Leitsatz (amtlich)
Der Begriff Entwendung in § 12 Abs. 1 Ziff. I b AKB ist im Grundsatz dahin zu verstehen, daß eine widerrechtliche Sachentziehung vorliegen muß, die zur wirtschaftlichen Entrechtung des Eigentümers führt.
Der Versicherer braucht jedoch nicht zu leisten, wenn die Sachentziehung durch Verhalten von Personen eintritt, denen der Eigentümer eine Gebrauchsmöglichkeit der in § 12 Abs. 1 Ziff. I b AKB genannten Art eingeräumt hat.
Normenkette
AVB f. Kraftfahrvers. (AKB) § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. Dezember 1978 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten aus einer mit ihr abgeschlossenen Kaskoversicherung den Neupreis für einen Pkw, den seine Frau in ihre Heimat Ungarn mitgenommen und dort verkauft hat.
Der Kläger hatte den Pkw Marke VW-Scirocco LS Anfang Mai 1975 als Neuwagen erworben. Das Fahrzeug war auf ihn zugelassen. Nach dem Versicherungsschein vom 10. Juli 1975 hat der Kläger für diesen Wagen auch eine Vollversicherung mit 1.000 DM Selbstbeteiligung abgeschlossen. Dabei haben die Parteien die Geltung der AKB vereinbart.
Am 1. Dezember 1972 hatte der Kläger, der damals schon die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, die ungarische Staatsangehörige Dr. Judit E. geheiratet. Am 25. November 1975 verließ die Ehefrau des Klägers mit dem Wagen heimlich die eheliche Wohnung in Augsburg. Ihr in der Ehe geborenes Kind nahm sie mit. Sie fuhr nach Budapest, um sich vom Kläger zu trennen. In Ungarn gab sie die auf den Namen des Klägers lautenden deutschen Kraftfahrzeugpapiere ab. Sie erhielt neue Papiere und ein ungarisches Kennzeichen. Mittlerweile hat sie das Fahrzeug dort veräußert. Ihre Ehe mit dem Kläger ist in Budapest geschieden worden. Eine Vermögensauseinandersetzung ist dabei nicht durchgeführt worden.
Der Kläger hat behauptet, seine Ehefrau habe die Fahrzeugpapiere und -schlüssel aus dem Giftschrank seiner Praxis entwendet. Sie sei drogenabhängig gewesen und habe bereits drei Wagen vorher durch Unfall verloren. Deswegen habe er ihr die Benutzung des Fahrzeugs verboten. Es sei ausschließlich von ihm in seiner Praxis benutzt worden.
Die Beklagte meint, sie sei nicht eintrittspflichtig.
Der Kläger hat zunächst als Zeitwert abzüglich der Selbstbeteiligung 11.000 DM verlangt. Das Landgericht hat seiner Klage stattgegeben. In der Berufungsinstanz hat der Kläger den vollen Listenpreis von nach seiner Angabe 13.570 DM im Wege der Anschlußberufung geltend gemacht. Eine Selbstbeteiligung sei im Falle der Entwendung nicht zu berücksichtigen. Das Oberlandesgericht hat die Anschlußberufung zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Ersatzanspruch in voller Höhe weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache. Das Berufungsgericht ist von einer unzutreffenden Abgrenzung des Begriffs „Entwendung” im § 12 Abs. 1 Ziff. I b AKB ausgegangen und hat die in diesem Zusammenhang bedeutsame Aussage des Zeugen S. nicht, jedenfalls nicht hinreichend gewürdigt.
1. Die Fahrzeugversicherung umfaßt nach § 12 Abs. 1 Ziff. I b Satz 1 AKB die Beschädigung, die Zerstörung und den Verlust des Fahrzeugs sowie bestimmter zugehöriger Teile „durch Entwendung, insbesondere Diebstahl, unbefugten Gebrauch durch betriebsfremde Personen, Raub und Unterschlagung”. Nach Satz 2 dieser Bestimmung ist die Unterschlagung durch denjenigen, an den der Versicherungsnehmer das Fahrzeug unter Vorbehalt seines Eigentums veräußert hat, oder durch denjenigen, dem es zum Gebrauch oder zur Veräußerung überlassen wurde, von der Versicherung ausgeschlossen.
a) Das Berufungsgericht meint, weil die als Beispielsfälle aufgezählten strafrechtlichen Tatbestände eine bestimmte mißbilligte Willensrichtung hätten, liege eine Entwendung nur dann vor, wenn über die Wegnahme hinaus als subjektive Voraussetzung eine bestimmte Willensrichtung hinzutrete, mit der die Wegnahme erfolge. Dementsprechend falle unter den Begriff Entwendung nicht eine Wegnahme, bei der der Handelnde davon ausgehe, daß er einen dinglichen oder schuldrechtlichen Anspruch auf das Kraftfahrzeug habe.
b) In der Benutzung und in dem Behalten des Fahrzeugs durch die frühere Ehefrau des Klägers liege danach keine Entwendung in diesem Sinne. Dazu hat das Berufungsgericht festgestellt, daß die frühere Ehefrau des Klägers den Wagen selbst gefahren hat, auch nachdem der Kläger am 15. August 1975 nach Augsburg umgezogen war. Es hat weiter festgestellt, sie sei bei der Mitnahme des Fahrzeugs davon ausgegangen, daß es ihr zukomme, sei es in der Annahme, es gehöre ihr als Ersatz für den früher von ihr benutzten und durch Unfall zerstörten Wagen, sei es in der Annahme, der Kläger sei verpflichtet, es ihr bei einer Trennung zu geben, da er zwei Fahrzeuge habe.
Zu diesen Feststellungen ist das Berufungsgericht aufgrund der Aussagen der in erster Instanz vom ersuchten Richter vernommenen Zeugen und aufgrund weiterer Anhaltspunkte gelangt. Es hat dabei abweichend vom Landgericht entscheidend auf die Aussagen der früheren Ehefrau des Klägers und der in Augsburg vom Kläger angestellten Hausgehilfin St. abgestellt. Diesen Aussagen hatte das Landgericht nur wenig Beweiswert beigemessen und seinerseits sich auf die Aussagen des Zeugen S. und der Zeuginnen H. und Ho. gestützt.
Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe bei der Würdigung der Aussage der Zeugin Dr. S. und des Zeugen S. § 286 ZPO verletzt; die Zeugin St. hätte es selbst vernehmen müssen.
2. Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die in § 12 Abs. 1 Ziff. I b Satz 1 AKB genannten strafrechtlichen Beispielsfälle sämtlich auszuschließen sind.
Der Fall des Raubes entfällt bei der gegebenen Sachlage von vornherein. Ein Diebstahl kann nicht bejaht werden, weil dessen Tatbestand nicht erfüllt ist. Zwar hat das Berufungsgericht festgestellt, daß der Kläger Alleineigentümer des Fahrzeugs war. Ohne Bedeutung wäre auch, daß der Kläger den nach § 247 StGB erforderlichen Strafantrag nicht rechtzeitig gestellt hat. Der Strafantragsberechtigte kann nicht allein wegen des Vorliegens eines Versicherungsvertrages gezwungen werden, den für eine strafrechtliche Verfolgung seines Angehörigen oder des mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Täters notwendigen Strafantrag zu stellen (vgl. Bruck/Möller/Johannsen VVG 8. Aufl. Bd. V Anm. J 51). Zum Tatbestand des Diebstahls (§ 242 bzw. 247 StGB) gehört aber außer der Wegnahme als sogenanntes subjektives Unrechtselement auch die Absicht des Täters, sich die weggenommene Sache rechtswidrig zuzueignen. Auch dieses subjektive Tatbestandsmerkmal muß für diesen Beispielsfall gegeben sein, weil § 12 AKB in den aufgezählten Beispielsfällen auf das Vorliegen des mit Strafe bedrohten Tatbestandes abstellt. An diesem Tatbestandsmerkmal fehlt es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts. Danach ist die frühere Ehefrau des Klägers bei der Mitnahme des Fahrzeugs davon ausgegangen, daß es ihr zukomme. Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, daß sie den Wagen auch nach dem Umzug nach Augsburg noch längere Zeit selbst gefahren hat. Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft; sie sind nicht begründet (§ 565 a ZPO).
Der Tatbestand der Unterschlagung ist durch die Mitnahme des Fahrzeugs seitens der früheren Ehefrau des Klägers ebensowenig erfüllt. Nach dem Vorbringen des Klägers hatte diese damals keinen Alleingewahrsam an dem Wagen. Auch nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist jedenfalls Mitgewahrsam des Klägers nicht auszuschließen. Ob die frühere Ehefrau des Klägers mit dem Verkauf des Wagens in Ungarn objektiv eine Unterschlagung begangen hat und ob das gegebenenfalls innerhalb der Zweijahresfrist des § 13 Abs. 2 Satz 1 AKB geschehen wäre, kann im Hinblick auf die Ausführungen unten zu 3. und die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Ziff. I b Satz 2 AKB dahinstehen.
Schließlich kommt unbefugter Gebrauch des Fahrzeugs im Sinne von § 12 Abs. 1 Ziff. I b Satz 1 AKB zumindest deshalb nicht als Entschädigungstatbestand in Betracht, weil der Gebrauch als solcher nicht zum Verlust des Wagens geführt hat.
3. Der Auslegung des Begriffs Entwendung durch das Berufungsgericht kann dagegen nicht gefolgt werden.
a) Eine allgemein anerkannte Auslegung dieses Begriffs, soweit damit nicht die strafrechtlichen Beispielsfälle gemeint sind, gibt es bislang nicht. Der Bundesgerichtshof hat sich mit dieser Frage noch nicht befaßt. Das Schrifttum kommt zu nicht ganz einheitlichen Ergebnissen (Gericke DAR 1953, 63 ff; Stiefel/Hofmann 11. Aufl. Rdn. 29 bis 33 zu § 12 AKB; Pienitz/Flöter 4. Aufl. Erl. G I 2 zu § 12 AKB; Prölss/Martin 22. Aufl. Anm. 3 zu § 12 AKB; Tiedchen VersR 1965, 740 ff, dazu Wussow WI 1965, 141; Bruck/Möller/Johannsen VVG 8. Aufl. Bd. V Anm. J 41 ff, insbesondere J 51). Alle genannten Autoren stimmen zwar darin überein, daß die subjektiven Voraussetzungen der mit Strafe bedrohten Handlungen nicht vorzuliegen brauchen, so daß auch Handlungen Schuldunfähiger oder Unzurechnungsfähiger dem Begriff unterfallen können. Nicht ganz eindeutig ist jedoch, wie weit die daraus gezogene Folgerung (vgl. Stiefel/Hofmann aaO Rdn. 29; Pienitz/Flöter aaO) gehen soll, unter den Begriff falle die Wegnahme auch dann, wenn der Täter irrtümlicherweise annehme, dazu berechtigt zu sein. Andererseits heißt es nämlich, daß „rein zivilrechtliche Tatbestände” wie die Pfandnahme des Fahrzeugs nicht gedeckt seien (Stiefel/Hofmann aaO Rdn. 31; Pienitz/Flöter aaO unter a).
b) Diese Unklarheit will das Berufungsgericht dadurch ausräumen, daß es auf den vom Wegnehmenden behaupteten zivilrechtlichen Anspruch und damit auf eine nicht mißbilligte Willensrichtung abstellen will.
Die der Wegnahme zugrunde liegende Willensrichtung des Täters kann jedoch nicht als Abgrenzungsmerkmal herangezogen werden. Als Oberbegriff und Auffangtatbestand führt der Begriff „Entwendung” in § 12 Abs. 1 Ziff. I b AKB über die in dieser Bestimmung „insbesondere” genannten strafrechtlichen Tatbestände hinaus. Er soll aber auch nicht jeden Fall einer Sachentziehung erfassen, wie die Einschränkung für die Fälle der Gebrauchsanmaßung in Satz 1 und der Unterschlagung in Satz 2 zeigen.
Die strafrechtlichen Beispielstatbestände setzen teilweise Gewahrsamsbruch durch den Täter, teilweise beim Täter vorhandenen Alleingewahrsam voraus. Sowohl die Tatbestände der Eigentumsdelikte im engeren Sinne als auch der der Gebrauchsanmaßung sind versichert. Für die Auslegung des Begriffs Entwendung muß neben dessen Wortsinn auf den Zweck der Bestimmung abgestellt werden. Sie dient dazu, den Umfang der Kaskoversicherung, also das nach dem Versicherungsvertrag versicherte Risiko zu beschreiben. Um den Interessen der am Versicherungsvertrag Beteiligten Rechnung zu tragen, sollte das Risiko so beschrieben werden, daß der Eintritt des Versicherungsfalls unschwer festzustellen ist.
Den Beweis für den Eintritt des Versicherungsfalles muß der Versicherungsnehmer führen. Nach der Rechtsprechung genügt er in der Fahrzeugversicherung ebenso wie in der Einbruchsdiebstahlsversicherung seiner Beweislast mit dem Nachweis eines äußeren Sachverhalts, der nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Entwendung schließen läßt. Auch wenn mangels eines typischen Geschehensablaufs die Grundsätze des Anscheinsbeweises nicht eingreifen, genügt im Normalfall für einen Anzeichenbeweis, daß die festgestellten Indizien das äußere Bild eines Einbruchsdiebstahls oder einer Entwendung mit hinreichender Deutlichkeit ergeben (vgl. zuletzt BGH Urteil vom 19. Mai 1978 – IV ZR 78/77 – VersR 1978, 732 und Urteil vom 28. November 1979 – IV ZR 34/78 – VersR 1980, 229). Ohne diese Beweiserleichterungen wäre der Wert einer Kaskoversicherung in Frage gestellt. Der Versicherungsnehmer bliebe in vielen Fällen der Entwendung schutzlos, obwohl er sich durch den Abschluß der Kaskoversicherung gerade auch für Fälle schützen wollte, in denen die Umstände der Entwendung nicht umfassend aufgeklärt werden können. Dann aber kann für den Auffangtatbestand der Entwendung die Willensrichtung des Täters nicht als Abgrenzungsmerkmal verwendet werden. In aller Regel wäre nämlich der Versicherungsnehmer überfordert, wenn er beweisen müßte, daß der Entwendende mit dem Bewußtsein der Rechtswidrigkeit gehandelt hat bzw. daß seine Willensrichtung zu mißbilligen ist. Mit Recht verzichtet deshalb das Schrifttum einhellig – wie ausgeführt – auf den Nachweis auch der subjektiven Seite des strafbaren Verhaltens, so daß auch Handlungen Schuldunfähiger ausreichend sind. Nur für den Fall eines Diebstahls (und des Raubes, § 249 StGB) ist das bereits erwähnte subjektive Unrechtselement zu fordern, weil es zu dessen Tatbestand gehört. Diese Besonderheit kann hingenommen werden, weil der Auffangtatbestand der Entwendung dadurch nicht berührt wird.
Der Begriff der Entwendung drückt nach seinem Wortsinn und dem Zweck des § 12 Ziff. I b AKB eine objektiv unerlaubte, widerrechtliche Wegnahme aus, die eine – in der Regel endgültige – wirtschaftliche Entrechtung des Eigentümers zur Folge hat. Danach ist die Entwendung im Grundsatz dahin zu verstehen, daß eine widerrechtliche Sachentziehung vorliegen muß, die zur wirtschaftlichen Entrechtung des Eigentümers führt. Bei der Gebrauchsanmaßung wird sie erst akut, wenn und soweit infolge der Gebrauchsanmaßung die entzogene Sache, auf die sich die Versicherung bezieht, beschädigt oder zerstört wird oder verloren geht; dafür wird der Versicherungsnehmer entschädigt, nicht etwa für entgangene Gebrauchsvorteile.
c) Andererseits muß bei der Entscheidung der Frage, wann eine vom Versicherungsschutz umfaßte Entwendung vorliegt, beachtet werden, daß § 12 Abs. 1 Ziff. I b AKB insoweit selbst bestimmte Einschränkungen deutlich erkennen läßt. Das gilt insbesondere für Satz 2 der Bestimmung, der für den Fall der Unterschlagung ausdrücklich festlegt, daß Versicherungsschutz ausgeschlossen ist, wenn der Versicherungsnehmer dem Täter das Fahrzeug unter Vorbehalt seines Eigentums veräußert oder zum Gebrauch oder zur Veräußerung überlassen hat. Selbst Satz 1 der Bestimmung enthält hinsichtlich des Falles der Gebrauchsanmaßung eine gewisse Einschränkung („durch betriebsfremde Personen”). Daraus ergibt sich nach Ansicht des Senats, daß – unbeschadet der Tatbestände des Diebstahls und des Raubes – eine Entwendung vom Versicherungsschutz ausgenommen sein soll, bei der die Sachentziehung durch das Verhalten von Personen eintritt, denen der Eigentümer eine Gebrauchsmöglichkeit der in § 12 Abs. 1 Ziff. I b AKB genannten Art eingeräumt hat (Bruck/Möller/Johannsen aaO Anm. J 51 S. F 84: „Denn das Motiv für diese Einschränkungen ist, daß der Versicherer nicht für den Vertrauensmißbrauch eintreten will”). Hier ist das Vertrauen des Versicherungsnehmers in diese Personen nicht von der Versicherung gedeckt. Wenn durch deren Verhalten der Versicherungsnehmer in Bezug auf das Fahrzeug oder die versicherten Teile wirtschaftlich entrechtet wird, braucht der Versicherer nicht zu leisten. Die Voraussetzungen für diese Risikobegrenzung muß allerdings der Versicherer entsprechend § 12 Abs. 1 Ziff. I b AKB darlegen und beweisen, wie der Versicherungsnehmer andererseits den Versicherungsfall zu beweisen hat.
d) Von diesem Verständnis aus kann der im Schrifttum (vgl. Stiefel/Hofmann aaO Rdn. 29 a.E.) erwähnte Fall der versehentlichen, endgültigen Wegnahme von Werkzeug oder eines Ersatzreifens in der Werkstatt als versicherte Entwendung angesehen werden. Deshalb war jedenfalls eine Entwendung auch in dem Fall gegeben, der dem Urteil des früheren IV. Senats vom 27. November 1974 (IV ZR 117/73 – VersR 1975, 225) zugrunde lag, weil der Versicherungsnehmer nicht die Gebrauchsmöglichkeit eingeräumt hatte. Weil aber nur die widerrechtliche Sachentziehung versichert ist, wird die Verschaffung eines Faustpfandes, soweit sie zivilrechtlich zulässig ist (vgl. § 561 BGB), nicht gedeckt.
4. Danach kommt es entgegen der Ansicht des Berufungsgericht nicht entscheidend darauf an, ob die frühere Ehefrau des Klägers sich für befugt gehalten hat, das Fahrzeug als ihr gehörig mitzunehmen, ob sie davon ausgegangen ist, „es komme ihr zu”. Wesentlich ist vielmehr, ob ihr vom Kläger als dem Eigentümer des Fahrzeugs in Augsburg auch nach ihrer stationären Behandlung die Gebrauchsmöglichkeit weiterhin eingeräumt war. War dies nicht der Fall oder ist der Beweis dafür nicht geführt, dann wäre im vorliegenden Fall der Tatbestand der Entwendung zu bejahen.
Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht die Aussage des Zeugen S. in diesem Zusammenhang nicht gewürdigt habe. Dieser Zeuge hat mehrmals bekundet, der Kläger habe seiner früheren Ehefrau die Benutzung des Fahrzeugs verboten. Der Grund für dieses Verbot sei nicht allein der Wunsch der früheren Ehefrau des Klägers gewesen, sich vom Kläger zu trennen. Vielmehr habe diese auch nicht mehr fahren können. Sie habe bereits drei Fahrzeuge zu Schrott gefahren und sei in stationärer psychiatrischer Behandlung gewesen. Der Zeuge hat zumindest angedeutet, daß sie im Übermaß Medikamente zu sich genommen habe. Um seiner Ehefrau die Möglichkeit einer Versuchung zu nehmen, habe der Kläger mit ihr vereinbart, daß sie alle ihre Papiere ihm übergebe, was sie auch getan habe. Der Kläger habe die Papiere in seiner Praxis im Giftschrank verschlossen.
Auch diese Teile der Aussage des Zeugen S. muß das Berufungsgericht würdigen. Es wird dabei zu prüfen haben, ob der Kläger seiner früheren Ehefrau die Benutzung des Wagens tatsächlich verboten hat und ob ein etwaiges Verbot trotz der vorher vereinbarungsgemäß eingeräumten Gebrauchsmöglichkeit – diese hat das Berufungsgericht, wie ausgeführt, in nicht zu beanstandender Weise festgestellt – wirksam war. Nach den in der Aussage des Zeugen genannten Umständen kommt dies ggfs. auch unter Berücksichtigung der ehelichen Lebensverhältnisse und der sich daraus ergebenden beiderseitigen Pflichten durchaus in Betracht.
Kommt das Berufungsgericht bei dieser Würdigung zu einer solchen Feststellung oder ist der Beweis dafür, daß die Gebrauchsmöglichkeit der früheren Ehefrau des Klägers weiterhin eingeräumt war, nicht zu führen, dann wäre eine versicherte Entwendung im Sinne von § 12 Abs. 1 Ziff. I b AKB zu bejahen.
5. Unter diesen Umständen war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Dr. Hoegen, Rottmüller, Dehner, Dr. Schmidt-Kessel, Dr. Zopfs
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.11.1980 durch Hellmann, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 682249 |
BGHZ |
BGHZ, 54 |
NJW 1981, 684 |
Nachschlagewerk BGH |