Leitsatz (amtlich)
a) Das Vaterschaftsanerkenntnis eines tunesischen Staatsangehörigen ist hinsichtlich seiner Legitimationswirkung nach Art. 22, nicht nach Art. 18 EGBGB einzuordnen (Ergänzung zu BGHZ 55, 188).
b) Zur Wirksamkeit eines Vaterschaftsanerkenntnisses nach tunesischem Recht.
c) Ist das an sich berufene ausländische Recht nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand und erheblicher Verfahrensverzögerung feststellbar, dann können, jedenfalls bei starken Inlandsbeziehungen und mangelndem Widerspruch der Beteiligten, die Sachnormen des deutschen Rechts angewendet werden.
Normenkette
EGBGB Art. 22
Verfahrensgang
LG Bonn (Beschluss vom 16.08.1976) |
OLG Köln |
AG Bonn |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde des Oberkreisdirektors gegen den Beschluß der 4. Ferienzivilkammer des Landgerichts Bonn vom 16. August 1976 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Das Kind Sammy D. ist am 21. August 1975 in der Bundesrepublik Deutschland nichtehelich geboren worden. Die Mutter des Kindes, eine deutsche Staatsangehörige, heiratete am 29. Oktober 1975 den tunesischen Staatsangehörigen Mohamed Salah D.. Dieser erkannte am selben Tage die Vaterschaft zu dem Kind vor dem Standesamt in Köln mit folgender Erklärung an:
„Die … wohnhaft in … hat das nachfolgend bezeichnete nichteheliche Kind geboren: … Zu diesem Kinde erkenne ich meine Vaterschaft an.”
Der für das Kind bestellte Amtspfleger erklärte seine Zustimmung zu der Anerkennung der Vaterschaft. Die Eltern wohnen mit dem Kinde in der Bundesrepublik Deutschland.
Der Standesbeamte hat mit einem über den Oberkreisdirektor, seine Aufsichtsbehörde, geleiteten Schreiben das Amtsgericht gemäß § 31 Abs. 2 PStG um Entscheidung darüber gebeten, ob die Legitimation in das Geburtenbuch einzutragen ist. Das Amtsgericht hat durch Verfügung vom 21. Juni 1976 dem Oberkreisdirektor aufgegeben, notariell beurkundete Einwilligung des Kindes mit Pflegerbestellung, entsprechende vormundschaftsgerichtliche Genehmigung und notariell beurkundete Einwilligung der Mutter beizubringen.
Gegen diese Verfügung haben der Oberkreisdirektor am 30. Juni 1976 und das durch den Amtspfleger vertretene Kind am 19. Juli 1976 Beschwerde eingelegt, mit der sie geltend gemacht haben, daß es der angeforderten Unterlagen zur Feststellung der Legitimation nach § 1719 BGB nicht bedürfe.
Das Landgericht hat mit Beschluß vom 16. August 1976 die angefochtene Verfügung des Amtsgerichts aufgehoben und angeordnet, in das Geburtenbuch den Vermerk einzutragen, daß das Kind ehelich – geworden ist, nachdem seine Eltern die Ehe geschlossen haben.
Gegen diesen ihm am 30. August 1976 zugestellten Beschluß hat der Oberkreisdirektor am 1. September 1976 gemäß § 49 PStG sofortige weitere Beschwerde eingelegt, in der er vorgebracht hat, er halte die Entscheidung des Landgerichts für zutreffend, wolle aber eine obergerichtliche Entscheidung herbeiführen, da in Fällen der Kindesanerkennung durch einen tunesischen Vater unterschiedliche Entscheidungen zur Frage des anzuwendenden Rechts ergangen seien.
Das Oberlandesgericht Köln möchte den Beschluß des Landgerichts bestätigen, hat sich an dieser Entscheidung aber durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. Januar 1976 (StAZ 1976, 361 = DAVorm 1976, 364) gehindert gesehen, das in einem ähnlichen Fall die Eintragung einer Legitimation durch Eheschließung der Eltern im Geburtenbuch abgelehnt und für die Beischreibung eines Vermerks nach § 30 PStG die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters des Kindes nebst vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung für erforderlich gehalten hat. Das Oberlandesgericht Köln hat daher die Sache durch Beschluß vom 12. Januar 1977 (StAZ 1977, 168) dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt (§ 28 Abs. 2 FGG).
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Voraussetzungen für die Vorlegung nach § 28 Abs. 2 FGG sind gegeben. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in der genannten Entscheidung, der der Fall zugrunde lag, daß die deutsche Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes einen Tunesier geheiratet hatte, der die Vaterschaft zu dem Kinde anerkannt hatte, tunesisches Recht für anwendbar gehalten und die Eintragung einer Legitimation durch nachfolgende Ehe abgelehnt. Das vorlegende Oberlandesgericht Köln ist in Abweichung hiervon der Ansicht, die Legitimation beurteile sich nach deutschem Recht und sei nach § 31 PStG in das Geburtenbuch einzutragen.
2. Die weitere Beschwerde ist zulässig, jedoch sachlich nicht begründet.
Die Wirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses eines Ausländers beurteilt sich nach deutschem Recht, wenn dieses das Recht ist, nach dem sich die Unterhaltspflicht des Vaters bestimmt (BGHZ 64, 129). Das ist hier das deutsche Recht, weil das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 1 des Haager Unterhaltsübereinkommens). Der Ehemann der Mutter konnte daher auf Grund des von ihm vor dem Standesamt abgegebenen Anerkenntnisses, dem das Kind durch seinen Amtspfleger zugestimmt hat, gemäß § 29 PStG als Vater am Rande des Geburtseintrags vermerkt werden.
Im übrigen richten sich die Rechtsfolgen des Vaterschaftsanerkenntnisses, wenn nicht besondere Kollisionsvorschriften eingreifen, nach dem Heimatrecht des Vaters (BGHZ 64, 129, 133 vor 2). Soweit Legitimationswirkungen in Frage stehen, ist das durch Art. 22 EGBGB berufene Legitimationsstatut maßgebend (so zutreffend LG Augsburg FamRZ 1976, 52, 54; KG FamRZ 1976, 375 = NJW 1976, 1034, 1035).
Voraussetzung für die Anwendung des Art. 22 EGBGB ist die Nichtehelichkeit des Kindes. Diese ist hier gegeben, weil die Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes nicht verheiratet war. Es kann dahingestellt bleiben, ob insoweit das Zustandekommen einer gültigen Ehe der Kindeseltern selbständig nach Art. 13 EGBGB zu prüfen ist (so BGHZ 43, 213, 218) oder in Anwendung der Art. 22 oder 18 EGBGB nach dem Heimatrecht des Mannes. Denn nach keinem der in Betracht kommenden Rechte haben die Eltern zur Zeit der Geburt in gültiger Ehe gelebt; insbesondere ist weder nach deutschem Recht (§ 11 EheG) noch nach tunesischem Recht (Art. 3 und 4 des Gesetzes über das Personalstatut vom 13. August 1976, vgl. Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschafsrecht, Tunesien, 53. Liefg., S. 8) eine formgerechte Ehe geschlossen worden. Abweichend hiervon hält Wengler die Ehelichkeit eines durch einen tunesischen Mann anerkannten Kindes schon vom Zeitpunkt der Geburt des Kindes an für gegeben, auch ohne daß eine formgerechte Eheschliessung der Eltern vorliegt. Er meint, Art. 18 Abs. 1 EGBGB erfasse über seinen Wortlaut hinaus auch die Legitimationsanerkennung des islamisch/tunesischen Rechts, da diese keinen statusverändernden Charakter habe, sondern nur die Beweislage hinsichtlich eines unveränderten materiellrechtlichen Rechtsverhältnisses modifiziere und da das durch sie begründete Abstammungsverhältnis als ein mit der Geburt entstehendes Rechtsverhältnis gedacht werde (JR 1973, 488, 490 sowie in dem vom AG Berlin-Schöneberg StAZ 1975, 222 wiedergegebenen Gutachten; ebenso die von Wengler angeregte Dissertation von Chr. Kohler, Das Vaterschaftsanerkenntnis im islamischen Recht und seine Bedeutung für das deutsche internationale Privatrecht, 1976, 176 f). Dieser Ansicht kann in der Frage, ob Art. 18 oder Art. 22 EGBGB anzuwenden ist, nicht gefolgt werden. Sie ist schon personenstandsrechtlich nicht durchführbar. Liegt zur Zeit der Geburt kein irgendwie objektiv in Erscheinung getretener Umstand dafür vor, daß die Mutter des Kindes mit dem Vater ehelich verbunden ist, dann kann das Kind in den Standesamtsregistern nicht als ehelich eingetragen und vor einer späteren Legitimanerkennung durch den tunesischen Vater auch nicht als ehelich angesehen werden. Demgemäß muß das Vaterschaftsanerkenntnis des tunesischen Mannes ohne Rücksicht auf eine andere Rechtskonstruktion des tunesischen Rechts als statusverändernder Legitimationsakt analog einer Ehelicherklärung oder Adoption im Sinne des Art. 22 EGBGB qualifiziert werden. So hat der erkennende Senat auch bereits hinsichtlich des Vaterschaftsanerkenntnisses eines Moslems ägyptischer Staatsangehörigkeit entschieden (BGHZ 55, 188), und auch im Schrifttum wird die Kindesanerkennung des islamischen Rechts überwiegend nicht unter Art. 18, sondern unter Art. 22 EGBGB, zumindest mittels entsprechender Anwendung dieser Kollisionsnorm, eingeordnet (vgl. Kegel, Internationales Privatrecht, 4. Aufl., S. 144, 154, 432 f; Siehr DAVorm 1973, 125, 135; Henrich StAZ 1974, 142, 145; Neuhaus, Die Grundbegriffe des internationalen Privatrechts, 2. Aufl., S. 132; Palandt/Heldrich BGB 36. Aufl. Art. 22 EGBGB Anm. 3; Krüger StAZ 1977, 245, 247, der zudem darauf hinweist, daß das Anerkenntnis des islamischen Rechts – „iqrâr” – nicht nur Beweisfunktion habe, sondern der Begründung von Rechtsverhältnissen diene). Mit Recht haben somit das vorlegende Oberlandesgericht Köln wie das Oberlandesgericht Düsseldorf die maßgebende Kollisionsnorm in Art. 22 EGBGB gesehen, nach welcher – in Ausweitung zu einer vollständigen Kollisionsnorm – die Legitimation eines nichtehelichen Kindes sich nach dem Heimatrecht des Vaters zur Zeit der Legitimation bestimmt.
Die Verfassungsmäßigkeit des Art. 22 EGBGB, deren Überprüfung der Beschwerdeführer erbittet, ist vom erkennenden Senat bereits bejaht worden (vgl. BGHZ 64, 19, 24). Sie wird auch im Schrifttum, soweit ersichtlich, ganz überwiegend angenommen (vgl. die Nachweise in der angeführten Entscheidung des Senats; ferner Simitis StAZ 1969, 12, 14; Ferid, Internationales Privatrecht, 1975, § 8–347; Kegel, Internationales Privatrecht, 4. Aufl., S. 429; a.A. Sturm in Raape/Sturm, Internationales Privatrecht, 6. Aufl., Band I, S. 300 Anm. 82 und S. 353). Mit Recht weist Ferid darauf hin, daß das Schwergewicht der Legitimation in der Begründung der Stellung eines ehelichen Kindes des Legitimierenden liege und daher die Anknüpfung an dessen Heimatrecht sachgerecht sei und die Gleichberechtigung nicht verletze. Auch die Familienrechtskommission des Deutschen Rates für internationales Privatrecht (Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Kindschaftsrechts, Materialien zum ausländischen und internationalen Privatrecht, Band 7, 1966, Seite 3 §B) hat in der Vorschrift keinen Verstoß gegen das Grundgesetz gesehen und de lege ferenda die Beibehaltung der bisherigen Anknüpfung vorgeschlagen.
3. Heimatrecht des Vaters ist das tunesische Recht. Das vorlegende Oberlandesgericht meint, dies verweise in Art. 1 des tunesischen Dekrets zur Regelung von kollisionsrechtlichen Fragen vom 12. Juli 1956 i.d.F. vom 24. Juli 1957 (Bergmann/Ferid, a.a.O., S. 7) auf das deutsche Recht zurück. Nach dieser Bestimmung sei nämlich für den personenrechtlichen Status der Ausländer deren Heimatrecht maßgebend und das sei für ein deutsches Kind das deutsche Recht, wenn das Kind mangels wirksamen Vaterschaftsanerkenntnisses nicht die tunesische Staatsangehörigkeit seines Vaters erworben habe. Hierbei hat das Oberlandesgericht Art. 4 Nr. 5 des genannten Dekrets übersehen, wo bestimmt ist, daß bei der Entscheidung von Personenstandssachen zwischen Angehörigen verschiedener Staaten hinsichtlich der Abstammung, der Legitimation und der Anerkennung der Vaterschaft das Heimatrecht des Vaters anzuwenden ist. Auf diesem Rechtsirrtum beruht die Abweichung von der Entscheidung des OLG Düsseldorf, das Art. 4 Nr. 5 des Dekrets angewendet und demzufolge mit Recht angenommen hat, eine Rückverweisung des tunesischen Rechts auf das deutsche finde nicht statt, da auch nach tunesischem Recht das Heimatrecht des Vaters gelte.
Dem tunesischen Recht (hanefitischer wie malekitischer Rechtskreis) ist, wie das vorlegende Oberlandesgericht in Übereinstimmung mit dem Schrifttum ausgeführt hat, die Unterscheidung zwischen nichtehelichem und ehelichem Kind fremd. Es kennt daher auch nicht eine die Ehelichkeit begründende nachträgliche Änderung des familienrechtlichen Status des Kindes durch Anerkennung oder nachfolgende Ehe (vgl. besonders Wengler JR 1964, 201 ff = StAZ 1964, 149 ff; Kohler a.a.O. S. 54 ff; Henrich StAZ 1974, 142, 146). Doch vermag das Vater Schaftsanerkenntnis des tunesischen Rechts einen legitimen Status des Kindes auszuweisen (Art. 68 des tunesischen Gesetzbuchs über das Personalstatut vom 13.8.1956), und das könnte bei wirksamer Anerkennung eine Beischreibung nach § 30 PStG rechtfertigen.
Als Hindernis für die Wirksamkeit eines solchen Anerkenntnisses wird es angesehen, wenn dieses die illegitime Abstammung des Kindes erkennen läßt (so Wengler JR 1964, 202; Kohler a.a.O. S. 213; Henrich a.a.O., Bergmann/Ferid a.a.O. S. 14 Fußn. 44 und die vom Landgericht angeführte Entscheidung des tunesischen Kassationshofes vom 31.12.1963, Rev. Tunisienne de droit 1963–1965, zit. in Salem, Problèmes de la filiation en droit Musulman et Solutions de la jurisprudence tunisienne, Mitt. des deutschen Orient-Instituts, Hamburg 1973, S. 4 f, wo es heißt, daß der Nachweis der Vaterschaft niemals aus sich selbst heraus den illegitimen Charakter der Abstammung erkennen lassen dürfe; a.A. Dilger FamRZ 1973, 530, 532 Fußn. 29; Krüger a.a.O. S. 246 f mit der Bemerkung, daß letzte Zweifel bestünden). Dieses Hindernis ist hier gegeben, weil das Vaterschaftsanerkenntnis vom 29. Oktober 1975 die Erklärung enthält, es werde die Vaterschaft zu einem nichtehelichen Kind anerkannt.
Die Unwirksamkeit müßte hier zur Anwendung deutschen Rechts führen, wenn der Mangel nicht durch ein erneutes Vaterschaftsanerkenntnis behoben werden könnte, das den Anforderungen des tunesischen Rechts entspricht. Wenn das nicht möglich ist, würde eine Legitimation des Kindes nach tunesischem Recht, da dieses eine Legitimation durch nachfolgende Ehe der Eltern nicht kennt, schlechthin ausgeschlossen sein. Das aber würde bei den gegebenen starken Inlandsbeziehungen (deutsche Staatsangehörigkeit von Mutter und Kind, gewöhnlicher Aufenthalt der Familie in der Bundesrepublik Deutschland) dem deutschen ordre public widersprechen, der den Ausschluß jeglicher Legitimation eines nichtehelichen Kindes (sei es durch Legitimanerkennung oder Ehelicherklärung, sei es durch nachfolgende Ehe oder durch Ehe und Anerkennung) jedenfalls dann nicht zuläßt, wenn die Kindeseltern miteinander die Ehe eingegangen sind (BGHZ 50, 370, 376 f; vgl. auch OLG Karlsruhe FamRZ 1970, 251; LG Hannover StAZ 1974, 273; Erman/Marquordt BGB 6. Aufl. Art. 22 EGBGB Rn. 38). Ist dagegen die Nachholung eines wirksamen Anerkenntnisses möglich mit der Folge der Eintragung der Statusänderung nach § 30 PStG, dann besteht kein Grund für die Anwendung der Vorbehaltsklausel des Art. 30 EGBGB.
4. Ob der dem Anerkenntnis anhaftende Mangel durch ein neues, den Bedingungen des tunesischen Rechts entsprechendes Vaterschaftsanerkenntnis überwunden werden könnte, erscheint fraglich. Bedenken ergeben sich daraus, daß das erste Anerkenntnis und die vorhandenen Personenstandsurkunden gegen eine legitime Abstammung des Kindes sprechen, ebenso möglicherweise auch die Tatsache der erst nach der Geburt des Kindes erfolgten (förmlichen) Eheschließung der Eltern. Mit Sicherheit läßt sich nicht sagen, ob diese Umstände nach tunesischem Recht die Wirksamkeit eines erneuten Anerkenntnisses beeinträchtigen würden. Nach der Mitteilung von Henrich sollen solche Bedenken für einige Bereiche der malekitischen Rechtsschule begründet sein, so für Algerien und Marokko, nicht dagegen für Tunis (StAZ 1974, 142, 147 Fußn. 41). Wengler führt aus, ihm sei Rechtsprechung zu dieser Frage nicht bekannt und es würde „eine gewagte Sache” sein, etwas Bestimmtes darüber auszusagen, ob die standesamtliche Beurkundung der nichtehelichen Geburt des Kindes nicht ein der Wirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses entgegenstehender Umstand sei (JR 1964, 203; die Ansicht des AG Münster StAZ 1974, 274, nach der neueren tunesischen Rechtsprechung sei die Anerkennung auch dann wirksam, wenn die nichteheliche Geburt durch Personenstandsurkunden dargetan werde, enthält keine Belege). Entscheidend wäre, ob die zuständigen tunesischen Behörden in einem erneuten Anerkenntnis, das sich von einem Hinweis auf die nichteheliche Geburt des Kindes frei hält, trotz der eine solche Geburt ausweisenden Personenstandsurkunden eine gültige Legitimanerkennung sehen würden. Darüber liegen aber irgendwelche Unterlagen nicht vor. Bei dieser Sachlage ist, ohne daß noch weitere Ermittlungen anzustellen wären, deutsches Recht anzuwenden.
Die Frage, wie zu verfahren ist, wenn sich über den Inhalt des durch eine deutsche Kollisionsnorm berufenen ausländischen Rechts keine sicheren Feststellungen treffen lassen oder Feststellungen nur mit unverhältnismäßigem Aufwand und erheblicher Verfahrensverzögerung ermöglicht werden könnten, ist umstritten. Die früher vereinzelt vertretene Ansicht, in diesem Falle müsse die Klage abgewiesen werden (Zitelmann, Internationales Privatrecht, Bd. I, S. 289; Hellwig, System des deutschen Zivilprozeßrechts, Bd. I, S. 677), muß für Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit ausscheiden und ist überdies bedenklich, weil sie eine nach unserem Recht nicht bestehende subjektive Beweislast hinsichtlich ausländischer Rechtssätze voraussetzt. Im wesentlichen stehen sich heute die beiden Theorien der Anwendung des nächstverwandten oder wahrscheinlich geltenden Rechts und der Anwendung des eigenen Rechts, der lex fori, gegenüber. Die erstgenannte Lehre ist u.a. vertreten worden von Raape, Internationales Privatrecht, 5. Aufl., § 17 II S. 123; Dolle, Festschrift für Raape, 1948, 153 und Internationales Privatrecht 2. Aufl. § 17 II S. 101; anders in Festschrift für Nikisch, 1958, 192; M. Wolff, Das internationale Privatrecht Deutschlands, 3. Aufl., S. 88; Kegel, Internationales Privatrecht, 4. Aufl., S. 233; Ferid, Internationales Privatrecht, § 4–101; Luther RabelsZ 1973, 660, 665 ff; Stein/Jonas/Schumann/Leipold ZPO 19. Aufl. § 293 IV 2 (offen gelassen vom BGH LM ZPO § 293 Nr. 2 = NJW 1961, 410). Dieser Ansicht kommt die nahe, die den Richter auf die rechtsschöpferische Bildung eines passenden Rechtssatzes verweist (Broggini AcP 1956, 486, 487; ähnlich Kötz RabelsZ 1970, 663, 671 ff; wohl auch Jansen FGG 2. Aufl. § 12 Rn. 28 und BayObLGZ 70, 77 = DAVorm 1970, 350). Die Anwendung des eigenen Rechts haben hingegen befürwortet Riezler, Internationales Zivilprozeßrecht, 1949, 497 f; Nußbaum, Deutsches internationales Privatrecht, 97; Dolle in Festschrift für Nikisch, 1958, 192; Schnitzer RabelsZ 1974, 317, 336; Firsching, Einf. in das internationale Privatrecht, 90; Sydow/Busch ZPO, 22. Aufl. § 293 Anm. 1; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 12. Aufl. § 116 III; Thomas/Putzo ZPO 9. Aufl. § 293 Anm. 2 b; Baumbach/Lauterbach/Hartmann ZPO 35. Aufl. § 293 Anm. 2 a.E.; Zöller ZPO 11. Aufl. § 293 Anm. 2; auch schon RG JW 1900, 589 und JW 1902, 36.
Die Ansicht, die eine Anwendung des dem an sich berufenen Recht verwandten oder wahrscheinlich geltenden Rechts vertritt, kann in einzelnen Fällen, wo die Anwendung des eigenen Rechts äußerst unbefriedigend wäre, gerechtfertigt sein (vgl. die von M. Wolff a.a.O. und Ferid a.a.O. § 4–100 mit Verweisung auf § 2–109 angeführten Beispielsfälle). Es wäre jedoch nicht angebracht, diese Ansicht als allgemeinen Grundsatz gelten zu lassen. Sie bedeutet die Verweisung auf ein Ungewisses Recht und führt zu einer erheblichen Komplizierung des Entscheidungsprozesses (so mit Recht Simitis StAZ 1976, 6, 14 Fußn. 65). Grundsätzlich wird daher, wenn die Bemühungen um die Feststellung des ausländischen Rechts zu keinem Ergebnis geführt haben-oder sich aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen die Ungeklärtheit der in Rede stehenden Rechtsfrage ergibt, die Anwendung der Sachnormen des eigenen Rechts als die praktikabelste Lösung vorzuziehen sein. Der Senat hält es jedenfalls im vorliegenden Fall angesichts der gegebenen Inlandsbeziehungen für angebracht, die deutschen Sachnormen anzuwenden. Dafür spricht auch, daß im Falle einer Unwirksamkeit der Legitimanerkennung ohnedies, wie bereits ausgeführt worden ist, das deutsche Recht zur Anwendung kommen müßte und Eltern und Kind sich nicht dagegen wehren, vielmehr damit einverstanden zu sein scheinen, daß statt eines Randvermerks über die Statusänderung nach § 30 PStG, wie er bei Wirksamkeit eines nachgeholten Vaterschaftsanerkenntnisses nach tunesischem Recht einzutragen wäre, eine Legitimation nach § 31 PStG in das Geburtenbuch eingetragen wird, obwohl deren Anerkennung im Heimatstaat des Vaters fraglich ist.
5. Nach deutschem Recht sind die Voraussetzungen für eine Legitimation durch nachfolgende Eheschließung der Eltern (§ 1719 BGB) gegeben. Das Vaterschaftsanerkenntnis ist, wie bereits ausgeführt worden ist, nach deutschem Recht wirksam. Die nach § 1600 c BGB erforderliche Zustimmung des Kindes liegt vor. Gegen die Gültigkeit der im Inland geschlossenen Ehe der Eltern des Kindes bestehen keine Bedenken.
6. Somit hat das Landgericht zu Recht angeordnet, in das Geburtenbuch den Vermerk einzutragen, daß das Kind ehelich geworden ist, nachdem seine Eltern die Ehe geschlossen haben. Die weitere Beschwerde mußte daher zurückgewiesen werden.
Unterschriften
Dr. Grell, Dr. Buchholz, Knüfer, Dr. Hoegen, Dehner
Fundstellen
Haufe-Index 1502446 |
BGHZ |
BGHZ, 387 |
NJW 1978, 496 |
Nachschlagewerk BGH |
IPRspr. 1977, 98 |