Tenor
Die sofortige Beschwerde der Verurteilten gegen den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 10. Juli 2024 wird verworfen.
Die Verurteilte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
1. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerdeführerin am 16. Dezember 2019 wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Mit Beschluss vom 6. Juli 2023 hat es die Vollstreckung des Restes der Strafe zur Bewährung ausgesetzt, eine Bewährungszeit von drei Jahren bestimmt, für deren Dauer die Verurteilte der Leitung und Aufsicht eines Bewährungshelfers unterstellt und ihr mehrere Weisungen erteilt. Zu diesen zählt, nach der Haftentlassung die ambulante psychotherapeutische Behandlung bei einer konkret bezeichneten Psychotherapeutin bis zum ordnungsgemäßen Abschluss fortzusetzen und dies gegenüber der Bewährungshilfe jeweils zum 1. April und 1. Oktober schriftlich nachzuweisen. Die Verurteilte hat nach vorangegangenen Misshelligkeiten in Bezug auf die Psychotherapeutin mit Schreiben vom 13. Mai 2024 dem Oberlandesgericht mitgeteilt, die Therapie bei der bestimmten Therapeutin - nach einem letzten Behandlungstermin im November 2023 - abgebrochen zu haben. Zu einem mündlichen Anhörungstermin am 19. Juni 2024 ist sie nicht erschienen. Zu dem anschließenden Antrag des Generalbundesanwalts, die Strafaussetzung zu widerrufen, hat sie schriftlich Stellung genommen. Das Oberlandesgericht hat durch den angefochtenen Beschluss die Aussetzung des Strafrestes widerrufen. Hiergegen wendet sich die Verurteilte mit der sofortigen Beschwerde.
Rz. 2
2. Das nach § 453 Abs. 2 Satz 3, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 5 Variante 1, § 311 Abs. 2 StPO zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.
Rz. 3
Die Voraussetzungen für den Widerruf der Strafaussetzung liegen vor (§ 57 Abs. 5 Satz 1, § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB), da die Verurteilte gröblich und beharrlich gegen die Therapieweisung verstoßen und dadurch Anlass zu der Besorgnis gegeben hat, dass sie erneut Straftaten begehen wird; mildere Maßnahmen (§ 56f Abs. 2 StGB) kommen nicht in Betracht. Der Senat schließt sich insoweit den in der angefochtenen Entscheidung ausführlich dargelegten Gründen an. Gegen die Zulässigkeit der in Rede stehenden Weisung sind unter den konkreten Umständen keine Bedenken gegeben (vgl. allgemein BT-Drucks. 13/8586 S. 2, 7; LK/Hubrach, StGB, 13. Aufl., § 56c Rn. 14; MüKoStGB/Groß/Kett-Straub, 4. Aufl., § 56c Rn. 30; OLG Hamm, Beschluss vom 18. Juli 2017 - III-3 Ws 301/17 u.a., juris Rn. 10 mwN), zumal die Verurteilte ihre Bereitschaft erklärt hatte, im Falle der Strafaussetzung die bereits zuvor begonnenen Gespräche mit der Psychotherapeutin fortzusetzen. Dem ist sie, wie vom Oberlandesgericht aufgezeigt, vorwerfbar nicht nachgekommen.
Rz. 4
Das weitere Vorbringen der Verurteilten im Beschwerdeverfahren ändert daran nichts, sondern bestätigt vielmehr ihr im angefochtenen Beschluss dargelegtes manipulatives Verhalten. So hat sie der Psychotherapeutin, die sie nach Abbruch der im Bewährungsbeschluss vorgegebenen Therapie selbst aussuchte, ausweislich des vorgelegten Attestes mitgeteilt, die frühere - im Beschluss genannte - Therapeutin habe „mit Ex-Häftlingen nicht arbeiten“ wollen. Dies trifft jedoch nicht zu. Vielmehr hatte die Verurteilte von sich aus dort die Therapie abgebrochen. Damit hat sie nicht bloß, wie nun zur Beschwerdebegründung vorgebracht, gegen den Wortlaut, sondern gegen Sinn und Zweck der Therapieweisung verstoßen; denn die vor Haftentlassung begonnene Behandlung ist nicht fortgesetzt worden. Eine kontinuierliche Aufarbeitung, die Grundlage für die positive Prognose bei der Strafaussetzung war, hat nicht stattgefunden. Dies wird nicht dadurch kompensiert, dass die Verurteilte über ein halbes Jahr später bei einer anderen Therapeutin eine neue Behandlung begonnen hat, zumal diese auf unzutreffenden Angaben der Verurteilten zur früheren Psychologin fußt.
Rz. 5
Vor diesem Hintergrund handelt es sich, anders als von der Beschwerdeführerin vorgebracht, bei dem Abbruch der Therapie und dem Beginn einer neuen Behandlung nicht um einen „Ausdruck dieser Achtsamkeit sich selbst gegenüber“ der „durchgehend transparent“ agierenden Probandin, sondern um eine eigenmächtige, mit falschen Tatsachenbehauptungen einhergehende Missachtung der gerichtlichen Weisung. Daher war das Oberlandesgericht nicht gehalten, vor einem Widerruf der Strafaussetzung eine ergänzende Stellungnahme des zuvor gehörten Sachverständigen einzuholen. Es geht nicht um die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Therapeutenwechsel für den Behandlungserfolg sachdienlich sein kann, sondern darum, dass jeweils mit irreführenden Angaben die begonnene Behandlung beendet und im Anschluss daran eine neue aufgenommen wurde. Dass die bei der Verurteilten diagnostizierte kombinierte Persönlichkeitsstörung die Vorwerfbarkeit des konkreten Weisungsverstoßes entfallen lassen könnte, liegt derart fern, dass sich das Gericht hierzu keiner weiteren sachverständigen Hilfe bedienen muss.
Rz. 6
Schließlich stellt eine Änderung der Weisung hinsichtlich der die Therapie durchführenden Person keine ausreichende mildere Maßnahme dar, da wesentlicher Grund für den Widerruf nicht ein von der Verurteilten vorgenommener bloßer „Therapeutenwechsel“ ist, sondern vielmehr der Therapieabbruch unter manipulativen Angaben. Dem sich daraus ergebenden Anlass zur Besorgnis weiterer Straftaten kann durch eine Fortsetzung der neu begonnenen Therapie nicht begegnet werden.
Schäfer Paul Anstötz
Fundstellen
Dokument-Index HI16571809 |