Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatzpflicht bei sittenwidriger Schädigung bei Verletzung einer Leistungspflicht aus einseitigem Vermächtnis

 

Leitsatz (amtlich)

Der Grundsatz, daß die Beteiligung eines Dritten an dem Vertragsbruch einer Vertragspartei bei Vorliegen besonderer Umstände eine zum Schadensersatz verpflichtende sittenwidrige Schädigung des anderen Vertragspartners im Sinne von § 826 BGB sein kann, kann auch bei der Verletzung einer Leistungspflicht aus einem einseitigen Vermächtnis (§ 2174 BGB) angewendet werden.

 

Normenkette

BGB §§ 826, 2174

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 10. Oktober 1990 aufgehoben, soweit der Berufung des Beklagten zu 2) stattgegeben und über die Kosten entschieden worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Beklagte zu 1) ist die Witwe des am 14. September 1983 verstorbenen Bauers und Brauereidirektors Benedikt H. (Erblasser). Aus dieser Ehe gingen der Kläger, der Beklagte zu 2) und die am Verfahren nicht beteiligte Tochter Maria hervor.

Durch Ehe- und Erbvertrag vom 20. Juni 1939 hatten die Eheleute für ihre Ehe den Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 1519 ff. BGB a.F.) begründet. Eingebrachtes Gut des Mannes war dessen landwirtschaftliches Anwesen in V., S. platz ..., das damals Erbhof im Sinne des Reichserbhofgesetzes vom 29. September 1933 war (aufgehoben durch Kontrollratsgesetz Nr. 45). Durch notariellen Nachtrag vom 10. April 1945 zu dem Ehe- und Erbvertrag vereinbarten die Eheleute, daß die beklagte Ehefrau Anerbin des Erbhofes werde und daß sie dieses Anwesen an den Kläger "zu angemessenen Bedingungen" zu übergeben habe.

Mit notarieller Urkunde vom 14. Oktober 1987 bot die Beklagte zu 1) ihren drei Kindern je 1/3 Miteigentumsanteile an allen von ihrem Ehemann ererbten Grundstücken an. Nur der Beklagte zu 2) nahm dieses Angebot an; er wurde im Grundbuch eingetragen. Der Kläger erwirkte am 2. November 1987 eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagte zu 1), durch die die Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch zur Sicherung des Anspruchs des Klägers auf Übereignung der Grundstücke aus dem Erbvertrag vom 10. April 1945 angeordnet wurde. Die Eintragung der Vormerkung wurde jedoch abgelehnt, weil der Beklagte zu 2) bereits als Miteigentümer der Grundstücke eingetragen war.

Der Kläger beansprucht die Grundstücke für sich. Er macht geltend, der Beklagte zu 2) habe ihn durch die Entgegennahme seiner 1/3-Miteigentumsanteile an den Grundstücken sittenwidrig geschädigt und müsse ihm gemäß § 826 BGB Schadensersatz leisten. Er hat unter anderem beantragt, die Beklagte zu 1) zur Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen, zur Auflassung ihrer 2/3-Miteigentumsanteile an den Grundstücken und zur Bewilligung der Umschreibung im Grundbuch zu verurteilen, und zwar Zug um Zug gegen Bewirkung bestimmter, im einzelnen aufgeführter Gegenleistungen; ferner den Beklagten zu 2) zur Auflassung seiner 1/3-Miteigentumsanteile und zur Bewilligung der Umschreibung im Grundbuch zu verurteilen. Das Landgericht hat diesen Anträgen im wesentlichen stattgegeben und sie nur abgewiesen, soweit es sich um das Grundstück in V., Stadtplatz 28, und den sogenannten Obstgarten (Flurstücke 34 und 34/2) handelt.

Der Kläger und die Beklagte zu 1) haben sich inzwischen dahin gerichtlich verglichen, daß diese ihre 2/3-Miteigentumsanteile an den Kläger übereignet. Die Berufung des Klägers in Richtung gegen den Beklagten zu 2) hat keinen Erfolg gehabt. Auf die Berufung des Beklagten zu 2) hat das Berufungsgericht vielmehr die gegen ihn gerichtete Klage ganz abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der dieser nach wie vor die 1/3-Miteigentumsanteile des Beklagten zu 2) einschließlich der Grundstücke Stadtplatz 28 und Obstgarten für sich beansprucht.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit es der Berufung des Beklagten zu 2) stattgegeben hat. In diesem Umfang ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

1.

Das Berufungsgericht geht rechtsfehlerfrei davon aus, daß die Beklagte zu 1) Alleinerbin ihres Ehemanns geworden ist und daß sie mit einem Vermächtnis des Erblassers zugunsten des Klägers belastet ist, wonach dieser den Hof zu angemessenen Bedingungen zu beanspruchen hat. Inzwischen haben der Kläger und die Beklagte zu 1) sich durch Vergleich vom 28. März 1991 darauf festgelegt, daß die Beklagte zu 1) Alleinerbin geworden ist und daß der Kläger die 2/3-Miteigentumsanteile der Beklagten zu 1) an den Grundstücken des früheren Erbhofes erhält. Gegen diese Auslegung wendet sich der Beklagte zu 2) nur mit seiner abweichenden Auslegung; Rechtsfehler kann die Revisionserwiderung insoweit aber nicht aufzeigen.

2.

Da der Kläger die ihm noch fehlenden 1/3-Miteigentumsanteile des Beklagten zu 2) an den vermachten Grundstücken des früheren Erbhofs aber nicht mehr von der mit dem Vermächtnis beschwerten Beklagten zu 1) erlangen kann, nimmt er den Beklagten zu 2) insoweit aus dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB auf Schadensersatz in Anspruch. Das Berufungsgericht verneint einen solchen Anspruch, weil der Beklagte den Kläger nicht vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe. Die Beklagte zu 1) habe die Verpflichtung zur Übergabe des Anwesens aus der Zeit des Reichserbhofgesetzes nicht mehr anerkennen und ihre drei Kinder gleich behandeln wollen. Weder in der Meinung der Beklagten zu 1), an die Verpflichtung nicht mehr gebunden zu sein, noch in ihrem Bestreben, die Kinder gleich zu behandeln, noch in der Entgegennahme der Anteile durch den Beklagten zu 2) liege etwas Verwerfliches im Sinne von § 826 BGB.

Wenn der Beklagte zu 2) nach dem Beschluß des Nachlaßgerichts im Erbscheinsverfahren vom 7. Oktober 1987 schließlich dessen Auffassung gefolgt sei, die Beklagte zu 1) sei Alleinerbin geworden, und wenn er geglaubt habe, diese sei zur Aufteilung unter ihre Kinder berechtigt, dann erscheine das nicht als unbillig oder unsittlich.

Diese Begründung hält den Angriffen der Revision nicht stand.

3.

Wie die Revision mit Recht rügt, hatte der Kläger bereits vor dem Landgericht unter Beweisantritt vorgetragen, die Mutter sei noch bis in den Sommer 1987 hinein bereit gewesen, dem Kläger den Hof zu übergeben. Losgesagt habe sie sich von dem Erbvertrag erst, als der Beklagte zu 2) ihr Angst gemacht habe. Dieser habe die Erfüllung des Vermächtnisses vereiteln wollen und der Mutter angedroht, sie in ein Altersheim zu stecken. Schließlich habe die Mutter es nicht mehr gewagt, in Gegenwart des Beklagten zu 2) über Erbangelegenheiten zu sprechen. Der Beklagte zu 2) habe im Zusammenhang damit auch seinen Schwager und die Berater der Mutter tätlich angegriffen und die letzteren beschimpft. Nur aus Angst vor dem Beklagten zu 2) habe die Mutter dann auch den Notartermin abgebrochen, in dem sie das Vermächtnis habe erfüllen wollen. Die Heimlichkeit, mit der der Beklagte zu 2) dann vorab am 14. Oktober 1987 die Übertragung der 1/3-Miteigentumsanteile an ihn habe beurkunden lassen, sei Ausdruck des schlechten Gewissens. Er habe dafür gesorgt, daß das entsprechende Angebot an seine beiden Geschwister diesen erst so spät zugegangen sei, daß sie seine Eintragung nicht mehr hätten verhindern können.

Dieses Vorbringen hat der Kläger - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - im Berufungsverfahren aufrechterhalten; das Berufungsgericht hätte ihm nachgehen müssen, wenn es die Klage gegen den Beklagten zu 2) - anders als das Landgericht - abweisen wollte. Revisionsrechtlich sind daher die übergangenen Behauptungen als zutreffend zu unterstellen.

Auf dieser Grundlage kommt ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 2) aus § 826 BGB durchaus in Betracht.

4.

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, daß die Beteiligung eines Dritten an dem Vertragsbruch einer Vertragspartei beim Vorliegen besonderer Umstände eine zum Schadensersatz verpflichtende sittenwidrige Schädigung des anderen Vertragspartners im Sinne von § 826 BGB sein kann (BGHZ 12, 308, 317 f. m.w.N.; vgl. auch Urteil vom 19. Februar 1979 - II ZR 186/77 - NJW 1979, 1704 unter II). Da vertragliche Abmachungen in der Regel den außenstehenden Dritten nichts angehen, führt es allerdings nicht schon zu einer Schadensersatzpflicht aus § 826 BGB, wenn der Dritte nur dabei mitwirkt, daß der schuldrechtlich Verpflichtete Ansprüche seines Gläubigers verletzt. Vielmehr müssen dafür besondere Umstände gegeben sein, die das Verhalten des Dritten als eine sittenwidrige Schädigung erscheinen lassen. Besondere Umstände in diesem Sinne sind angenommen worden, wenn etwa nach dem Verkauf einer Sache der Dritte den Verkäufer dazu verleitet, die Sache ein zweites Mal an ihn zu verkaufen und sie ihm zu übereignen, oder wenn er sonst dabei mit dem Verkäufer planmäßig zusammenwirkt (BGH, Urteil vom 9. Juni 1972 - V ZR 81/70 - LM 4 zu § 1 PreisüberwVO Bl. 3 R unter IV). Entsprechendes wird auch dann angenommen, wenn der Zweitkäufer an dem Vertragsbruch des Verkäufers gegenüber dem Erstkäufer eines Grundstücks dadurch mitwirkt, daß er ihn von dessen Ersatzansprüchen freistellt (BGH, Urteil vom 2. Juni 1981 - VI ZR 28/80 - NJW 1981, 2184; vgl. für das Vertragspfandrecht der Bank an Treugeldern, die auf einem verdeckten Treuhandkonto nach Aufdeckung der Treuhand eingehen BGH, Urteil vom 25. September 1990 - XI ZR 94/89 - NJW 1991, 101 unter 3 d); BGHZ 20, 43, 50).

Es gibt keinen Grund, diese Rechtsgrundsätze nicht auch bei der Verletzung solcher Leistungspflichten anzuwenden, die nicht aus einem Vertrag herrühren, also keinen "Vertragsbruch" darstellen. Wie der vorliegende Fall zeigt, können auch Leistungspflichten aus Vermächtnissen (§ 2174 BGB), die der Erblasser durch eine einseitige Verfügung von Todes wegen anordnet, vereitelt werden. Wirkt dabei ein Dritter in sittenwidriger Weise mit, wie unterstelltermaßen der Beklagte zu 2), dann kann der geschädigte Kläger in bezug auf die Anwendung des § 826 BGB nicht schlechter gestellt werden, als wenn sich die Verpflichtung der Beklagten zu 1) zur Übereignung der ehemals zum Erbhof gehörigen Grundstücke an den Kläger aus einem darauf gerichteten schuldrechtlichen Vertrag ergäbe (vgl. auch BGH, Urteil vom 14. April 1966 - II ZR 129/64 - LM BGB § 826 (B) Nr. 7).

Unter diesen Umständen wird das Berufungsgericht die Vorwürfe des Klägers gegen den Beklagten zu 2) im einzelnen aufzuklären und unter Zugrundelegung der Auffassung des Senats näher zu würdigen haben.

Auch wenn der Beklagte zu 2) geglaubt haben sollte, daß dem Kläger infolge der Aufhebung des Reichserbhofgesetzes kein Anspruch auf den landwirtschaftlichen Betrieb zustand, schließt das nicht aus, daß er mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Die Hinweise des Notars auf die möglichen Schadensersatz- und Rückgewähransprüche in Anwesenheit des Beklagten zu 2) und die Heimlichkeit des Vorgehens geben Anlaß zu genauer Prüfung in dieser Richtung.

5.

Das angefochtene Urteil kann auch nicht teilweise aus anderen Gründen aufrechterhalten werden.

Das Landgericht hat die gegen den Beklagte zu 2) gerichtete Klage abgewiesen, soweit der Kläger von diesem Auflassung seines 1/3-Miteigentumsanteils an den Grundstücken Stadtplatz 28 und Obstgarten und eine entsprechende Umschreibungsbewilligung verlangt. Darauf ist das Berufungsgericht, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, nicht eingegangen.

Das Landgericht hat die Frage der Zugehörigkeit der beiden angeführten Grundstücke zu dem ehemaligen Erbhof nur im Zusammenhang mit den Ansprüchen des Klägers gegen die Beklagte zu 1) erörtert. Es verneint die Zugehörigkeit, weil die Grundstücke nicht landwirtschaftlich genutzt worden seien. Auch wenn das Anwesen Stadtplatz 28 früher die Hofstelle des Erbhofes dargestellt habe, müsse das für den maßgebenden Zeitpunkt des Erbfalles verneint werden, weil damals in dem ehemaligen Hofgebäude eine Gaststätte betrieben worden sei. Entsprechendes gelte auch für den sogenannten Obstgarten, weil es sich insoweit um Bauerwartungsland gehandelt habe.

Diese Auffassung des Landgerichts ist nicht rechtsfehlerfrei. Sie berücksichtigt insbesondere nicht, daß das Gebäude Stadtplatz 28 nicht nur den Gaststättenbetrieb im Erdgeschoß, sondern in den Obergeschossen auch die Wohnung enthält, in der die Beklagte zu 1) aufgrund des Ehe- und Erbvertrages vom 20. Juni 1939 als die frühere Bäuerin lebt und die daher einer Austragswohnung zumindest nahekommt. Überdies kann es sich, wenn der Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebs zugleich auch eine Gaststätte betreibt, auch um einen sogenannten gemischten Betrieb handeln, der bei Überwiegen seines landwirtschaftlichen Teiles insgesamt als ein landwirtschaftlicher Betrieb (Hof oder Landgut) einzuordnen ist. Entsprechendes kommt auch für den sogenannten Obstgarten in Betracht, und zwar selbst dann, wenn es sich insoweit um Bauerwartungsland handeln sollte.

6.

Die dem Berufungsgericht übertragene Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren muß sich auch auf die beiderseits zurückgenommenen Revisionen des Klägers gegen die Beklagte zu 1) und der Beklagten zu 1) gegen den Kläger erstrecken.

 

Unterschriften

Bundschuh

Dr. Schmidt-Kessel

Dr. Zopfs

Römer

Dr. Schlichting

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456018

NJW 1992, 2152

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