Verfahrensgang
Anwaltsgerichtshof Hamm (Urteil vom 26.01.2024; Aktenzeichen 1 AGH 34/23) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 26. Januar 2024 verkündete Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Kläger ist seit 1997 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 15. August 2023 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die Klage gegen den Widerrufsbescheid hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Rz. 2
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Rz. 3
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des angefochtenen Urteils mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 mwN). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (Senat, Beschluss vom 27. September 2023 - AnwZ (Brfg) 18/23, NJW-RR 2023, 1609 Rn. 3 mwN).
Rz. 4
Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls ist nach der Rechtsprechung des Senats allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.; vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 77/13, juris Rn. 3 mwN und vom 12. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 60/17, juris Rn. 4).
Rz. 5
a) Ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 882b ZPO) eingetragen ist (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Hs. 2 BRAO). Ein Rechtsanwalt, der in diesem Verzeichnis eingetragen ist, muss nach ständiger Senatsrechtsprechung zur Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und konkret darlegen sowie belegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind (z.B. Senat, Beschluss vom 30. Mai 2022 - AnwZ (Brfg) 6/22, juris Rn. 6 m.zahlr.w.N.).
Rz. 6
Der Kläger hat sich zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides vom 15. August 2023 in Vermögensverfall befunden. Der Anwaltsgerichtshof hat den Vermögensverfall des Klägers aus der gesetzlichen Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 Hs. 2 BRAO hergeleitet, da im Hinblick auf den Kläger im Zeitpunkt des Widerrufs in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis drei Eintragungen zu den Aktenzeichen DR II 637/22, DR II 1246/19 und DR II 555/22 bestanden (S. 7 ff. i.V.m. S. 3 f. des angefochtenen Urteils). Die hiergegen gerichteten Rügen des Klägers begründen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils schon deshalb nicht, weil sie jedenfalls die Eintragung vom 5. Januar 2021 zum Aktenzeichen DR II 1246/19 in dem vorgenannten Verzeichnis nicht in Frage stellen. Bereits diese Eintragung begründet die Vermutung des Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Hs. 2 BRAO. Zudem bestand zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheides vom 15. August 2023 auch die Eintragung zum Aktenzeichen DR II 555/22, die nach der vom Kläger nunmehr vorgelegten Bestätigung des Amtsgerichts Hagen erst am 8. Februar 2024 gelöscht wurde. Der Kläger hat nach den Angaben in seinem Schriftsatz vom 25. Januar 2024 und den dazu vorgelegten Unterlagen die letzten beiden Zahlungen auf die dieser Eintragung zugrunde liegende Forderung erst am 2. September 2023 und 4. Oktober 2023 und mithin nach dem Widerrufsbescheid geleistet.
Rz. 7
Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob - wie der Kläger nunmehr vorträgt und belegt - die der Eintragung mit dem Aktenzeichen DR II 637/22 zugrunde liegenden rückständigen Darlehensraten vom Kläger noch vor dem Widerrufsbescheid vom 15. August 2023 beglichen wurden.
Rz. 8
b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen auch nicht, soweit dort ausgeführt wird, bei Erlass des Widerrufsbescheides seien Anhaltspunkte, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet gewesen seien, nicht erkennbar gewesen (S. 10 f. des angefochtenen Urteils).
Rz. 9
Nach der Rechtsprechung des Senats ist nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss 11. Mai 2023 - AnwZ (Brfg) 33/22, ZInsO 2023, 1951 Rn. 11 m.zahlr.w.N.). Von einem solchen Ausnahmefall kann nur ausgegangen werden, wenn im Zeitpunkt des Widerrufs eine sichere Prognose dahingehend getroffen werden kann, dass sich im zu entscheidenden Einzelfall die typischen Gefahren, die mit dem Vermögensverfall eines Anwalts verbunden sind, nicht realisieren werden (Senat, Beschlüsse vom 11. Mai 2023, aaO, und vom 10. Oktober 2022 - AnwZ (Brfg) 19/22 juris Rn. 7 mwN).
Rz. 10
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang vorbringt, sein Anderkonto sei ihm von dem kontoführenden Kreditinstitut gekündigt worden, weshalb er sich zur Vermeidung der Vermischung eigener Gelder mit Fremdgeld gegen eine Zahlung an sich verwehre und keine Fremdgelder mehr vereinnahme, begründet dies keinen Ausnahmefall im vorstehenden Sinne. Entscheidend ist, dass es - wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend erkannt hat (S. 11 des angefochtenen Urteils) - dem Kläger möglich ist, jederzeit die von ihm geübte Praxis zu ändern und künftig - unüberwacht - wieder mit Mandantengeldern in Berührung zu kommen (vgl. Senat, Beschluss vom 4. März 2019 - AnwZ (Brfg) 82/18, ZInsO 2019, 1063 Rn. 8).
Rz. 11
2. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist die Rechtssache nicht auf (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die Rechtssache wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zu Grunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den üblichen verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen deutlich abhebt (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2020 - AnwZ (Brfg) 24/20, juris Rn. 18 mwN). Das ist hier nicht der Fall.
Rz. 12
a) Soweit der Kläger die Pandemie und seine zu vorübergehenden Sehproblemen führende Tumorerkrankung im Jahr 2020 als Gründe für ein mangelndes Verschulden an seinem Vermögensverfall anführt, begründet dies keine tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache. Nach ständiger Senatsrechtsrechtsprechung ist es nach der Zielsetzung und dem Inhalt des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO für den Widerruf nicht entscheidend, aus welchen Gründen der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist und ob er dies verschuldet hat (vgl. Senat, Beschlüsse vom 16. Dezember 2021 - AnwZ (Brfg) 36/20, ZInsO 2022, 652 Rn. 10 mwN; vom 6. Mai 2021 - AnwZ (Brfg) 38/20, ZInsO 2021, 1437 Rn. 16 und vom 8. Januar 2018 - AnwZ (Brfg) 10/17, juris Rn. 23 mwN).
Rz. 13
b) Schließlich begründet auch der vom Kläger angeführte „Cash Flow“ von ca. 50.000 € im Zeitraum von Dezember 2023 bis März 2024 keine tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im vorgenannten Sinne. Er datiert nach dem Widerruf vom 15. August 2023 und ist daher nach den Grundsätzen der Senatsrechtsprechung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht zu berücksichtigen (s.o. zu 1).
Rz. 14
3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur Senat, Beschluss vom 6. Februar 2012 - AnwZ (Brfg) 42/11, juris Rn. 25 mwN). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Rechtslage ist eindeutig und nicht klärungsbedürftig.
III.
Rz. 15
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Limperg Remmert Grüneberg
Kau Geßner
Fundstellen
Dokument-Index HI16643730 |