Leitsatz (amtlich)
Ein Kostenfestsetzungsverfahren für die Kosten der Vorinstanzen ist auch dann unterbrochen, wenn die Unterbrechungswirkung erst in einem späteren Rechtszug eintritt.
Normenkette
ZPO §§ 240, 104
Verfahrensgang
KG Berlin (Beschluss vom 12.08.2004; Aktenzeichen 6 W 131/04) |
LG Berlin (Beschluss vom 18.05.2004) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des KG in Berlin v. 12.8.2004 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Streitwert: bis 2.000 EUR
Gründe
I.
Die Klägerin wehrt sich mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde gegen die Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des LG v. 18.5.2004. Mit diesem Beschluss wurden die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 19.075,47 EUR nebst Zinsen festgesetzt.
Kostengrundentscheidung des Kostenfestsetzungs- und -ausgleichsverfahrens ist das Berufungsurteil v. 19.5.2003 i.d.F. der Berichtigungsbeschlüsse v. 26.5.2003, 16.6.2003 und 28.10.2003. Das Berufungsgericht hat unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.996.083,50 EUR nebst Zinsen zu zahlen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen - XII ZR 141/03 - beim BGH anhängig. Insoweit ist der Rechtsstreit durch das am 1.8.2003 eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten unterbrochen.
Trotz dieser Verfahrensunterbrechung hat das LG am 18.5.2004 den streitbefangenen Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das Beschwerdegericht den Kostenfestsetzungsbeschluss aufgehoben und die Sache an das LG zurückverwiesen. Dagegen wehrt sich die Klägerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet:
1. Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass die Insolvenzschuldnerin trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Unterbrechungswirkung gem. §§ 240, 249 ZPO geltend machen kann. Die Unterbrechung soll den Verfahrensbeteiligten, insb. dem Insolvenzverwalter, Gelegenheit geben, sich über die durch Insolvenzeröffnung veränderte Sachlage zu informieren und daraus die rechtlichen Konsequenzen zu ziehen.
Da die Insolvenzschuldnerin trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens existent bleibt und nicht auszuschließen ist, dass ein eröffnetes Insolvenzverfahren wieder aufgehoben wird, ohne dass es bei einer GmbH zur Löschung im Handelsregister kommt, muss ihr zugestanden werden, die Verfahrensunterbrechung geltend zu machen (BGH, Urt. v. 16.1.1997 - IX ZR 220/96, MDR 1997, 494 = NJW 1997, 1445; Urt. v. 21.6.1995 - VIII ZR 224/94, MDR 1995, 1163 = NJW 1995, 2563, jeweils m.w.N.).
2. Das Beschwerdegericht hat auch in der Sache richtig entschieden. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob ein Kostenfestsetzungsverfahren gem. § 240 ZPO unterbrochen wird:
Für eine solche Unterbrechung sprechen sich aus: OLG München (OLG München v. 29.9.2003 - 11 W 1353/02, OLGReport München 2004, 185 = ZIP 2003, 2318; ZInsO 2002, 1037), OLG Brandenburg (OLG Brandenburg v. 29.9.2000 - 7 W 47/00, OLGReport Brandenburg 2001, 222 = MDR 2001, 471), KG (KG v. 18.1.2000 - 1 W 2378/99, KGReport Berlin 2000, 221 = NJW-RR 2000, 731), OLG Stuttgart (OLG Stuttgart v. 16.11.1998 - 8 W 621/98, ZIP 1998, 2066 f.), OLG Jena (FamRZ 1997, 765, FamRZ 1997, 765 f.), OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf v. 18.7.1996 - 6 W 27/96, OLGReport Düsseldorf 1996, 246 = ZIP 1996, 1621), Stein/Jonas/Borg, 22. Aufl., ZPO, § 103 Rz. 2, vor § 239 Rz. 3, Feiber in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 240 Rz. 20, Musielak/Stadler, 4. Aufl., ZPO, § 240 Rz. 6, Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 104 Rz. 21 - Unterbrechung, Uhlenbruck, 12. Aufl., InsO, § 85 Rz. 20, FK-InsO/App, 3. Aufl., § 85 Rz. 6, Schumacher in MünchKomm/InsO, vor §§ 85-87 Rz. 44, jeweils m.w.N.
Demgegenüber vertreten die OLG Koblenz (OLG Koblenz v. 22.10.1990 - 14 W 668/90, Rpfleger 1991, 335) und Hamburg (OLG Hamburg v. 7.12.1989 - 8 W 419/89, MDR 1990, 349 f.) die Auffassung, ein Kostenfestsetzungsverfahren für die schon abgeschlossene Instanz werde von der Unterbrechung nicht berührt, wenn die Unterbrechungswirkung nach § 240 ZPO erst im höheren Rechtszug eintritt.
Der Senat entscheidet die für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserhebliche Rechtsfrage dahingehend, dass ein Kostenfestsetzungsverfahren für die Kosten der Vorinstanzen auch dann unterbrochen ist, wenn die Unterbrechungswirkung erst in einem späteren Rechtszug eintritt und die Kostengrundentscheidung somit nicht rechtskräftig wird.
Der Wortlaut des § 240 S. 1 ZPO "wird das Verfahren ... unterbrochen" ist nicht eindeutig. Es fehlt eine gesetzliche Definition des Begriffs "Verfahren" und eine Abgrenzung zu der synonym gebrauchten Bezeichnung "Prozess" (vgl. insb. die Formulierung in § 261 Abs. 2 ZPO einerseits und andererseits in § 275 Abs. 2 ZPO).
Aus der Gesetzesgeschichte ergeben sich keine Auslegungshinweise. Eine inhaltliche Änderung ist, nachdem die Gesetzesfassung v. 1.1.1964 bis 31.12.1998 unverändert geblieben war, mit dem Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung v. 5.10.1994 nur zur sprachlichen Anpassung an die Insolvenzordnung erfolgt. Die schon damals in der Kommentarliteratur beschriebenen unterschiedlichen obergerichtlichen Auffassungen hat der Gesetzgeber auch bei dem Gesetz zur Reform des Zivilprozesses v. 27.7.2001 nicht zum Anlass genommen, den Gesetzeswortlaut zu präzisieren, während § 251 ZPO (Ruhen des Verfahrens) überarbeitet wurde (BT-Drucks. 14/4722, 80).
In § 104 Abs. 3 S. 2 ZPO ist geregelt, dass ein Beschwerdeverfahren gegen eine Kostenfestsetzungsentscheidung bis zur Rechtskraft der Kostengrundentscheidung ausgesetzt werden kann. Gesetzessystematisch spricht dies dafür, auch bei einer Verfahrensunterbrechung das Kostenfestsetzungsverfahren nicht isoliert zu Ende zu führen.
Dies entspricht im Ergebnis auch dem Sinn und Zweck der Unterbrechung:
Mit der Unterbrechung nach §§ 240, 249 ZPO wird den Beteiligten des Verfahrens und dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit gegeben, sich auf die durch Insolvenz einer Partei eingetretene Veränderung der Sachlage einzustellen (Uhlenbruck, 12. Aufl., InsO, § 85 Rz. 20).
Außerdem soll eine Entlastung der Gerichte herbeigeführt werden. Ein Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes mit zum Teil hoheitlichen Befugnissen kann in besonderem Maße eine außergerichtliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten erreichen. Im Passivprozess muss der Gläubiger durch die Insolvenzsituation seines Schuldners das Prozesskostenrisiko noch stärker fürchten. Überlegungen dazu sind vor dem Hintergrund der Forderungsanmeldung gem. § 174 ff. InsO von entscheidender Bedeutung.
Der Passivprozess kann nach § 86 InsO nur um die dort besonders genannten Gegenstände ausgetragen werden.
Das vorliegend streitige Kostenfestsetzungsverfahren, das die Klägerin als Kostengläubigerin führt, entspricht einem Passivprozess. Daher ist sie grundsätzlich gehalten, die im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemachten Forderungen beim Insolvenzverwalter zur Tabelle anzumelden. Dass dies vorliegend geschehen wäre, trägt die Rechtsbeschwerde nicht vor. Eine solche Anmeldung ist auch aus der Akte nicht ersichtlich.
Der Senat muss vorliegend nicht entscheiden, ob das Kostenfestsetzungsverfahren entsprechend § 180 Abs. 2 InsO mit dem Ziel, den Kostenerstattungsanspruch der Höhe nach festzustellen (OLG München v. 29.9.2003 - 11 W 1353/02, OLGReport München 2004, 185 = ZIP 2003, 2318 f.), aufgenommen werden kann. Die gegen eine solche Feststellung im Kostenfestsetzungsverfahren geäußerten Bedenken wären erst dann entscheidungserheblich, wenn der Insolvenzverwalter eine entsprechende Anmeldung bestreiten würde.
III.
Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 97 Abs. 1 ZPO. Bei der Festsetzung des Streitwertes hat der Senat 10 % der geltend gemachten Kostenausgleichsforderung zu Grunde gelegt, da eine höhere Verteilungsquote im Insolvenzverfahren weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist (vgl. § 182 InsO sowie Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3 Rz. 16 - Insolvenzverfahren).
Fundstellen
Haufe-Index 1397878 |
BGHR 2005, 1492 |
FamRZ 2005, 1535 |
JurBüro 2005, 599 |
AnwBl 2005, 98 |
MDR 2006, 55 |
NJ 2006, 82 |
NZI 2006, 128 |
Rpfleger 2005, 695 |
AGS 2006, 44 |
RVGreport 2005, 393 |
ZVI 2006, 63 |