Tenor
1. Der Klägerin wird für die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 10. April 2000 Prozeßkostenhilfe gewährt und Rechtsanwalt Jordan beigeordnet.
2. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der angefochtene Beschluß aufgehoben.
3. Der Klägerin wird wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 22. Juni 1999 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
4. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 340.000 DM.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt nach einem Brand ihres Hauses in S., B.straße 22, über den Zeitwert des Hauses hinaus, den ihr die beklagte Gebäudeversicherung bereits erstattet hat, auch den Neuwertanteil der Versicherungsleistung, den sie mit mehr als 200.000 DM berechnet. Das Landgericht hat der Klage nur zu einem geringen Teil stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Das landgerichtliche Urteil ist der Klägerin am 6. Juli 1999 zugestellt worden. Am 5. August 1999 hat die Klägerin für die Durchführung der Berufung Prozeßkostenhilfe beantragt. Durch Beschluß vom 17. August 1999, zugestellt am 20. August 1999, hat das Berufungsgericht den Prozeßkostenhilfeantrag wegen fehlender Bedürftigkeit der Klägerin zurückgewiesen. Am 3. September 1999 hat die Klägerin Berufung eingelegt und wegen Versäumung der Berufungsfrist um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gebeten. Durch den angefochtenen Beschluß vom 10. April 2000, zugestellt am 19. Mai 2000, hat das Berufungsgericht das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen mit der Begründung, sie sei verspätet eingelegt worden. Hiergegen hat die Klägerin sofortige Beschwerde erhoben und Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Beschwerdefrist beantragt.
II. Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Der Klägerin war wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sie entgegen der Annahme des Berufungsgerichts die Berufungsfrist ohne ihr Verschulden nicht einhalten konnte (§ 233 ZPO). Ihre Berufung ist somit nicht verspätet erfolgt und durfte nicht als unzulässig verworfen werden.
Das durch die Bedürftigkeit einer Partei begründete Unvermögen, einen Rechtsanwalt mit der Einlegung des Rechtsmittels zu beauftragen, stellt grundsätzlich ein unverschuldetes Hindernis dar. Deshalb ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einer Partei nach Ablehnung eines Prozeßkostenhilfegesuchs Wiedereinsetzung gegen die Versäumung einer Rechtsmittelfrist zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht mit der Verweigerung der Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen mußte, sich also für arm halten und davon ausgehen durfte, daß sie die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Prozeßkostenhilfe vor Ablauf der Rechtsmittelfrist genügend dargetan habe (vgl. z.B. Beschluß vom 7. Februar 1996 – XII ZB 157/95 – VersR 1996, 1297 unter 2). Dies war bei der Klägerin der Fall.
Das Berufungsgericht hat allerdings gemeint, die Klägerin habe in ihrem Prozeßkostenhilfeantrag eine nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr in dieser Höhe existierende monatliche Belastung von 1.811,25 DM wegen der Rückzahlung eines Hypothekendarlehens angegeben und habe wegen dieser Falschangabe mit der Ablehnung ihres Antrags rechnen müssen. Die Klägerin habe vorgetragen, daß die vorgenannte monatliche Tilgungsrate aus dem noch mit 255.000 DM valutierenden Darlehen Nr. 9…. der DH-Bank herrühre. Außerdem habe sie ein weiteres Darlehen der DH-Bank in Höhe von 100.000 DM und ein drittes der Ba. in Höhe von 50.000 DM genannt. Diese drei Darlehen habe sie aber durch die von der Beklagten an die DH-Bank gezahlte Versicherungsleistung von 200.000 DM sowie mit Hilfe eines Darlehens ihres Bruders in Höhe von 125.000 DM getilgt, so daß allenfalls eine Restschuld der Klägerin von insgesamt 80.000 DM übrig geblieben sein könne. In jedem Fall habe die Klägerin geringere als die in ihrer Kostenaufstellung angegebenen Darlehensrückzahlungsraten (1.811,25 DM monatlich) aufzubringen. Ihre Angaben im Prozeßkostenhilfegesuch seien mithin falsch. Außerdem sei es ihr zuzumuten, das Berufungsverfahren durch die Aufnahme neuer Darlehen unter Beleihung ihrer Grundstücke zu finanzieren.
Dieser Ansicht des Berufungsgerichts kann nicht gefolgt werden, da sie, wie die Klägerin zu Recht rügt, auf einer unzutreffenden Würdigung des Vortrags der Klägerin beruht. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 16. September 1999 vorgetragen, daß ihr Haus in C. – also nicht das vom Brand betroffene Hausgrundstück in S. – mit einer noch in Höhe von 255.000 DM valutierenden Grundschuld belastet sei. Auch das Grundstück in S. sei belastet gewesen, und zwar aus einem weiteren Darlehen der HH-Bank, das mit 100.850,16 DM valutiert habe, und mit einem Darlehen der Ba., valutierend mit 50.254,64 DM. Diese beiden Darlehen – also nicht das mit 255.000 DM valutierende Darlehen, das durch das Haus in C. gesichert ist – seien durch die Entschädigungsleistung der Beklagten in Höhe von 200.000 DM getilgt worden. Der Restbetrag der von der Beklagten gezahlten Zeitwertentschädigung sei zur Begleichung verschiedener anderer Forderungen verwendet worden; diese weiteren Schulden hat die Klägerin im einzelnen aufgeführt und belegt. Die Klägerin hat, entgegen der Annahme des Berufungsgerichts, nicht erklärt, daß sie auch das Darlehen ihres Bruders in Höhe von 125.000 DM zur Rückführung der von der DH-Bank und der Ba. gewährten Kredite genutzt habe; aus ihrem Vortrag geht vielmehr hervor, daß auch dieses Privatdarlehen direkt in das Hausgrundstück S. geflossen ist. Die Annahme des Berufungsgerichts, das mit 255.000 DM valutierende Darlehen der DH-Bank, das durch das Grundstück in C. gesichert ist, müsse bereits größtenteils getilgt sein und die von der Klägerin geschuldeten monatlichen Tilgungsraten könnten nicht mehr 1.811,25 DM betragen, findet deshalb im Vortrag der Klägerin keine Stütze.
Das Berufungsgericht hätte auch nicht unterstellen dürfen, daß die Klägerin die Prozeßkosten durch Aufnahme weiterer Darlehen bestreiten könne. Die Klägerin hat belegt, daß sie mangels ausreichenden Einkommens für die Banken nicht mehr kreditwürdig ist.
Die Klägerin brauchte deshalb nicht mit der Ablehnung ihres Prozeßkostenhilfegesuchs zu rechnen und hat infolgedessen die Berufungsfrist ohne Verschulden versäumt.
Unterschriften
Dr. Schmitz, Prof. Römer, Terno, Seiffert, Ambrosius
Fundstellen