Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 16.07.2002) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 16. Juli 2002 wird mit der Maßgabe verworfen, daß die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Tatbestand
I.
Der Angeklagte hatte mit seiner geschiedenen Frau noch sexuelle Kontakte, für die er jeweils 200 DM bezahlte. Sie „kündigte” diese Vereinbarung, war aber bereit, sich nackt bei ihm dafür zu entschuldigen. Dabei zwang er sie mit Schlägen und unter Vorhalt eines Messers zu Vaginal- und Oralverkehr und weiteren sexualbezogenen Handlungen.
Deshalb wurde er wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu Freiheitsstrafe verurteilt. Einbezogen wurde eine zur Bewährung ausgesetzte Strafe aus einem späteren Urteil. Wegen Konsums von Kokain wurde der Angeklagte in einer Entziehungsanstalt untergebracht (§ 64 StGB).
Seine Revision führt zum Wegfall der Unterbringungsanordnung (§ 349 Abs. 4 StPO), bleibt aber im übrigen erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
Entscheidungsgründe
II.
1. Zum Schuldspruch verweist der Senat auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts, die durch die Erwiderung der Revision (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht entkräftet werden.
Der Senat weist jedoch darauf hin, daß die schriftlichen Urteilsgründe nicht den Inhalt der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise dokumentieren, sondern das Ergebnis der Hauptverhandlung wiedergeben und die rechtliche Nachprüfung der Entscheidung ermöglichen sollen. Die Beweiswürdigung soll lediglich belegen, warum bestimmte bedeutsame Umstände so festgestellt sind. Es ist aber regelmäßig untunlich, nach den tatsächlichen Feststellungen die Aussagen sämtlicher Zeugen der Reihe nach und in ihren Einzelheiten mitzuteilen (vgl. nur BGH NStZ 1998, 51 m.N.).
2. Auch der Strafausspruch hält im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand. Allerdings ist strafschärfend berücksichtigt, daß der Angeklagte bewährungsbrüchig sei; er habe die Warnfunktion des späteren Urteils nicht beachtet. Das nach der Tat ergangene Urteil konnte bei der Tat jedoch keine Warnfunktion entfalten. Im Ergebnis ist dies aber unschädlich, weil der Angeklagte zur Tatzeit hinsichtlich des Strafrestes aus einer Verurteilung vom 26. April 1996 unter Bewährung stand.
3. Die Unterbringungsanordnung kann nicht bestehen bleiben.
a) Der Angeklagte, der schon einmal untergebracht war, raucht in nicht feststellbarem Umfang, jedoch „nur noch unregelmäßig” Kokain. Gestützt auf Angaben der Geschädigten dazu, wie der Angeklagte bei der Tat seinen Unterkiefer bewegt hat, geht die Strafkammer davon aus, daß der Angeklagte – wie die Urteilsgründe mehrfach hervorheben – „nicht ausschließbar” einen Rückfall erlitten und zur Tatzeit unter Kokaineinfluß gestanden habe, der sich auf die Tat „konstellierend” ausgewirkt habe.
b) Ohne daß es insoweit auf weiteres ankäme, setzt eine Unterbringung gemäß § 64 StGB (unter anderem) voraus, daß ein Hang sicher („positiv”) festgestellt ist. Ist er, wie hier, lediglich nicht auszuschließen, so ist für eine Unterbringung kein Raum (BGH bei Detter NStZ 2003, 133, 138; BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1 ≪zum hangbedingten Rausch≫; BGH, Beschluß vom 6. Juli 1983 – 2 StR 334/83; Körner BtMG 5. Aufl. § 35 Rdn. 297).
c) Unabhängig davon ist nicht erkennbar, daß die abgeurteilte Tat Symptomwert für einen Hang des Angeklagten zum Mißbrauch berauschender Mittel hat, sich also in ihr seine hangbedingte Gefährlichkeit äußert, wie dies etwa bei Beschaffungskriminalität typisch ist. Eine solche Annahme liegt eher fern, wenn der Täter gewaltsam sexuelle Handlungen erzwingt, die ihm so oder ähnlich über geraume Zeit vom Opfer gegen Bezahlung gestattet worden waren (vgl. BGHR aaO m.w.N.). Hier hat die Strafkammer ausdrücklich festgestellt, die Tat sei ein „Beziehungskonflikt” und Ausdruck einer inzwischen weitgehend überwundenen „Lebenskrise”. Außerdem sei die Geschädigte „mit der Kindererziehung deutlich überfordert” gewesen. Der aufgestaute Zorn des Angeklagten hierüber habe die Tat „mitgeprägt” und verdiene „unter dem Aspekt pflichtbewußter Vaterschaft einiges Verständnis”.
d) Nach alledem kann der Senat ausschließen, daß eine neue Verhandlung Feststellungen ergeben könnte, die eine Unterbringungsanordnung rechtfertigen. Er erkennt daher entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf deren Wegfall (vgl. Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 354 Rdn. 32 m.N.).
III.
Trotz dieses Teilerfolgs der Revision hält es der Senat nicht für unbillig, den Angeklagten mit den vollen Rechtsmittelkosten zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Es ist nämlich nicht erkennbar, daß der Angeklagte das Urteil nicht angefochten hätte, wenn von einer Unterbringung abgesehen worden wäre (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 70 m.N.). Der Angeklagte hatte bestritten, am Tattag mit der Geschädigten zusammen gewesen zu sein. Die Revision bringt insbesondere vor, die Urteilsfeststellungen beruhten auf rechtsfehlerhafter Grundlage.
Unterschriften
Nack, Wahl, Boetticher, Kolz, Hebenstreit
Fundstellen