Verfahrensgang
Anwaltsgerichtshof Hamm (Urteil vom 16.12.2022; Aktenzeichen 1 AGH 28/22) |
Nachgehend
Tenor
Auf Antrag der Beklagten wird die Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. Dezember 2022 zugelassen.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Klägerin ist seit dem 11. Februar 2003 als Rechtsanwältin zugelassen. Mit Schreiben vom 11. März 2022, bei der Beklagten eingegangen am 21. März 2022, beantragte sie unter Vorlage eines Arbeitsvertrags mit dem Erzbistum, sie für ihre Tätigkeit bei diesem Erzbistum als Syndikusrechtsanwältin zuzulassen.
Rz. 2
Mit Bescheid vom 4. Juli 2022 wies die Beklagte den Antrag zurück. Auf die Klage der Klägerin hat der Anwaltsgerichtshof die Beklagte verpflichtet, die Klägerin unter Aufhebung des Bescheids vom 4. Juli 2022 als Syndikusrechtsanwältin für die Tätigkeit beim Erzbistum zuzulassen. Die Beklagte beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil.
II.
Rz. 3
Der nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag der Beklagten hat Erfolg. Es bestehen - wie von der Beklagten dargelegt - ernstliche Zweifel daran, ob der Anwaltsgerichtshof davon ausgehen durfte, dass die Klägerin ausschließlich in Rechtsangelegenheiten ihres Arbeitgebers tätig wird, und somit an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Rz. 4
Nach § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BRAO muss der Syndikusrechtsanwalt im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses für seinen Arbeitgeber in dessen Rechtsangelegenheiten tätig sein. Hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine Beschränkung der Rechtsdienstleistungsbefugnis des Syndikusrechtsanwalts, sondern um eine echte Tatbestandsvoraussetzung für die Zulassung (Senat, Urteil vom 25. August 2022 - AnwZ (Brfg) 3/22, NJW 2022, 3649 Rn. 20 mwN). Nach der bis zum 31. Juli 2022 geltenden Rechtslage schließt jede rechtsberatende Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten von Dritten unabhängig von deren Umfang grundsätzlich eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt aus (vgl. Senat, Urteil vom 22. Juni 2020 - AnwZ (Brfg) 23/19, BGHZ 226, 170 Rn. 24 ff.).
Rz. 5
Der Anwaltsgerichtshof hat die beratende Tätigkeit der Klägerin für die Kirchengemeinden als Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Bistums angesehen, da diese im Rahmen der Aufsicht des Erzbistums erfolgt sei. Die Beklagte verweist hingegen darauf, dass eine solche Tätigkeit als Drittberatung anzusehen sei und dass die Klägerin im Verhandlungstermin zudem angegeben habe, auch Satzungen von kirchlichen Vereinen im Rahmen der Aufsichtstätigkeit zu überprüfen.
Rz. 6
Ob die Klägerin in Rechtsangelegenheiten ihres Arbeitgebers tätig wird, bestimmt sich nach dem objektiven Inhalt der Tätigkeit, nicht nach dem Erscheinungsbild nach außen. Entscheidend ist, ob die zu klärenden Rechtsfragen dem Bereich des Arbeitgebers zuzuordnen sind oder dem eines Dritten (Senat, Urteil vom 25. August 2022, NJW 2022, 3649 Rn. 21). Nach ständiger Senatsrechtsprechung stellt eine Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten Dritter auch dann keine Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers dar, wenn dieser vertraglich oder gesetzlich dazu verpflichtet ist, sich mit den Rechtsangelegenheiten Dritter zu befassen (Senat, Urteil vom 25. August 2022 - AnwZ (Brfg) 3/22, NJW 2022, 3649 Rn. 22 mwN; vgl. Senat, Urteil vom 25. März 2022 - AnwZ (Brfg) 8/21, NJW-RR 2023, 57 Rn. 62).
Rz. 7
Vor diesem Hintergrund ist zweifelhaft, ob die Aufsichtsfunktion des Erzbistums ausreicht, um alle von der Klägerin angegebenen Beratungsleistungen als Rechtsangelegenheiten des Erzbistums einzustufen. Es wird im Berufungsverfahren zu klären sein, wie die jeweiligen beratenden Tätigkeiten der Klägerin ausgestaltet sind und wie sie einzuordnen sind. Im Falle einer Drittberatung wird zum einen auf die Vorschrift des § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BRAO einzugehen sein, wonach die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers auch erlaubte Rechtsdienstleistungen des Arbeitgebers gegenüber seinen Mitgliedern umfassen, sofern es sich bei dem Arbeitgeber um eine Vereinigung oder Gewerkschaft nach § 7 RDG oder nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 des RDG handelt. Zum anderen wird zu berücksichtigen sein, dass aufgrund der gesetzlichen Neuregelung in § 46 Abs. 6 BRAO eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ab 1. August 2022 dann in Betracht kommt, wenn der Syndikusrechtsanwalt neben der prägenden anwaltlichen Tätigkeit für seinen Arbeitgeber auch - im nicht prägenden Teil seiner Tätigkeit - dem Arbeitgeber erlaubte Rechtsdienstleistungen für Dritte erbringt (vgl. Senat, Urteil vom 25. August 2022 - AnwZ (Brfg) 3/22, NJW 2022, 3649 Rn. 34 f.).
III.
Rz. 8
Das Verfahren wird als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung:
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Wegen der Verpflichtung, sich im Berufungsverfahren vertreten zu lassen, wird auf die Rechtsmittelbelehrung in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
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Fundstellen
BRAK-Mitt. 2023, 409 |
BRAKMagazin 2024, 409 |
Kirche & Recht 2023, 295 |