Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung rechtlichen Gehörs. Zulassung der Anschlussrechtsbeschwerde
Leitsatz (amtlich)
Wenn der Rechtsbeschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung in seinem Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt worden ist, liegt ein Zulassungsgrund i.S.d. § 574 Abs. 2 ZPO vor.
Normenkette
ZPO § 574 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 13.10.2003; Aktenzeichen 304 S 50/03) |
AG Hamburg-Harburg |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der ihre Berufung verwerfende Beschluss des LG Hamburg, Zivilkammer 4, v. 13.10.2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Gründe
I. Nachdem gegen die Klägerin im ersten Rechtszug Versäumnisurteil ergangen war und sie hiergegen Einspruch eingelegt hatte, im Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch aber erneut niemand für die Klägerin erschienen war, hat das AG Hamburg-Harburg durch Zweites Versäumnisurteil v. 22.4.2003 ihren Einspruch verworfen.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz v. 30.5.2003 rechtzeitig Berufung eingelegt. In demselben Schriftsatz hat sie ausführlich dargelegt, dass ihr Prozessbevollmächtigter sowohl den Verhandlungstermin, in dem das erste Versäumnisurteil erging, als auch den Termin zur Verhandlung über den Einspruch ohne sein Verschulden versäumt habe.
Das LG Hamburg als Berufungsgericht hat durch Beschluß v. 13.10.2003 die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen mit der Begründung, dass die Berufungsfrist nach gewährter Verlängerung am 30.7.2003 abgelaufen, eine Berufungsbegründung aber nicht eingegangen sei. Gegen diesen ihr am 23.10.2003 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 19.11.2003 Rechtsbeschwerde eingelegt.
II. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 S. 3 ZPO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Mit Recht rügt die Klägerin eine Verletzung ihres Grundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG). In einem solchen Fall ist ein Zulassungsgrund i.S.d. § 574 Abs. 2 ZPO immer gegeben.
Der Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör folgt aus der unrichtigen Feststellung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe keine Berufungsbegründung eingereicht.
Die Klägerin hatte bereits in ihrer Berufungsschrift v. 30.5.2003 eine Begründung gegeben. Die Kombination von Berufungsschrift und Berufungsbegründung ist im Gesetz ausdrücklich anerkannt (§ 520 Abs. 3 S. 1 ZPO). Die Begründung in der Berufungsschrift entsprach auch inhaltlich den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO; sie bezeichnete insb. die Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben soll (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO). Ein Zweites Versäumnisurteil unterliegt der Berufung nur insoweit, als sie auf fehlendes Verschulden an der Versäumung gestützt wird (§ 514 Abs. 2 S. 1 ZPO). Hierzu enthält die Berufungsbegründung ausführliche Darlegungen.
Wenn das Berufungsgericht gleichwohl vom Fehlen einer Berufungsbegründung ausgegangen ist, so lässt dies nur den Schluss zu, dass es - möglicherweise irregeführt durch den späteren Antrag des klägerischen Prozessbevollmächtigten auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - die schon in der Berufungsschrift der Klägerin enthaltene Berufungsbegründung nicht zur Kenntnis genommen hat. Darin liegt ein Verstoß gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör.
Infolge dieses Grundrechtsverstoßes ist die Rechtsbeschwerde nicht nur zulässig, sondern zugleich begründet.
Der angefochtene Verwerfungsbeschluss ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Berufung an das LG Hamburg zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 S. 1 ZPO).
Der Verzicht auf Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren erfolgt wegen der unrichtigen Sachbehandlung durch das Berufungsgericht (§ 8 Abs. 1 S. 1 GKG in der bis zum 30.6.2004 geltenden Fassung).
Fundstellen
Haufe-Index 1216577 |
BGHR 2004, 1640 |
FuR 2005, 138 |
NJW-RR 2004, 1717 |
FA 2004, 343 |
JurBüro 2005, 111 |
ZAP 2004, 1152 |
MDR 2005, 105 |
Mitt. 2005, 42 |