Verfahrensgang
OLG Hamm (Beschluss vom 10.08.2010; Aktenzeichen II-7 WF 93/10) |
AG Soest (Entscheidung vom 19.03.2010; Aktenzeichen 16 F 52/10) |
Tenor
Dem Antragsteller wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Senats für Familiensachen des OLG Hamm vom 10.8.2010, ergänzt durch den Beschluss vom 17.12.2010, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Rechtsbeschwerde gegen den vorgenannten Beschluss wird zurückgewiesen.
Wert: 2.880 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Der minderjährige Antragsteller hat für einen Antrag auf Kindesunterhalt gegen die Antragsgegnerin Verfahrenskostenhilfe beantragt. Die Antragsgegnerin bezog bereits vor Einleitung des Verfahrens Leistungen nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende), daneben erzielt sie aus Berufstätigkeit monatlich 400 EUR, von denen ihr 160 EUR nicht auf die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende angerechnet worden sind. Der Antragsteller hat die Meinung vertreten, dass der Antragsgegnerin auch ihr weiteres Erwerbseinkommen von 240 EUR nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II (nunmehr § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II) anrechnungsfrei zu belassen sei, wenn sie an ihn Unterhalt zahle.
Rz. 2
Das AG hat die Verfahrenskostenhilfe abgelehnt. Die vom Antragsteller eingelegte Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen. Auf Anhörungsrüge des Antragstellers hat es die Rechtsbeschwerde zugelassen, mit welcher dieser die Verfahrenskostenhilfebewilligung weiterverfolgt.
II.
Rz. 3
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch sonst zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden ist.
Rz. 4
1. Allerdings hat das OLG in unzulässiger Weise die Beantwortung einer rechtsgrundsätzlichen Frage in das Verfahrenskostenhilfeverfahren verlagert.
Rz. 5
Ist das Beschwerdegericht in einem Verfahrenskostenhilfeverfahren der Auffassung, dass die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung von der Klärung einer in der Rechtsprechung der OLG umstrittenen und höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfrage abhängt, muss es dem Beschwerdeführer beim Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen insoweit Verfahrenskostenhilfe bewilligen, und zwar auch dann, wenn es die Auffassung vertritt, dass die Rechtsfrage zu Ungunsten des Beschwerdeführers zu entscheiden ist (BGH v. 8.5.2013 - XII ZB 624/12 - zur Veröffentlichung bestimmt; v. 17.3.2004 - XII ZB 192/02, NJW 2004, 2022; v. 12.12.2012 - XII ZB 190/12, FamRZ 2013, 369). Das gilt ebenso, wenn das Beschwerdegericht auf eine Anhörungsrüge die Rechtsbeschwerde nachträglich zulässt, nachdem es erkannt hat, dass es sich um eine noch nicht geklärte Rechtsfrage handelt.
Rz. 6
Die Begründung des Beschwerdegerichts, die Verfahrenskostenhilfebewilligung sei nicht der gebotene Weg, weil es sich dabei um einen zeitraubenden Umweg handele, verkehrt nicht nur den von ihm erkannten Grundsatz in sein Gegenteil, sondern verkennt auch, dass der BGH als Rechtsbeschwerdegericht - abgesehen von spezifischen Fragen des Verfahrenskostenhilfeverfahrens - zur Klärung materieller Grundsatzfragen im Verfahrenskostenhilfeverfahren ebenfalls nicht berufen ist.
Rz. 7
2. Die Rechtsbeschwerde ist dennoch zurückzuweisen. Der Senat hat die Rechtsfrage, ob sich die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners durch die Titulierung des Unterhalts und den darauf folgenden Bezug von (höheren) Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erhöhen lässt, inzwischen durch Beschluss vom 19.6.2013 (XII ZB 39/11 - zur Veröffentlichung bestimmt) geklärt. Der Beschluss des OLG steht damit im Einklang.
Rz. 8
Auch der Umstand, dass dem Verfahrenskostenhilfegesuch des Antragstellers bei Bewilligungsreife hätte entsprochen werden müssen, führt nach geklärter Rechtslage wegen der fehlenden Erfolgsaussicht in der Hauptsache nicht zur nachträglichen Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe (vgl. BGH v. 7.3.2012 - XII ZB 391/10, FamRZ 2012, 964 Rz. 15 m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 5189378 |
FuR 2013, 3 |
NZS 2013, 878 |
FamFR 2013, 449 |