Entscheidungsstichwort (Thema)
Höferecht. Fakultatives Höferecht. Verlust der Hofeigenschaft. Hoferklärung. Abgabe gegenüber Landwirtschaftsgericht. Löschung des Hofvermerks im Grundbuch. Zeitlich beschränkte Aufgabe der Hofeigenschaft. Wiedereintragung des Hofvermerks. Vererbung als Sondervermögen nach den Vorschriften der Höfeordnung. Umgehung des Erfordernisses der landwirtschaftsgerichtlichen Genehmigung des Übergabevertrages
Leitsatz (amtlich)
Das fakultative Höferecht erlaubt die von vornherein zeitlich beschränkte Aufgabe der Hofeigenschaft zu dem Zweck, bei der Übertragung des Hofes die Schwierigkeiten zu vermeiden, die sich aus der Anwendung der höferechtlichen Vorschriften ergeben.
Normenkette
HöfeO § 1 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Senats für Landwirtschaftssachen des OLG Braunschweig vom 22.4.2008 wird auf Kosten des Antragstellers, der den Beteiligten zu 2) bis 4) auch die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu ersetzen hat, zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 739.000 EUR.
Gründe
I.
[1] Der Antragsteller ist der Sohn des am 28.2.2006 verstorbenen Landwirts H. H. (im Folgenden: Erblasser); die Beteiligte zu 3) ist dessen Ehefrau, die Beteiligte zu 4) dessen Tochter, der Antragsgegner ist ein Enkel des Erblassers.
[2] Der Erblasser war Eigentümer eines Hofes im Sinne der Höfeordnung. Er beantragte vor November 2004 die Löschung des Hofvermerks im Grundbuch, die am 21.12.2004 erfolgte. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 29.11.2004 übertrug der Erblasser den landwirtschaftlichen Grundbesitz auf den Antragsgegner. Dieser verpflichtete sich, bis zum 30.6.2005 die Wiedereintragung des Hofvermerks zu beantragen. Die Eintragung erfolgte am 28.6.2005.
[3] Der Antragsteller meint, dass er gesetzlicher Erbe des Hofes geworden sei, weil der Übergabevertrag wegen sittenwidriger Umgehung der höferechtlichen Vorschriften nichtig sei; die Vertragsparteien hätten einen Hofübergabevertrag abschließen wollen, den das Landwirtschaftsgericht habe genehmigen müssen, der wegen fehlender Wirtschaftsfähigkeit des Antragsgegners jedoch nicht genehmigungsfähig gewesen sei; jedenfalls sei der Vertrag wegen der fehlenden landwirtschaftsgerichtlichen Genehmigung schwebend unwirksam, so dass nach dem Tod des Erblassers die Hofnachfolge nach Höferecht eingetreten sei.
[4] Der Antragsteller hat die Feststellung beantragt, dass er Hoferbe geworden ist. Das AG - Landwirtschaftsgericht - hat ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter den Antrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Antrag weiter. Die Beteiligten zu 2) bis 4) beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
[5] Das Beschwerdegericht hält zwar die erstinstanzliche Entscheidung für verfahrensfehlerhaft, weil sie ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter getroffen wurde. Eine Zurückverweisung der Sache an das Landwirtschaftsgericht sei aber nicht veranlasst, weil es ausschließlich um die Klärung von Rechtsfragen und nicht um Tatsachen- und/oder Wertungsfragen gehe, für deren Beantwortung landwirtschaftlicher Sachverstand notwendig sei.
[6] In der Sache selbst hält das Beschwerdegericht den Feststellungsantrag für unbegründet, weil der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes nicht mehr Hofeigentümer gewesen sei; die Übertragung des Grundbesitzes an den Antragsgegner sei wirksam gewesen, weil ein Hof im Sinne der Höfeordnung seit dem Eingang des Antrags auf Löschung des Hofvermerks bei dem Landwirtschaftsgericht nicht mehr existiert habe, so dass der Grundbesitz nicht als Sondervermögen nach Maßgabe der Vorschriften der Höfeordnung vererbt oder übertragen worden sei.
[7] Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
III.
[8] Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (§ 24 Abs. 1 LwVG) und auch im Übrigen zulässig (§§ 25, 26 LwVG). Sie ist jedoch unbegründet.
[9] 1. Ohne Erfolg rügt der Antragsteller, das Beschwerdegericht habe verfahrensfehlerhaft in der Sache selbst entschieden, anstatt sie an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen.
[10] Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die erstinstanzliche Entscheidung in dem von dem Antragsteller angestrengten Feststellungsverfahren nach § 11 Abs. 1 Buchstabe g HöfeVfO entgegen der Vorgehensweise des Landwirtschaftsgerichts unter Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter ergehen musste. Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, dass wegen der verfahrensfehlerhaften Behandlung der Sache durch das Landwirtschaftsgericht die Zurückverweisung in Betracht kam (OLG Koblenz AgrarR 1998, 257; Barnstedt/Steffen, LwVG, 7. Aufl., § 22 Rz. 186). Rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Beschwerdegericht von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat. Dabei kann offen bleiben, ob die Rechtsbeschwerde überhaupt darauf gestützt werden kann, das Beschwerdegericht habe die Sache trotz eines absoluten Aufhebungsgrundes i.S.v. § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 547 Nr. 1 ZPO nicht an das erstinstanzliche Gericht zurückverwiesen (verneinend BayObLG WuM 1994, 295, 296). Denn das Beschwerdegericht hat seine Ermessensentscheidung aufgrund seiner maßgeblichen rechtlichen Sichtweise jedenfalls so begründet, dass das rechtlich nicht zu beanstanden ist.
[11] 2. Ebenfalls ohne Erfolg rügt der Antragsteller, dass das Beschwerdegericht ihn nicht als Hoferben festgestellt hat. Denn der Erblasser war im Zeitpunkt seines Todes nicht mehr Hofeigentümer, weil er bereits im November 2004 sein Eigentum auf den Antragsgegner übertragen hatte. Dieser Übertragung stehen keine rechtlichen Hindernisse entgegen.
[12] a) Unangefochten hat das Berufungsgericht festgestellt, dass es keine Anhaltspunkte für eine Geschäftsunfähigkeit des Erblassers bei Abschluss des Übertragungsvertrags gibt. Eine Vertragsnichtigkeit nach § 105 Abs. 1 BGB scheidet somit aus.
[13] b) Der Vertrag war im Zeitpunkt des Todes des Erblassers nicht wegen der fehlenden landwirtschaftsgerichtlichen Genehmigung (§ 17 Abs. 3 HöfeO) schwebend unwirksam. Denn diese war nicht erforderlich, weil es sich bei dem übertragenen Grundbesitz nicht um einen Hof im Sinne der Höfeordnung gehandelt hat.
[14] aa) Ursprünglich war die landwirtschaftliche Besitzung des Erblassers ein Hof im Sinne der Höfeordnung. Nach § 1 Abs. 4 HöfeO verliert sie diese Eigenschaft, wenn der Eigentümer erklärt, dass sie kein Hof mehr sein soll, und wenn der Hofvermerk im Grundbuch gelöscht wird (fakultatives Höferecht). Wird der Hofvermerk gelöscht, tritt der Verlust der Hofeigenschaft rückwirkend mit dem Eingang der Erklärung bei dem Landwirtschaftsgericht ein (§ 1 Abs. 7 HöfeO). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Damit hat der übertragene Grundbesitz die Hofeigenschaft vor der Übertragung und dem Übergang des Eigentums auf den Antragsgegner verloren.
[15] bb) Kein anderes Ergebnis folgt daraus, dass der Antragsgegner vertraglich verpflichtet war, bis zum 30.6.2005 die Wiedereintragung des Hofvermerks zu beantragen. Zwar zeigt diese Vereinbarung, dass nach dem Willen des Erblassers und des Antragsgegners der übertragene Grundbesitz nicht auf Dauer den höferechtlichen Vorschriften, welche die Befugnisse des Eigentümers zur Verfügung über den Hof unter Lebenden und auf den Todesfall einschränken, entzogen werden sollte; dies lässt vermuten, dass die von vornherein zeitlich beschränkte Aufgabe der Hofeigenschaft allein zu dem Zweck erfolgte, das Erfordernis der landwirtschaftsgerichtlichen Genehmigung des Übergabevertrags zu umgehen, weil deren Erteilung wegen der von dem Landwirtschaftsgericht zu prüfenden Wirtschaftsfähigkeit des Antragsgegners zumindest zweifelhaft war. Aber gegen eine solche Umschiffung von Schwierigkeiten, die sich aus der Anwendung der höferechtlichen Vorschriften ergeben, bestehen keine rechtlichen Bedenken (Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, HöfeO, 10. Aufl., § 1 Rz. 55 und § 17 Rz. 4; Wöhrmann, Das Landwirtschaftserbrecht, 8. Aufl., § 1 HöfeO Rz. 104; Bendel, AgrarR 1976, 149, 153). Denn nach der klaren gesetzlichen Regelung richtet sich der Verlust der Hofeigenschaft infolge einer sog. Hoferklärung ausschließlich nach den gesetzlichen Voraussetzungen, nämlich der Abgabe der Erklärung ggü. dem Landwirtschaftsgericht und der Löschung des Hofvermerks im Grundbuch (§ 1 Abs. 4 Satz 1, Abs. 7 HöfeO). Das ist die Folge des seit dem 1.7.1976 geltenden fakultativen, d.h. von dem Eigentümer frei wählbaren und ausschließbaren Höferechts. Selbst eine bindende Hoferbenbestimmung hindert den Eigentümer nicht, später die Hofeigenschaft durch einseitige Erklärung zu beseitigen; allerdings kann sich der Hofeigentümer in diesem Fall durch Aufhebung der Hofeigenschaft nicht einer nach Höferecht wirksam begründeten Verpflichtung entziehen (BGH BGHZ 101, 57, 60). Daraus kann der Antragsteller jedoch nichts zu seinen Gunsten herleiten; denn nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Erblasser ihn nicht zum Hoferben bestimmt. Sein Schutz geht deshalb nicht weiter als der eines jeden in Betracht kommenden Erben. Dieser hat keine gesicherte Rechtsposition, sondern lediglich eine rechtlich begründete Erwartung auf das Erbrecht, also eine tatsächliche Aussicht auf das Vermögen des Erblassers. Diese Stellung kann dem Erbanwärter von dem Erblasser jedoch jederzeit genommen werden.
[16] c) Nach dem Vorstehenden ist der Übergabevertrag nicht wegen eines unzulässigen Umgehungsgeschäfts nach § 134 BGB oder § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
[17] d) Für die von dem Antragsteller vertretene Auffassung, der Erblasser und der Antragsgegner hätten eine Hofübergabe im Sinne der höferechtlichen Vorschriften gewollt, gibt es keine Anhaltspunkte. Vielmehr haben die Vertragsparteien durch ihre Vorgehensweise deutlich gemacht, dass sie das Geschäft ohne höferechtliche Bindungen abschließen und vollziehen wollten.
IV.
[18] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44, 45 LwVG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 20 Buchstabe b HöfeVfO.
Fundstellen
BGHR 2009, 414 |
FamRZ 2009, 325 |
NJW-RR 2009, 517 |
DNotI-Report 2009, 29 |
NZM 2009, 490 |
ZEV 2009, 144 |
DNotZ 2009, 395 |
ErbR 2009, 130 |