Entscheidungsstichwort (Thema)
Inansatzbringung von Inventarbeiträgen mit dem im Übernahmeprotokoll ausgewiesenen Wert im Verhältnis "1:1" bei einer Vermögensauseinandersetzung. Abfindung von LPG-Mitgliedern
Leitsatz (amtlich)
- Bei der Vermögensauseinandersetzung sind die Inventarbeiträge mit dem im Übernahmeprotokoll ausgewiesenen Wert - im Verhältnis 1: 1 - in Ansatz zu bringen. Ein hiervon abweichender Beschluß der Mitgliedervollversammlung ist nichtig.
- Das Übernahmeprotokoll begründet die tatsächliche Vermutung, daß das in die LPG eintretende Mitglied das darin aufgeführte Inventar zu dem angegebenen Wert eingebracht hat.
Normenkette
LwAnpG § 44 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsteller wird der Beschluß des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Döbeln vom 30. Juni 1993 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landwirtschaftsgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Antragsteller waren Mitglieder der LPG Typ I "Tierzucht" W., die sich zum 1. Juli 1974 mit der LPG Typ III "Thomas M." zusammenschloß. Nach dem für den Antragsteller zu 1 erstellten Übernahmeprotokoll für Inventarbeiträge vom 30. Juni 1974 hatte dieser damals einen Pflichtinventarbeitrag von 6.240 Mark sowie einen Investausgleich von 33.696 Mark zu leisten. Den Gesamtbeitrag von 39.936 Mark brachte er durch lebendes Inventar in Höhe von 38.699 Mark sowie die nachfolgende Verrechnung von Bodenanteilen bis zur Summe von 1.237 Mark ein. Im Zeitpunkt des Zusammenschlusses belief sich das genossenschaftliche Vermögen der LPG Typ I auf 4.432 Mark je ha, das der LPG Typ III auf 7.632 Mark je ha.
Am 3. August 1990 kündigten die Antragsteller ihre Mitgliedschaft in der LPG zum Zwecke der Wiedereinrichtung eines Familienbetriebes. Die Antragsgegnerin ist nach zum 1. Januar 1991 erfolgter Teilung und Umwandlung das Nachfolgeunternehmen der LPG. Die Antragsteller verlangen von ihr eine Abfindung gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 LwAnpG, die sie unter Zugrundelegung der beim Zusammenschluß erbrachten Leistungen von 39.936 DM und einer Inventarverzinsung sowie Bodennutzungsvergütung von 30.310,43 DM nach Abzug bereits erhaltener 45.838,18 DM auf 24.408,25 DM zuzüglich einer Tätigkeitsvergütung von 3.866 DM, also auf eine Gesamtforderung von 28.274,25 DM beziffern. Das Landwirtschaftsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1.
Das Landwirtschaftsgericht vertritt die Auffassung, daß die "Fondsausgleichsbeträge (hier Investausgleich)" den Inventarbeiträgen nicht gleichgestellt werden könnten und möchte insoweit von der Rechtsprechung des Senats abweichen. Es übersieht dabei allerdings, daß es hier nicht um die von dem Senat inzwischen wiederholt und grundsätzlich entschiedene Frage der Anerkennung des von der LPG Typ III übernommenen individualisierten Fondsanteils als persönlicher Inventarbeitrag geht (Senatsbeschlüsse v. 4. Dezember 1992, BLw 20/92, NJW 1993, 1207; v. 9. Juni 1993, BLw 18/93, NJW 1993, 2110; v. 9. Juni 1993, BLw 17/93, WM 1993, 1423), sondern um die Anrechnung der Vermögensleistungen, welche zumindest der Antragsteller zu 1 beim Zusammenschluß der Genossenschaften durch das Einbringen von lebendem Inventar im Gesamtwert von 38.699 Mark und durch die Verrechnung mit abzuführenden Bodenanteilen bis zu einer Höhe von 1.237 Mark zum Zwecke des Fondsausgleichs persönlich erbracht hatte. Deren Ersatzfähigkeit war aber von jeher anerkannt (vgl. Senatsbeschl. v. 4. Dezember 1992, BLw 20/92, a.a.O. und v. 9. Juni 1993, BLw 18/93, aaO; Krüger, AgrarR 1991, 265, 266; Schramm, EWiR 1993, 281; Lachmann, AgrarR 1993, 97, 100; Schweizer, ZiP 1993, 580 f.).
2.
Für den Wert des eingebrachten lebenden Inventars ist das Übernahmeprotokoll vom 30. Juni 1974 maßgebend. Dieses hat nämlich nach damaliger Auffassung den Beweis erbracht, "daß ein bestimmtes Inventar mit einem bestimmten Wert von einem bestimmten Mitglied der LPG übereignet wurde" (Arlt, Rechte und Pflichten der Genossenschaftsbauern, 1965, S. 77). Dies ist bei der heute nach §§ 416, 286 ZPO vorzunehmenden Würdigung der Urkunde zu berücksichtigen. Das Protokoll erbringt daher nicht nur den Beweis dafür, daß die LPG Typ III "Thomas M." aus Anlaß des Zusammenschlusses die aufgeführten Forderungen erhoben hat, sondern begründet darüber hinaus die tatsächliche Vermutung, daß der Antragsteller zu 1 sie im Umfang der aufgeführten Leistungen auch erfüllt hat. Daß die Bewertung dieser Leistungen nach den bei dem Zusammenschluß gültigen Berechnungsmaßstäben und Agrarpreisen erfolgte, entsprach dem damals für einen Beitritt zur LPG geltenden Recht (Ziff. 13 Musterstatut für die LPG Typ III vom 9. April 1959, GBl I S. 350; Arlt a.a.O. S. 76). Da der im Zuge der Vergesellschaftung der Produktionsmittel erzwungene Anschluß der LPG Typ I an die LPG Typ III hinsichtlich der vermögensrechtlichen Beziehungen der Mitglieder heute so zu behandeln ist, als wäre die LPG Typ I zum Zeitpunkt des Anschlusses aufgelöst, deren Vermögen unter den Mitgliedern aufgeteilt und von diesen in die LPG Typ III eingebracht worden (Senatsbeschlüsse v. 4. Dezember 1992, BLw 20/92, a.a.O. und v. 9. Juni 1993, BLw 18/93, aaO), sind bei der nach § 44 Abs. 1 LwAnpG vorzunehmenden Vermögensauseinandersetzung folglich die in den Übernahmeprotokollen aufgeführten Werte zugrunde zu legen. Eine Neubewertung wäre tatsächlich kaum möglich, kommt aber auch deswegen nicht in Betracht, weil das Gesetz, wie § 44 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 LwAnpG zeigt, für die Bestimmung der heutigen Beteiligungsverhältnisse auf den Wert der Sach- und Geldleistungen in dem Zeitpunkt abstellt, in dem sie eingebracht wurden. Da sie damals bewertet wurden, ist der seinerzeit in Mark der DDR ausgedrückte Wert auch heute maßgebend und damit von Gesetzes wegen im Währungsverhältnis 1: 1 anerkannt. Ein hiervon abweichender Beschluß der Mitgliedervollversammlung wäre daher nichtig (vgl. Senatsbeschl. v. 24. November 1993, BLw 39/93, zur Veröffentlichung bestimmt). Dem Rückgriff auf den alten Obernahmewert kann - entgegen der Auffassung des Landwirtschaftsgerichts - nicht entgegengehalten werden, daß dadurch die "Typ I"-Bauern im Gegensatz zu den "Typ III"-Bauern von den staatlich festgelegten Preiserhöhungen in dem Maße profitierten, in dem sie später in die LPG Typ III eingetreten seien. Denn die Höhe der bei dem Zusammenschluß zu erbringenden Leistungen bestimmte sich nach der von der LPG Typ III erhobenen Forderung. Da diese aber nach den aktuellen Akkumulationswerten ihrer Flächen errechnet wurde, mußten auch die von dem Mitglied zur Erfüllung dieser Forderung erbrachten Sachleistungen nach den im Zeitpunkt des Zusammenschlusses rechtlich zulässigen Preisen bewertet werden. Eine spätere Umbewertung war nicht zulässig (Schramm in Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, Teil 1 D Rdn. 47). Konsequenterweise sind diese Werte nun auch bei der Vermögensauseinandersetzung zugrunde zu legen, weil die LPG Typ III die Leistungen zu diesen Werten seinerzeit vereinnahmt hat. Wäre das Inventar unter Außerachtlassung der Agrarpreiserhöhungen nicht zu den damals aktuellen Preisen bewertet worden, hätte der Bauer den Unterschied durch entsprechende Fondsausgleichsleistungen in Form von Geldzahlungen oder Sachbeiträgen (vgl. Senatsbeschl. v. 4. Dezember 1992, BLw 20/92, NJW 1993, 1207; v. 24. November 1993, BLw 29/93, zur Veröffentlichung bestimmt) begleichen müssen. Da diese heute ebenso rückgewährpflichtig wären, erlangt das Mitglied keinen Vorteil dadurch, daß seine Inventarleistungen zu den in den Übernahmeprotokollen ausgewiesenen Werten in Ansatz kommen.
3.
Nach alledem ist der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur Berechnung des Abfindungsanspruchs auf der Grundlage der erbrachten persönlichen Leistungen in Höhe von 39.936 Mark an das Landwirtschaftsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird dabei auch die Aktivlegitimation der Antragstellerin zu 2 zu prüfen haben, weil nach dem Übernahmeprotokoll vom 30. Juni 1974 die geltend gemachten Inventarbeiträge und sonstigen Leistungen nur von dem Antragsteller zu 1 erbracht worden sind. Da auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt bisher nicht hingewiesen wurde, kommt insoweit eine Teilabweisung durch den Senat nicht in Betracht.
Unterschriften
Hagen
Vogt
Wenzel
Fundstellen