Verfahrensgang
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. Dezember 2022 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits und die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 25.000 € festgesetzt.
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin ist seit dem 11. Februar 2003 als Rechtsanwältin zugelassen. Mit Schreiben vom 11. März 2022, bei der Beklagten eingegangen am 21. März 2022, beantragte sie unter Vorlage eines Arbeitsvertrags mit dem Erzbistum , sie für ihre Tätigkeit bei diesem Erzbistum als Syndikusrechtsanwältin zuzulassen.
Rz. 2
Mit Bescheid vom 4. Juli 2022 wies die Beklagte den Antrag zurück und begründete dies damit, dass gemäß der Stellungnahme des Arbeitgebers der Klägerin vom 7. April 2022 eine Beratung und Vertretung außerhalb des Erzbischöflichen Generalvikariats (allenfalls) für die dem Erzbistum angeschlossenen Kirchengemeinden stattfinde. Insoweit handele es sich um eine unzulässige Drittberatung.
Rz. 3
Auf die Klage der Klägerin hat der Anwaltsgerichtshof die Beklagte verpflichtet, die Klägerin unter Aufhebung des Bescheids vom 4. Juli 2022 als Syndikusrechtsanwältin für die Tätigkeit beim Erzbistum zuzulassen.
Rz. 4
Zur Begründung hat der Anwaltsgerichtshof, soweit für das Berufungsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 5
Die Klägerin habe Anspruch auf die beantragte Zulassung als Syndikusrechtsanwältin für ihre Tätigkeit beim Erzbistum. Die Klägerin sei für ihren Arbeitgeber im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses anwaltlich tätig. Soweit in der Stellungnahme des Generalvikariats vom 7. April 2022 angegeben werde, die Klägerin berate und vertrete "außerhalb des Erzbischöflichen Generalvikariats […] allenfalls […] die dem Erzbistum angeschlossenen Kirchengemeinden" stelle dies keine unzulässige Rechtsberatung Dritter dar. Die Klägerin sei im Rahmen ihrer aufsichtlichen Tätigkeit auf Grundlage der Geschäftsanweisung für die Verwaltung des Vermögens in den Kirchengemeinden und Gemeindeverbänden des nordrhein-westfälischen und hessischen Anteils der Erzdiözese (im Folgenden Geschäftsanweisung) tätig. Es gehe dabei um die Aufgaben der Klägerin, die Gemeinden auf die Gründe hinzuweisen, die ggf. einer Genehmigungserteilung für die in der Geschäftsanweisung genannten Geschäfte entgegenstünden, und diese zu einem Verhalten anzuhalten, das zu einer inhaltlichen und zweckmäßigen Wahrnehmung im Zusammenhang mit den genehmigungspflichtigen Geschäften führe. In diesem Zusammenhang handele es sich nicht um eine beratende und vertretende Tätigkeit der Pfarrgemeinden bzw. der Kirchenvorstände der Pfarrgemeinden, sondern um die originäre aufsichtliche Tätigkeit der Genehmigungsbehörde.
Rz. 6
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Senat mit Beschluss vom 27. Juli 2023 zugelassenen Berufung. Auch die Zulassung für eine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwältin für das Erzbistum müsse sich an den Voraussetzungen der §§ 46 ff. BRAO messen lassen und durch die Beklagte überprüfbar sein. Eine Auslegung des § 46 Abs. 5 BRAO unter Berücksichtigung des "Eigenverständnisses der katholischen Kirche" könne nicht dazu führen, dass die Beschränkungen der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt umgangen würden. § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BRAO sei nicht auf die Syndikusanwaltstätigkeit bei einem Erzbistum anwendbar. Eine analoge oder erweiternde Auslegung der Ausnahmeregelungen des § 46 Abs. 5 Satz 2 BRAO sei ausgeschlossen.
Rz. 7
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. Dezember 2022 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Rz. 8
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen vom 16. Dezember 2022 - 1 AGH 28/22 zurückzuweisen.
Rz. 9
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Die Tätigkeiten der Klägerin setzten sich aus direkten Tätigkeiten für das Erzbistum (50%), Aufsichtstätigkeiten des Erzbistums über die Kirchengemeinden (30%), Aufsichtstätigkeiten des Erzbistums über die Vereine (15%) und restlichen Tätigkeiten (5%) zusammen. Die Aufsicht über die Kirchengemeinden und die Vereine sei eine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers im Sinne des § 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO. Eine Vielzahl von Geschäften der Kirchengemeinden bedürften der Genehmigung durch das Erzbistum, darunter Beschlüsse der Kirchengemeinden zum Abschluss eines Miet- oder Nutzungsvertrags oder Nachlassangelegenheiten. Bei letzteren prüfe die Klägerin, ob die Beschlüsse zur Annahme/Ausschlagung von Erbschaften und Vermächtnissen genehmigungsfähig seien. Sie rate den Kirchengemeinden in den Einzelfällen nicht, ob sie eine Erbschaft oder ein Vermächtnis annehmen sollten oder nicht, sondern sie teile lediglich mit, unter welchen Voraussetzungen der entsprechende Beschluss genehmigt werde. Im Vereinsrecht prüfe die Klägerin, ob die Satzungen von kanonischen Vereinen - also bei solchen, welche durch den Erzbischof als kirchliche (kanonische) Vereine anerkannt worden seien - bei einer Neugründung oder Änderung der Satzung den kirchenrechtlichen Anforderungen entsprächen und somit genehmigungsfähig seien.
Rz. 10
Damit seien 95% der Tätigkeit der Klägerin Tätigkeiten in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers. Daher komme es nach Ansicht der Klägerin auf die Frage, ob Kirchengemeinden Dritte seien, nicht an. Insgesamt sei aber festzuhalten, dass katholische Kirchengemeinden keine Dritten seien. Auch die kirchenrechtlich anerkannten Vereine seien Teile der katholischen Kirche und nicht Dritte. Die Organisation der katholischen Kirche beruhe auf dem verfassungsrechtlich garantierten Selbstverständnis der katholischen Kirche, welches zu schützen sei.
Rz. 11
Die Beigeladene hat im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt. Sie führt aus, dass anwaltliche Tätigkeiten der Klägerin mit Bezug zu Kirchengemeinden dann als Rechtsangelegenheiten des Bistums eingestuft werden könnten, wenn diese Tätigkeiten vollumfänglich der Aufsicht des Erzbistums zuzuordnen seien. Dass sämtliche anwaltlichen Tätigkeiten der Klägerin im Zusammenhang mit Rechtsangelegenheiten von Kirchengemeinden Bestandteil dieser Aufsicht seien, könne entgegen dem Anwaltsgerichtshof jedoch nicht angenommen werden. Jedenfalls dann, wenn Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit der Klägerin ein nicht genehmigungsbedürftiges Rechtsgeschäft sei, liege keine aufsichtliche Tätigkeit vor. Bei einem Rechtsrat handele es sich insoweit um eine "Serviceleistung" und die Klägerin nehme eine Rechtsangelegenheit der Kirchengemeinde vor. Soweit die Klägerin anwaltliche Tätigkeiten ausübe, deren Gegenstand Rechte oder Pflichten eines dem Erzbistum zugeordneten Vereins seien, werde sie grundsätzlich in Rechtsangelegenheiten dieses Vereins tätig, wenn die jeweilige Tätigkeit nicht vollumfänglich der dem Erzbistum obliegenden Aufsicht zuzuordnen sei. Nach den Einschätzungen der Beigeladenen seien mit den von der Klägerin mit 5% angegebenen "restlichen Tätigkeiten" anwaltliche Tätigkeiten für Kirchengemeinden und/oder Vereine gemeint, die nicht als Aufsichtstätigkeiten eingestuft werden könnten.
Rz. 12
Der Senat hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 13
Die aufgrund der Zulassung durch den Senat nach § 112e Satz 1 BRAO statthafte und auch im Übrigen gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 und 6 VwGO zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Klägerin als Syndikusrechtsanwältin lagen bereits ab dem Zeitpunkt des Bescheids vom 4. Juli 2022 vor, so dass es nicht darauf ankommt, ob auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung oder auf diejenige im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist.
Rz. 14
1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Klägerin als Syndikusrechtsanwältin lagen bereits im Zeitpunkt des Bescheids vom 4. Juli 2022 vor.
Rz. 15
Gemäß § 46a Abs. 1 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt auf Antrag zu erteilen, wenn die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gemäß § 4 BRAO erfüllt sind, kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 BRAO vorliegt und die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht.
Rz. 16
Der Anwaltsgerichtshof hat zu Recht angenommen, dass die Beratung der Klägerin sich gemäß § 46 Abs. 5 BRAO auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränkte.
Rz. 17
a) Nach § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BRAO muss der Syndikusrechtsanwalt im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses für seinen Arbeitgeber in dessen Rechtsangelegenheiten tätig sein. Hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine Beschränkung der Rechtsdienstleistungsbefugnis des Syndikusrechtsanwalts, sondern um eine echte Tatbestandsvoraussetzung für die Zulassung (vgl. Senat, Urteile vom 25. August 2022 - AnwZ (Brfg) 3/22, NJW 2022, 3649 Rn. 20; vom 5. Oktober 2020 - AnwZ (Brfg) 43/18, juris Rn. 14; vom 22. Juni 2020 - AnwZ (Brfg) 23/19, BGHZ 226, 170 Rn. 22 und vom 6. Mai 2019 - AnwZ (Brfg) 38/17, NJW-RR 2019, 946 Rn. 12; jeweils mwN). Nach der bis einschließlich 31. Juli 2022 geltenden Rechtslage schließt jede rechtsberatende Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten von Dritten unabhängig von deren Umfang grundsätzlich eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt aus (vgl. Senat, Urteil vom 22. Juni 2020 - AnwZ (Brfg) 23/19, BGHZ 226, 170 Rn. 24 ff.).
Rz. 18
Ob der Antragsteller in Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers tätig wird, bestimmt sich nach dem objektiven Inhalt der Tätigkeit, nicht nach dem Erscheinungsbild nach außen (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Mai 2022 - AnwZ (Brfg) 46/21, NJW-RR 2022, 1139 Rn. 19; Urteil vom 7. Dezember 2020 - AnwZ (Brfg) 11/20, NJW-RR 2021, 246 Rn. 27; vgl. auch Urteile vom 30. September 2019 - AnwZ (Brfg) 38/18, NJW 2019, 3644 Rn. 23 [zum Versagungsgrund nach § 7 Nr. 8, § 46a Abs. 1 Nr. 2 BRAO]). Entscheidend ist, ob die zu klärenden Rechtsfragen dem Bereich des Arbeitgebers zuzuordnen sind oder dem eines Dritten (vgl. Senat, Urteil vom 7. Dezember 2020, aaO Rn. 19).
Rz. 19
b) Nach diesen Grundsätzen wird die Klägerin nur in Rechtsangelegenheiten ihres Arbeitgebers tätig. Soweit die Klägerin Aufgaben im Rahmen der Aufsicht des Bistums über die Kirchengemeinden und kirchlichen Vereine ausübt, wird sie nur in Rechtsangelegenheiten des Erzbistums tätig.
Rz. 20
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt eine Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten Dritter auch dann keine Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers dar, wenn dieser vertraglich oder gesetzlich dazu verpflichtet ist, sich mit den Rechtsangelegenheiten Dritter zu befassen (vgl. Senat, Urteile vom 2. Juli 2018 - AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 Rn. 39 ff.; vom 22. Juni 2020 - AnwZ (Brfg) 81/18, NJW-RR 2020, 1317 Rn. 12; vom 5. Oktober 2020 - AnwZ (Brfg) 43/18, NJOZ 2021, 1368 Rn. 16; vom 25. März 2022 - AnwZ (Brfg) 8/21, GewArch 2022, 337 Rn. 62 f.; vom 25. August 2022 - AnwZ (Brfg) 3/22, NJW 2022, 3649 Rn. 22). Insoweit hat der Senat bereits entschieden, dass insbesondere jede rechtsberatende Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten eines Kunden des Arbeitgebers unabhängig von deren Umfang grundsätzlich eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ausschließt (vgl. Senat, Urteil vom 22. Juni 2020 - AnwZ (Brfg) 23/19, NJW 2020, 2966 Rn. 24). Allerdings handelt es sich bei den dem Erzbistum eingeräumten Aufsichtsbefugnissen nach dem objektiven Inhalt um eine Rechtsangelegenheit des Erzbistums, da sie auch der rechtlichen Leitungs- und Kontrollfunktion des Erzbistums dienen.
Rz. 21
bb) Gemäß Can. 304 § 1 des Codex Iuris Canonici (im Folgenden: CIC) müssen alle öffentlichen und privaten Vereine von Gläubigen, welche Bezeichnung oder welchen Namen sie auch führen mögen, Statuten haben, in denen Zweck bzw. soziales Programm, Sitz, Leitung und erforderliche Mitgliedschaftsbedingungen zu regeln sind und in welchen unter Beachtung des Erfordernisses oder der Nützlichkeit von Zeit und Ort die Vorgehensweise zu bestimmen ist. Gemäß Can. 305 § 1 CIC unterliegen alle Vereine von Gläubigen der Aufsicht der zuständigen kirchlichen Autorität, die dafür zu sorgen hat, dass in ihnen die Unversehrtheit von Glaube und Sitte bewahrt wird, und die darüber zu wachen hat, dass sich keine Missbräuche in die kirchliche Disziplin einschleichen; deshalb hat sie die Pflicht und das Recht, diese nach Maßgabe des Rechtes und der Statuten zu beaufsichtigen; sie unterstehen auch der Leitung eben dieser Autorität gemäß den Bestimmungen der folgenden Canones.
Rz. 22
Gemäß Art. 7 der Geschäftsanweisung für die Verwaltung des Vermögens in den Kirchengemeinden und Gemeindeverbänden des nordrhein-westfälischen und hessischen Anteils der Erzdiözese ist für die dort genannten Geschäfte die Genehmigung des erzbischöflichen Generalvikariats einzuholen.
Rz. 23
cc) Die Aufsicht des Erzbistums - und somit die Rechtsangelegenheit des Erzbistums - umfasst insoweit die Prüfung, ob kirchenrechtliche Vorgaben eingehalten werden und deshalb eine bischöfliche Genehmigung erteilt werden kann, sowie den Ausspruch ihrer Erteilung oder Versagung. Soweit die Klägerin diese aufsichtsrechtliche Prüfung durchführt und einen Entscheidungsvorschlag des Bischofs vorbereitet, wird sie für ihren Arbeitgeber tätig.
Rz. 24
Dass sich die Tätigkeit der Klägerin im Rahmen dieser Aufsichtstätigkeit hält, ergibt sich aus der Anhörung der Klägerin. Diese hat dabei insbesondere erläutert, dass die von ihr mit "restlichen Tätigkeiten (5%)" bezeichneten Aufgaben Anfragen von Kirchengemeinden nach Genehmigungsvoraussetzungen betreffen. Auch die Beantwortung derartiger Anfragen unterfällt der Aufsicht, da sie einer sachgerechten Durchführung des Genehmigungsverfahrens dient. Auch hinsichtlich der Vereine wird die Klägerin - was sich aus ihrer Anhörung ergeben hat - nur aufsichtlich tätig.
Rz. 25
Soweit der Arbeitgeber der Klägerin mit Stellungnahme vom 7. April 2022 kurz angegeben hat, dass "eine Beratung und Vertretung außerhalb des Erzbischöflichen Generalvikariats […] allenfalls für die dem Erzbistum angeschlossenen Kirchengemeinden stattfinden" würden, ist dies durch spätere Angaben widerlegt. Bereits aus der ausführlichen Stellungnahme des Arbeitgebers vom 8. Juni 2022 ergibt sich, dass sich die Tätigkeit der Klägerin im Bereich der Kirchengemeinden auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob die bischöfliche Genehmigung zu erteilen ist oder nicht. Die Anhörungen der Klägerin vor dem Anwaltsgerichtshof und dem Senat haben dies bestätigt.
Rz. 26
2. Auch die übrigen Voraussetzungen für eine Zulassung der Klägerin als Syndikusrechtsanwältin sind gegeben.
Rz. 27
a) Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist durch anwaltliche Tätigkeiten geprägt (§ 46 Abs. 3 BRAO).
Rz. 28
Das Arbeitsverhältnis eines Syndikusrechtsanwalts wird durch die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO näher beschriebenen anwaltlichen Tätigkeiten geprägt. Die anwaltlichen Tätigkeiten müssen folglich quantitativ und qualitativ den Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses eines Syndikusrechtsanwalts-Bewerbers darstellen. Dabei liegt ein Anteil von 65 % anwaltlicher Tätigkeit am unteren Rand des für eine anwaltliche Prägung des Arbeitsverhältnisses Erforderlichen (BGH, Urteil vom 30. September 2019 - AnwZ (Brfg) 63/17, NJW 2019, 3649 Rn. 18; Beschluss vom 9. Januar 2020 - AnwZ (Brfg) 11/19, juris Rn. 6). Ein geringerer Anteil anwaltlicher Tätigkeiten reicht für die Annahme einer anwaltlichen Prägung in der Regel nicht aus (vgl. BGH, Urteile vom 25. März 2022 - AnwZ (Brfg) 8/21, NJW-RR 2023, 57; vom 26. November 2020 - AnwZ (Brfg) 47/19, juris Rn. 10).
Rz. 29
Nach den Angaben der Klägerin ist davon auszugehen, dass der Anteil anwaltlicher Tätigkeiten jedenfalls mehr als 65% ihrer Gesamttätigkeit ausmacht.
Rz. 30
b) Die Zulassung scheitert nicht an § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 7 Nr. 8 BRAO. Die Klägerin übt keine Tätigkeit aus, die mit dem Beruf eines Syndikusrechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege, nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann.
Rz. 31
Zwar kann das Zulassungshindernis des § 7 Nr. 8 BRAO auch einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt entgegenstehen (vgl. Senat, Urteile vom 22. Juni 2020 - AnwZ (Brfg) 81/18, NJW-RR 2020, 1317 Rn. 17; vom 30. September 2019 - AnwZ (Brfg) 38/18, NJW 2019, 3644 Rn. 16; vom 15. Oktober 2018 - AnwZ (Brfg) 20/18, NJW 2018, 3701 Rn. 25 ff. und vom 15. Oktober 2018 - AnwZ (Brfg) 68/17, NJW 2018, 3712 Rn. 20). Danach ergibt sich eine Gefährdung der Interessen der Rechtspflege im Sinne von § 7 Nr. 8 BRAO und damit ein Ausschluss der Zulassung insbesondere dann, wenn der im öffentlichen Dienst beschäftigte Antragsteller am Erlass hoheitlicher Maßnahmen mit Entscheidungsbefugnis beteiligt ist (vgl. Senat, Urteil vom 30. September 2019 - AnwZ (Brfg) 38/18, NJW 2019, 3644 Rn. 17 ff.). So liegt der Fall hier indes nicht, da die Klägerin als Angestellte der Kirche keine staatlichen Aufgaben wahrnimmt (vgl. BVerfG, NJW 2007, 2317, 2318; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 7 Rn. 85) und auch nicht hoheitlich tätig wird. Die bloße Vorbereitung hoheitlicher Maßnahmen durch Stellungnahmen, Rechtsgutachten, mündliche oder schriftliche Beratungen sowie Fertigung von Entscheidungsentwürfen erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 7 Nr. 8 BRAO (vgl. Senat, Urteil vom 6. Mai 2019 - AnwZ (Brfg) 31/17, NJW-RR 2019, 879, juris Rn. 24). Darin erschöpft sich die Tätigkeit der Klägerin.
Rz. 32
c) Es bestehen auch keine Zweifel an der fachlichen Unabhängigkeit der Klägerin nach § 46 Abs. 3 und 4 BRAO. Diese ist vertraglich gewährleistet. Nach Ziffer II. der von ihr und ihrem Arbeitgeber unterzeichneten Tätigkeitsbeschreibung bearbeitet die Klägerin Sachverhalte und juristische Fragestellungen fachlich unabhängig, selbständig und eigenverantwortlich. Ihr gegenüber bestehen danach keine Vorgaben zur Art und Weise der Bearbeitung und Bewertung bestimmter Rechtsfragen.
Rz. 33
Nach § 46 Abs. 4 Satz 2 BRAO ist die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung auch tatsächlich zu gewährleisten. Insoweit ist erforderlich, dass die fachliche Unabhängigkeit im Rahmen des Anstellungsverhältnisses tatsächlich gelebt wird (vgl. BT-Drucks. 18/5201, S. 29; Senat, Beschluss vom 5. April 2019 - AnwZ (Brfg) 79/18, NJW-RR 2019, 829 Rn. 7). Anhaltspunkte, dass dies nicht der Fall wäre, sind weder vorgebracht worden noch ersichtlich.
II.
Rz. 34
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Streitwert wurde nach § 194 Abs. 2 Satz 2 BRAO festgesetzt.
Schoppmeyer Grüneberg Ettl
Lauer Niggemeyer-Müller
Fundstellen