Leitsatz (amtlich)
In Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, in denen ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, kann eine Terminsgebühr nicht anfallen.
Normenkette
RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3; RVG-VV Nr. 3104; ZPO § 127
Verfahrensgang
OLG München (Beschluss vom 27.04.2011; Aktenzeichen 11 W 1104/10) |
LG München I (Beschluss vom 29.12.2009; Aktenzeichen 28 O 1254/09) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 11. Zivilsenats des OLG München vom 27.4.2011 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG München I vom 29.12.2009 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Der Beschwerdewert beträgt 1.713,60 EUR.
Gründe
I.
Rz. 1
1. Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Erstattungsfähigkeit einer Terminsgebühr.
Rz. 2
Der Antragsteller hat Prozesskostenhilfe für eine auf Rückabwicklung einer finanzierten Immobilienfondsbeteiligung gerichteten Klage beantragt. Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten. Das LG hat die beantragte Prozesskostenhilfe teilweise bewilligt, im Übrigen abgelehnt und zugleich einen schriftlichen Vergleichsvorschlag gemacht. Die Prozessbevollmächtigten der Parteien haben telefonisch eine Änderung des Vergleichsvorschlages erörtert und entsprechende Entwürfe ausgetauscht. Nachdem der Antragsteller Beschwerde gegen die teilweise Ablehnung der Prozesskostenhilfe eingelegt, das LG einen neuen Vergleichsvorschlag unterbreitet und beide Parteien schriftsätzlich Änderungsvorschläge gemacht hatten, hat das LG durch Beschluss vom 1.9.2009 das Zustandekommen und den Inhalt des von den Parteien geschlossenen Vergleichs festgestellt. Der Vergleich enthält die Vereinbarung, dass die Antragsgegnerin die Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens einschließlich der Kosten des Vergleichs trägt.
Rz. 3
2. Das LG hat bei der Festsetzung der von der Antragsgegnerin dem Antragsteller zu erstattenden Kosten eine Verfahrens- und eine Einigungsgebühr, nicht aber die ebenfalls beantragte Terminsgebühr in Ansatz gebracht. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Beschwerdegericht die zu erstattenden Kosten unter Ansetzung einer Terminsgebühr festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Terminsgebühr sei zwar nicht durch den Abschluss des gerichtlich festgestellten Vergleichs angefallen, weil dieser im Rahmen des Prozesskostenhilfebewilligungsverfahrens geschlossen worden sei, für das eine mündliche Verhandlung gem. § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht vorgeschrieben sei (Anmerkung 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 des Vergütungsverzeichnisses zu § 2 Abs. 2 RVG (RVG-VV)). Die Terminsgebühr sei aber durch die unstreitige telefonische Besprechung zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien angefallen. Nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 RVG-VV entstehe die Terminsgebühr für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts und unabhängig davon, ob für das betreffende Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei. Letzteres sei nur Voraussetzung einer Terminsgebühr nach Anmerkung 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 RVG-VV in Fällen, in denen keine mündliche Verhandlung stattgefunden habe, sondern der Rechtsanwalt nur schriftlich tätig geworden sei. Diese schriftliche Tätigkeit des Rechtsanwalts könne einen Verhandlungstermin nur ersetzen und vergütungsrechtlich als gleichwertig angesehen werden, wenn in dem betreffenden Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei.
Rz. 4
Allerdings könne nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2007, 1461, 2644) die auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung des Rechtsanwalts eine Terminsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 RVG-VV nur in solchen Verfahren auslösen, für die eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei. Dieser Auffassung, nach der im vorliegenden Fall keine Terminsgebühr angefallen wäre, könne sich das Gericht aber nicht anschließen. Anmerkung 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 RVG-VV, nach der eine Terminsgebühr in den dort geregelten Fällen nur in Verfahren, für die eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei, anfalle, enthalte keine Einschränkung, sondern eine Erweiterung der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 RVG-VV auf Fälle, in denen eine mündliche Verhandlung oder Besprechung, mit oder ohne Beteiligung des Gerichts, nicht stattgefunden habe. Führe also ein Rechtsanwalt aufgrund eines ihm erteilten Prozessauftrages ein auf Erledigung des Verfahrens gerichtetes Gespräch mit dem Gegner, entstehe die Terminsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 RVG-VV unabhängig davon, ob für das betreffende Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei.
II.
Rz. 5
1. Die - vom Beschwerdegericht zugelassene - Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen (§ 575 ZPO) zulässig.
Rz. 6
2. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist eine Terminsgebühr nicht angefallen.
Rz. 7
a) Eine Terminsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 RVG-VV entsteht nach der Rechtsprechung des BGH (Beschlüsse v. 1.2.2007 - V ZB 110/06, NJW 2007, 1461 Rz. 19; v. 15.3.2007 - V ZB 170/06, NJW 2007, 2644 Rz. 7; vgl. auch BGH, Beschl. v. 13.12.2011 - II ZB 4/11, juris Rz. 8; ferner OLG Frankfurt NJW-RR 2006, 1438; OLG Karlsruhe NJW-RR 2007, 503, 504; OLG München, AnwBl. 2006, 147; Mayer in Mayer/Kroiß, RVG, 4. Aufl., Nr. 3104 VV Rz. 26) nicht, wenn für das betreffende Verfahren eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist und das Gericht durch Beschluss entscheidet. So ist es im vorliegenden Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Entscheidungen in Prozesskostenhilfeverfahren ergehen gem. § 127 Abs. 1 Satz 1 ZPO ohne mündliche Verhandlung. Die mündliche Erörterung gem. § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO ist nur fakultativ und keine mündliche Verhandlung im eigentlichen Sinne (Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 118 Rz. 21). Im vorliegenden Fall hat auch tatsächlich keine mündliche Verhandlung oder Erörterung stattgefunden.
Rz. 8
Die vom Beschwerdegericht im Anschluss an einen Teil der Rechtsprechung und Literatur (vgl. die Darstellung in BGH, Beschl. v. 2.11.2011 - XII ZB 458/10, NJW 2012, 459 Rz. 18 ff.) erhobenen Einwände gegen die Rechtsprechung des BGH rechtfertigen keine andere Beurteilung. Entgegen dieser abweichenden Auffassung rechtfertigen Wortlaut und Regelungszweck der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 RVG-VV die Entstehung einer Terminsgebühr in Verfahren, in denen eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist, nicht. Das Erfordernis einer vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung wird zwar im Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 RVG-VV, anders als in Anmerkung 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 RVG-VV, nicht ausdrücklich erwähnt. Dies ändert aber nichts daran, dass die in Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses bezeichnete Terminsgebühr durch Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 nicht zu einer von den einzelnen Gebührentatbeständen losgelösten Korrespondenzgebühr für anwaltliche Besprechungen in den Streitigkeiten umgestaltet worden ist, in denen eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht vorgesehen ist (BGH, Beschl. v. 15.3.2007 - V ZB 170/06, NJW 2007, 2644 Rz. 7 ff.). Dies ergibt sich bereits aus der Bezeichnung der Gebühr als Terminsgebühr und aus dem Standort der jeweiligen Gebührentatbestände in Teil 3 des Gebührenverzeichnisses, der die Gebühren für die Vertretung in gerichtlichen Verfahren bestimmt. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Zweck, den der Gesetzgeber mit der Ausweitung dieser Gebühr auf Besprechungen ohne Mitwirkung des Gerichts zur Vermeidung oder zur Erledigung eines Verfahrens verfolgt hat. Damit sollten dem Anwalt die Bemühungen um die Erledigung der Sache honoriert werden und den Verfahrensbeteiligten sowie dem Gericht unnötige Erörterungen in einem Gerichtstermin allein im Gebühreninteresse erspart bleiben (BT-Drucks. 15/1971, 209). Diese Begründung für die darin von § 31 Abs. 1 Nr. 2 und 4 BRAGO abweichende Neuregelung greift nicht in den Beschlussverfahren, in denen das Gericht grundsätzlich ohne eine mündliche Verhandlung entscheidet. Auch die Gesetzesmaterialien zum RVG enthalten keinen Hinweis darauf, dass mit der Terminsgebühr eine allgemeine Korrespondenzgebühr für rechtsanwaltliche Mitwirkung an solchen Besprechungen eingeführt werden sollte (BGH, Beschl. v. 1.2.2007 - V ZB 110/06, NJW 2007, 1461 Rz. 20).
Rz. 9
b) Eine Terminsgebühr ist, wie auch das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, auch nicht nach Nr. 3104 RVG-VV angefallen. Dieser Gebührentatbestand nennt in Anmerkung 1 Nr. 1 ausdrücklich das Erfordernis einer vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung, das im vorliegenden Fall, wie dargelegt, nicht erfüllt ist.
Fundstellen