Leitsatz (amtlich)
a) Geschäfte mit selbständigen Optionsscheinen sind jedenfalls dann Börsentermingeschäfte, wenn sich der gehandelte Optionsschein im wesentlichen nur durch die wertpapierrechtliche Verbriefung von einer entspr sehenden unverbrieften börsenmäßigen Option unterscheidet.
b) Zur Aufklärungspflicht von Banken bei Geschäften mit selbständigen Optionsscheinen.
Normenkette
BGB § 276; BörsG §§ 50, 52-53
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 27.01.1994) |
LG Frankfurt am Main |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 27. Januar 1994 wird nicht angenommen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 43 % und der Beklagte zu 2) allein 57 %.
Der Streitwert für die Revision der Beklagten zu 1) beträgt 114.248,50 DM, der für die des Beklagten zu 2) 264.248,50 DM.
Gründe
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Revision hat im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in WM 1994, 542 ff. veröffentlicht ist, hat den zur Aufrechnung gestellten und vom Beklagten zu 2) im Wege der Widerklage geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus Aufklärungspflichtverletzung zu Recht für nicht gegeben erachtet.
1. Nicht gefolgt werden kann allerdings der Ansicht des Berufungsgerichts, die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Aufklärungspflicht bei Börsentermingeschäften seien schon deshalb nicht unmittelbar anwendbar, weil es sich bei den Optionsscheingeschäften nicht um Börsentermin-, sondern um Kassageschäfte gehandelt habe. Diese Einordnung ist unrichtig.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Primär- und Sekundärgeschäfte in unverbrieften Aktien- oder Devisenoptionen Börsentermingeschäfte (BGHZ 92, 317, 321; 93, 307, 309; 94, 262, 264; 102, 204, 206; 107, 192, 193; 114, 177, 180 f.; 117, 135, 138; Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 – XI ZR 121/88, WM 1990, 94, 95 und vom 25. Juni 1991 – XI ZR 178/90, WM 1991, 1367). Entschieden ist ferner, daß Geschäfte mit abgetrennten Aktienoptionsscheinen aus Wandelschuldverschreibungen keine Börsentermin-, sondern Kassageschäfte sind (BGHZ 114, 177, 180 ff.; BGH, Beschluß vom 28. November 1989 – XI ZR 112/89, WM 1989, 1881; s. ferner OLG Bamberg WM 1989, 745, 747 f.).
Nicht abschließend geklärt ist die börsenrechtliche Einordnung von Geschäften mit selbständigen, d.h. unabhängig von einer anderen Emission angebotenen Optionsscheinen. Der Senat ist in seinem Urteil vom 29. März 1994 (XI ZR 31/93, WM 1994, 834, 837) davon ausgegangen, Geschäfte mit Aktienindexoptionsscheinen seien Börsentermingeschäfte. In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung werden Geschäfte mit selbständigen Optionsscheinen dagegen überwiegend den Kassageschäften zugerechnet (OLG Schleswig WM 1993, 503, 504; OLG Frankfurt WM 1993, 684, 685; LG Frankfurt WM 1989, 750, 751 f.; LG München I WM 1989, 1505, 1506; LG Karlsruhe WM 1990, 497, 499; LG Marburg WM 1993, 640; a.A. LG Hamburg WM 1989, 568, 570 ff.). Zur Begründung wird – ähnlich wie im angefochtenen Berufungsurteil – zumeist auf die oben zitierte Entscheidung des Senats BGHZ 114, 177, 180 ff. und/oder die des OLG Bamberg a.a.O. zur rechtlichen Einordnung von Geschäften mit abgetrennten Aktienoptionsscheinen verwiesen.
b) Diese Begründung trägt nicht; die Entscheidungen des Senats a.a.O. und des OLG Bamberg a.a.O. sind auf den Handel mit selbständigen Aktienoptionsscheinen nicht übertragbar. Zwar handelt es sich sowohl bei abgetrennten als auch bei selbständigen Aktienoptionsscheinen um Inhaberschuldverschreibungen, in denen das Recht zum Bezug von Aktien zu einem festgelegten Preis innerhalb eines bestimmten Zeitraums oder zu einem bestimmten Zeitpunkt wertpapiermäßig verbrieft ist. Auch sind die kaufvertraglichen Ansprüche der Verkäufer und Käufer solcher Papiere nach Kassagrundsätzen zu erfüllen. Vor allem nach dem wirtschaftlichen Zweck, der für die Qualifizierung als Börsentermingeschäft von maßgeblicher Bedeutung ist (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 2 BörsG; BGHZ 92, 317, 321; 114, 177, 180), bestehen zwischen beiden Geschäften aber entscheidungserhebliche Unterschiede.
Seltständige Aktienoptionsscheine dienen ähnlich wie unverbriefte Aktienoptionen wirtschaftlich in der Regel vor allem der Kursspekulation sowie der Kurssicherung. Für die Übernahme der risikobehafteten Verpflichtung, zu einem bestimmten Zeitpunkt oder während eines festgelegten Zeitraums in der Zukunft eine bestimmte Anzahl von Aktien zu einem im voraus vereinbarten Preis kaufen oder verkaufen zu müssen, erhält der Stillhalter als Risikoprämie den Optionspreis. Schuldverschreibungen mit abtrennbaren Optionsscheinen sind demgegenüber ein in § 221 AktG vorgesehenes Instrument von Aktiengesellschaften zur Beschaffung von Fremdmitteln zu einem besonders günstigen Zinssatz. Die Stellung der emittierenden Gesellschaft einer Wandelschuldverschreibung ist mit der eines Stillhalters wirtschaftlich und rechtlich nicht vergleichbar, da sie anders als dieser kein Kursrisiko trägt und keine Risikoprämie erhält (BGHZ 114, 177, 181 f.). Der Handel mit Optionsscheinen, die im In – und Ausland in großer Variationsvielfalt auf dem Markt sind (vgl. Werner/Machunsky, Rechte und Pflichten geschädigter Kapitalanleger 3. Aufl. S. 73 f.; Niemann WM 1993, 777, 779 ff.), kann danach nicht mit Rücksicht auf die Einordnung abgetrennter Aktienoptionsscheine grundsätzlich dem Kassamarkt zugerechnet werden.
c) Optionsscheingeschäfte sind vielmehr jedenfalls dann, wenn sich der gehandelte selbständige Optionsschein im wesentlichen nur durch die wertpapierrechtliche Verbriefung von einer entsprechenden unverbrieften börsenmäßigen Option unterscheidet, Börsentermingeschäfte. Die Verbriefung, die vor allem die Fungibilität erleichtert, ändert an der Schutzbedürftigkeit des nicht börsentermingeschäftsfähigen Publikums nichts. Für das termingeschäftsspezifische Risiko einer Option ist deren Verbriefung weder aus der Sicht des Optionserwerbers noch aus der des Stillhalters von nennenswerter Bedeutung. Wollte man Geschäfte mit selbständiger Optionsscheinen im Gegensatz zu solchen mit unverbrieften börsenmäßigen Optionen gleichwohl nicht dem Termineinwand unterwerfen, könnte der Schutzzweck des § 53 BörsG bei Optionsgeschäften leicht unterlaufen werden.
d) Die vom Beklagten zu 2) mit Hilfe der Klägerin vorgenommenen Optionsscheingeschäfte sind danach Börsentermingeschäfte. Die selbständigen Optionsscheine verkörperten ausgestaltet als Inhaberpapiere das Recht, am 26. Juli 1991 100 Dollar zum Bezugspreis von 1,84 DM pro Stück von der C.bank als Stillhalterin zu kaufen. Nichts spricht dafür, bei derartigen Geschäften anders als bei solchen mit unverbrieften Devisenoptionen die Grundsätze zur Aufklärungspflicht bei Börsentermingeschäften von vornherein nicht anzuwenden.
2. Gleichwohl hat das Berufungsgericht eine Aufklärungspflichtverletzung der Klägerin im Ergebnis zu Recht verneint.
a) Eine Pflicht der Klägerin, den Beklagten zu 2), einen börsentermingeschäftsfähigen Kaufmann, ungefragt über die wesentlichen Grundlagen, die wirtschaftlichen Zusammenhänge und die Risiken von Optionsgeschäften schriftlich aufzuklären, bestand entgegen der Ansicht der Revision nicht. Eine schriftliche Aufklärung ist notwendig, wenn mündliche Hinweise und Erklärungen für den aufklärungsbedürftigen Kunden nicht ausreichen, um von einem Geschäft ein zutreffendes Bild zu gewinnen und insoweit sachgerechte Entschlüsse zu fassen. Diese Voraussetzungen liegen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn gewerbliche Vermittler oder Verkäufer ein mit Börsentermingeschäften nicht vertrautes und insoweit nicht über Sachkenntnisse verfügendes Publikum für Options- oder Termindirektgeschäfte zu interessieren suchen. Das gilt insbesondere, wenn die Risiken der Kunden durch Aufschläge auf die Optionsprämie oder durch hohe Provisionen nicht unerheblich gesteigert sind (BGHZ 105, 108, 110 f.; Senatsurteile vom 27. November 1990 – XI ZR 115/89, WM 1991, 127, 128, vom 17. März 1992 – XI ZR 204/91, WM 1992, 770, 771, vom 16. November 1993 – XI ZR 214/92, WM 1994, 149 f. zur Veröffentlichung in BGHZ 124, 151 vorgesehen, vom 1. Februar 1994 – XI ZR 125/93, WM 1994, 453, vom 8. Februar 1994 – XI ZR 74/93, WM 1994, 492, 493, und vom 17. Mai 1994 – XI ZR 144/93, WM 1994, 1746, 1747).
Mit diesen Fällen und mit dem Kenntnisstand des Publikums, das Termingeschäftsvermittler typischerweise unaufgefordert anzurufen pflegen, sind der vorliegende Sachverhalt und der Informationsstand des Beklagten zu 2) nicht vergleichbar. Der planvoll vorgehende Beklagte zu 2) bedurfte keiner schriftlichen Aufklärung, um über die mit dem Erwerb von Dollaroptionsscheinen der C.bank verbundenen Risiken ein zutreffendes Bild zu gewinnen. Als er von sich aus mit dem Wunsch an die Klägerin, eine Bank, herantrat, sein im wesentlichen kreditfinanziertes Aktiendepot in Dollaroptionsscheine umzuschichten, hatte er sich über die ihm von dritter Seite empfohlenen Optionsscheine der C.bank bereits eingehend informiert. Er kannte insbesondere den festgelegten Bezugspreis von 1,84 DM pro Dollar, die genaue Laufzeit des Optionsscheins, die Bedeutung des Aufgelds sowie der Hebelwirkung und die damit zusammenhängenden Chancen und Risiken. Besondere anbieterbedingte Risiken, etwa Aufschläge auf den börsennotierten Kurs des Optionsscheins oder unüblich hohe Provisionen der Klägerin, waren mit dem Geschäft nicht verbunden. Auf die Frage, ob solche Risiken schon all ein eine schriftliche Aufklärung des Kunden erforderlich machen (vgl. OLG Frankfurt ZIP 1993, 1860, 1861; LG Berlin WM 1992, 93, 95), kommt es danach nicht an.
b) Die mündliche Aufklärung und Beratung des Beklagten zu 2) durch die Klägerin hat das Berufungsgericht ausgehend von den Grundsätzen des Senatsurteils BGHZ 123, 126, 128 ff. = WM 1993, 1455 ff. zu Recht inhaltlich als ausreichend angesehen. Der Anlageberater der Klägerin hat den Beklagten zu 2) nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts insbesondere darauf hingewiesen, den großen Gewinnchancen stünden entsprechend hohe Risiken bis hin zum Totalverlust der gesamten Anlage gegenüber. Trotz warnender Hinweise bestand der in besonderem Maße risikobereite Beklagte zu 2) auf der Ausführung seiner Order. Daß die Aufwendungen für die Optionsscheine das Risiko, die verbriefte Option mit Gewinn ausüben zu können, erhöhten durfte die Klägerin beim Beklagten zu 2), einem in der Spekulation mit Aktien erfahrenen Kaufmann, als bekannt voraussetzen. Auch die rechnerische Höhe des Aufgelds sowie den Faktor der Hebelwirkung brauchte sie ihm entgegen der Ansicht der Revision nicht ungefragt mitzuteilen. Entbehrlich war hier schließlich auch ein besonderer Hinweis, daß der Zeitwert einer Option als Produkt der verbliebenen Kursänderungschancen mit kürzer werdender Optionslaufzeit zunehmend sinkt. Da die Restlaufzeit der Optionsscheine noch mehr als 18 Monate betrug und der Beklagte zu 2) die Scheine alsbald wieder veräußern wollte, erschien die Entwicklung des Optionszeitwerts hier weniger bedeutsam.
Unterschriften
Schimansky, Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Nobbe, Dr. van Gelder
Fundstellen
Haufe-Index 1392106 |
BB 1995, 64 |
NJW 1995, 321 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1994, 1924 |
ZBB 1995, 81 |