Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachentziehung
Normenkette
AKB § 12 Abs. 1b; ZPO § 286
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten aus einer bei ihr für einen Pkw, Mercedes-Benz 420 SL, unterhaltenen Kasko-Versicherung Entschädigung.
Dieses Fahrzeug war ihm am 10. März 1986 aufgrund eines Kaufvertrages von der Niederlassung K. der D. AG ausgeliefert worden. Am 6. Februar 1990 nahm ein Herr M. den Pkw ohne Willen des Klägers an sich, als dieser das Fahrzeug in K. abgestellt hatte. M. war der Freund und Sekretär des am 5. Dezember 1989 verstorbenen Dirigenten Sir J. P., mit dem auch der Kläger über ca. zehn Jahre hinweg engeren Kontakt hatte. Sir J. P. (im folgenden: Erblasser) hatte in einem Testament M. zum Erben eingesetzt. Dieser nimmt das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug als zum Nachlaß gehörend in Anspruch.
Die Beklagte hat eine Entschädigung aus der Kaskoversicherung mit der Begründung verweigert, der Kläger sei nicht Eigentümer des versicherten Fahrzeugs. Der Kläger hat dazu behauptet, er habe das Fahrzeug für sich selbst erworben, es sei sein Eigentum. Zwar habe er zur Begleichung des Kaufpreises u.a. einen Mercedes 500 SL in Zahlung gegeben, der einmal dem Erblasser gehört habe; dieser habe ihm den Pkw aber Jahre zuvor geschenkt gehabt. Ein vom Erblasser unter dem 15. April 1986 über eine Summe von 35.000 DM zu seinen Gunsten ausgestellter Scheck sei nicht für die Bezahlung des neuen Fahrzeugs verwendet worden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 65.600 DM nebst Zinsen zu verurteilen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage bis auf einen geringen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der vollen Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit dieses die Klage nicht abgewiesen hat.
1.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls im Sinne von § 61 VVG könne nicht festgestellt werden. Der Kläger habe nicht ernsthaft in Betracht ziehen müssen, daß einer der Fahrzeugschlüssel, die er in der Wohnung in L. oder in der in K. glaubte, zu einer rechtswidrigen Wegnahme des Fahrzeugs verwendet werden könnte. Diese Ausführungen sind rechtsfehlerfrei ebenso wie die zur Begründung dazu, daß der Kläger keine Aufklärungsobliegenheiten verletzt habe. Das wird von der Revision auch nicht angegriffen.
2.
Die Revision macht aber zu Recht geltend, daß das Berufungsgericht bei der Frage, ob eine Entwendung vorliegt, verfahrensfehlerhaft Beweisantritte übergangen hat, § 286 ZPO.
a)
Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß eine Entwendung im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. I b AKB die widerrechtliche Sachentziehung ist, die zur wirtschaftlichen Entrechtung des Eigentümers führt. Auf die innere Willensrichtung des Wegnehmenden, insbesondere darauf, ob sich dieser für berechtigt gehalten hat, das Fahrzeug als ihm gehörend wegzunehmen, kommt es nicht an (Senatsurteile BGHZ 79, 54, 60f.; vom 20. Januar 1993 - IV ZR 277/91 - VersR 1993, 472, 473).
Der Kläger ist wirtschaftlich nur dann entrechtet, wenn er Eigentümer des Fahrzeugs war. Ist hingegen beim Erwerb nicht er, sondern der Erblasser Eigentümer geworden, würde die Wegnahme durch den Erben M. keine wirtschaftliche Entrechtung des Klägers sein, weil er ohnehin dem Herausgabeanspruch des Erben ausgesetzt wäre. Entscheidend ist also, ob es der Beklagten gelungen ist, die sich aus § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB ergebende Vermutung für die Eigentümerstellung des Klägers zu widerlegen. Das hat das Berufungsgericht auch nicht verkannt.
b)
Es hat ausgeführt, die Verkäuferin habe dem Kläger durch Einigung und Übergabe Eigentum gemäß § 929 BGB verschafft, als sie das Fahrzeug auslieferte. Für sie habe kein Anlaß bestanden, nicht an den Kläger zu übereignen. Nach der Auftragsbestätigung habe der Kläger das Fahrzeug im eigenen Namen gekauft und - wenn auch mit Fremdmitteln - selbst bezahlt. Was die Beklagte demgegenüber vortrage, sei "gänzlich unsubstantiiert". Es sei nicht ersichtlich, inwiefern der Zeuge M. bekunden können solle, daß die Verkäuferin das Fahrzeug unmittelbar dem Erblasser übereignet habe, da er weder bei der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger noch bei den Verkaufsverhandlungen anwesend gewesen sei. Auch für eine Weiterübertragung des Eigentums durch den Kläger an diesen fehlten jegliche Angaben zu Ort und Zeit einer Weiterübertragung. Dem kann nicht gefolgt werden.
c)
Der Bundesgerichtshof hat stets entschieden, daß Sachvortrag dann schlüssig und damit erheblich ist, wenn er Tatsachen beinhaltet, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten, die Zeitpunkt und den Vorgang bestimmter Ereignisse betreffen, ist nicht erforderlich, soweit diese Einzelheiten für die Rechtsfolge nicht von Bedeutung sind (BGH, Urteil vom 12. Juli 1984 - VII ZR 123/83 - NJW 1984, 2888 unter II 1 a; vom 23. April 1991 - X ZR 77/89 - NJW 1991, 2707 unter II 4 b aa; vom 29. September 1992 - X ZR 84/90 - NJW-RR 1993, 189).
Diesen Anforderungen genügen die Behauptungen der Beklagten. Sie hat vorgetragen, der Kläger und der Erblasser seien sich unmittelbar nach der Übergabe einig gewesen, daß der Kläger das Fahrzeug lediglich für diesen in Gewahrsam habe. Es sei eindeutig abgesprochen gewesen, daß dieser Eigentümer geworden sei. Die Beklagte hat für diesen Vortrag den Erben M. als Zeugen benannt und ergänzend ausgeführt, dieser Zeuge habe die Informationen unmittelbar vom Erblasser erhalten. Er sei bei den angegebenen Gesprächen zugegen gewesen. Damit wird ein Sachverhalt behauptet, der die Voraussetzungen der §§ 929 Satz 1, 930 BGB erfüllt und geeignet ist, die Vermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB zu widerlegen. Auf Umstände im einzelnen kommt es für die Rechtsfolge nicht an. Sie mögen für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage von Bedeutung sein und deshalb vom Tatrichter bei der Beweisaufnahme erfragt werden.
Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, die Beklagte habe ihre Behauptungen aus der Luft gegriffen. Mit Recht weist die Revision darauf hin, daß sich ihre Behauptungen als Einlassung von M. in den beigezogenen Strafakten finden. Weitere Anhaltspunkte liegen in dem zum Teil unbestrittenen Vortrag der Beklagten, auch das in Zahlung gegebene Fahrzeug habe ursprünglich dem Erblasser gehört, der auch den Scheck über 35.000 DM ausgestellt habe, mit dem der Kläger einen Teil des Kaufpreises für das Neufahrzeug beglichen habe.
d)
Fehlerhaft ist das Berufungsgericht auch nicht dem Beweisangebot der Beklagten nachgegangen, der Zeuge W. möge vernommen werden. Nach dem Vortrag der Beklagten hat dieser Zeuge auf seiten der Verkäuferin des Fahrzeugs die Verhandlungen mit dem Kläger geführt. In sein Wissen hatte die Beklagte gestellt, der Kläger sei bei den Kaufverhandlungen nicht im eigenen Namen, sondern stets für den Erblasser aufgetreten. Trifft dies zu, ist auch dieser Umstand - gegebenenfalls mit weiteren Umständen - geeignet, die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB zu widerlegen.
3.
Bei der erneuten Verhandlung wird das Berufungsgericht je nach dem Ergebnis der nachzuholenden Beweisaufnahme auch die Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, daß der Kläger zwar Eigentümer des Fahrzeugs geworden ist, dieses Eigentum aber eventuell nur treuhänderisch für den Erblasser gehalten hat. Wenn dieser nach dem Inhalt des Treuhandvertrages das Fahrzeug jederzeit herausverlangen konnte, läge keine wirtschaftliche Entrechtung vor. Ansprüche aus dem Treuhandvertrag wären auf den Erben übergegangen.
Fundstellen