Verfahrensgang
BGH (Entscheidung vom 11.07.2024; Aktenzeichen 3 BGs 152/24) |
Tenor
Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 11. Juli 2024 (3 BGs 152/24) wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 StGB). Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat am 11. Juli 2024 die Durchsuchung der Person des Beschuldigten, der von diesem genutzten Wohnung, anderer Räume sowie Nebengelasse und seines Kraftfahrzeugs angeordnet. Nach Vollzug der Durchsuchung am 16. Juli 2024 hat die Verteidigerin des Beschuldigten mit Schriftsatz vom 24. Juli 2024 gegen den „Durchsuchungs- und Sicherstellungsbeschluss“ Beschwerde eingelegt. Dieser hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Rz. 2
Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Rz. 3
1. Die Beschwerde ist gemäß § 304 Abs. 5 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie richtet sich ersichtlich allein gegen die Durchsuchungsanordnung, weil sich der angefochtene Beschluss nur auf diese bezieht und sich aus der Beschwerdeschrift kein darüberhinausgehendes Begehr ergibt. Da die Durchsicht eines sichergestellten Laptops laut Vermerk des Bundeskriminalamtes vom 22. Juli 2024 noch andauert, ist das Beschwerdeziel nicht prozessual überholt und das Rechtsmittel nicht in einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme umzudeuten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. November 2021 - StB 6/21 u.a., NJW 2022, 795 Rn. 5; vom 6. September 2023 - StB 40/23, juris Rn. 8).
Rz. 4
2. Das Rechtsmittel ist unbegründet, da die Voraussetzungen für den Erlass der Durchsuchungsanordnung (§§ 102, 105 StPO) gegeben waren.
Rz. 5
a) Gegen den Beschuldigten bestand ein die Durchsuchung nach § 102 StPO rechtfertigender Anfangsverdacht der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.
Rz. 6
aa) Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es - unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit - nicht (st. Rspr.; BVerfG, Beschluss vom 7. September 2006 - 2 BvR 1219/05, BVerfGK 9, 149, 153; BGH, Beschlüsse vom 20. Juli 2022 - StB 29/22, NStZ 2022, 692 Rn. 6; vom 5. Oktober 2022 - StB 40/22, NStZ-RR 2022, 380).
Rz. 7
bb) Daran gemessen bestanden bei Erlass des angefochtenen Beschlusses zureichende Gründe für einen die Durchsuchung rechtfertigenden Tatverdacht.
Rz. 8
(1) Im Sinne eines Anfangsverdachts war von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Rz. 9
Die rechtsextrem ausgerichtete Kampfsportgruppe „ “ wurde im März 2019 in E. gegründet. Ihr gehörten Mitglieder im unteren zweistelligen Bereich an, wobei sich regelmäßig etwa zehn Personen aktiv einbrachten. Trainingsort war das Gebäude der Landesgeschäftsstelle der NPD in E. („ “). Die Organisation war auf eine längere Zugehörigkeit der einzelnen Mitglieder angelegt und stellte bestimmte Anforderungen an diese sowohl in ideologischer als auch in körperlicher Hinsicht. Es wurde ein monatlicher Mitgliedsbeitrag erhoben. Zum Ausdruck der Verbundenheit trugen die Mitglieder einheitliche Kleidung mit der Organisationsbezeichnung, die bei unzureichender Beteiligung entzogen werden konnte. Zweck des Zusammenschlusses waren nicht allein sportliche Aktivitäten, sondern auch gewaltsame Angriffe auf Polizeibeamte, politische Gegner und sonstige nach der eigenen nationalsozialistischen Anschauung zu bekämpfende Personen. Damit war verbunden, die Angegangenen körperlich zu misshandeln und zu verletzen. Die Mitglieder sollten grundsätzlich ein Messer bei sich tragen. Der Einsatz von Gewalt sollte mit dazu beitragen, in E. einen „Nazikiez“ zu schaffen.
Rz. 10
Entsprechend den allgemeinen Zielen kam es zu mehreren Gewalttaten gegen Personen, die der Vorstellung der Gruppierung nicht genehm waren, etwa weil sie als „Linke“, Randalierer oder im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln Stehende angesehen wurden oder es sich um Polizeibeamte handelte.
Rz. 11
Im Frühjahr 2021 fassten die für die Ausrichtung der Gruppe maßgeblichen Mitglieder zumindest konkludent den Entschluss, die als Gegner betrachteten Personen künftig auch mit Waffen anzugreifen, die tödliche Verletzungen hervorrufen können, namentlich Macheten und Schusswaffen. Als Anlass für derartige Taten sollten Aktionen von Angehörigen des linken Spektrums genutzt werden und die Handlungen unter dem Deckmantel einer vermeintlichen Notwehr über das dazu Erforderliche hinaus zu Verletzungen anderer Menschen führen. Einen tödlichen Ausgang eines solchen geplanten Vorgehens nahmen die Gruppenmitglieder wenigstens billigend in Kauf.
Rz. 12
Der Beschuldigte förderte bewusst die Gruppierung „ “ und ihr Mitglied K. bei dessen Tätigkeit für sie, indem er in Kenntnis des bestehenden Zusammenschlusses und seiner Ausrichtung im Frühjahr 2022 Erkenntnisse über laufende Ermittlungen weitergab, namentlich zu einem gegen K. geführten Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil eines Polizeibeamten.
Rz. 13
(2) Der Anfangsverdacht hat sich sowohl hinsichtlich des Zusammenschlusses „ “ als auch in Bezug auf den Beschuldigten insbesondere aus Erkenntnissen aus Telekommunikations- und Pkw-Innenraumüberwachungen und aus Chatnachrichten ergeben. Beispielsweise ist einer Fahrzeuginnenraumüberwachung zu entnehmen, dass der gesondert verfolgte K. mitteilte, der Beschuldigte habe ihn über anhängige Ermittlungsverfahren dahin informiert, dass „sieben Anzeigen, unter anderem gefährliche Körperverletzung und Raub“ vorlägen. In einem weiteren Gespräch berichtete K. auf Nachfrage nach der Quelle des Beschuldigten konkret über persönliche Beziehungen zur Kriminalpolizei und zur Staatsanwaltschaft. In einem Telefonat legte der Beschuldigte selbst offen, andere über den Stand staatsanwaltlicher Ermittlungen informiert zu haben. Erkenntnisse zu äußeren Umständen haben zudem Rückschlüsse auf die innere Tatseite und nähere Kenntnisse des Beschuldigten zu der Vereinigung zugelassen.
Rz. 14
cc) In rechtlicher Hinsicht lag demnach ein Anfangsverdacht zumindest wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 StGB vor (vgl. näher zur Unterstützung BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 134 ff.; Beschluss vom 10. August 2023 - StB 35/23, NStZ-RR 2023, 341, 342 mwN).
Rz. 15
b) Die Strafgerichtsbarkeit des Bundes und damit die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs für den Erlass des Durchsuchungsbeschlusses sind nach § 169 Abs. 1 StPO, § 120 Abs. 1 Nr. 6, § 142 Abs. 1 Nr. 1, § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG gegeben.
Rz. 16
c) Die Durchsuchungsanordnung war ausreichend bestimmt, um die Durchführung der Maßnahme mess- und kontrollierbar zu gestalten (vgl. dazu allgemein BVerfG, Beschlüsse vom 13. März 2018 - 2 BvR 2990/14, juris Rn. 15 ff.; vom 16. April 2015 - 2 BvR 440/14, NJW 2015, 2870 Rn. 13 ff.). Die zu erlangenden Beweismittel sind näher bezeichnet, die zu durchsuchenden Objekte dem Beschluss noch hinreichend zu entnehmen.
Rz. 17
d) Schließlich entsprach die Anordnung der Durchsuchung unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Belange des Beschuldigten dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie war zur Ermittlung der Tat erforderlich.
Rz. 18
Zwar hatte bereits am 13. Mai 2024 eine Durchsuchung bei dem Beschuldigten als Drittbetroffenem in einem gegen andere Personen gerichteten Verfahren stattgefunden. Jedoch bedurfte es einer weiteren Durchsuchung, um Beweise in dem gegen den Beschuldigten geführten Verfahren zu sichern und im Anschluss an die vorangegangene Durchsuchung genutzte Telekommunikationsmittel, etwa durch eine Telekommunikationsüberwachung nicht erfassbare Messenger-Dienste, auswerten zu können (vgl. BGH, Beschluss vom 30. November 2021 - StB 37/21, juris Rn. 21). Weniger einschneidende Mittel waren nicht gegeben. Die angeordnete Durchsuchung stand zudem in angemessenem Verhältnis zu der Schwere des aufzuklärenden Vergehens und der Stärke des aufgezeigten Tatverdachts.
Schäfer Paul Anstötz
Fundstellen
Dokument-Index HI16575111 |