Leitsatz (amtlich)
Wird ein zunächst rechtswidriger Beitragsbescheid durch eine rückwirkende Satzung geheilt, tritt die für die Ermittlung der Vier-Jahres-Frist des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG maßgebende Fälligkeit rückwirkend ein; ist der Bescheid nicht vor, sondern nach dem rückwirkenden Inkrafttreten der Satzung erlassen worden, richtet sich der Eintritt der Fälligkeit nach den Vorgaben des Bescheids.
Normenkette
ZVG § 10 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Meiningen (Entscheidung vom 10.06.2021; Aktenzeichen (27) 5 T 34/21) |
AG Eisenach (Entscheidung vom 28.01.2021; Aktenzeichen 41 K 4/21) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Meinigen vom 10. Juni 2021 wird auf Kosten des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Beteiligte zu 2 (im Folgenden: Schuldnerin) ist Eigentümerin des im Eingang bezeichneten Grundstücks. Der Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Gläubiger), ein öffentlich-rechtlicher Trink- und Abwasserverband, setzte mit einem Bescheid vom 21. August 2009 gegen den vormaligen Eigentümer des Grundstücks Entwässerungsbeiträge in Höhe von 4.389,99 € fest. Der Bescheid wurde am 27. August 2009 zugestellt und sah eine Fälligkeit des Beitrags in drei Monaten nach Bekanntgabe vor. Die zugrundeliegende Beitragssatzung zur Entwässerungssatzung wurde im Jahr 2016 vom Thüringer Oberverwaltungsgericht für unwirksam erklärt. Daraufhin setzte der Gläubiger am 7. Oktober 2016 eine neue Fassung der Beitragssatzung (im Folgenden: BS-EWS nF) rückwirkend zum 1. Januar 2007 in Kraft. Am 4. Dezember 2020 erließ der Gläubiger auf der Grundlage des Bescheids aus dem Jahr 2009 gegen die Schuldnerin einen Duldungsbescheid über die Erhebung des Entwässerungsbeitrags.
Rz. 2
Der Gläubiger hat wegen dieser Forderung sowie wegen Säumniszuschlägen in Höhe von monatlich 43,50 € ab dem 5. Januar 2021 im Januar 2021 die Anordnung der Zwangsversteigerung und zudem seinen Beitritt in der Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG beantragt. Das Amtsgericht hat die Zwangsversteigerung angeordnet, jedoch den Antrag auf den Beitritt in der Rangklasse 3 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg gehabt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Schuldnerin beantragt, verfolgt der Gläubiger seinen Antrag weiter.
II.
Rz. 3
Das Beschwerdegericht meint, die angemeldete Beitragsforderung falle nicht in die Rangklasse 3 des § 10 Abs. 1 ZVG. Zwar handele es sich um einen Anspruch auf Entrichtung einer öffentlichen Last. Der Beitrag sei aber im Zeitpunkt der Antragstellung mehr als vier Jahre rückständig gewesen. Durch das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Fassung der Beitragssatzung sei am 1. Januar 2007 die sachliche Beitragspflicht und damit auch die öffentliche Last entstanden; zugleich sei der in dem Rückwirkungszeitraum erlassene Bescheid vom 21. August 2009 rechtmäßig und der Beitrag nach Vorgabe des Bescheids drei Monate nach Bekanntgabe rückwirkend fällig geworden. Die Rückwirkung werde im Hinblick auf die Fälligkeit nicht aufgrund des Gesetzeszwecks eingeschränkt. Da die Beitragsschuld nicht in die Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG falle, gelte dasselbe für die Säumniszuschläge.
III.
Rz. 4
Das hält einer rechtlichen Nachprüfung stand. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Rz. 5
1. Zu Recht hat das Beschwerdegericht den Antrag des Gläubigers auf Berücksichtigung der Beitragsforderung in Höhe von 4.389,99 € in der Rangklasse 3 des § 10 Abs. 1 ZVG zurückgewiesen. In die Rangklasse 3 des § 10 Abs. 1 ZVG fallen Ansprüche auf Entrichtung der öffentlichen Lasten des Grundstücks, die - wie hier - nicht zu den wiederkehrenden Leistungen gehören, wegen der aus den letzten vier Jahren rückständigen Beträgen. Die Hauptforderung ist kein derartiger Anspruch. Zwar ist sie auf Entrichtung einer öffentlichen Last gerichtet; sie war aber im Zeitpunkt der Antragstellung im Januar 2021 bereits länger als vier Jahre rückständig.
Rz. 6
a) Zutreffend und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen geht das Beschwerdegericht davon aus, dass es sich bei dem in dem Bescheid erhobenen Entwässerungsbeitrag um einen Anspruch handelt, der auf Entrichtung einer öffentlichen Last gerichtet ist.
Rz. 7
aa) Öffentliche Lasten sind im öffentlichen Recht geschaffene Abgabeverpflichtungen, die in Geld durch wiederkehrende oder einmalige Leistungen zu erfüllen sind und bei denen neben der persönlichen Haftung des Schuldners die dingliche Haftung des Grundstücks besteht (vgl. Senat, Urteil vom 27. November 1970 - V ZR 52/68, WM 1971, 194, 195; Urteil vom 22. Mai 1981 - V ZR 69/80, NJW 1981, 2127; Beschluss vom 30. März 2012 - V ZB 185/11, WM 2012, 997 Rn. 4; BGH, Urteil vom 18. Februar 2010 - IX ZR 101/09, NJW-RR 2010, 1022 Rn. 6; jeweils mwN). Die öffentliche Last ruht als dingliches Recht derart auf dem Grundstück, dass sie die Beitragsforderung bis zu der Befriedigung des Beitragsgläubigers - ungeachtet jedes inzwischen eintretenden Eigentumswechsels - mit der Folge sichert, dass sich der Gläubiger erforderlichenfalls aus dem Grundstück befriedigen kann (vgl. BVerwGE 47, 49, 54). Dass es sich bei dem hier streitgegenständlichen Entwässerungsbeitrag um eine öffentliche Last handelt, ergibt sich aus § 7 Abs. 11 Satz 1 Thüringer Kommunalabgabengesetz i.V.m. § 4 Abs. 4 BS-EWS nF (vgl. dazu auch Depré/Cranshaw, ZVG, 2. Aufl., § 10 Rn. 116 und allgemein zu den Anforderungen an die gesetzliche Regelung einer öffentlichen Last Senat, Urteil vom 22. Mai 1981 - V ZR 69/80, ZIP 1981, 777, 778; Beschluss vom 11. März 2010 - V ZB 175/09, juris Rn. 6).
Rz. 8
bb) Die öffentliche Last war am 21. August 2009, dem Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheids, rückwirkend entstanden.
Rz. 9
(1) Für die Entstehung der öffentlichen Last ist allein die sachliche Beitragspflicht entscheidend (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - V ZB 89/07, NVwZ-RR 2008, 439 Rn. 7; Beschluss vom 24. Januar 2008 - V ZB 118/07, NJW 2008, 1445 Rn. 7). Hingegen kommt es nicht darauf an, ob ein Heranziehungsbescheid erlassen worden ist; durch diesen wird die dingliche Last lediglich konkretisiert (vgl. Senat, Urteil vom 27. November 1970 - V ZR 52/68, WM 1971, 194, 195). Es ist also zu differenzieren zwischen der Entstehung der öffentlichen Last als solcher und der daraus erst entspringenden Verpflichtung zu einer bestimmten Geldleistung, die durch einen Bescheid fällig gestellt werden muss (vgl. RGZ 56, 396, 398; 86, 357, 360; Dassler/Schiffhauer/Rellermeyer, ZVG, 16. Aufl., § 10 Rn. 31; Böttcher, ZVG, 7. Aufl., § 10 Rn. 23). Nur eine materiell bestehende Beitragspflicht ruht als öffentliche Last auf dem Grundstück.
Rz. 10
(2) Zwar steht außer Frage, dass es bei Erlass des Beitragsbescheids am 21. August 2009 an einer wirksamen Satzung fehlte (vgl. zu diesem Erfordernis Senat, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - V ZB 89/07, NVwZ-RR 2008, 439 Rn. 7, Beschluss vom 24. Januar 2008 - V ZB 118/07, NJW 2008, 1445 Rn. 6; BVerwG, NJW 1975, 1426 f.; BVerwGE 64, 218, 219). Erst die neue Fassung der Beitragssatzung schuf die Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung. § 16 BS-EWS nF regelt aber die Rückwirkung dieser Satzung mit Wirkung zum 1. Januar 2007. Ab diesem Zeitpunkt bildete die Satzung die Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung und damit die Grundlage für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - V ZB 89/07, NVwZ-RR 2008, 439 Rn. 9; Beschluss vom 24. Januar 2008 - V ZB 118/07, NJW 2008, 1445 Rn. 7). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts bestehen grundsätzlich keine Bedenken gegen die rückwirkende Entstehung der sachlichen Beitragspflicht aufgrund des nachträglichen Erlasses einer wirksamen Satzung mit Rückwirkung (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - V ZB 89/07, NVwZ-RR 2008, 439 Rn. 8 f.; Beschluss vom 24. Januar 2008 - V ZB 118/07, NJW 2008, 1445 Rn. 6 f.; BGH, Urteil vom 13. Oktober 1994 - III ZR 24/94, BGHZ 127, 223, 228 und - zum Erschließungsbeitragsrecht - BVerwGE 50, 2, 7 f.; 67, 129, 131 f.). Auch im konkreten Fall sind solche weder ersichtlich noch werden sie von der Rechtsbeschwerde geltend gemacht.
Rz. 11
b) Infolgedessen war der sich aus der öffentlichen Last ergebende Anspruch, der mit Bescheid vom 21. August 2009 in Höhe von 4.389,99 € fällig gestellt wurde, im Zeitpunkt der Antragstellung im Januar 2021 im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG mehr als vier Jahre rückständig.
Rz. 12
aa) Der Vier-Jahres-Zeitraum des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG beginnt mit dem Eintritt der Fälligkeit des Anspruchs und endet vier Jahre später (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - V ZB 89/07, NVwZ-RR 2008, 439 Rn. 13 ff.). Innerhalb dieses Zeitraums muss der Gläubiger wegen seines bevorrechtigten Anspruchs die Anordnung der Zwangsversteigerung bzw. Zulassung des Beitritts zu einem bereits anhängigen Verfahren beantragt oder seinen Anspruch angemeldet haben, damit dieser in der Rangklasse 3 berücksichtigt werden kann (grundlegend dazu Senat, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - V ZB 89/07, NVwZ-RR 2008, 439 Rn. 10 ff.; vgl. auch BGH, Urteil vom 24. Mai 2012 - IX ZR 175/11, NJW 2012, 2504 Rn. 12). Dabei kommt es auf die Fälligkeit des Beitragsbescheids an; ein Duldungsbescheid begründet keine Fälligkeit, sondern setzt diese voraus (vgl. BVerwG, NJW 1987, 2098, 2099).
Rz. 13
bb) Der mit Bescheid vom 21. August 2009 geltend gemachte Beitrag auf Entrichtung der öffentlichen Last ist drei Monate nach dessen am 27. August 2009 erfolgter Zustellung und damit früher als vier Jahre vor der Antragstellung im Januar 2021 fällig geworden.
Rz. 14
(1) Wird ein zunächst rechtswidriger Beitragsbescheid durch eine rückwirkende Satzung geheilt, tritt die für die Ermittlung der Vier-Jahres-Frist des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG maßgebende Fälligkeit rückwirkend ein; ist der Bescheid nicht vor, sondern nach dem rückwirkenden Inkrafttreten der Satzung erlassen worden, richtet sich der Eintritt der Fälligkeit nach den Vorgaben des Bescheids.
Rz. 15
(a) Der Senat hat - wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt - bereits entschieden, dass bei Bescheiden, die zeitlich vor der Rückwirkungsanordnung einer heilenden Satzung erlassen wurden, die für die Ermittlung der Vier-Jahres-Frist des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG maßgebende Fälligkeit mit dem rückwirkenden Inkrafttreten der Satzung eintritt (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 2007 - V ZB 89/07, NVwZ-RR 2008, 439 Rn. 8; Beschluss vom 27. September 2007 - V ZB 56/07, juris Rn. 7 u. 10; Beschluss vom 22. November 2007 - V ZB 64/07, juris Rn. 7 u. 10; Beschluss vom 24. Januar 2008 - V ZB 118/07, NJW 2008, 1445 Rn. 6 u. 9). Entsprechend wird auch dann, wenn der Bescheid innerhalb des Rückwirkungszeitraums erlassen wurde, der Betrag rückwirkend fällig. Der Eintritt der Fälligkeit richtet sich in diesem Fall nach der Maßgabe des Bescheides. Denn die Fälligkeit kann bei einer Heilung nicht früher eintreten, als wenn der Bescheid ursprünglich rechtmäßig gewesen wäre.
Rz. 16
(b) Die Argumente, die die Rechtsbeschwerde gegen den rückwirkenden Eintritt der Fälligkeit anführt, geben zu einer Änderung der Rechtsprechung des Senats keinen Anlass.
Rz. 17
(aa) Der Sinn und Zweck des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG gebietet keine Einschränkung der rückwirkenden Heilung des Bescheids im Hinblick auf den in diesem Rahmen maßgeblichen Fälligkeitszeitpunkt. Die ratio legis der Rangklasse 3 ist die bewusste Wertung, den schuldrechtlichen Forderungen des Fiskus eine vordere Rangstelle einzuräumen (vgl. Depré/Cranshaw, ZVG, 2. Aufl., § 10 Rn. 65). Der gewährte Vorrang gilt jedoch nach dem gesetzgeberischen Willen nur für die Forderungen, die in der Zeit von vier Jahren ab Antragstellung fällig geworden sind. Es besteht kein Grund, den öffentlich-rechtlichen Beitragsgläubiger durch die Annahme einer Fälligkeit erst ab dem Zeitpunkt des heilenden Ereignisses weiter zu privilegieren und damit zugleich die nachrangigen Gläubiger zu benachteiligen. Denn der öffentlich-rechtliche Beitragsgläubiger hat es im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben selbst in der Hand zu bestimmen, wann die Fälligkeit eintritt, und zwar sowohl durch die Ausgestaltung der Satzung als auch durch den Bestand bzw. die Rücknahme des ursprünglichen, die Fälligkeit auslösenden Bescheids (vgl. BVerwG, NVwZ 2001, 1417, 1418 f.). Wenn er sich - etwa aus der Motivation heraus, den Eintritt der Festsetzungsverjährung zu verhindern - dafür entscheidet, einen ursprünglich rechtswidrigen Bescheid durch eine Satzung mit Rückwirkungsanordnung zu heilen, nimmt er damit zugleich in Kauf, dass der Vorrang der Forderung in der Zwangsversteigerung nicht mehr gewahrt ist.
Rz. 18
(bb) Ohne Erfolg verweist die Rechtsbeschwerde auf die zivilrechtlichen Folgen einer rückwirkenden Genehmigung gemäß § 184 Abs. 1 BGB. Mit einer derartigen Genehmigung ist das Inkrafttreten einer Satzung, die zu einer rückwirkenden Entstehung einer auf öffentlichem Recht beruhenden öffentlichen Last führt, wegen der unterschiedlichen Interessenlage schon im Ansatz nicht vergleichbar. Im Übrigen werden Einschränkungen der zivilrechtlichen Rückwirkung lediglich aus Gründen des Schuldnerschutzes diskutiert, nicht jedoch zum Schutz des Gläubigers, auf den der Beteiligte zu 1 sich beruft (vgl. zu der zivilrechtlichen Problematik z.B. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2000 - VIII ZR 326/99, NJW 2001, 365, 366; Urteil vom 17. November 2014 - I ZR 97/13, GRUR 2015, 187 Rn. 22; Urteil vom 4. März 2021 - III ZR 39/20, MDR 2021, 996 Rn. 39).
Rz. 19
(cc) Eine rückwirkende Fälligkeit steht - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die Regelung des § 135 Abs. 1 BauGB ausgeführt, diese sei bei der nachträglichen Heilung eines Beitragsbescheides dahin auszulegen, dass der Beitrag erst einen Monat nach dem Eintritt des die Heilung bewirkenden Ereignisses fällig werde (vgl. BVerwGE 64, 218, 222; BVerwG, Urteil vom 18. September 1981 - 8 C 26/81, juris Rn. 16). Dies betraf aber - anders als hier - Konstellationen, in denen die Heilung nicht mit Wirkung ex tunc, sondern mit Wirkung ex nunc eingetreten war. Die Möglichkeit eines rückwirkenden Eintritts der Fälligkeit bei einer rückwirkenden Heilung des Bescheides hat das Bundesverwaltungsgericht in diesen Entscheidungen nicht verneint.
Rz. 20
(dd) Aus der Möglichkeit, die Kostenlast im Verwaltungsprozess durch eine Erledigungserklärung abzuwenden, wenn der angefochtene Heranziehungsbescheid während des Verfahrens durch eine rückwirkende Satzung geheilt wird (vgl. BVerwGE 50, 2, 10; BVerwG, NVwZ 1991, 360, 361; NVwZ 1993, 979), lässt sich - anders als die Rechtsbeschwerde meint - schon im Ansatz kein Schluss auf den Zeitpunkt der Fälligkeit bei der Beurteilung der Vier-Jahres-Frist ziehen.
Rz. 21
(2) Der am 27. August 2009 zugestellte Bescheid sah - wie es auch der Regelung des § 13 BS-EWS nF entspricht - eine Fälligkeit von drei Monaten nach dessen Bekanntgabe vor. Die im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG maßgebliche Fälligkeit trat damit gemäß § 31 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB mit Beginn des 28. November 2009, also deutlich früher als vier Jahre vor der Antragstellung im Januar 2021 ein.
Rz. 22
c) Inwieweit der Antrag - wie die Erwiderung ausführt - auch deswegen abzuweisen wäre, weil der mit dem Bescheid geltend gemachte Anspruch bereits wegen Zahlungsverjährung erloschen und damit eine Inanspruchnahme aus der öffentlichen Last nicht mehr möglich sein könnte (vgl. zur insoweit bestehenden Akzessorietät der öffentlichen Last zur persönlichen Beitragspflicht BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 - IX ZR 127/09, WM 2010, 1715 Rn. 14; BVerwG, NJW 1985, 2658, 2659), muss hier nicht entschieden werden.
Rz. 23
2. Zu Recht geht das Beschwerdegericht zudem davon aus, dass die von dem Gläubiger ab dem 5. Januar 2021 geltend gemachten Säumniszuschläge in Höhe von 43,50 € monatlich nicht der Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG unterfallen. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZVG sind neben der auf dem Grundstück lastenden Hauptforderung Nebenleistungen in Gestalt eines Zuschlags mit dem Vorrang der Rangklasse 3 ausgestattet; hierunter fallen auch Säumniszuschläge (grundlegend dazu Senat, Beschluss vom 11. März 2010 - V ZB 175/09, juris Rn. 4 ff. u. Rn. 11; vgl. auch Senat, Beschluss vom 24. Januar 2008 - V ZB 118/07, NJW 2008, 1445 Rn. 9; BGH, Urteil vom 19. November 2009 - IX ZR 24/09, WM 2010, 771 Rn. 12). Die Hauptforderung, derentwegen der Gläubiger die Zwangsversteigerung des Grundstücks betreibt, gehört aber - wie ausgeführt - nicht zu der Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG. Insoweit stellen die geltend gemachten Säumniszuschläge keine Nebenleistungen zu Hauptforderungen der Rangklasse 3 dar (vgl. zu diesem Erfordernis Senat, Beschluss vom 11. März 2010 - V ZB 175/09, juris Rn. 11).
IV.
Rz. 24
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, der in Zwangsversteigerungsverfahren grundsätzlich Anwendung findet, wenn sich die Beteiligten - wie hier - mit unterschiedlichen Interessen wie in einem kontradiktorischen Verfahren gegenüber stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378 Rn. 6 f.).
Brückner |
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Göbel |
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Malik |
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Laube |
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Grau |
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Fundstellen
Haufe-Index 15636653 |
NJW 2023, 10 |
NZM 2023, 695 |
WM 2023, 571 |
ZfIR 2023, 277 |
DZWir 2023, 377 |
JZ 2023, 284 |
NZI 2024, 57 |
BBB 2023, 56 |
GK/Bay 2023, 385 |