Leitsatz (amtlich)
Die 15-monatige Ausschlussfrist für die Geltendmachung der Vergütung des Verfahrensbeistands in einer Kindschaftssache beginnt zu laufen, wenn der Verfahrensbeistand seine Tätigkeit aufnimmt (Fortführung von BGH v. 5.10.2016 - XII ZB 464/15, FamRZ 2017, 231).
Normenkette
FamFG § 158 Abs. 7; BGB § 1835 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
OLG Naumburg (Beschluss vom 29.08.2018; Aktenzeichen 8 WF 167/18) |
AG Bernburg (Entscheidung vom 01.06.2018; Aktenzeichen 4 F 555/16 SO) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats - 2. Senat für Familiensachen - des OLG Naumburg vom 29.8.2018 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.
Wert: 550 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
In dem vorliegenden Sorgerechtsverfahren ist die Beteiligte zu 1) durch Beschluss des FamG vom 9.11.2016 zum berufsmäßigen Verfahrensbeistand für das betroffene Kind mit dem erweiterten Aufgabenkreis gem. § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG bestellt worden.
Rz. 2
Am 15.5.2018 hat die Beteiligte zu 1) die Festsetzung einer Pauschalvergütung nach § 158 Abs. 7 Satz 3 FamFG beantragt. Das FamG hat den Antrag verworfen, das OLG die zugelassene Beschwerde der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1).
II.
Rz. 3
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Rz. 4
1. Das OLG hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Der Anspruch auf Pauschalvergütung erlösche gem. §§ 158 Abs. 7 Satz 1, 277 Abs. 1 Satz 1 FamFG, § 1835 Abs. 1 BGB, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung bei Gericht geltend gemacht werde. Entstanden sei der Anspruch mit der Aufnahme der Tätigkeit, so dass die Ausschlussfrist spätestens mit dem Verhandlungstermin am 21.11.2016 zu laufen begonnen habe und vor der Antragstellung am 15.5.2018 abgelaufen sei.
Rz. 5
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
Rz. 6
a) Wird die Verfahrensbeistandschaft berufsmäßig geführt, erhält der Verfahrensbeistand für die Wahrnehmung seiner Aufgaben in jedem Rechtszug jeweils eine einmalige Vergütung i.H.v. 350 EUR (§ 158 Abs. 7 Satz 2 FamFG). Im Fall der Übertragung erweiterter Aufgaben nach § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG erhöht sich die Vergütung auf 550 EUR (§ 158 Abs. 7 Satz 3 FamFG).
Rz. 7
b) Wie der Senat bereits entschieden hat, findet auf diesen Vergütungsanspruch die Ausschlussfrist von 15 Monaten nach § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB entsprechende Anwendung (BGH, Beschl. v. 5.10.2016 - XII ZB 464/15, FamRZ 2017, 231 Rz. 16 ff.). Der Vergütungsanspruch erlischt daher, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung geltend gemacht wird.
Rz. 8
Ob für den Fristbeginn der Ausschlussfrist auf das Entstehen des Vergütungsanspruchs mit Aufnahme der Tätigkeit oder auf deren Ende abzustellen ist, hat der Senat bisher offengelassen. Die Frage wird in der Instanzrechtsprechung und in der Literatur uneinheitlich beurteilt.
Rz. 9
aa) Nach einer Auffassung beginnt die Ausschlussfrist bereits zu laufen, sobald der Verfahrensbeistand seine Tätigkeit aufnimmt, da zu diesem Zeitpunkt sein Vergütungsanspruch entstehe (Prütting/Helms/Hammer FamFG 4. Aufl., § 158 Rz. 63; Zorn FamRZ 2017, 234; vgl. auch Adamus jurisPR-FamR 6/2017 Anm. 4).
Rz. 10
bb) Nach anderer Auffassung ist auf das Ende der Tätigkeit des Verfahrensbeistands abzustellen. Zwar entstehe der Vergütungsanspruch mit Aufnahme der vergütungspflichtigen Tätigkeit. Für dieses Verständnis der "Entstehung" des Anspruchs sei allerdings dort kein Raum, wo das Gesetz die Vergütung nicht mehr an eine bestimmte Tätigkeit oder überhaupt an ein Tätigwerden anknüpfe, sondern - wie bei der Betreuung - eine vom konkreten Arbeitseinsatz losgelöste und nur noch formal an die fortbestehende Dauer anknüpfende Vergütung zubillige. In solchen Fällen sei auf die Beendigung der Tätigkeit abzustellen. Da auch der berufsmäßige Verfahrensbeistand eine pauschalierte, vom konkreten Arbeitseinsatz losgelöste Vergütung erhalte, beginne die Ausschlussfrist für ihn erst mit Beendigung der Verfahrensbeistandschaft zu laufen (OLG Zweibrücken MDR 2015, 772, 773; OLG Hamm Beschl. v. 6.11.2015 - 6 WF 106/15 - juris Rz. 11; Felix Rpfleger 2016, 189, 198). Andernfalls könne sogar in Einzelfällen, in denen die Führung der Verfahrensbeistandschaft sehr lange dauere, die Vergütung ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr geltend gemacht werden, obwohl die Tätigkeit des Verfahrensbeistands noch andauere (Schneider FamRB 2015, 253).
Rz. 11
cc) Die erstgenannte Auffassung, der sich auch das OLG in der angefochtenen Entscheidung angeschlossen hat, ist zutreffend.
Rz. 12
Zwar hat der Senat für die Betreuervergütung entschieden, dass die Ausschlussfrist des § 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB i.V.m. § 2 VBVG frühestens mit dem Ablauf des einzelnen Betreuungsmonats beginnt. Dieses ist darauf gestützt worden, dass für ein Verständnis, der Anspruch entstehe fortlaufend tageweise, dort kein Raum ist, wo das Gesetz die Vergütung des Berufsbetreuers nicht mehr an eine bestimmte Tätigkeit oder überhaupt an ein Tätigwerden anknüpft, sondern dem Betreuer eine von seinem konkreten Arbeitseinsatz losgelöste und nur noch formal an die fortbestehende Dauer der Betreuung anknüpfende Vergütung zubilligt, ohne dass es darauf ankommt, ob der Betreuer in dem zu vergütenden Betreuungsmonat auch tatsächlich für den Betreuten überhaupt oder in dem vom Gesetz pauschalierend unterstellten Umfang tätig geworden ist. In dieser Konstellation ist es konsequent, dass der Vergütungsanspruch grundsätzlich erst mit dem Ablauf des einzelnen Betreuungsmonats zur Entstehung gelangt und deshalb auch die Ausschlussfrist jedenfalls nicht vor diesem Zeitpunkt in Lauf gesetzt werden kann (vgl. BGH v. 28.5.2008 - XII ZB 53/08, FamRZ 2008, 1611 Rz. 29 f.).
Rz. 13
Im Unterschied dazu steht die Vergütung des Verfahrensbeistands in einer Kindschaftssache unter anderen gesetzlichen Voraussetzungen. Der Anspruch entsteht nicht wie bei der Betreuung in periodischen Abständen, losgelöst von der Entfaltung einer dem Amt entsprechenden Tätigkeit, und kann jeweils erst nach drei Monaten geltend gemacht werden (§ 9 VBVG), sondern er entsteht einmalig und in Abhängigkeit von der konkret entfalteten Tätigkeit.
Rz. 14
Der gesamte Vergütungsanspruch entsteht in dem Moment, in dem der Verfahrensbeistand mit der Wahrnehmung seiner Aufgaben begonnen hat. Zwar ist allein die Entgegennahme des Bestellungsbeschlusses nicht ausreichend. Es genügt jedoch für das Entstehen der Vergütungspauschale, dass der Verfahrensbeistand in irgendeiner Weise im Kindesinteresse tätig geworden ist (BGH, Beschl. v. 27.11.2013 - XII ZB 682/12, FamRZ 2014, 373 Rz. 17 m.w.N.). Anknüpfungspunkt für die Vergütung des Verfahrensbeistands ist demnach gerade nicht, wie bei der Betreuung, die fortbestehende Dauer seiner Bestellung, aber auch nicht die Beendigung seiner Tätigkeit mit Abschluss des jeweiligen Rechtszuges (BGH, Beschl. v. 15.9.2010 - XII ZB 268/10, FamRZ 2010, 1896 Rz. 30).
Rz. 15
Entsteht jedoch der Anspruch bereits vollständig mit der ersten Tätigkeit des Verfahrensbeistands gemäß seiner Bestellung, kann nur dieser Anknüpfungspunkt den Lauf der Ausschlussfrist auslösen (ähnlich bereits Zorn FamRZ 2017, 234; Bork/Jakoby/Schwab/Zorn FamFG 3. Aufl., § 158 Rz. 45; Keuter ZKJ 2017, 69 und FamRZ 2018, 14).
Rz. 16
dd) Nach diesem Grundsatz war der Vergütungsanspruch der Beteiligten zu 1) im Zeitpunkt seiner Geltendmachung bereits erloschen. Etwas anderes ergibt sich im vorliegenden Fall auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht daraus, dass Verfahrensbeistände - anders als es im örtlichen Gerichtsbezirk gegenüber Sachverständigen und Betreuern üblich ist - nicht durch Merkblätter auf die Ausschlussfrist hingewiesen werden.
Rz. 17
c) Vom Verstreichen der Ausschlussfrist erfasst wird auch die Mehrvergütung, die auf dem gem. § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG erweiterten Aufgabenkreis beruht. Denn um die erhöhte Vergütung beanspruchen zu können, muss der Verfahrensbeistand die ihm nach § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG zusätzlich übertragenen Tätigkeiten nicht bereits aufgenommen haben, vielmehr entsteht die Vergütungserhöhung bereits bei der Übertragung der Aufgaben (BGH, Beschl. v. 27.11.2013 - XII ZB 682/12, FamRZ 2014, 373 Rz. 20 ff.), so dass es hinsichtlich des Laufs der Ausschlussfrist bei der einheitlichen Anknüpfung an die erste Aufnahme einer bestellungsgemäßen Tätigkeit verbleibt. Daher liegt der Zeitpunkt der Geltendmachung des Vergütungsanspruchs auch insoweit außerhalb der Ausschlussfrist.
Fundstellen
NJW 2019, 1813 |
FamRZ 2019, 1077 |
FuR 2019, 3 |
FuR 2019, 394 |
JurBüro 2019, 322 |
JZ 2019, 455 |
MDR 2019, 11 |
MDR 2019, 702 |
Rpfleger 2019, 393 |
FamRB 2019, 218 |
ZKJ 2019, 266 |
FK 2019, 147 |