Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 17.12.2021; Aktenzeichen 5 S 3127/21) |
AG Hersbruck (Entscheidung vom 21.05.2021; Aktenzeichen 1 C 804/20) |
Tenor
Das Verfahren wird in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-584/22 (X ZR 53/21) ausgesetzt.
Gründe
Rz. 1
I. Der Kläger beansprucht von der Beklagten die Rückzahlung einer Anzahlung für eine Pauschalreise.
Rz. 2
Der Kläger buchte bei der Beklagten eine Ostseekreuzfahrt (Route: Kiel - Kopenhagen - Helsinki - St. Petersburg - Tallinn - Kiel), die vom 22. bis zum 29. August 2020 stattfinden und 8.305,10 Euro kosten sollte. Der Kläger leistete eine Anzahlung von 3.194 Euro.
Rz. 3
Mit Schreiben vom 31. März 2020 trat der Kläger von der Reise zurück. Er bezog sich hierbei auf die Corona-Infektionslage und damit verbundene Reisebeschränkungen. Zu diesem Zeitpunkt bestand eine zunächst bis 28. April 2020 befristete weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vor "nicht notwendigen, touristischen Reisen in das Ausland".
Rz. 4
Die Beklagte sagte die Reise am 10. Juli 2020 wegen der Corona-Pandemie ab. Dem Begehren nach Erstattung der geleisteten Anzahlung kam sie zunächst nicht nach.
Rz. 5
Der Kläger klagte daraufhin auf Rückzahlung des geleisteten Betrags von 3.194 Euro. Nachdem die Beklagte während des erstinstanzlichen Verfahrens einen Teilbetrag von 1.701 Euro gezahlt hatte, erklärten die Parteien den Rechtsstreit in dieser Höhe für in der Hauptsache erledigt. Später erbrachte die Beklagte eine weitere Zahlung in Höhe von 139 Euro.
Rz. 6
Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Rückzahlung des verbleibenden Restbetrags von 1.354 Euro verurteilt. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage in der noch anhängigen Höhe.
Rz. 7
II. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rz. 8
Der Kläger könne die Rückzahlung der restlichen Anzahlung verlangen. Der in § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB geregelte Entschädigungsanspruch der Beklagten sei gemäß § 651h Abs. 3 BGB ausgeschlossen.
Rz. 9
Bei der Corona-Pandemie handle es sich nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich um einen unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstand im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB, was auch die Beklagte nicht in Frage stelle.
Rz. 10
Im Streitfall sei es nicht entscheidungserheblich, ob nach einer ex-ante-Betrachtung des Infektionsgeschehens zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein außergewöhnlicher Umstand im Zeitpunkt der Reise zu erwarten gewesen sei. Eine ex-ante-Betrachtung sei nicht maßgeblich, wenn der Reiseveranstalter die Reise letztlich selbst aufgrund eines außergewöhnlichen, unvermeidbaren Umstandes absage.
Rz. 11
Anhand des Wortlauts von § 651h BGB und von Art. 12 der Pauschalreiserichtlinie ergebe sich nicht, dass alleine der Rücktrittszeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein außergewöhnlicher, unvermeidbarer Umstand vorliege, maßgeblich sein solle. Es widerspräche der Rechtsnatur des Entschädigungsanspruchs nach § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB, wenn der Reiseveranstalter nach seiner Reiseabsage wegen Unmöglichkeit einen Entschädigungsanspruch geltend machen könnte. Dies gelte sowohl dann, wenn man die Entschädigung als Surrogat für den Anspruch auf den Reisepreis ansehe, als auch dann, wenn man dem Entschädigungsanspruch einen schadensersatzrechtlichen Charakter zuweise. Die wirkliche und die hypothetische Entwicklung bei der Schadensentstehung könne nicht unbeachtet bleiben; im Falle der Reiseabsage durch den Veranstalter sei der Rücktritt des Reisenden nicht kausal für den erlittenen Nachteil. Wenn man dem Reiseveranstalter trotz seiner Reiseabsage eine Entschädigung zubilligen würde, stünde dies im Widerspruch zu der aus Art. 1 der Pauschalreiserichtlinie folgenden Zielrichtung des Verbraucherschutzes. Es könne nicht zum Nachteil des Reisenden gehen, wenn er eine konkrete Gefahr, die sich später tatsächlich verwirkliche, bereits frühzeitig erkannt habe. Der Vorwurf, der Reisende spekuliere auf die Fortdauer der Krise zu einem späteren Zeitpunkt, überzeuge nicht. Dieser Vorwurf treffe in gleichem Maße den Reiseveranstalter, wenn dieser auf den Rücktritt des Reisenden hoffe, um dann eine Entschädigung zu fordern und seine eigene Rücktrittserklärung möglichst lange hinauszögere.
Rz. 12
III. Das Verfahren wird in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO bis zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-584/22 (X ZR 53/21) ausgesetzt.
Rz. 13
1. Der Senat hat durch Beschluss vom 2. August 2022 (X ZR 53/21) dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV vorgelegt:
Ist Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/314/EWG des Rates (ABl. EU L 326 S. 1 ff.)
1. dahingehend auszulegen, dass für die Beurteilung der Berechtigung des Rücktritts nur jene unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände maßgeblich sind, die im Zeitpunkt des Rücktritts bereits aufgetreten sind,
2. oder dahingehend, dass auch unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände zu berücksichtigen sind, die nach dem Rücktritt, aber noch vor dem geplanten Beginn der Reise tatsächlich auftreten?
Rz. 14
2. Diese Frage ist auch im Streitfall entscheidungserheblich.
Rz. 15
a) Die Beklagte hat gemäß § 651h Abs. 1 Satz 2 BGB ihren Anspruch auf den Reisepreis verloren, weil der Kläger nach § 651h Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam vom Pauschalreisevertrag zurückgetreten ist. Damit ist die Beklagte zur Rückzahlung der erbrachten Anzahlung verpflichtet.
Rz. 16
b) Diesem Anspruch kann die Beklagte den von ihr geltend gemachten Entschädigungsanspruch aus § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB nicht entgegenhalten, wenn die Entschädigungspflicht nach § 651h Abs. 3 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist.
Rz. 17
Nach § 651h Abs. 3 Satz 1 BGB kann der Reiseveranstalter bei einem Rücktritt des Reisenden vor Reiseantritt von diesem keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.
Rz. 18
Unvermeidbar und außergewöhnlich sind Umstände gemäß § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich darauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären.
Rz. 19
Diese Definition wurde aus Art. 3 Nr. 12 der Richtlinie (EU) 2015/2302 (im Folgenden: Pauschalreiserichtlinie oder Richtlinie) übernommen. Erwägungsgrund 31 der Richtlinie nennt als Beispiele für solche Umstände Kriegshandlungen, andere schwerwiegende Beeinträchtigungen der Sicherheit wie Terrorismus und erhebliche Risiken für die menschliche Gesundheit wie den Ausbruch einer schweren Krankheit am Reiseziel oder Naturkatastrophen.
Rz. 20
aa) Dass im Reisezeitraum (August 2020) die Gefahr einer Erkrankung an Covid-19 ein nicht beherrschbares erhebliches Risiko für die menschliche Gesundheit darstellte und aufgrund der pandemischen Lage die Gefahr einer Infektion auf der gebuchten Kreuzfahrt mit den vorgesehenen Anlauforten bestand, das dem normalen Reisebetrieb im Buchungszeitpunkt noch nicht innewohnte, zieht die Revision zu Recht nicht in Zweifel und findet in der festgestellten pandemiebedingten Absage der Kreuzfahrt Bestätigung.
Rz. 21
bb) Vor diesem Hintergrund ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Covid-19-Pandemie als Umstand im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB bewertet hat, der grundsätzlich geeignet war, die Durchführung der Pauschalreise erheblich zu beinträchtigen (vgl. zur entsprechenden Einordnung der Covid-19-Pandemie: BeckOGKBGB/Harke, Stand 1. Juli 2022, § 651h Rn. 49.1; BeckOKBGB/Geib, 62. Edition, Stand 1. Mai 2022, § 651h Rn. 21; jurisPK/Steinrötter, 9. Aufl. [aktualisiert 11. Mai 2020], § 651h Rn. 44.1; Grüneberg/Retzlaff, 81. Aufl. 2022, § 651h Rn. 13; Binger, RRa 2021, 207, 208; Führich, NJW 2020, 2137; Führich, NJW 2022, 1641, 1643; Hopperdietzel, RRa 2022, 3; Löw, NJW 2020, 1252, 1253; Staudinger/Achilles-Pujol in: Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 3. Aufl. 2021, § 7 Rn. 29; Tonner, RRa 2021, 55, 57; Ullenboom, RRa 2021, 155, 157; Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017, 1021; Woitkewitsch, NJW 2022, 1134, 1136; aus der Instanzrechtsprechung statt vieler: LG Düsseldorf, Urteil vom 25. Oktober 2021 - 22 S 77/21, RRa 2022, 30, 31; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 14. Oktober 2021 - 24 S 40/21, BeckRS 2021, 33155; AG München, Urteil vom 27. Oktober 2020 - 159 C 13380/20 Rn. 26, DAR 2021, 35, 36).
Rz. 22
cc) Entgegen der Ansicht der Revision ist § 651h Abs. 3 BGB auch dann anwendbar, wenn dieselben oder vergleichbare Beeinträchtigungen im vorgesehenen Reisezeitraum auch am Heimatort des Reisenden vorliegen.
Rz. 23
(1) Nach § 651h Abs. 3 BGB und Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie sind die Verhältnisse am Bestimmungsort der Reise maßgeblich.
Rz. 24
Hieraus folgt, dass es für den Ausschluss des Entschädigungsanspruchs grundsätzlich nicht genügt, wenn (nur) am Wohnort des Reisenden oder an sonstigen Orten Beeinträchtigungen auftreten, aufgrund derer der Reisende an einer Teilnahme gehindert ist, obwohl die Reiseleistungen am Bestimmungsort wie vorgesehen erbracht werden könnten. Der Reiseveranstalter trägt mithin nur das Risiko, dass die von ihm geschuldete Leistung nicht oder nur mit erheblichen Beeinträchtigungen erbracht werden kann, nicht aber das Risiko, dass Hindernisse außerhalb dieses Bereichs auftreten.
Rz. 25
Bei dieser Ausgangslage ist ein Entschädigungsanspruch auch dann ausgeschlossen, wenn Beeinträchtigungen im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB und Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie sowohl am Bestimmungsort als auch am Wohnort des Reisenden auftreten. Auch in dieser Konstellation ist eine Erbringung der vorgesehenen Leistungen am Bestimmungsort nicht möglich. Dass die Leistungen auch an anderen Orten nicht erbracht werden könnten, ist demgegenüber unerheblich.
Rz. 26
(2) Entgegen der Auffassung der Revision führt dies nicht dazu, dass die wirtschaftlichen Folgen einer Pandemie allein dem Reiseveranstalter auferlegt werden.
Rz. 27
Sofern eine Pandemie dazu führt, dass die Durchführung der Reise aufgrund der Verhältnisse am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe erheblich beeinträchtigt ist, kann der Reiseveranstalter die mit einer Durchführung verbundenen wirtschaftlichen Vorteile allerdings nicht realisieren; zudem droht ihm die Gefahr, dass er zumindest einen Teil der für die Reise anfallenden Kosten tragen muss. Diese Folgen der in § 651h Abs. 3 BGB und Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie vorgesehenen Risikoverteilung erscheinen aber konsequent, weil der Reiseveranstalter in solchen Fällen nicht in der Lage ist, die von ihm geschuldete Leistung ohne erhebliche Beeinträchtigungen zu erbringen. An dieser Beurteilung ändert sich nichts, wenn der Reisende aufgrund der Pandemie auch an seinem Wohnort erheblichen Beeinträchtigungen ausgesetzt ist.
Rz. 28
Bestehen Beeinträchtigungen im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB und Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie nur am Wohnort des Reisenden oder an sonstigen Orten, steht dem Reiseveranstalter hingegen eine Entschädigung zu. Dies erscheint ebenfalls konsequent, weil die Durchführung der Reise in solchen Fällen allein an Umständen scheitert, die der Sphäre des Reisenden zuzuordnen sind.
Rz. 29
Insgesamt führt die Regelung in § 651h Abs. 3 BGB und Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie damit auch für Pandemie-Situationen zu einer differenzierten und ausgewogenen Risikoverteilung.
Rz. 30
(3) Entgegen der Auffassung der Revision ist § 651h Abs. 3 BGB keine restriktiv anzuwendende Ausnahmeregelung, was der Anwendung der Vorschrift auf Pandemiesituationen entgegenstehen könnte.
Rz. 31
Nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen des Unionsrechts sind Abweichungen oder Ausnahmen von einer allgemeinen Regel grundsätzlich eng auszulegen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 6. September 2012 - C-190/11, NJW 2012, 3225 Rn. 27 - Mühlleitner). Dies gilt insbesondere für Bestimmungen, die eine Ausnahme von unionsrechtlichen Verbraucherschutzvorschriften darstellen (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2008 - C-549/07, NJW 2009, 347 Rn. 17 - Wallentin-Herman; Urteil vom 10. März 2005 - C-336/03, NJW 2005, 3055 Rn. 21 - easyCar UK Ltd).
Rz. 32
Die Regelungen in § 651h Abs. 1 und 3 BGB sowie Art. 12 Abs. 1 und 2 der Richtlinie stehen jedoch nicht in einem solchen Regel-Ausnahme-Verhältnis. Sie dienen vielmehr einem angemessenen Ausgleich zwischen dem berechtigten Vergütungsinteresse des Reiseveranstalters und dem Ziel eines hohen Verbraucherschutzniveaus, wie dies Erwägungsgrund 5 der Richtlinie vorgibt. Eine enge Auslegung von § 651h Abs. 3 BGB würde dazu führen, dass dem Verbraucher zusätzliche Risiken auferlegt würden - in diesem Fall das Risiko einer Pandemie. Dies stünde in Widerspruch zu der genannten Zielsetzung.
Rz. 33
dd) Der Umstand, dass die von einer Pandemie für den Reisenden ausgehenden Risiken im Falle einer Durchführung der Reise nicht höher sind als bei ihrer Nichtdurchführung, mag in einzelnen Konstellationen allerdings dazu führen, dass es an einer erheblichen Beeinträchtigung im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB und Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie fehlt.
Rz. 34
(1) Ob eine pandemische Lage am Bestimmungsort eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise zur Folge hat, lässt sich nicht pauschal beantworten. Maßgeblich sind die Umstände des jeweiligen Falles, insbesondere die Gefahren, die dem Reisenden bei Durchführung der Reise drohen. Je nach Lage des Falles kann eine erhebliche Beeinträchtigung etwa zu verneinen sein, wenn die Teilnahme an der Reise mit keinem unzumutbaren Infektionsrisiko verbunden ist. Ein solches Risiko kann insbesondere dann ausgeschlossen sein, wenn ein engerer Kontakt mit anderen Reisenden oder sonstigen Personen nicht zu erwarten ist, zum Beispiel bei Unterkunft in Ferienhäusern oder -wohnungen und Anreise mit einem Mietwagen.
Rz. 35
Ist die Durchführung der Reise mit nicht zumutbaren Risiken verbunden, steht dem Reiseveranstalter demgegenüber nicht schon deshalb ein Entschädigungsanspruch zu, weil der Reisende vergleichbaren Risiken auch dann ausgesetzt wäre, wenn die Reiseleistungen an seinem Wohnort erbracht würden. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob es dem Reisenden zuzumuten ist, an der Reise trotz der damit verbundenen Beeinträchtigungen teilzunehmen. Sofern dies zu verneinen ist, kommt dem Umstand, welche Risiken dem Reisenden zu Hause drohen, keine eigenständige Bedeutung zu.
Rz. 36
(2) Im Streitfall ist die Beurteilung des Berufungsgerichts auch unter diesem Gesichtspunkt aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Rz. 37
Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Durchführung der Reise aufgrund der Verhältnisse am Bestimmungsort mit erheblichen Beeinträchtigungen verbunden gewesen wäre. Hierbei hat es der durch die Absage der Reise zum Ausdruck gebrachten Einschätzung der Beklagten entscheidende Bedeutung beigemessen.
Rz. 38
Bei dieser Ausgangslage brauchte sich das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision nicht mit der Frage zu befassen, welche Risiken dem Kläger an seinem Wohnort drohten.
Rz. 39
c) Der Ausschluss eines Entschädigungsanspruchs der Beklagten nach § 651h Abs. 3 BGB hängt vor diesem Hintergrund davon ab, ob mit der pandemiebedingt erfolgten Absage der Kreuzfahrt auf einen Umstand abgestellt werden darf, der im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Klägers noch nicht eingetreten und auch noch nicht absehbar war.
Rz. 40
Ob nachträgliche Ereignisse bei der Beurteilung der Beeinträchtigung der Pauschalreise durch unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände berücksichtigt werden können, ist Gegenstand des oben genannten Vorabentscheidungsersuchens des Senats. Dessen Ausgang ist auch hier entscheidungserheblich, da das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, dass nicht nur nachträglich, sondern bereits zum Zeitpunkt des Rücktritts, also mehr als vier Monate vor Reisebeginn Umstände absehbar waren, die eine erhebliche Wahrscheinlichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise begründen konnten.
Rz. 41
Angesichts dessen kann der Senat vor einer Entscheidung des Gerichtshofs keine abschließende Sachentscheidung treffen.
Rz. 42
3. Eine weitere Vorlage an den Gerichtshof ist nicht geboten, da sie eine Beantwortung der bereits gestellten Rechtsfrage nicht beschleunigen würde und der Gerichtshofs durch eine mehrfache Befassung mit derselben Rechtsfrage zusätzlich belastet würde (vgl. dazu etwa BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - VIII ZR 236/10). Deshalb ist es sachgerecht, das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO auszusetzen, bis der Gerichtshof über die bereits vorgelegte Frage entschieden hat.
Bacher |
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Hoffmann |
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Deichfuß |
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Marx |
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Fundstellen
Dokument-Index HI15391115 |