Normenkette
VVG § 203 Abs. 5
Verfahrensgang
OLG Köln (Entscheidung vom 26.05.2020; Aktenzeichen 9 U 180/18) |
LG Köln (Entscheidung vom 21.11.2018; Aktenzeichen 23 O 215/18) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Revisionen der Klägerin und der Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 26. Mai 2020 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen
eines Monats
Stellung zu nehmen.
Gründe
Rz. 1
I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung der Klägerin.
Rz. 2
Die Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert; bis zum 31. Dezember 2014 bestand Versicherungsschutz in den Tarifen V. und T. und bis zum 30. April 2016 im Tarif Vi.. Die Beklagte informierte sie jeweils mit Schreiben aus dem November des Vorjahres über folgende Prämienerhöhungen: im Tarif V. zum 1. Januar 2010 um 54,08 € monatlich und zum 1. Januar 2014 um 76,45 € monatlich, im Tarif T. zum 1. Januar 2011 um 6,51 € monatlich, zum 1. Januar 2012 um 4,27 € monatlich und zum 1. Januar 2013 um 8,69 € monatlich sowie im Tarif Vi. zum 1. Januar 2016 um 90,52 € monatlich.
Rz. 3
Dem Anschreiben von November 2015 waren "Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2016" beigefügt, in denen es unter "Was sind die Gründe für die Beitragsanpassung in der Kranken-, Krankentagegeld- und Pflegeergänzungsversicherung?" auszugsweise hieß:
"Mit ihrer privaten Kranken-/Pflege-Versicherung sichern Sie sich lebenslang eine optimale Versorgung.
In der privaten Krankenversicherung (PKV) stehen Ihnen alle Möglichkeiten der modernen Medizin offen - und das ein Leben lang! Denn die einmal vertraglich vereinbarten Leistungen sind lebenslang garantiert.
Darüber hinaus wächst mit dem medizinischen Fortschritt der Umfang Ihres privaten Krankenversicherungsschutzes. Denn er berücksichtigt neue Methoden bei Diagnostik, Therapie und Medikamenten.
Damit wir unser Leistungsversprechen dauerhaft einhalten können, müssen wir wie alle privaten Krankenversicherer einmal jährlich alle Beiträge überprüfen. Dies erfolgt in der Kranken-, Krankenhaustagegeld- und Pflegeergänzungs-Versicherung für jeden einzelnen Tarif, getrennt nach Alter und - für Verträge, die vor dem 21.12.2012 abgeschlossen wurden - zusätzlich nach Geschlecht.
Bei der Überprüfung vergleichen wir die kalkulierten Leistungsausgaben mit den zukünftig erforderlichen. Weichen die Zahlen um den in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegten Prozentsatz nach oben oder unten voneinander ab, müssen die Beiträge überprüft werden. Hierzu sind wir gesetzlich verpflichtet.
Muss eine Beitragsanpassung erfolgen, müssen auch weitere Faktoren berücksichtigt werden. Denn nicht nur die Leistungsausgaben beeinflussen den Beitrag. Diese Faktoren sind:
Steigende Lebenserwartung
...
Kapitalmarktsituation
...
Entwicklung des Versichertenbestandes
..."
Rz. 4
Die Klägerin hält die Beitragserhöhungen für unrechtmäßig. Mit Anwaltsschreiben vom 6. Februar 2018 forderte sie die Beklagte unter Fristsetzung von 14 Tagen zur Rückzahlung ihrer Ansicht nach überzahlter Prämien in Höhe von 5.199,04 € auf. Die Beklagte wies die Ansprüche zurück.
Rz. 5
Mit ihrer 2018 erhobenen Klage hat die Klägerin, soweit für die Revision noch von Interesse, die Rückzahlung der auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteile in Höhe von 5.199,04 € nebst Zinsen ab dem 1. März 2018 sowie die Feststellung verlangt, dass die Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen, die sie vor dem 1. März 2018 aus diesem Betrag gezogen hat, verpflichtet ist und diese ab dem 1. März 2018 zu verzinsen hat.
Rz. 6
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 362,08 € nebst Zinsen verurteilt sowie festgestellt, dass die Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen, die sie vor dem 1. März 2018 aus dem Prämienanteil, den die Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 2016 bis zum 30. April 2016 auf die Beitragserhöhung im Tarif Vi. zum 1. Januar 2016 in Höhe von monatlich 90,52 € gezahlt hat, gezogen hat, sowie zur Verzinsung der herauszugebenen Nutzungen ab dem 1. März 2018 verpflichtet ist.
Rz. 7
Mit der Revision verfolgt die Klägerin die genannten Klageanträge, soweit das Oberlandesgericht sie abgewiesen hat, weiter. Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision weiterhin die Klageabweisung. Die Klägerin hat vorsorglich für den Fall, dass der Senat von einer wirksamen Beschränkung der Revisionszulassung ausgehen sollte, zudem auch Anschlussrevision eingelegt.
Rz. 8
II. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Tariferhöhung im Tarif Vi. zum 1. Januar 2016 wegen einer unzureichenden Begründung in dem Mitteilungsschreiben in formeller Hinsicht unwirksam. Die unzureichende Begründung habe im Hinblick auf die zeitliche Begrenzung dieses Tarifs bis zum 30. April 2016 auch nicht - etwa durch Zustellung der Klageerwiderung am 10. September 2018 - nachträglich geheilt werden können. Es sei zunächst erforderlich, in der Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 VVG zur Begründung der Prämienanpassung die Rechnungsgrundlage zu nennen, deren Veränderung die Prämienanpassung ausgelöst habe. Die Benennung der Rechnungsgrundlage müsse auch bezogen auf die konkrete Prämienanpassung erfolgen. Gemessen daran habe die streitgegenständliche Begründung aus November 2015 nicht die Mindestanforderungen an die Mitteilung der maßgeblichen Gründe erfüllt.
Rz. 9
Die Klägerin könne die Rückzahlung geleisteter Erhöhungsbeträge für den Zeitraum von Januar bis April 2016 in Höhe von 362,08 € (4 x 90,52 €) verlangen. Dagegen seien alle Rückforderungsansprüche wegen der bis zum Ende des Jahres 2014 geleisteten Prämien verjährt. Der Anspruch auf Rückzahlung sei mit der jeweiligen monatlichen Prämienzahlung entstanden gewesen. Die Klägerin habe mit Erhalt der Anpassungsschreiben Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen gehabt. Nachdem sie inzwischen Klage erhoben habe, sei ihr eine Klageerhebung trotz des bis heute noch bestehenden Meinungsstreits hinsichtlich der Anforderungen an eine Mitteilung der maßgeblichen Gründe im Sinne von § 203 Abs. 5 VVG nicht unzumutbar gewesen.
Rz. 10
Entgegen der Ansicht der Beklagten müsse sich die Klägerin etwaige Vorteile aus den geleisteten erhöhten Prämienbeiträgen nicht anrechnen lassen. Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg auf Entreicherung berufen. Sie habe nicht konkret dargetan, dass es ihr bei einer gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit der erhöhten Prämien nicht möglich wäre, die zur Bildung von Sparprämien und gesetzlichen Beitragszuschlägen verwendeten erhöhten Prämienanteile wieder zurück zu buchen.
Rz. 11
Die Klägerin habe auch einen Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen aus den von ihr gezahlten erhöhten Prämienanteilen aufgrund der nicht wirksam begründeten Prämienerhöhung zum 1. Januar 2016 bis einschließlich April 2016. Der Zinsanspruch folge aus §§ 286, 288 BGB.
Rz. 12
III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revisionen im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht mehr vor und die Rechtsmittel haben auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
Rz. 13
1. Die Zulassung der Revisionen ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch zur Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich. Insbesondere der vom Berufungsgericht genannte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist nicht mehr gegeben. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom 16. Dezember 2020 (IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56) entschieden und im Einzelnen begründet hat, wird erst durch die Mitteilung einer den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügenden Begründung die für die Wirksamkeit der Neufestsetzung der Prämie angeordnete Frist in Lauf gesetzt (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 21 ff.). Dabei erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 26). Wie der Senat in dem genannten Urteil weiter ausgeführt hat, steht der Anwendung von § 203 Abs. 5 VVG auch für den Zeitraum vor jener Entscheidung nicht entgegen, dass der Begriff der "maßgeblichen Gründe" der Auslegung bedurfte (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 37). Im Übrigen steht unabhängig davon, ob ein Versicherungsnehmer die streitgegenständlichen Prämienanpassungen auch in materieller Hinsicht angreift, § 242 BGB einer Wahrnehmung seiner Informationsrechte und des daraus folgenden Rückzahlungsanspruchs nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 44).
Rz. 14
Mit Urteil vom 17. November 2021 (IV ZR 113/20, VersR 2022, 97) hat der Senat außerdem entschieden, dass der Versicherungsnehmer bei einem Anspruch auf Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen aufgrund einer unwirksamen Prämienanpassung die für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis vom Fehlen des Rechtsgrundes mit Erhalt der seiner Ansicht nach formal unzureichenden Änderungsmitteilung erlangt (vgl. Senatsurteil vom 17. November 2021 aaO Rn. 42). Die Erhebung einer darauf gestützten Klage ist auch nicht unzumutbar, wenn der Versicherungsnehmer bereits vor einer höchstrichterlichen Entscheidung zu den Anforderungen, die an die nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilenden Gründe einer Prämienanpassung zu stellen sind, seine Ansprüche gegen den Versicherer geltend gemacht und Klage erhoben hat (vgl. Senatsurteil vom 17. November 2021 aaO Rn. 45).
Rz. 15
2. Die Revisionen haben auch keine Aussicht auf Erfolg.
Rz. 16
a) Entgegen der Ansicht der Revision der Beklagten hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei der Klage im ausgeurteilten Umfang stattgegeben.
Rz. 17
aa) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die von der Beklagten mitgeteilten Gründe für die Prämienerhöhung zum 1. Januar 2016 die Voraussetzungen einer nach § 203 Abs. 5 VVG erforderlichen Mitteilung nicht erfüllen. Ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 38). Nach der aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Beurteilung des Berufungsgerichts konnte ein Versicherungsnehmer den allgemein gehaltenen Erläuterungen in der Mitteilung zur Beitragserhöhung vom November 2015 nicht entnehmen, dass das Ergebnis der aktuellen Überprüfung gerade für seinen konkreten Tarif eine Veränderung der maßgeblichen Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen ergeben und damit die Prämienanpassung ausgelöst hat.
Rz. 18
bb) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die in der Klageerwiderung nachgeholten Angaben zu den Gründen der Prämienanpassung nur zu einer Heilung ex nunc führen könnten (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 41), so dass für den bereits zum 30. April 2016 beendeten Tarif eine nachträgliche Heilung nicht in Betracht kam.
Rz. 19
cc) Das Berufungsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Rückgewähranspruch der Klägerin aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die Erhöhungsbeträge, die sie ohne wirksame Prämienanpassungserklärung gezahlt hat, der Höhe nach uneingeschränkt umfasst.
Rz. 20
(1) Entgegen der Ansicht der Revision kommt im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eine Anrechnung des genossenen Versicherungsschutzes nicht in Betracht, wenn sich bei einem wirksamen Versicherungsvertrag als Rechtsgrund der erbrachten Leistungen nur eine Prämienerhöhung als unwirksam erweist (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 46).
Rz. 21
(2) Die Beklagte kann sich auch nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen.
Rz. 22
Es fehlt an einem dauerhaften Vermögensverlust, soweit die Beklagte die erhöhten Prämienzahlungen nach ihrem Vortrag zur Bildung von Rückstellungen verwendet haben will. Zahlungen des Versicherungsnehmers, die ohne wirksame Prämienerhöhung erfolgten, sind nicht nach den für Prämien geltenden Vorschriften zu verwenden (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 51).
Rz. 23
Falls die Beklagte aus den Zahlungen der Klägerin ohne gesetzliche Grundlage Rückstellungen gebildet haben sollte, kommt es - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - für die Entreicherung auf die Möglichkeiten einer Rückbuchung oder späteren Verrechnung gegenüber der Klägerin an. Eine Bereicherung ist nicht weggefallen, soweit der Bereicherte seine eigene Verfügung über den empfangenen Vermögensvorteil wieder rückgängig machen kann (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 52). Dass dies nicht möglich wäre, hat die für den Wegfall der Bereicherung darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht konkret dargetan.
Rz. 24
dd) Neben der Pflicht zur Herausgabe gezogener Nutzungen hat das Berufungsgericht im Ergebnis ebenfalls zu Recht angenommen, dass die Beklagte zur Verzinsung der gezogenen Nutzungen ab dem 1. März 2018 verpflichtet ist.
Rz. 25
Das Berufungsgericht hat der Klägerin Zinsen aus den herauszugebenden Nutzungen aus Verzug zugesprochen. Die Beklagte hat in ihrer Erwiderung auf die Forderungen der Klägerin aus deren Schreiben vom 6. Februar 2018 die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, wodurch sie in Verzug geraten ist, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Die Beklagte hat dort die geltend gemachten Rückzahlungsansprüche - und damit auch die Herausgabe jeglicher aus den Prämienanteilen gezogenen Nutzungen - bestimmt und ohne Einschränkung zurückgewiesen. Der Senat kann die Auslegung des Schreibens selbst vornehmen, da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind.
Rz. 26
b) Die - unbeschränkt zugelassene - Revision der Klägerin hat ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf Rückgewähr der Erhöhungsbeträge, die die Klägerin bis zum 31. Dezember 2014 geleistet hat, sowie auf Herausgabe der daraus gezogenen Nutzungen (§ 217 BGB) vor Klageerhebung verjährt war.
Rz. 27
aa) Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) begann jeweils mit dem Schluss des Jahres, in dem die Prämienanteile gezahlt wurden, so dass die Frist für die letzten hier in Rede stehenden Zahlungen Ende 2017 ablief.
Rz. 28
(1) Die Regelverjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Rückzahlungsansprüche entstanden hier jeweils mit der Zahlung der Erhöhungsbeträge.
Rz. 29
(2) Wie sich aus dem Senatsurteil vom 17. November 2021 (IV ZR 113/20, VersR 2022, 97 Rn. 42) ergibt, hatte die Klägerin die für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis vom Fehlen des Rechtsgrundes mit Erhalt der ihrer Ansicht nach formal unzureichenden Änderungsmitteilungen erlangt. Die Erwägungen dieser Entscheidung lassen sich - auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens - auf den Streitfall übertragen.
Rz. 30
Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht weiter angenommen, dass der Klägerin eine Geltendmachung ihrer Ansprüche möglich und die Erhebung einer Klage, mit der die formelle Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen aufgrund einer unzureichenden Begründung geltend gemacht wird, jedenfalls nicht wegen einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage unzumutbar war (vgl. Senatsurteil vom 17. November 2021 - IV ZR 113/20, VersR 2022, 97 Rn. 44). Entgegen der Ansicht der Revision war der Verjährungsbeginn nicht bis zur Klärung durch den Senat (siehe dazu mittlerweile Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56) hinausgeschoben.
Rz. 31
Für eine Unzumutbarkeit der Klageerhebung genügte es nicht, dass es zu den Anforderungen an die nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilenden Gründe einer Prämienanpassung einen Meinungsstreit gab, der - soweit er in den Jahren 2010 bis 2014 überhaupt schon bestand - jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt war. Eine Rechtslage ist nicht schon dann im Sinne der genannten Rechtsprechung unsicher und zweifelhaft, wenn eine Rechtsfrage umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist (Senatsurteil vom 17. November 2021 - IV ZR 113/20, VersR 2022, 97 Rn. 45 m.w.N.). Die Erhebung einer Klage ist nicht unzumutbar, wenn der Versicherungsnehmer bereits vor einer höchstrichterlichen Entscheidung zu den Anforderungen, die an die nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilenden Gründe einer Prämienanpassung zu stellen sind, seine Ansprüche gegen den Versicherer geltend gemacht und Klage erhoben hat (vgl. Senatsurteil vom 17. November 2021 aaO). So liegt es hier. Die Klägerin hat im Jahr 2018 ihre Ansprüche gegen die Beklagte geltend gemacht und Klage erhoben. Ungeachtet des damals ungeklärten Meinungsstreits ging sie von der Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen aus. Umstrittener als zu diesem Zeitpunkt war der Inhalt des § 203 Abs. 5 VVG jedoch in den Jahren bis einschließlich 2014 nicht, so dass ihr die Klageerhebung auch damals nicht unzumutbar war.
Rz. 32
bb) Entgegen der Ansicht der Revision ist es für die Feststellung der Verjährung nicht entscheidungserheblich, ob die Klägerin mit Zugang der Änderungsmitteilungen auch Kenntnis von den Tatsachen hatte, aus denen die von ihr ebenfalls geltend gemachte materielle Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen folgen könnte. Für den Beginn der Verjährungsfrist ist dies ohne Bedeutung. Der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB hat Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt (Senatsurteil vom 17. November 2021 - IV ZR 113/20, VersR 2022, 97 Rn. 47 m.w.N.). Maßgeblich ist daher das Fehlen des Rechtsgrundes, das der Klägerin mit Erhalt der Änderungsmitteilungen jedenfalls aufgrund der ihrer Auffassung nach bestehenden formalen Mängel bereits bekannt war. Eine erneute Kenntnisnahme vom Fehlen desselben Rechtsgrundes aus weiteren Gründen setzt keine neue Verjährungsfrist in Gang (Senatsurteil vom 17. November 2021 aaO). Anders als bei Schadensersatzansprüchen gehört ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten, etwa bei der Neufestsetzung der Prämie oder deren Mitteilung, nicht zu den Voraussetzungen des Bereicherungsanspruchs. Entgegen der Ansicht der Revision ist daher die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verjährung bei mehreren eigenständigen Beratungs- oder Aufklärungsfehlern in der Anlageberatung (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 - III ZR 198/14, BGHZ 206, 41 Rn. 14 m.w.N.) auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar.
Rz. 33
c) Da die Klägerin die Anschlussrevision nur vorsorglich für den Fall erhoben hat, dass der Senat - wie nicht - von einer wirksamen Beschränkung der Zulassung seiner Revision ausgegangen wäre, ist dieses Rechtsmittel gegenstandslos.
Prof. Dr. Karczewski |
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Harsdorf-Gebhardt |
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Dr. Brockmöller |
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Dr. Bußmann |
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Dr. Bommel |
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Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Zurücknahme der Revision erledigt worden.
Fundstellen
Haufe-Index 15366762 |
ZfS 2022, 519 |