, weil der Senat aus Gründen des Verbotes der Schlechterstellung an einer Abänderung der Entscheidung zum Nachteil des Betreuers gehindert ist.
IV.
Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten (§ 13 a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 FGG) ist nicht veranlaßt, da der Staatskasse keine besonderen Kosten erwachsen sind. Der Betroffenen sind ebenfalls keine Kosten entstanden.
Unterschriften
Blumenröhr, Sprick, Weber-Monecke, Wagenitz, Ahlt
Fundstellen
Haufe-Index 657763 |
NJW 2002, 366 |
NWB 2002, 363 |
BGHR 2002, 107 |
FamRZ 2002, 157 |
FuR 2002, 43 |
FGPrax 2002, 23 |
JurBüro 2002, 267 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 2002, 277 |
Rpfleger 2002, 262 |
info-also 2002, 136 |