Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufung wegen abgewiesener Schmerzensgeldklage. Geforderter Mindestbetrag als maximale Revisionsbeschwer. Unzulässige Nichtzulassungsbeschwerde bei erstmals in der Revisionsinstanz ausreichend bezifferter Schmerzensgeldforderung
Leitsatz (amtlich)
Bei Abweisung einer Schmerzensgeldklage besteht die vom Kläger mit der Revision geltend zu machende Beschwer i. S. d. § 26 Nr. 8 EGZPO äußerstenfalls in Höhe des in der Berufungsinstanz verlangten Mindestbetrages. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist deshalb unzulässig, wenn der Wert der Klageforderung unter Einschluss des Mindestbetrages 20.000 Euro nicht übersteigt. Die Absicht, erstmals mit der Revision eine die Wertgrenze übersteigende Größenordnung des Schmerzensgeldes geltend zu machen, führt nicht zur Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde.
Normenkette
ZPO §§ 2-3; EGZPO § 26 Nr. 8
Verfahrensgang
OLG Dresden (Urteil vom 14.02.2003) |
LG Leipzig |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 15. Zivilsenats des OLG Dresden v. 14.2.2003 wird auf seine Kosten verworfen.
Streitwert: 13.795,35 Euro
Gründe
I.
Der Kläger hat die Beklagten nach einem Verkehrsunfall auf materiellen und immateriellen Schadensersatz in Anspruch genommen. Der Kläger hat den materiellen Schaden in erster Instanz auf 6.662,33 Euro, in zweiter Instanz auf 6.125,97 Euro beziffert. Die Höhe des Schmerzensgeldes hat der Kläger in das Ermessen des Gerichts gestellt; jedoch hat er einen Betrag von mindestens 15.000 DM (= 7.669,38 Euro) für angemessen gehalten. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Streitwert ist vom LG auf 14.331,71 Euro, vom Berufungsgericht auf 13.795,35 Euro festgesetzt worden. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Wert der von dem Kläger mit einer Revision geltend zu machenden Beschwer zwanzigtausend Euro nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO, § 544 ZPO).
Der Kläger hat in erster und zweiter Instanz den Mindestbetrag des von ihm verlangten Schmerzensgeldes auf 15.000 DM beziffert. Bei dieser Sachlage kann mit der Revision betreffend das Schmerzensgeld äußerstenfalls eine Beschwer in Höhe des aberkannten Anspruchs von 7.669,38 Euro geltend gemacht werden. Die mit der Beschwerde geäußerte Schmerzensgeldvorstellung von 20.000 Euro führt zu keiner Erhöhung der geltend zu machenden Beschwer.
§ 26 Nr. 8 EGZPO stellt nicht darauf ab, in welcher Höhe der Beschwerdeführer die Klageforderung in der Revisionsinstanz (erstmals) beziffern will, sondern darauf, welche Beschwer aus dem Berufungsurteil er geltend machen kann und will (BGH, Beschl. v. 27.6.2002 - V ZR 148/02, BGHReport 2002, 898 = NJW 2002, 2720 f.). Eine klagende Partei ist durch eine gerichtliche Entscheidung nur insoweit beschwert, als diese von dem in der unteren Instanz gestellten Antrag zum Nachteil der Partei abweicht, ihrem Begehren also nicht voll entsprochen worden ist (BGH, Urt. v. 2.2.1999 - VI ZR 25/98, BGHZ 140, 335 [338] = MDR 1999, 545 und Urt. v. 2.10.2001 - VI ZR 356/00, MDR 2002, 49 = BGHReport 2002, 175 = VersR 2001, 1578 f., m. w. N.). Verlangt der Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, so ist für seine Beschwer als Rechtsmittelkläger nicht der angemessene Schmerzensgeldbetrag, sondern die vom Kläger geäußerte Größenvorstellung maßgebend (BGH, Urt. v. 2.2.1999 - VI ZR 25/98, BGHZ 140, 335 [340 f.] = MDR 1999, 545). Gibt der Kläger - wie hier - einen Mindestbetrag an, so ist die Beschwer danach zu bestimmen, inwieweit der Urteilsausspruch der Vorinstanz dahinter zurückbleibt (BGH, Urt. v. 30.4.1996 - VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341 [351 f.] = MDR 1996, 886; Urt. v. 2.2.1999 - VI ZR 25/98, BGHZ 140, 335 [340 f.] = MDR 1999, 545 sowie Urt. v. 2.10.2001 - VI ZR 356/00, MDR 2002, 49 = BGHReport 2002, 175 = VersR 2001, 1578 f.; so auch Stein/Jonas/Roth, 22. Aufl., § 2 Rz. 107; Schwerdtfeger in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 3 Rz. 121; Schneider/Herget, Streitwert-Kommentar, 11. Aufl., Rz. 4401). Wird der Mindestbetrag zuerkannt, ist der Kläger nicht beschwert. Wird ihm ein unter dem geäußerten Mindestbetrag liegendes Schmerzensgeld zugesprochen, ergibt sich die Beschwer aus der Differenz zwischen dem Mindestbetrag und dem Zugesprochenen (BGH, Urt. v. 10.10.2002 - III ZR 205/01, MDR 2003, 26 = BGHReport 2003, 64 = VersR 2002, 1521 [1522], sub I 1). Wird die Klage - wie hier - insgesamt abgewiesen, ist der Kläger in voller Höhe des geäußerten Mindestbetrages beschwert.
Die in der Beschwerdebegründung geäußerte Ansicht, auf die Betragsvorstellung des Geschädigten komme es nur an, wenn der Mindestbetrag zugesprochen, der Klage also stattgegeben werde, ist nicht zutreffend. Erhält der Kläger das zugesprochen, was er (mindestens) verlangt hat, besteht kein Anlass, den Zugang zur Rechtsmittelinstanz mit dem Ziel der Durchsetzung einer höheren Klageforderung zu eröffnen (BGH, Urt. v. 2.2.1999 - VI ZR 25/98, BGHZ 140, 335 [338] = MDR 1999, 545 und Urt. v. 2.10.2001 - VI ZR 356/00, MDR 2002, 49 = BGHReport 2002, 175 = VersR 2001, 1578 f., m. w. N.). Entsprechendes gilt aber auch für den Fall der - vollen oder teilweisen - Abweisung der Klage. Ungeachtet der Frage, wie die Geltendmachung eines höheren Schmerzensgeldes rechtlich zu qualifizieren ist (BGH, Urt. v. 10.10.2002 - III ZR 205/01, MDR 2003, 26 = BGHReport 2003, 64 = VersR 2002, 1521 [1522]), und ungeachtet der Tatsache, dass eine möglicherweise darin liegende Klageerweiterung im Rechtsmittelverfahren nur in eingeschränktem Umfang (im Berufungsverfahren) oder überhaupt nicht (im Revisionsverfahren) möglich ist, setzt eine Erweiterung des Anspruchsumfangs jedenfalls voraus, dass das Rechtsmittel als solches zulässig eingelegt werden kann. Dies erfordert aber, dass - zumindest auch - die Beseitigung einer Beschwer verlangt werden kann (BGH, Urt. v. 2.2.1999 - VI ZR 25/98, BGHZ 140, 335 [338] = MDR 1999, 545 und Urt. v. 2.10.2001 - VI ZR 356/00, MDR 2002, 49 = BGHReport 2002, 175 = VersR 2001, 1578 f., m. w. N.). Soweit die Revision nur auf eine Nichtzulassungsbeschwerde hin zugelassen werden kann, ist dies nur der Fall, wenn die gesetzlich bestimmte Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO überschritten ist.
Die Beschwerde ist demnach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
Fundstellen
Haufe-Index 1059036 |
BGHR 2004, 123 |
NJW-RR 2004, 102 |
DAR 2004, 29 |
MDR 2004, 349 |
NZV 2003, 565 |
VRS 2004, 117 |
VersR 2004, 219 |
ZfS 2004, 70 |
ProzRB 2004, 39 |