Leitsatz (amtlich)
Schadensersatzansprüche aus der Schlechterfüllung eines selbständigen, unentgeltlichen Auskunfts- oder Beratungsvertrags verjähren gemäß § 195 BGB in 30 Jahren.
Normenkette
BGB §§ 195, 676
Verfahrensgang
OLG Köln (Aktenzeichen 2 U 107/96) |
LG Köln (Aktenzeichen 8 O 94/95) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 7. Mai 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger, ein selbständiger Malermeister, wurde 1987 von der G. B. H. eG als Bauträgerin mit dem Außenanstrich an dem Neubau einer Eigentumswohnungsanlage in R. beauftragt. Wegen des hierfür erforderlichen Anstrichs an unterschiedlichen verzinkten Metallteilen führte der Kläger vor Arbeitsbeginn mit dem Beklagten zu 2, einem Außendienstmitarbeiter und Fachberater der Beklagten zu 1, die Farben und Lacke herstellt, ein Beratungsgespräch. Dessen Inhalt ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger reinigte den verzinkten Untergrund – nach seiner Behauptung entsprechend den Empfehlungen des Beklagten zu 2 – fälschlich mit Nitroverdünnung und trug sodann die im Großhandel erworbene und jedenfalls überwiegend von der Beklagten zu 1 produzierte Farbe auf. Nach Ausführung der Arbeiten platzte die Beschichtung von dem Untergrund ab.
In zwei Vorprozessen nahmen deswegen die Wohnungseigentümer die B. (5 O 492/92) und diese wiederum den Kläger (4 O 50/94 F, beide LG K.) erfolgreich auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten in Anspruch. Mit der vorliegenden, der Beklagten zu 1 am 25. November 1994 zugestellten Klage, die der Kläger außer auf eigenes Recht auf ihm abgetretene Ansprüche der Wohnungseigentümer sowie der B. H. gestützt hat, begehrt er Erstattung jener Urteilssumme zuzüglich Zinsen und Kosten von zusammen 56.841,39 DM nebst Zinsen hieraus und ferner die Feststellung, daß die Beklagten ihm als Gesamtschuldner auch zum Ersatz aller weiteren Schäden verpflichtet seien. Die Beklagten haben sich unter anderem auf Verjährung berufen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers sowie dessen Antrag, gegen den zweitinstanzlich nicht vertretenen Beklagten zu 2 Versäumnisurteil zu erlassen, zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Während des Revisionsverfahrens ist der Beklagte zu 2 verstorben. Auf Antrag seines Prozeßbevollmächtigten hat der Senat das Verfahren insoweit gemäß § 246 ZPO ausgesetzt.
Entscheidungsgründe
Nach der teilweisen Aussetzung des Verfahrens ist durch Teilurteil (§ 301 ZPO) nur über die Klage gegen die Beklagte zu 1 zu entscheiden. Insoweit hat die Revision Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils in diesem Umfang und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 1 aus dem Produkthaftungsgesetz vom 15. Dezember 1989 und aus unerlaubter Handlung (§§ 823, 831 BGB) ebenso verneint wie an den Kläger abgetretene vertragliche oder deliktische Ansprüche der Wohnungseigentümer und der B. H. Das nimmt die Revision hin. Durchgreifende Rechtsfehler sind hierbei auch nicht ersichtlich.
II.
1. Hingegen hat das Berufungsgericht Schadensersatzansprüche des Klägers aus eigenem Recht gemäß § 635 BGB (i.V.m. § 278 BGB) für möglich gehalten. Nach dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers hätten die Parteien konkludent einen Auskunftsvertrag geschlossen, der indessen als Werkvertrag einzustufen sei. Für eine falsche Auskunft des Beklagten zu 2 hafte die Beklagte deshalb nicht entsprechend den Regeln über die positive Vertragsverletzung, sondern nach § 635 BGB, da es sich um einen sogenannten engeren Mangelfolgeschaden handele. Dieser Schadensersatzanspruch sei gemäß § 638 Abs. 1 BGB aber selbst dann verjährt, wenn man zugunsten des Klägers hier die fünfjährige Verjährungsfrist für Arbeiten bei Bauwerken zugrunde lege.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand. Für die Schlechterfüllung eines zwischen den Parteien zustande gekommenen Auskunfts- oder Beratungsvertrags haftet die Beklagte zu 1 nicht werkvertraglich aus §§ 633 ff. BGB, sondern nach Auftragsrecht. Für die Verjährung gilt deswegen statt der kurzen Fristen in § 638 BGB die allgemeine Verjährungsfrist von 30 Jahren gemäß § 195 BGB.
a) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht allerdings auf der Grundlage des Klagevorbringens den stillschweigenden Abschluß eines selbständigen Beratungsvertrags zwischen den Parteien über die Vorbehandlung der zu streichenden verzinkten Metallflächen sowie die Auswahl der für den Anstrich geeigneten Farben bejaht. Diese, im wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegende Würdigung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 30. Mai 1990 - VIII ZR 367/89 - NJW-RR 1990, 1301, 1302 = WM 1990, 1469, 1470 f.; vom 19. März 1992 - III ZR 170/90 - NJW-RR 1992, 1011 ff. = WM 1992, 1246 f. und vom 23. Juli 1997 - VIII ZR 238/96 - NJW 1997, 3227, 3228) und wird auch von der Revisionserwiderung nicht in Frage gestellt.
b) Ein solcher Beratungsvertrag ist, wenn er entgeltlich ist, grundsätzlich Dienst- oder Werkvertrag, bei Unentgeltlichkeit hingegen Auftrag (Staudinger/Wittmann, BGB, 13. Bearb. § 676 Rn. 9; teilweise abweichend BGB-RGRK/Steffen, 12. Aufl., § 676 Rn. 15: bei Unentgeltlichkeit Vertrag sui generis). So liegen die Dinge hier. Die Beklagte zu 1 oder ihr Fachberater haben für ihre Beratung ein Honorar weder gefordert noch erhalten. Daß die Kosten für Beratungsleistungen dieser Art von der Beklagten in ihre Abgabepreise einkalkuliert sein mögen und dadurch im Ergebnis mittelbar von allen Endabnehmern zu tragen sind, worauf das Landgericht hingewiesen hat, begründet schon keine über eine lediglich wirtschaftliche Beteiligung hinausgehende rechtliche Beziehung zwischen Produkthersteller und Verwender. Erst recht wird durch einen solchen in den Kaufpreisen enthaltenen Kostenanteil kein Gegenseitigkeitsverhältnis (Synallagma) zwischen einer Kaufpreiszahlung an den Händler und der Beratungsleistung seitens des nicht mit dem Verkäufer identischen Produzenten hergestellt, wie es für eine Qualifizierung des Vertragsverhältnisses zwischen beiden als Dienst- oder Werkvertag erforderlich wäre.
c) Mangels einer gesetzlichen Sonderregelung richtet sich die Verjährung von Schadensersatzansprüchen aus der Schlechterfüllung eines selbständigen Beratungsvertrags daher nach § 195 BGB (BGHZ 70, 356, 361 für einen entgeltlichen Vertrag; BGH, Urteile vom 30. Mai 1990, 19. März 1992 und 23. Juli 1997 aaO; Staudinger/Wittmann, § 676 Rn. 26; BGB-RGRK/Steffen, § 676 Rn. 67). Daß auch die kurze Verjährungsfrist des § 477 Abs. 1 BGB nicht eingreift, wenn der Verwender eines Produkts mit dessen Hersteller einen derartigen Beratungsvertrag geschlossen hat, mag sich die Beratung auch auf Sacheigenschaften wie die Verwendungsfähigkeit der Sache für den vorgesehenen Zweck beziehen, hat der Bundesgerichtshof gleichfalls bereits entschieden (BGH, Urteile vom 30. Mai 1990, vom 19. März 1992 und vom 23. Juli 1997 aaO). Für die vorliegende Fallgestaltung gilt nichts anderes.
Allerdings kann die Feststellung, ob die Beratungspflicht schuldhaft verletzt ist, nach längerer Zeit auf Schwierigkeiten stoßen. Dieser Gesichtspunkt allein rechtfertigt es aber weder, auf die positive Vertragsverletzung eines selbständigen Beratungsvertrags – in Abweichung von der hierfür grundsätzlich geltenden Regelverjährung – die für die kaufrechtliche Sachmängelhaftung geltende, sehr kurze Verjährungsfrist des § 477 BGB anzuwenden noch die ebenfalls verkürzten gesetzlichen Verjährungsfristen bei der werkvertraglichen Gewährleistung (§ 638 BGB) zu übertragen. Gewisse Wertungswidersprüche zwischen den Fällen kurzer Verjährung (Verletzung kaufvertraglicher Nebenpflichten oder Schlechterfüllung eines entgeltlichen, als Werkvertrag zu qualifizierenden selbständigen Beratungsvertrags) und denen mit dreißigjähriger Regelverjährung (bei unentgeltlichem oder als Dienstvertrag zu qualifizierendem Beratungsvertrag, soweit nicht Sondervorschriften wie § 51 b BRAO eingreifen) sind in der – vielfach reformbedürftigen – Systematik des Gesetzes bedingt (vgl. hierzu Abschlußbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, 1992, S. 26 ff.) und deswegen hinzunehmen. Im übrigen läßt sich eine längere Verjährungsfrist bei der Schlechterfüllung von Beratungsverträgen auch damit rechtfertigen, daß sich Beratungsmängel typischerweise erst nach Inanspruchnahme des Ratsuchenden aus seiner eigenen Gewährleistung gegenüber seinen Auftraggebern und damit häufig erst nach geraumer Zeit herausstellen werden.
Nach alledem ist der Klageanspruch nicht verjährt.
III.
Aus diesem Grunde kann das die Klage, soweit es die Beklagte zu 1 betrifft, nur wegen Verjährung abweisende Berufungsurteil nicht bestehenbleiben. Zur weiteren Aufklärung des im übrigen streitigen Sachverhalts ist der Rechtsstreit daher insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Rinne, Wurm, Schlick Richter am Bundesgerichtshof Dörr istinfolge Urlaubs an der Unterschriftsleistung verhindert. Kapsa, Rinne
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 11.03.1999 durch Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538788 |
NJW 1999, 1540 |
BGHR |
JR 2000, 422 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 1170 |
WuB 1999, 845 |
MDR 1999, 665 |
WuM 1999, 420 |
ZfBR 1999, 213 |