Leitsatz (amtlich)
Schiedssprüche unterliegen im Hinblick auf die Anwendung der §§ 19 bis 21 GWB in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einer uneingeschränkten Kontrolle durch das ordentliche Gericht.
Normenkette
GWB §§ 19-21; ZPO § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. April 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Oberlandesgericht den Aufhebungsantrag hinsichtlich Tenor Ziffer 1 des Schiedsspruchs vom 27. April 2020 insgesamt und hinsichtlich Tenor Ziffer 2 teilweise, nämlich hinsichtlich der Abweisung der auf Feststellung und Unterlassung gerichteten Widerklage, zurückgewiesen hat. Im Umfang der Aufhebung wird der Schiedsspruch vom 27. April 2020 aufgehoben.
Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin und die Antragsgegnerin je zur Hälfte.
Gründe
Rz. 1
A. Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin des Büdinger Waldes. Dort befinden sich die Steinbrüche Breitenborn (im Folgenden: Steinbruch 1) und Büdingen-Rinderbügen (im Folgenden: Steinbruch 2). Der Steinbruch 1 ist an die E verpachtet. Der Steinbruch 2 wurde von dem Rechtsvorgänger der Antragsgegnerin mit Pachtvertrag vom 31. Januar 1963 an die Antragstellerin verpachtet. Mit Vereinbarung vom 3. Dezember 1986 einigten sich der Rechtsvorgänger der Antragsgegnerin und die Antragstellerin auf eine Fortsetzung des Pachtverhältnisses zu geänderten Vertragsbedingungen bis zum 31. Januar 2023. Die Pachtzinsen für die beiden Steinbrüche sind zum großen Teil umsatzabhängig.
Rz. 2
Aufgrund eines 1964 geschlossenen Erbbaurechtsvertrages wurde zugunsten der Antragstellerin im Grundbuch ein Erbbaurecht an einer Teilfläche des Steinbruchs 2 eingetragen. Die Antragstellerin betreibt auf der Erbbaurechtsfläche eigene Aufbereitungsanlagen. Der Erbbaurechtsvertrag sieht vor, dass das Erbbaurecht mit dem Pachtverhältnis enden soll.
Rz. 3
Mit Schreiben vom 26. Juni 2017 kündigte die Antragsgegnerin den Pachtvertrag mit der Antragstellerin zum 31. Januar 2018. Die Antragsgegnerin versuchte die Antragstellerin nach Ausspruch der Kündigung dazu zu bewegen, die standortspezifischen Betriebsmittel an E zu veräußern. Mit einem auf einem Vergleich (Settlement) mit der Antragsgegnerin beruhenden Beschluss vom 2. Dezember 2019 verhängte das Bundeskartellamt gegen die Antragsgegnerin Geldbußen wegen der Kündigung und ihrer vorherigen Androhung. Der Antragsgegnerin wurde zur Last gelegt, dass ihre Geschäftsführer dem Verbot des § 21 Abs. 2 Nr. 1 GWB zuwidergehandelt hätten, anderen Unternehmen Nachteile anzudrohen, um sie zu einem Verhalten zu veranlassen, das nach § 1 GWB nicht zum Gegenstand einer vertraglichen Bindung gemacht werden darf, und dem Verbot des § 21 Abs. 3 Nr. 2 GWB zuwidergehandelt zu haben, andere Unternehmen zu zwingen, sich mit anderen Unternehmen im Sinne des § 37 GWB zusammenzuschließen. Nach den Feststellungen im Bußgeldbescheid wollte die Antragsgegnerin mit der Androhung der Kündigung die Antragstellerin dazu bewegen, den Betrieb des Steinbruchs 2 zukünftig auf Basis eines Gemeinschaftsunternehmens in Kooperation mit E weiterzuführen. Das Bundeskartellamt hat angenommen, durch die Kündigung vom 26. Juni 2017 (im Folgenden: erste Kündigung) habe die Antragstellerin dazu gezwungen werden sollen, sich mit einem anderen Unternehmen zusammenzuschließen. Der Zusammenschluss sei darin zu sehen, dass die Antragstellerin nach Beendigung des Pachtvertrages ihre im Steinbruch verwendeten standortspezifischen Betriebsmittel auf den neuen Pächter E übertragen werde.
Rz. 4
Im Verlauf des von ihr im März 2018 eingeleiteten Schiedsverfahrens sprach die Antragsgegnerin am 18. Juli 2018 vorsorglich eine zweite Kündigung des Pachtvertrages nebst Zusatzvereinbarung zum 31. Januar 2019 aus. Die Antragsgegnerin beabsichtigte, nach der Beendigung des Pachtvertrages auch den Steinbruch 2 an E zu verpachten. Durch die Verpachtung beider Steinbrüche an nur einen Pächter sollte ein Preiskampf zwischen den zwei Pächtern ausgeschlossen werden. Dies sollte die Erzielung höherer Pachteinnahmen ermöglichen.
Rz. 5
Das Schiedsgericht hat mit Endschiedsspruch vom 27. April 2020 (im Folgenden: Schiedsspruch) die Antragstellerin verurteilt, die Pachtfläche mit Ausnahme der zum Erbbaurecht gehörenden Fläche zu räumen und an die Antragsgegnerin herauszugeben. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Auch die Widerklageanträge der Antragstellerin, die auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen, die Verurteilung zur Zustimmung zur Verlängerung des Pachtverhältnisses sowie darauf gerichtet sind, dass die Antragsgegnerin es unterlässt, der Antragstellerin Nachteile, insbesondere in Form der Kündigung des Pachtverhältnisses, anzudrohen oder zuzufügen, um diese zur Erhöhung der Preise durch die Schiedsbeklagte gegenüber ihren Kunden sowie die Eingehung von Vertriebskooperationen oder anderen wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen zu veranlassen, hatten keinen Erfolg. Auch die Hilfswiderklageanträge, mit denen die Antragsgegnerin zur Abgabe eines Angebots auf Verlängerung des Pachtverhältnisses für die Zeit nach dem 31. Januar 2023 sowie zur Auskunft über die Bedingungen, zu denen die Antragsgegnerin den Steinbruch 1 verpachtet, verurteilt werden sollte, sind abgewiesen worden.
Rz. 6
Das Schiedsgericht hat in der erneuten Kündigung keinen Verstoß gegen § 21 Abs. 3 Nr. 2 GWB erkannt. Es fehle an einem Zusammenschlussvorhaben im Sinne des § 37 GWB, zu dem die Antragstellerin hätte gezwungen werden können. Die zu übertragenden Vermögensbestandteile vermittelten nicht die tragende Marktrolle auf dem Markt für den Abbau und die Vermarktung von Basaltsteinen. Zum Vermögen gehöre als entscheidender wirtschaftlicher Werttreiber die aus dem Pachtverhältnis folgende Bergbauberechtigung. Die Übertragung der Rechte sei aber nicht möglich, da die Antragsgegnerin nicht bereit sei, dem zuzustimmen. Es ergebe sich aus der Kündigung kein Zwang zur Übertragung dieser Rechte auf E. Die Frage, ob die Antragsgegnerin marktbeherrschend sei, könne dahinstehen. Es liege weder eine Diskriminierung noch Behinderung gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB vor. Ein gegen § 1 GWB verstoßendes Zusammenwirken von E und der Antragsgegnerin habe die Antragstellerin nicht nachgewiesen. Die Kündigung sei weder wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben noch wegen Sittenwidrigkeit unwirksam.
Rz. 7
Die Antragstellerin hat die Aufhebung des Schiedsspruchs beantragt, soweit das Schiedsgericht zu ihrem Nachteil erkannt hat. Das Oberlandesgericht hat den Antrag zurückgewiesen (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22. April 2021 - 26 Sch 12/20, juris). Dagegen richtet sich die Antragstellerin mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Antragsgegnerin beantragt.
Rz. 8
B. Das Oberlandesgericht hat angenommen, der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs sei unbegründet. Die Zugehörigkeit der zwingenden Vorschriften des Kartellrechts zum ordre public rechtfertige weder seine uneingeschränkte kartellrechtliche Überprüfung noch eine summarische Prüfung der Kartellrechtswidrigkeit oder eine kartellrechtliche Plausibilitätskontrolle. Eine eigene kartellrechtliche Prüfungskompetenz des staatlichen Gerichts sei mit dem Wesen der Schiedsgerichtsbarkeit als privatautonomer Streitentscheidung unvereinbar. Die Kontrolle des Schiedsspruchs beschränke sich vielmehr auf die Frage einer Missachtung von in den kartellrechtlichen Normen zum Ausdruck gekommenen grundlegenden Wertentscheidungen des Gesetzgebers. Nach diesen Maßstäben verstoße die Rechtsanwendung des Schiedsgerichts in Bezug auf die kartellrechtlichen Normen des § 21 Abs. 3 Nr. 2 GWB und des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB nicht gegen den ordre public.
Rz. 9
Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör lasse sich weder unter dem Aspekt einer Überraschungsentscheidung noch damit begründen, dass die Antragstellerin keine ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Ergebnis des Verfahrens vor dem Bundeskartellamt gehabt habe oder das Schiedsgericht Tatsachenvortrag insbesondere zur Treuwidrigkeit der Kündigung, zu Investitionen der Antragstellerin und zur Stillhaltevereinbarung nicht berücksichtigt habe. Es habe auch keine Verpflichtung des Schiedsgerichts bestanden, die anwaltlich vertretenen Parteien vorab im Einzelnen davon in Kenntnis zu setzen, welche rechtliche Würdigung es dem Schiedsspruch hinsichtlich der Fragen des Verzugs mit der Räumung zugrunde legen wolle. Ein Verstoß gegen den ordre public könne nicht mit der Missachtung bergrechtlicher Grundsätze und des verfassungsrechtlichen Schutzes wirtschaftlicher Dispositionen begründet werden.
Rz. 10
C. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Soweit das Oberlandesgericht die Verurteilung der Antragstellerin und die Abweisung ihrer auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen und Unterlassung gerichteten Widerklageanträge bestätigt hat, hat sie auch in der Sache Erfolg. Die Abweisung der Widerklage im Übrigen hat jedoch Bestand.
Rz. 11
I. Die Rechtsbeschwerde wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Verurteilung der Antragstellerin zur Räumung und Herausgabe des Steinbruchs durch das Schiedsgericht verstoße nicht gegen den ordre public (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO). Der Beschluss des Oberlandesgerichts ist daher insoweit aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil sie zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 ZPO).
Rz. 12
1. Ein Schiedsspruch kann nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO aufgehoben werden, wenn seine Anerkennung oder Vollstreckung zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht, also mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Das ist der Fall, wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder wenn er zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht. Der Schiedsspruch muss mithin die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 23. Juli 2020 - I ZB 88/19, SchiedsVZ 2021, 46 Rn. 16; vom 4. November 2021 - I ZB 54/20, NJW 2022, 245 Rn. 19 mwN).
Rz. 13
a) Zu den elementaren Grundlagen des deutschen Rechts gehören die Verbote nach §§ 19, 20, 21 GWB (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 1966 - KZR 7/65, BGHZ 46, 365, 367 [juris Rn. 40] - Schweißbolzen). Dies hat auch das Oberlandesgericht nicht verkannt.
Rz. 14
b) Mit Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde jedoch gegen die Auffassung des Oberlandesgerichts, das ordentliche Gericht sei nur zu einer stark eingeschränkten Überprüfung der Vereinbarkeit des Schiedsspruchs mit den §§ 19, 20, 21 GWB befugt. Der Schiedsspruch unterliegt einer uneingeschränkten Kontrolle durch das ordentliche Gericht im Hinblick auf die Anwendung dieser Normen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Dies hat der Senat zur früheren Rechtslage (§ 1041 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in der bis zum 31. August 1986 geltenden Fassung) bereits entschieden (vgl. BGHZ 46, 365, 370 [juris Rn. 40] - Schweißbolzen; Urteil vom 27. Februar 1969 - KZR 3/68, WuW/E BGH 1000, 1001 - Fruchtsäfte). Diese Rechtsprechung hat teilweise Kritik (Hilbig, Das gemeinschaftsrechtliche Kartellverbot im internationalen Handelsschiedsverfahren, 2006, S. 70; Horn, SchiedsVZ 2008, 209, 217; Heukamp, Schiedszusagen in der Europäischen Fusionskontrolle, 2006, S. 166; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., Anhang zu § 1061 Rn. 349; differenzierend: Bien,ZZP132 (2019), 93, 121 f.; ders. in Fuchs/Weitbrecht, Handbuch Private Kartellrechtsdurchsetzung, 1. Aufl., § 17 Rn. 197; Wiegand, ZWeR 2022, 185, 191; vgl. auch Cour de cassation, RevArb 2008, 473; RevArb 2012, 76) und teilweise Zustimmung erfahren (K. Schmidt, BB 2006, 1397, 1400; Ason, WuW 2014, 1057, 1060; Hase, AnwZert HaGesR 2/2017 Anm. 2; vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet vom 17.03.2016 - C-567/14, juris Rn. 67 - Genentech). Der Senat hält daran auch nach neuer Rechtslage fest.
Rz. 15
aa) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass ein Schiedsspruch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann gegen die öffentliche Ordnung verstößt, wenn seine Anerkennung oder Vollstreckung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts "offensichtlich" unvereinbar ist (BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2014 - III ZB 40/13, NJW 2014, 1597 Rn. 5; vom 4. November 2021, NJW 2022, 245 Rn. 19). Denn dies ist der Fall, wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen Lebens regelt, oder wenn er zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht (BGH, Beschlüsse vom 6. Oktober 2016 - I ZB 13/15, SchiedsVZ 2018, 53 Rn. 55; vom 4. November 2021, NJW 2022, 245 Rn. 19). Da die Verbote nach §§ 19, 20, 21 GWB zu den elementaren Grundlagen der Rechtsordnung und den grundlegenden Normen des Kartellrechts gehören, widerspricht die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs nach diesen Grundsätzen der öffentlichen Ordnung (ordre public) bereits dann, wenn er auf einer fehlerhaften Anwendung dieser Regelungen beruht (vgl. Bien in Fuchs/Weitbrecht, Handbuch Private Kartellrechtsdurchsetzung, 1. Aufl. Rn. 163). Die Anerkennung und Vollstreckung eines solchen Schiedsspruchs führte nämlich zu einem Ergebnis, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts "offensichtlich" unvereinbar wäre. Keine Rechtsordnung kann es hinnehmen, dass Verstöße gegen ihre grundlegendsten Normen durch ihre eigenen Gerichte bestätigt werden, unabhängig davon, ob diese Verstöße offenkundig oder offensichtlich sind oder nicht (vgl. BGHZ 46, 365, [juris Rn. 43] - Schweißbolzen; Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet vom 17.03.2016 - C-567/14, juris Rn. 67 - Genentech). Soweit die Anwendung solcher elementaren Regeln der Rechtsordnung in Rede steht, gilt das Verbot der révision au fond deshalb nicht, so dass eine Überprüfung des Schiedsspruchs in der Sache erforderlich ist.
Rz. 16
bb) Für eine umfassende Überprüfbarkeit der hier in Rede stehenden Verbote nach §§ 19, 20, 21 GWB spricht auch, dass sie nicht nur dem Interesse der Parteien der Schiedsabrede dienen, sondern der Wahrung des öffentlichen Interesses an einem funktionierenden Wettbewerb (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1991 - KZR 26/89, BGHZ 114, 218, 224 [juris Rn. 23] - Einzelkostenerstattung). Ihre effektive Durchsetzung ist bei einer bloßen Evidenzkontrolle des Schiedsspruchs nicht gewährleistet (vgl. zum Unionsrecht Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet vom 17. März 2016 - C-567/14, juris Rn. 58, 64 - Genentech). Zur Wahrung des öffentlichen Interesses an einem wirksamen Wettbewerb bestehen anders als im Verfahren vor dem Schiedsgericht umfassende Beteiligungsbefugnisse des Bundeskartellamts (§ 90 Abs. 1 GWB, vgl. BGHZ 114, 218, 224 [juris Rn. 23] - Einzelkostenerstattung) in den vor den staatlichen Gerichten geführten Kartellzivilverfahren. Im Unterschied zum staatlichen Gericht ist das Schiedsgericht in dem Fall, dass neben §§ 19, 20, 21 GWB auch Art. 101 AEUV oder Art. 102 AEUV anwendbar sind (vgl. § 22 GWB), grundsätzlich nicht befugt, sich mit einer Vorlagefrage im Hinblick auf die Anwendung der Art. 101 AEUV oder Art. 102 AEUV an den Unionsgerichtshof zu wenden (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Juni 2014 - C-377/13, juris Rn. 27 - Ascendi Beiras Litoral e Alta; Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet vom 17. März 2016 - C-567/14, juris Rn. 69 - Genentech; K. Schmidt, BB 2006, 1397, 1401).
Rz. 17
Streitigkeiten der hier in Rede stehenden Art sind regelmäßig durch komplexe tatsächliche und rechtliche Verhältnisse gekennzeichnet (vgl. EuGH, Urteil vom 23. November 2006 - C-238/05, Slg 2006, I-11125, Rn. 23). Es kommt hinzu, dass die nach § 19 GWB erforderliche Interessenabwägung immer nur einzelfallbezogen vorgenommen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2020 - KVR 69/19, BGHZ 226, 67 Rn. 98 - Facebook I). Eine offensichtliche Verletzung der §§ 19, 20 und 21 GWB kommt danach nur in wenigen Fällen in Betracht. Wäre die Prüfung eines Schiedsspruchs auf die offensichtliche Verletzung dieser kartellrechtlichen Bestimmungen beschränkt, hätte dies in zahlreichen Fällen zur Folge, dass den Gerichten eine sachangemessene, der Komplexität Rechnung tragende Prüfung verschlossen bliebe und es unmöglich wäre oder übermäßig erschwert würde, die sich daraus ergebenden Rechte auszuüben (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet vom 17. März 2016 - C-567/14, juris Rn. 64 - Genentech).
Rz. 18
cc) Die uneingeschränkte Kontrolle des Schiedsspruchs hinsichtlich solcher kartellrechtlicher Normen, die zu den elementaren Grundlagen des deutschen Rechts gehören, entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. § 91 Abs. 1 Satz 1 GWB in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I, 3224, im Folgenden: Schiedsverfahren-Neuregelungsgesetz) geltenden Fassung sah vor, dass Schiedsverträge über künftige Rechtsstreitigkeiten aus den dort im Einzelnen genannten Verträgen oder Beschlüssen nichtig sind, wenn sie nicht jedem Beteiligten ein Wahlrecht zwischen Schiedsgericht und ordentlichem Gericht einräumen. Ein Grund für die Aufhebung der Regelung war, dass das Schiedsgericht die (zwingenden) Vorschriften des Kartellrechts in gleicher Weise zu beachten habe wie das staatliche Gericht und dass der Schiedsspruch im Rahmen des Aufhebungs- und des Vollstreckbarerklärungsverfahrens einer Kontrolle durch die staatlichen Gerichte im Hinblick auf die Einhaltung dieser Vorschriften unterliege. Daher führe die Streichung des § 91 GWB nicht zu einer Durchbrechung der generellen Ziele des GWB, nämlich der Sicherstellung des Wettbewerbs und der Beseitigung wirtschaftlicher Macht, wo sie die Wirksamkeit des Wettbewerbs beeinträchtigt (vgl. Gesetzentwurf zum Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz vom 12. Juli 1996, BT-Drucks. 13/5274, S. 71).
Rz. 19
Angesichts dieses eindeutigen Willens des Gesetzgebers verfängt auch der Hinweis der Antragsgegnerin auf § 1041 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in der ab dem 1. September 1986 geltenden Fassung nicht, nach der die Aufhebung auszusprechen war, wenn die Anerkennung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führte, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar war. Da nach der Gesetzesbegründung den staatlichen Gerichten die Kontrolle des Schiedsspruchs auf die Einhaltung kartellrechtlicher Normen obliegt, hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass jedenfalls hinsichtlich der hier in Rede stehenden und zum Kernbestand der inländischen Rechtsordnung gehörenden kartellrechtlichen Normen der §§ 19, 20 und 21 GWB eine Überprüfung auf eine offensichtlich fehlerhafte Anwendung nicht genügt, sondern die Bestätigung des Schiedsspruchs voraussetzt, dass er diese Verbote beachtet. Dafür spricht auch, dass nach der Gesetzesbegründung durch die Vorbehaltsklausel der "Kernbestand" der inländischen Rechtsordnung geschützt werden sollte (vgl. Gesetzentwurf zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 20. Mai 1983, BR-Drucks. 222/83 f., 88 f., 92).
Rz. 20
2. Der Schiedsspruch verstößt nach diesen Maßstäben gegen den ordre public, soweit die Antragstellerin zur Räumung und Herausgabe des Grundstücks verurteilt wurde. Das Schiedsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Kündigung verstoße nicht gegen § 21 Abs. 1 Nr. 2 GWB und sei daher wirksam. Die zweite Kündigung vom 18. Juli 2018 stellt die Anwendung von Zwang zur Durchsetzung eines Zusammenschlusses im Sinne von § 21 Abs. 3 Nr. 2 GWB dar und ist damit gemäß § 134 BGB unwirksam. Gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 2 GWB dürfen Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen andere Unternehmen nicht zwingen, sich mit anderen Unternehmen im Sinne des § 37 Abs. 3 Nr. 2 GWB zusammenzuschließen.
Rz. 21
a) Noch zutreffend ist allerdings das Schiedsgericht davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin durch die Kündigung Zwang ausgeübt hat.
Rz. 22
aa) Unter Zwang im Sinne des § 21 Abs. 3 GWB ist eine Beeinflussung zu verstehen, die eine Willensbetätigung des Betroffenen zwar nicht schlechthin ausschließt, aber so stark ist, dass ihm nach den Grundsätzen wirtschaftlicher Vernunft mit Rücksicht auf die Schwere der angedrohten oder zugefügten Nachteile praktisch keine Alternative zu dem geforderten Verhalten bleibt (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1980 - KZR 25/79, BGHZ 78, 190 [juris Rn. 27] - Rote Liste). Zwang liegt jedenfalls vor, wenn der Betroffene allein die Wahl zwischen dem gewünschten Verhalten und der Existenzaufgabe hat (vgl. Rixen/Roth/Achenbach in Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 103. Ergänzungslieferung [Stand: September 2022], § 21 Rn. 240). Ohne ein bestehendes Pachtverhältnis wäre der Antragstellerin der Betrieb ihres Steinbruchs nicht möglich, ihr blieb deshalb nur die Wahl, die Betriebsanlagen abzubauen oder diese an E zu veräußern. Denn da es erklärtes Ziel der Antragsgegnerin ist, nur noch einen Pächter zu haben, und damit ein Pachtvertrag mit einem dritten Erwerber ausgeschlossen ist, kommt allein eine Veräußerung des Steinbruchbetriebs an E in Betracht. Ohne ein Pachtverhältnis mit der Antragsgegnerin können die Betriebsanlagen weder von der Antragstellerin noch von Dritten genutzt werden. Die verbleibende Alternative eines Abbaus der Betriebsanlagen käme einer Existenzaufgabe gleich, weil die Betriebsanlagen ohne dazu gehörenden Steinbruch keinen (oder nur einen geringen) Wert hätten.
Rz. 23
bb) Die zweite Kündigung diente dem Zweck, die Antragsgegnerin zur Übertragung der standortspezifischen Betriebsmittel, also des Betriebsvermögens, an E zu veranlassen. Nach den vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Schiedsgerichts hat die Antragsgegnerin mit ihrer Kündigung zum Ausdruck gebracht, dass sie den Pachtvertrag mit der Antragstellerin beenden und einen neuen Pachtvertrag mit E abschließen wolle. Dies bedeutete für die Antragstellerin, dass ihr kein anderer Ausweg blieb, als die standortspezifischen Betriebsmittel auf E zu übertragen. Dies war von der Antragsgegnerin auch beabsichtigt. Nach Erklärung der ersten Kündigung hatte die Antragsgegnerin versucht, die Antragstellerin zur Veräußerung des Betriebsvermögens an E zu bewegen. Für die Antragstellerin war erkennbar, dass mit der zweiten Kündigung nicht nur beabsichtigt war, der Antragsgegnerin einen Abschluss des Pachtvertrages mit E zu ermöglichen, und damit jeden Wettbewerb zwischen den Steinbrüchen auszuschließen. Vielmehr war angesichts dieser Vorgeschichte auch erkennbar, dass die Kündigung auch auf die Übertragung des standortspezifischen Vermögens an E abzielte.
Rz. 24
cc) Dass die Antragsgegnerin gemäß § 581 Abs. 2 i.V.m. § 544 Satz 1 BGB zur Kündigung berechtigt war, schließt einen Verstoß gegen § 21 Abs. 3 Nr. 2 GWB angesichts dieses wettbewerbswidrigen Zwecks der Kündigung nicht aus. Die Anwendung von Zwang bezieht ihre Rechtswidrigkeit allein aus dem gesetzlichen Verbot und bedarf keiner zusätzlichen Begründung (BGHZ 78, 190 [juris Rn. 26] - Rote Liste). Die Bestimmung dient der Aufrechterhaltung des Wettbewerbs, indem sie die unternehmerische Entscheidungsfreiheit gegen beschränkende Einflussnahmen anderer Unternehmen schützt. Dazu kann die Kündigung eines auf längere Vertragslaufzeit angelegten Vertrages gehören. Daher ist auch eine - nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften berechtigte - Kündigung vom Schutzbereich der Norm erfasst, wenn - wie hier - mit einer solchen Kündigung ein Unternehmenszusammenschluss erzwungen werden soll.
Rz. 25
b) Rechtsfehlerhaft ist die Auffassung des Schiedsgerichts, die Veräußerung des Betriebes an E sei kein Zusammenschluss im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB. Die Veräußerung beträfe nämlich zumindest einen wesentlichen Teil des Vermögens der Antragstellerin, wenn nicht sogar ihr gesamtes Vermögen.
Rz. 26
aa) Dem steht, anders als das Schiedsgericht meint, nicht entgegen, dass zum Vermögen der Antragstellerin nicht nur Sachen oder subjektive Rechte gehörten, sondern auch der Kundenstamm und die Absatzorganisation. Es liegt auf der Hand, dass die Antragstellerin im Falle der Wirksamkeit der Kündigung des Pachtvertrages nicht nur gezwungen wäre, sämtliche Betriebsanlagen an E zu veräußern, sondern auch den Kundenstamm und die Absatzorganisation, die ohne die Betriebsanlagen wirtschaftlich wertlos wären. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob E tatsächlich Interesse an dem Kundenstamm oder der Absatzorganisation hatte. Denn auch wenn sich der Vermögenserwerb lediglich auf die Betriebsanlagen beziehen würde, handelte es sich sowohl in quantitativer wie auch in qualitativer Hinsicht um einen wesentlichen Unternehmenswert, so dass jedenfalls ein Erwerb des Unternehmens zu einem wesentlichen Teil vorläge (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2006 - KVR 32/05, BGHZ 170, 130 Rn. 12 - National Geographic I).
Rz. 27
bb) Soweit das Schiedsgericht den Zusammenschlusstatbestand mit der Begründung verneint, zum Vermögen der Antragstellerin gehöre als entscheidender wirtschaftlicher Werttreiber auch ihre aus dem Pachtverhältnis folgende Bergbauberechtigung, die Übertragung dieser Rechte sei jedoch nicht möglich, weil die Antragsgegnerin nicht bereit sei, der Übertragung des Pachtvertrages auf einen Dritten zuzustimmen, hat es verkannt, dass das Zwangsmittel die Kündigung des Pachtvertrages ist. Es lässt außer Acht, dass Folge einer wirksamen Kündigung des Pachtverhältnisses dessen Beendigung ist und daher etwaige sich aus dem Pachtverhältnis ergebenden Rechte in diesem Fall nicht mehr zum übertragbaren Vermögen der Antragstellerin gehören.
Rz. 28
cc) Das Schiedsgericht hat darüber hinaus angenommen, dass die bergrechtlichen Zulassungen (Rahmenbetriebsplan und Hauptbetriebsplan) wegen der personalen Elemente nicht auf E und einen Dritten übertragen werden können. Dies kann unterstellt werden, da jedenfalls dann die bergrechtlichen Zulassungen keine verkehrsfähigen Rechte und damit keine Vermögenswerte der Klägerin darstellen.
Rz. 29
II. Der Schiedsspruch verstößt auch gegen den ordre public und ist deshalb aufzuheben, soweit das Schiedsgericht den Widerklageantrag 1, der auf die Feststellung gerichtet ist, dass die Kündigungen der Schiedsklägerin vom 26. Juni 2017 und 18. Juli 2018 sowie etwaige weitere, auf dem streitgegenständlichen Sachverhalt beruhende Kündigungen unwirksam sind und das Pachtverhältnis bis zum 31. Januar 2023 fortbesteht, abgewiesen hat. Der Abweisung dieses Feststellungsantrags hat das Schiedsgericht seine unzutreffende Rechtsauffassung zugrunde gelegt, die Kündigung vom 18. Juli 2018 sei wirksam. Es hat hinsichtlich der Kündigung vom 26. Juni 2017 offen gelassen, ob diese unwirksam ist und wegen der fehlerhaft zugrunde gelegten Wirksamkeit der späteren Kündigung ein Rechtsschutzbedürfnis verneint. Aufgrund der Unwirksamkeit der zweiten Kündigung kann der Antragstellerin ein Rechtschutzbedürfnis für die Feststellung auch der Unwirksamkeit der ersten Kündigung mit der Begründung des Schiedsgerichts nicht abgesprochen werden.
Rz. 30
III. Das Schiedsgericht hat den Widerklageantrag der Antragstellerin, der auf die Verurteilung der Antragsgegnerin gerichtet ist, es zu unterlassen, der Antragstellerin Nachteile, insbesondere in Form der Kündigung des Pachtverhältnisses, anzudrohen oder zuzufügen, um diese zur Erhöhung der Preise gegenüber ihren Kunden sowie zur Eingehung von Vertriebskooperationen oder anderen wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen zu veranlassen, mit der allein tragenden Begründung abgelehnt, der Vertrag sei mit der Kündigung vom 18. Juli 2018 wirksam gekündigt worden. Da die Kündigung aus den oben dargelegten Gründen unwirksam ist, beruht der Schiedsspruch auch insoweit auf einem Verstoß gegen den ordre public und ist deshalb aufzuheben.
Rz. 31
IV. Im Ergebnis zu Recht hat das Oberlandesgericht dagegen einen Verstoß des Schiedsspruchs gegen den ordre public verneint, soweit das Schiedsgericht den auf Zustimmung zur Verlängerung des zwischen den Parteien bestehenden Vertrages bis zum 31.Dezember 2043 gerichteten Widerklageantrag abgewiesen hat. Zutreffend hat das Schiedsgericht angenommen, dass die Antragsgegnerin zum Abschluss eines Vertrages mit dem Inhalt des bestehenden Vertrages nicht verpflichtet ist.
Rz. 32
1. In Fällen der Diskriminierung oder unbilligen Behinderung eines Unternehmens durch ein marktbeherrschendes Unternehmen kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Kontrahierungszwang in Betracht, wenn der Verstoß gegen kartellrechtliche Bestimmungen nur auf diese Weise beseitigt oder vermieden werden kann (st. Rspr., etwa BGH, Urteile vom 26. Oktober 1961 -KZR 1/61, BGHZ 36, 91, 100 - Gummistrümpfe; vom 9.November 1967 -KZR 7/66, BGHZ 49, 90, 98 f. - Jägermeister; vom 26. Oktober 1972 - KZR 54/71, WuW/E BGH 1238, 1245 - Registrierkassen; vom 12. Mai 1998 - KZR 23/96, WuW/E DE-R 206, 209 - Depotkosmetik; vom 16. Juni 2015 - KZR 83/13, BGHZ 205, 354 Rn. 42 - Einspeiseentgelt I).
Rz. 33
2. Die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch liegen hier nicht vor. Eine Weigerung der Antragsgegnerin, den Vertrag nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Vertragslaufzeit mit der Antragstellerin fortzusetzen, ist nicht als Missbrauch einer beherrschenden Stellung nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB (i.V.m. § 20 Abs. 1 GWB) zu qualifizieren.
Rz. 34
a) Das Schiedsgericht hat offengelassen, ob die Antragsgegnerin Normadressatin ist. Deshalb ist im Rechtsbeschwerdeverfahren zu unterstellen, dass die Antragsgegnerin über eine marktbeherrschende Stellung auf dem relevanten Markt verfügt oder jedenfalls eine unternehmensbedingte Abhängigkeit der Antragstellerin von ihr im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB besteht.
Rz. 35
b) Die Weigerung der Antragsgegnerin, den Vertrag bis Ende 2043 mit unveränderten Konditionen zu verlängern, stellt keinen Missbrauch dieser marktbeherrschenden Stellung dar. Schiedsgericht und Oberlandesgericht sind zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Frage, ob für die Ablehnung der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses ein sachlich gerechtfertigter Grund besteht, einer Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bedarf (BGH, Urteile vom 12. April 2016 - KZR 30/14, WuW 2016, 427 Rn. 48 - NetCologne; vom 6. Oktober 2015 - KZR 87/13, NZKart 2015, 535 Rn. 59 - Porsche-Tuning, mwN). Diese Interessenabwägung kann immer nur einzelfallbezogen vorgenommen werden (vgl. BGHZ 226, 67 Rn. 98 - Facebook I). Im Streitfall ist bei der Interessenabwägung das offenkundige Interesse der Antragstellerin an der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zu berücksichtigen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass den Bestimmungen der § 19 und § 20 Abs. 2 GWB nicht die Funktion eines einseitigen Sozialschutzes zukommen kann. Vorrang haben grundsätzlich die -als solche nicht zu beanstandenden- vertraglichen Abreden. Dabei darf im vorliegenden Fall nicht außer Betracht bleiben, dass es sich um einen - seiner rechtlichen Natur nach - befristeten Pachtvertrag handelte (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1988 - KZR 20/86, WuW/E BGH 2491 [juris Rn. 32] - Opel-Blitz I). Daraus ergibt sich, dass jedenfalls kein Anspruch der Antragstellerin auf Fortsetzung zu unveränderten Konditionen besteht.
Rz. 36
V. Auch soweit das Schiedsgericht den Antrag auf Verurteilung der Antragsgegnerin zur Abgabe eines Angebots zum Abschluss eines Folgepachtvertrages zu nichtdiskriminierenden Bedingungen abgewiesen hat, verstößt der Schiedsspruch nicht gegen den ordre public. Auch insoweit kann die Normadressateneigenschaft der Antragsgegnerin unterstellt werden (vgl. oben Rn. 34). Da die Antragsgegnerin den Steinbruch 2 nur an einen Interessenten verpachten kann, und neben der Antragstellerin jedenfalls auch E ein Interesse an einem Pachtvertrag hat, könnte insoweit allenfalls in Betracht kommen, dass aus dem nach (§ 20 Abs. 2 GWB i.V.m.) § 19 GWB geltenden Verbot, gleichartige Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich zu behandeln, folgen könnte, dass die Antragsgegnerin die Auswahl unter den Anbietern nach fairen und objektiven Auswahlkriterien zu treffen hat (BGH, Urteile vom 26. Mai 1987, BGHZ 101, 72, 82 ff. - Krankentransporte; vom 13. November 1990 - KZR 25/89, WuW/E 2683, 2687 - Zuckerrübenanlieferungsrecht I; vom 8. April 2003 - KZR 39/99 - Konkurrenzschutz für Schilderpräger; vom 24. Juni 2003 - KZR 32/01, WuW/E DE-R 1144 [juris Rn. 16] - Schülertransporte). Dies kann, da die Antragstellerin einen solchen Anspruch nicht geltend macht, dahinstehen.
Rz. 37
VI. Da ein Anspruch auf Abgabe eines Angebots auf Abschluss eines Vertrages zu nichtdiskriminierenden Bedingungen nicht besteht, verstößt auch die Abweisung des hilfsweise geltend gemachten Auskunftsanspruchs über die E eingeräumten Vertragskonditionen nicht gegen den ordre public. Der Antrag soll sich nach Auffassung der Antragstellerin aus § 242 BGB nur für den Fall ergeben, dass der Anspruch auf Abgabe des Angebots auf Abschluss eines Vertrages zu nichtdiskriminierenden Bedingungen besteht.
Rz. 38
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, § 97 Abs. 1 ZPO.
Kirchhoff |
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Roloff |
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Tolkmitt |
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Rombach |
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Vogt-Beheim |
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Fundstellen
BGHZ 2023, 288 |
BB 2023, 130 |
BB 2023, 782 |
NJW 2023, 1517 |
JR 2024, 80 |
NZM 2023, 456 |
WM 2023, 1276 |
ZIP 2022, 2636 |
DZWir 2023, 429 |
JZ 2023, 148 |
JZ 2023, 78 |
MDR 2023, 386 |
NZI 2024, 57 |
WRP 2023, 204 |
NZBau 2023, 750 |
AR 2023, 44 |
NZKart 2023, 30 |
SchiedsVZ 2023, 166 |