Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung eines Treuhänders i.R.e. Privatinsolvenzverfahrens wegen Ankündigung der Durchführung einer Zustellung zukünftig nur gegen eine bestimmte Vergütung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Entlassung eines Treuhänders im Verbraucherinsolvenzverfahren ist nur zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher ist bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen des Treuhänders gegeben.
2. Erklärt ein Treuhänder, Zustellungen in den ihm übertragenen Verfahren nur noch durchzuführen, wenn ihm eine Vergütung von 20 EUR für jede erste Zustellung bewilligt wird und 10 EUR für jede weitere Zustellung gezahlt werden, verletzt er seine Amtspflichten derart schwerwiegend, dass er für die Tätigkeit als Treuhänder ungeeignet ist. Eine weitere schwerde Pflichtverletzung ist gegeben, wenn der Treuhänder ohne vorherige Anzeige an das Insolvenzgericht ein Unternehmen mit der Vornahme der Zustellungen zu weit überhöhten Preisen beauftragt hat, bei dem aufgrund seiner persönlichen Beteiligung als Vorstand ein Sachverhalt vorlag, aufgrund dessen er an seiner Amtsführung gehindert war.
Normenkette
InsO § 59 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 07.12.2010; Aktenzeichen 85 T 371/10) |
AG Berlin-Köpenick (Entscheidung vom 07.07.2010; Aktenzeichen 34 IK 278/06) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 85 des Landgerichts Berlin vom 7. Dezember 2010 wird als unbegründet zurückgewiesen, soweit die Beschwerde der Treuhänderin gegen ihre Entlassung in dem Beschluss des Amtsgerichts Köpenick vom 7. Juli 2010 zurückgewiesen worden ist. Im Übrigen wird der vorbezeichnete Beschluss aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Entscheidung -auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens -an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.368,90 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Das Insolvenzgericht eröffnete mit Beschluss vom 27. November 2006 das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des B. (nachfolgend: Schuldner) und bestellte die weitere Beteiligte zu 1 zur Treuhänderin. Zugleich beauftragte es sie, die in dem Verfahren vorzunehmenden Zustellungen durchzuführen mit Ausnahme derjenigen an den Schuldner.
Rz. 2
Nach Durchführung des Schlusstermins hat das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 7. Juli 2010 dem Schuldner Restschuldbefreiung angekündigt, den weiteren Beteiligten zu 2 zum Treuhänder für die Wohlverhaltensphase bestellt und die Vergütung und Auslagen der ehemaligen Treuhänderin auf 928,20 EUR festgesetzt. Eine von der Treuhänderin mit ihrem Vergütungsantrag vorgelegte Rechnung über Zustellkosten in Höhe von 368,90 EUR hat das Insolvenzgericht nicht als erstattungsfähig angesehen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 hat keinen Erfolg gehabt. Mit der Rechtsbeschwerde begehrte die weitere Beteiligte die Aufhebung des Beschlusses über ihre Entlassung als Treuhänderin und die Änderung der Entscheidung des Insolvenzgerichts über ihren Vergütungsantrag.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 3
Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg, soweit sich die Treuhänderin dagegen wendet, dass sie durch die Bestellung eines neuen Treuhänders für die Wohlverhaltensphase entlassen worden ist. Die Beschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache, soweit sich die weitere Beteiligte zu 1 mit der sofortigen Beschwerde gegen die Festsetzung ihrer Vergütung unter Abweisung des Antrags, Zustellkosten in Höhe von 368,90 EUR zu bewilligen, gewandt hat.
Rz. 4
1. Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Bestellung des weiteren Beteiligten zu 2 als Treuhänder für die Wohlverhaltensphase und damit gegen die Entlassung der weiteren Beteiligten zu 1 wendet, ist sie statthaft (§§ 7, 6, 313 Abs. 1 Satz 3, 59 Abs. 2 Satz 1 InsO i.V.m. Art. 103f EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2, § 575 ZPO). Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Rz. 5
a) Die Begründung des Beschwerdegerichts trägt allerdings nicht, soweit sie darauf abstellt, allein die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Gericht und der Treuhänderin reiche aus, um eine Entlassung zu rechtfertigen. Die Entlassung der Treuhänderin von Amts wegen ist nur zulässig, wenn ein die Entlassung rechtfertigender wichtiger Grund vorliegt. Dies hat der Senat in mehreren, die Treuhänderin des hiesigen Verfahrens betreffenden Beschlüssen vom 19. April 2012 (IX ZB 162/10) und vom 26. April 2012 (IX ZB 31/11, zVb) entschieden, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
Rz. 6
b) Nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen hat die weitere Beteiligte zu 1 jedoch schwerwiegende Pflichtverletzungen begangen, die ihre Entlassung rechtfertigen. Auch dies hat der Senat in den zitierten Beschlüssen vom 19. April und vom 26. April 2012 entschieden. Die dort ausgeführten Gründe für die Entlassung der Treuhänderin sind auch im vorliegenden Verfahren gegeben. Das Insolvenzgericht hat in seiner Entlassungsentscheidung vom 7. Juli 2010, auf die das Beschwerdegericht Bezug genommen hat, festgestellt, die Treuhänderin habe durch die Ankündigung, Zustellungen in den ihr übertragenen Verfahren nur noch durchzuführen, wenn ihr eine Vergütung von 20 EUR für jede erste Zustellung bewilligt wird und 10 EUR für jede weitere Zustellung gezahlt werden, ihre Amtspflichten derart schwerwiegend verletzt, dass sie für die Tätigkeit als Treuhänderin ungeeignet sei. Es hat seine Entlassungsentscheidung ferner darauf gestützt, dass die weitere Beteiligte zu 1 ohne eine vorherige Anzeige an das Insolvenzgericht ein Unternehmen mit der Vornahme der Zustellungen zu weit überhöhten Preisen beauftragt hat, bei dem aufgrund ihrer persönlichen Beteiligung als Vorstand ein Sachverhalt vorlag, aufgrund dessen sie an ihrer Amtsführung gehindert war. Beides reicht als wichtiger Grund aus, um eine Entlassung von Amts wegen zu rechtfertigen (vgl. zu den Einzelheiten BGH, Beschluss vom 19. April 2012 – IX ZB 162/10; vom 26. April 2012 – IX ZB 31/11, zVb).
Rz. 7
2. Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Festsetzung der Vergütung wendet, ist sie statthaft (§§ 6, 7, § 313 Abs. 1 Satz 3, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO i.V.m. Art. 103f EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Sie ist auch im Übrigen nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig.
Rz. 8
a) Der angefochtene Beschluss ist nicht mit Gründen versehen; bereits dies nötigt zu seiner Aufhebung (§ 4 InsO, § 576 Abs. 3, § 547 Nr. 6, § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Rz. 9
aa) Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben. Denn das Rechtsbeschwerdegericht hat grundsätzlich von demjenigen Sachverhalt auszugehen, den das Beschwerdegericht festgestellt hat (§ 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO). Fehlen tatsächliche Feststellungen, so ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Ausführungen des Beschwerdegerichts, die eine solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine Gründe im zivilprozessualen Sinne. Dies hat das Rechtsbeschwerdegericht auch ohne Rüge von Amts wegen zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2011 – IX ZB 148/10, NZI 2011, 714 Rn. 6; vom 15. Dezember 2011 – IX ZB 217/10 Rn. 3; vom 23. Februar 2012 – IX ZB 92/10 Rn. 4).
Rz. 10
bb) Das Landgericht, das sich mit der Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 gegen die Vergütungsfestsetzung ausweislich der Gründe nicht befasst hat, hat seinen Rechtsausführungen keinen Sachverhalt vorangestellt. Seine Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung ist unbehelflich, soweit es um die Beschwerde gegen die Vergütungsfestsetzung geht, weil auch die Entscheidung des Insolvenzgerichts insoweit keinen Tatbestand enthält.
Rz. 11
Aus den Rechtsausführungen des Insolvenzgerichts kann der maßgebliche Sachverhalt ebenfalls nicht erschlossen werden. Aus der Entscheidung ist nicht ersichtlich, ob die ehemalige Treuhänderin die Rechnung der E. AG als Auslagenrechnung eingereicht oder ob sie die geltend gemachten Zustellkosten als sonstige Masseverbindlichkeiten der Masse entnommen hat, wie dies in anderen Verfahren geschehen ist, in denen die Masse ausreichte, um die von dem Unternehmen abgerechneten Zustellkosten zu begleichen. Feststellungen zu der Frage, ob die Zustellungen überhaupt von dem Unternehmen oder der Treuhänderin selbst durchgeführt worden sind, hat das Beschwerdegericht nicht getroffen. Für letzteres könnte sprechen, dass die ehemalige Treuhänderin die Zustellkosten zunächst als Zuschlag zu ihrer Vergütung geltend gemacht und erst nach Abweisung ihrer Vergütungsanträge die Rechnung des Zustellunternehmens, dessen Vorstand sie ist, vorgelegt hat.
Rz. 12
b) Aufgrund des fehlenden Sachverhalts ist der Senat zu einer eigenen Sachentscheidung nicht in der Lage. Die Sache ist deswegen gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Kayser, Vill, Lohmann, Fischer, Pape
Fundstellen