Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Beschluss vom 17.05.1985) |
AG Lübeck (Beschluss vom 16.09.1983) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des 2. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 17. Mai 1985 aufgehoben.
Die Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Lübeck vom 16. September 1983 wird auf Kosten der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde trägt die Kassenzahnärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Beschwerdewert: 1.190,28 DM
Tatbestand
I.
Der im Jahre 1924 geborene Ehemann (Antragsgegner) und die im Jahre 1926 geborene Ehefrau (Antragstellerin) haben am 11. November 1953 die Ehe geschlossen, aus der ein inzwischen volljähriges Kind hervorgegangen ist. Der Scheidungsantrag der Ehefrau ist dem Ehemann am 11. Dezember 1980 zugestellt worden.
In der Ehezeit (1. November 1953 bis 30. November 1980, § 1587 Abs. 2 BGB) haben beide Parteien Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Außerdem ist der Ehemann, der seit 29. Juni 1962 als Kassenzahnarzt zugelassen ist, an der Erweiterten Honorarverteilung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (weitere Beteiligte zu 1 – im folgenden EHV) beteiligt, die u.a. für den Fall der Berufsunfähigkeit, die mit Vollendung des 65. Lebensjahres als eingetreten gilt, die Zahlung von Ruhegeldern vorsieht, sofern der betreffende Zahnarzt auf die Kassenzulassung verzichtet.
Das Amtsgericht hat die Ehe der Parteien vorab geschieden und später den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß es Rentenanwartschaften des Ehemannes bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (weitere Beteiligte zu 2 – BfA) in Höhe von monatlich 94,40 DM auf die Ehefrau übertragen sowie zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Ehemannes bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein für die Ehefrau auf deren Versicherungskonto bei der BfA Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 99,19 DM, bezogen auf den 30. November 1980, begründet hat.
Den Ausgleich durch Begründung von Rentenanwartschaften zu ihren Lasten hat die Kassenzahnärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein mit der Beschwerde angegriffen und vor allem die Auffassung vertreten, daß die bei der EHV bestehenden Versorgungsanrechte des Ehemannes nicht unverfallbar seien und daher dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich unterlägen.
Das Oberlandesgericht ist dem gefolgt und hat die amtsgerichtliche Entscheidung dahin geändert, daß der Ausgleich durch Quasisplitting entfällt und der Ehefrau bezüglich der Versorgungsanwartschaften des Ehemannes bei der EHV der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten bleibt.
Mit der – zugelassenen – weiteren Beschwerde erstrebt die Ehefrau die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung in diesem Punkt.
Entscheidungsgründe
II.
Das Rechtsmittel ist begründet.
1. Das Oberlandesgericht legt im einzelnen dar, daß die Versorgungsanwartschaften des Ehemannes bei der EHV nicht unverfallbar seien, prüft aber nicht, ob die Unverfallbarkeit überhaupt Voraussetzung für die Einbeziehung dieser Anrechte in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich ist. Das ist indessen zu verneinen. Nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 BGB gilt diese Voraussetzung lediglich für Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (vgl. auch Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht § 1587 a Rdn. 217). Die EHV ist keine betriebliche Altersversorgung, sondern eine berufsständische Versorgungseinrichtung, die dem § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 BGB unterfällt. Nach den von der Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein hierfür beschlossenen Vorschriften (AIHV) können Leistungsempfänger ein bestimmter Personenkreis der in Schleswig-Holstein zugelassenen Kassenzahnärzte oder ihre Hinterbliebenen sein (§§ 1, 3, 4 AIHV). Die Kassenzahnärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein geht selbst nicht davon aus, daß die Leistungen der EHV solche der betrieblichen Altersversorgung seien, meint aber, sie seien „ihrer Struktur nach” mit denjenigen der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes vergleichbar, die nach der Rechtsprechung (BGHZ 81, 152, 155 f; 84, 158, 163 f) der Unverfallbarkeitsregelung des Gesetzes unterlägen. Indessen beruht die Anwendbarkeit des § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 BGB auf Anwartschaften der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes vornehmlich darauf, daß die dort versicherten Personen ausdrücklich in den Regelungsbereich des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) vom 19. Dezember 1974 (BGBl I 3610) einbezogen worden sind (vgl. § 18 Abs. 1 Nr. 1 BetrAVG). Soweit dies nicht der Fall ist, hat der Senat bereits mehrfach eine – auch ausdehnende – Anwendung der Unverfallbarkeitsregelung abgelehnt (vgl. für Landwirte: Beschluß vom 28. Mai 1986 – IVb ZB 85/83 – FamRZ 1986, 892, 893; für Seelotsen: Beschluß vom 23. September 1987 – IVb ZB 86/85 – BGHR BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 Seelotse 1 = FamRZ 1988, 51, 52 f). Eine Gleichstellung der durch die EHV begünstigten Kassenzahnärzte, Angehörige eines typischen freien Berufes, mit Arbeitnehmern liegt von vornherein fern. Außerhalb des Bereichs der betrieblichen Altersversorgung ist aber der gesicherte Bestand einer Versorgungsanwartschaft nach dem Gesetz keine generell bestehende Voraussetzung für die Einbeziehung in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich.
2. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Es verweist auf das Unternehmerrisiko eines Zahnarztes; er könne sich aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sehen, seine Praxis aufzugeben. In diesem Falle entstünden nach Vollendung seines 65. Lebensjahres keine Leistungsansprüche gegen die EHV. Weiter könnten nach § 12 AIHV keine Leistungsansprüche erhoben werden, sofern die EHV durch behördliche Maßnahmen oder Beschluß der Vertreterversammlung geändert oder eingestellt werden sollte. Hierbei handelt es sich aber um Entwicklungen, die außerhalb des gewöhnlichen Verlaufs der maßgeblichen Verhältnisse liegen; ihre Berücksichtigung mag es allenfalls rechtfertigen, die Versorgungsanrechte des Ehemannes bei der EHV nicht als Anwartschaften, sondern als bloße Aussichten zu werten (vgl. dazu etwa Senatsbeschluß BGHZ 81, 100, 103). Da nach §§ 1587 Abs. 1 Satz 1, 1587 a Abs. 2 Nr. 4 BGB aber auch Versorgungsaussichten in den Versorgungsausgleich einzubeziehen sind, braucht dem nicht näher nachgegangen zu werden.
3. Der angefochtene Beschluß des Oberlandesgerichts kann somit keinen Bestand haben. Die Versorgungsanrechte des Ehemannes bei der EHV sind in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einzubeziehen und nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 b BGB zu bewerten. Sofern eine etwaige Dynamik der Leistungen außer Betracht gelassen wird, ergibt die Bewertung unter Heranziehung der Tabelle 1 zur Barwertverordnung einen ehezeitlich erworbenen Rentenbetrag von monatlich 198,38 DM, wie bereits das Amtsgericht angenommen hat. Die Frage der Dynamik kann aus verfahrensrechtlichen Gründen dahinstehen, weil eine dadurch veranlaßte Höherbewertung (vgl. etwa Senatsbeschluß vom 23. September 1987 – IVb ZB 18/85 – FamRZ 1987, 1241) nicht berücksichtigt werden könnte. Da die Ehefrau die amtsgerichtliche Entscheidung nicht angefochten hat, kann sie mit der weiteren Beschwerde nur eine Abänderung zu ihren Ungunsten bekämpfen, nicht aber erreichen, daß sie gegenüber der amtsgerichtlichen Entscheidung bessergestellt wird (vgl. etwa Senatsbeschluß vom 28. Mai 1986 – IVb ZB 63/82 – FamRZ 1986, 890, 891 m.w.N.). Da es sich bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein um eine öffentlich-rechtliche Körperschaft handelt, ist Ausgleichsform das Quasisplitting gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG (vgl. Senatsbeschluß BGHZ 92, 152). Im Ergebnis sind zu deren Lasten für die Ehefrau monatliche Rentenanwartschaften von 99,19 DM bei der BfA zu begründen. Die Beschwerde gegen die amtsgerichtliche Entscheidung in diesem Punkt ist nach allem unter Aufhebung des Beschlusses des Oberlandesgericht zurückzuweisen.
Unterschriften
Lohmann, Portmann, Krohn, Zysk, Nonnenkamp
Fundstellen