Leitsatz (amtlich)
Der Verkäufer kann auf Grund des Eigentumsvorbehalts nicht schon bei Zahlungsverzug des Käufers Herausgabe der Kaufsache verlangen, sondern erst, wenn er gemäß § 455 BGB vom Kaufvertrage zurückgetreten ist oder die gem. § 326 BGB gesetzte Nachfrist fruchtlos abgelaufen ist.
Normenkette
BGB §§ 455, 986
Verfahrensgang
LG Darmstadt |
OLG Frankfurt am Main |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt (Main) vom 24. Oktober 1968 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kostender Revision an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die klagende deutsche Maschinenfabrik lieferte im Februar 1965 unter Eigentumsvorbehalt an die beklagte belgische Firma einen Schweißautomaten, mit dem 70 bis 100 Schlüssel je Minute auf Konservendosen aufzuschweißen sein sollten. Der Automat war eine Neuentwicklung. Er arbeitete lange Zeit nicht zur Zufriedenheit der Beklagten. Die Parteien nahmen wiederholt Reparaturen und Verbesserungen vor. Erst am 24. November 1966 bescheinigte der Betriebsleiter der Beklagten, daß die Maschine jetzt den Anforderungen entspreche. Die Beklagte verweigerte gleichwohl die Bezahlung des Kaufpreises, weil sie wegen des ursprünglichen Nichtfunktionierens des Automaten Schadensersatzansprüche von mehr als 600.000 bfr gegen die, Klägerin habe. Am 28. Februar 1967 ließ die Klägerin durch ihren Anwalt der Beklagten schreiben:
„Hiermit setze ich Ihnen … eine letzte Frist zur Zahlung bis zum 3. März 1967…
Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist ist die (Speditions-) Firma Frans M … bereits beauftragt, die Maschine bei Ihnen abzuholen.
Insoweit wird von dem vorbehaltenen Eigentum gemäß § 455 BGB Gebrauch gemacht.”
Die Beklagte zahlte weder noch gab sie die Maschine heraus. Mit Schreiben von 24. März 1967 machte sie erstmals Schadensersatzansprüche in Höhe von mehr als 600.000 bfr geltend, und zwar 175.600 bfr Lohnkosten für ihre bei der Behebung der Mängel eingesetzten Angestellten und Arbeiter, 96.490 bfr für Abfälle und mißlungene Arbeitsergebnisse und 365.000 bfr, die sie als Schadensersatz an zwei Kunden zahlen müsse, an die Dosen geliefert worden seien, die durch die Behandlung mit dem Schweißautomaten undicht geworden und deren Inhalt (Fleisch) infolgedessen verdorben sei.
Die Klägerin verlangt mit dieser Klage Herausgabe der Maschine mit der Maßgabe, daß der Beklagten nachgelassen werde, die Herausgabe durch Zahlung von 37.490 DM nebst Zinsen abzuwenden. Die Vorinstanzen haben die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit der Revision erstrebt die Beklagte Klagabweisung. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
In einem anderen, 1968 anhängig gemachten Rechtsstreit klagt die Klägerin die Kaufpreisforderung ein. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. In der Berufungsinstanz betreiben die Parteien den Parallelprozeß (12 U 110/69 OLG Frankfurt) mit Rücksicht auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht weiter.
Entscheidungsgründe
1. Beide Parteien sind in den Vorinstanzen übereinstimmend davon ausgegangen, daß der Streitfall nach deutschem Recht zu entscheiden sei. Damit haben sie die Geltung deutschen Rechts vereinbart, so daß sich eine Prüfung erübrigt, ob nicht auch ohnehin nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts deutsches Recht anzuwenden wäre.
2. Herausgabeanspruch bei fortbestehendem Vertrag?
Das Landgericht hat angenommen, die Beklagte, die in der ersten Instanz ihre angeblichen Gegenforderungen nicht näher dargelegt hat, sei mit der Zahlung des Kaufpreises im Verzug und die Klägerin sei gemäß § 455 BGB vom Kaufvertrag rechtswirksam zurückgetreten. Die Rücktrittserklärung sieht das Landgericht darin, daß die durch den im Anwaltsschreiben vom 28. Februar genannten Spediteur die Maschine von der Beklagten herausverlangt habe. Das Berufungsgericht geht demgegenüber davon aus, die Klägerin mache selbst nicht geltend, daß sie vom Vertrage zurückgetreten sei. Darauf komme es auch nicht an, weil sie auf Grund des vorbehaltenen Eigentums auch ohne Rücktritt vom Vertrag die Maschine wegen Verzuges der Beklagten herausverlangen könne.
Für die Revisionsinstanz ist danach, zumal das Anwaltsschreiben der Klägerin vom 28. Februar 1967 nicht eindeutig ist, zu unterstellen, daß die Beklagte nicht vom Vertrage zurückgetreten ist (oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt), sondern am Vertrage festhalten will. Diesen Standpunkt vertritt die Klägerin auch in dem noch vor dem Berufungsgericht anhängigen Zahlungsrechtsstreit. Das Berufungsurteil kann deshalb nur Bestand haben, wenn ein Vorbehaltsverkäufer allein auf Grund Verzuges des Vorbehaltskäufers Herausgabe der Kaufsache verlangen kann.
Diese Frage wurde früher im Schrifttum ganz überwiegend bejaht (Schrifttumsnachweise bei Blomeyer, JZ 1968, 691). Auch das Reichsgericht hat die Frage – allerdings mehr beiläufig – wiederholt bejaht (vgl. RGZ 67, 383, 386; 119, 64, 68; SeuffArch 75, 161). Der erkennende Senat ist in dem Urteil VIII ZR 98/, 59 vom 24. Januar 1961 (BGHZ 34, 191 = NJW 1961, 1011) ebenfalls davon ausgegangen, daß der Vorbehaltsverkäufer bei Verzug des Käufers auch ohne Rücktritt vom Kaufvertrage die Kaufsache herausverlangen könne. Allerdings ist dabei auf die konkreten Vertragsbestimmungen abgestellt worden. Neuerdings wird im Schrifttum in zunehmendem Maße die Ansicht vertreten, daß der Vorbehaltsverkäufer nicht schon bei Verzug des Käufers mit der Kaufpreiszahlung, sondern erst dann die Kaufsache vom Käufer herausverlangen könne, wenn er gemäß § 455 BGB vom Kaufvertrage zurückgetreten oder die gemäß § 326 BGB gesetzte Nachfrist abgelaufen sei (Bauknecht, NJW 1955, 1251 ff.; Baur, Sachenrecht 6. Aufl., § 59 III 1 c; Blomeyer, JZ 1968, 691 ff. und Betrieb 1969, 2117; Ennecerus/Lehmann, 15. Bearbeitung § 118 III 2 c Fn. 11; Erman/Weitnauer, 4. Aufl. Nachtrag § 455 Bem. IV 1; „Esser, Schuldrecht 3. Aufl. § 65 I 1 c Fn. 5; Raiser, Dingliche Anwartschaften, 1961, S. 73; Soergel/Ballerstedt, 10. Aufl. § 455 Nr. 9). Dies läßt eine Überprüfung der Frage angezeigt erscheinen.
3. Die gesetzliche Regelung
a) Für den Eigentumsvorbehalt bei beweglichen Sachen stellt § 455 BGB die Auslegungsregel auf, daß im Zweifel die Übertragung des Eigentums unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung des Kaufpreises erfolge. Daß bedeute nach § 158 Abs. 1 BGB, daß der Vorbehaltskäufer erst im Zeitpunkt der vollständigen, Zahlung des Kaufpreises das Eigentum der Kaufsache erwirbt. Beim Vorbehaltskauf leistet also nach dieser gesetzlichen Auslegungsregel der Verkäufer auf seine Verkäuferpflichten (§ 433 Abs. 1 BGB) insoweit vor, als er schon vor vollständiger Zahlung des Kaufpreises die Sache dem Käufer übergibt und das Übereignungsgeschäft (die Einigung) vornimmt. Zur Sicherung dieser Vorleistung wird das Übereignungsgeschäft unter die aufschiebende Bedingung gestellt, daß der Käufer die ihm nach § 433 Abs. 2 BGB obliegende Verpflichtung zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises erfüllt. Von der Übergabe an ist der Vorbehaltskäufer auf Grund des Kaufvertrages dem Verkäufer gegenüber zum Besitz der Kaufsache berechtigt, und zwar, weil der Kaufvertrag dem Zweck dient, die Güterzuordnung für die Dauer zu ändern, grundsätzlich nicht nur für eine begrenzte Zeit, sondern für die Dauer. Auf Grund dieses Besitzrechts kann der Vorbehaltskäufer gegenüber einer Eigentumsherausgabeklage des Vorbehaltsverkäufers gemäß § 986 BGB die Herausgabe der Sache verweigern. Das auf dem Kaufvertrag beruhende (BGHZ 10, 69, 72) Besitzrecht des Vorbehaltskäufers findet jedoch mit dem Kaufvertrag, genauer: Mit der Verpflichtung des Vorbehaltsverkäufers, dem Vorbehaltskäufer das Eigentum der Kaufsache zu verschaffen, sein Ende. Kommt der Vorbehaltskäufer mit der Kaufpreiszahlung in Verzug, so hat der Vorbehaltsverkäufer, wie jeder Verkäufer, das Recht der Fristsetzung nach § 326 BGB, mit der Folge, daß er nach fruchtlosem Ablauf der Frist entweder vom Vertrage zurücktreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann. Mit dem Ablauf der Frist erlischt der Anspruch des Vorbehaltsverkäufers auf Zahlung des Kaufpreises und zugleich – obgleich das Gesetz dies nicht ausdrücklich ausspricht – seine Verpflichtung, dem Vorbehaltskäufer das Eigentum zu verschaffen. Damit erlischt auch das Besitzrecht des Vorbehaltskäufers. Von diesem Zeitpunkt an kann deshalb der Vorbehaltsverkäufer gemäß § 985 BGB die Kaufsache herausverlangen, ohne daß der Vorbehaltskäufer dem Anspruch noch ein Recht zum Besitz gemäß § 986 BGB entgegensetzen könnte. § 455 BGB enthält eine Sonderregelung für den Vorbehaltskauf nur insoweit, als der Vorbehaltsverkäufer ohne Fristsetzung vom Vertrag zurücktreten kann. Aus dem Gesetz ergibt sich danach, daß der Vorbehaltsverkäufer die Kaufsache vom Vorbehaltskäufer herausverlangen kann, wenn er gemäß § 455 oder § 326 BGB den Vertrag auflöst.
b) Tut der Vorbehaltsverkäufer dies nicht, so läßt sich aus dem Gesetz unmittelbar für ihn nicht das Recht herleiten, gemäß § 985 BGB vom Vorbehaltskäufer die Sache herauszuverlangen. Denn das Gesetz gibt auch sonst beim gegenseitigen Vertrage dem (teilweise vorleistenden Vertragspartner nicht das Recht, beim Verzuge des anderen Vertragspartners den Gegenstand seiner Vorleistung zurückzuverlangen. Ein solches Recht ergibt sich insbesondere nicht aus § 320 BGB Danach hat jeder Vertragspartner – sofern er nicht vorleistungspflichtig ist – lediglich das Recht, seine Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung zu verweigern. Hat er aber vorgeleistet, so kann er nicht schon wegen Verzuges des anderen Teils, sondern nur unter den Voraussetzungen des § 326 BGB den Gegenstand seiner Vorleistung zurückverlangen, also wenn er den Rücktritt erklärt oder Schadensersatz verlangt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz läßt das Gesetz auch für den Vorbehaltsverkäufer jedenfalls ausdrücklich nicht zu. Die Sonderregelung des § 455 BGB für den Vorbehaltskauf erläßt dem Vorbehaltsverkäufer lediglich beim Rücktritt die Fristsetzung.
c) Für die Beantwortung der anstehenden Frage macht es auch keinen Unterschied, ob man – wie der BGH (BGHZ 10, 69, 72) und überwiegend das Schrifttum – nur ein obligatorisches Besitzrecht des Vorbehaltskäufers und als dessen Grundlage den Kaufvertrag annimmt, oder ob man dem Vorbehaltskäufer auf Grund seines dinglichen Eigentumsanwartschaftsrechtes ein absolutes Besitzrecht zuerkennt (Raiser, dingliche Anwartschaften, 1961, S. 62, 73, 76). Ein solches würde mit diesem Anwartschaftsrecht enden. Das Anwartschaftsrecht erlischt aber – von einer vertraglichen Aufhebung abgesehen – nur, wenn die Bedingung, von der die Parteien den Erwerb des Vollrechts abhängig gemacht haben, entweder eintritt oder ausfällt. Durch bloßen Verzug des Vorbehaltskäufers fällt jedoch die Bedingung noch nicht aus. Denn der Verzug kann durch Zahlung behoben und durch sie kann die Bedingung erfüllt werden. Dagegen steht, wenn der Verkäufer nach §§ 455, 326 BGB vorgeht, endgültig fest, daß die Bedingung nicht mehr eintreten kann.
4. Die Lösung
Soweit im Schrifttum dem Vorbehaltsverkäufer schon bei Verzug des Vorbehaltskäufers ein Herausgabeanspruch zugebilligt wird, wird dessen Grundlage auch nicht in einer positiven Gesetzesbestimmung gefunden, sondern in dem „Vertragswillen der Parteien” (Staudinger/Ostler, BGB 11. Aufl. § , 455 Nr. 45), oder in dem Wesen des Eigentumsvorbehalts. (Larenz, Schuldrecht II 8. Aufl. § 39 II b S. 81), oder in „der schuldrechtlichen Seite des Eigentumsvorbehalts”, nach der „auch die Besitzverschaffung unter dem Vorbehalt der ordnungsgemäßen Erfüllung der Zahlungspflicht des Käufers stehe” (Klaus Müller in Betrieb 1969, 1493). Diesen Begründungen ist gemeinsam, daß sie aus den Wesen des Eigentumsvorbehalts oder dem Willen der Parteien eine Auslegungsregel für die Vorbehaltsklausel folgern, daß der Vorbehaltsverkäufer schon bei Verzug des Vorbehaltskäufers die Sache herausverlangen könne. Gegen die Annahme einer solchen Auslegungsregel bestehen jedoch Bedenken.
a) Das Gesetz, das in § 455 BGB eine Auslegungsregel und eine Sonderbestimmung für den Kauf unter Eigentumsvorbehalt aufstellt, kennt eine solche Auslegungsregel gerade nicht. Das ist immerhin ein Anhaltspunkt dafür, daß nach der Auffassung des Gesetzgebers mit der Sonderregelung des § 455 BGB den besonderen Interessen des Vorbehaltsverkäufers im Falle des Verzuges des Vorbehaltskäufers Genüge getan ist, es im übrigen aber bei dem allgemeinen Verzugsrecht, d.h. hier: bei § 326 BGB bewenden soll.
b) Auch aus dem „Wesen des Vorbehaltsverkaufs” ergibt sich nicht die Notwendigkeit, daß der Vorbehaltsverkäufer schon bei Verzug des Vorbehaltskäufers, ohne vom Vertrage zurückzutreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, die Kaufsache müßte zurücknehmen dürfen. Der Eigentumsvorbehalt gibt dem vorleistenden Vorbehaltsverkäufer eine Sicherung dadurch, daß die er – bis zur vollständigen Zahlung durch den Käufer – sein Eigentum behält. Der Vorbehaltskäufer kann deshalb – soweit ihm der Vorbehaltsverkäufer dies nicht besonders gestattet – nicht als Berechtigter über die Kaufsache verfügen. Das vorbehaltene Eigentum gibt dem Vorbehaltsverkäufer ferner die Möglichkeit, den Zugriff von Gläubigern des Vorbehaltskäufers auf die Kaufsache abzuwehren, sei es in der Einzelvollstreckung mittels der Widerspruchsklage des § 771 ZPO, sei es im Konkurs mittels der Aussonderung nach § 43 KO. Gerät der Vorbehaltskäufer mit der Zahlung des Kaufpreises in Verzug, so kann der Vorbehaltsverkäufer wie jeder andere Verkäufer – aber mit der in § 455 BGB vorgesehenen Erleichterung – vom Vertrage zurücktreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Im Unterschied zu anderen Verkäufern ist der Vorbehaltsverkäufer dann nach wie vor dadurch gesichert, daß die Kaufsache ihm gehört, der Käufer also über sie nicht als Berechtigter verfügen kann. In diesen beiden Wirkungen – Schutz vor unberechtigten Verfügungen des Vorbehaltskäufers und Schutz vor dessen Gläubigern – kann das Wesen des Eigentumsvorbehalts gesehen werden. Es wird durch die hier anstehende Frage nicht berührt.
c) Diese Frage gewinnt ihre Bedeutung erst dann, wenn der Vorbehaltsverkäufer bei Verzug des Vorbehaltskäufers (noch) nicht vom Vertrag zurücktreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, aber durch die Rücknahme sich selbst zusätzlich sichern und zugleich einen Druck auf den Vorbehaltskäufer zur Bereinigung des Verzuges ausüben möchte. Für diesen Fall ist zunächst klarzustellen, daß eine Rücknahme der Kaufsache ohne Auflösung des Kaufvertrages den Vorbehaltsverkäufer nicht etwa berechtigt, wie ein Pfandgläubiger oder Sicherungseigentümer die Kaufsache zu verwerten, um sich für seine Kaufpreisforderung zu befriedigen. Da der Kaufvertrag und die Eigentumsverschaffungspflicht des Verkäufers in diesem Falle weiter bestehen, muß vielmehr der Vorbehaltsverkäufer die Kaufsache dem Käufer weiter zur Verfügung halten, um sie ihm gegebenenfalls gegen Zahlung der Rückstände wieder herauszugeben (Staudinger/Ostler, 11. Aufl. § 455 Nr. 45; Schlegelberger/Hefermehl, HGB 4. Aufl. § 368, Anh. Nr. 38; Klaus Müller, Betrieb 1969, 1497). Von dieser Verpflichtung wird der Vorbehaltsverkäufer erst frei, wenn er gemäß §§ 455, 326 BGB vorgeht. Die Vorbehaltsklausel – sichert demnach nicht etwa die Kaufpreisforderung des Vorbehaltsverkäufers, sondern seine Rechte bei Auflösung des Vertrages. Billigt man dem Vorbehaltsverkäufer schon bei Verzug des Käufers das Recht zu, die Kaufsache herauszuverlangen, so ist der Vorbehaltsverkäufer der sofortigen Entscheidung über eine Auflösung des Vertrages enthoben und er kann unter einstweiliger Zurücknahme der Sache diese Entscheidung aufschieben, bis entweder die Frage durch Zahlung seitens des Vorbehaltskäufers gegenstandslos geworden oder bis eine allgemeine Krise beim Vorbehaltskäufer augenfällig geworden ist. Daß eine solche Regelung im Einzelfalle im Interesse des Vorbehaltsverkäufers liegen und auch sachgemäß sein kann, ist nicht zu bezweifeln. Entscheidend für die Annahme einer Auslegungsregel müßte aber sein, ob eine solche Regelung vom Wesen des Eigentumsvorbehalts gefordert wird und als dem Willen beider Vertragsparteien entsprechend im Zweifel als Inhalt der Vorbehaltsklausel angenommen werden kann. Das ist nach Auffassung des Senats zu verneinen.
d) Ein Verzug des Vorbehaltskäufers kann zwar für den Vorbehaltsverkäufer ein Alarmsignal sein, das ihn zu Sicherheitsvorkehrungen veranlaßt. Dem trägt die Sonderregelung des § 455 BGB dadurch Rechnung, daß sie für den Fall des Rücktritts dem Vorbehaltsverkäufer eine Fristsetzung nach § 326 BGB erspart. Ein Rücktritt vom Vertrag mag allerdings für den Vorbehaltsverkäufer bei Verzug des Käufers häufig nicht die günstigste Lösung darstellen. Dann bleibt dem Verkäufer der Weg, nach § 326 BGB vom Vorbehaltskäufer Schadensersatz zu verlangen, dies allerdings erst nach Fristsetzung. Das Erfordernis der Fristsetzung bedeutet für den Vorbehaltsverkäufer jedoch keine ins Gewicht fallende Erschwerung der Durchsetzung seines Herausgabeanspruchs. Denn die nach § 326 BGB erforderliche „angemessene” Frist spielt im Vergleich zu der für die Erwirkung eines vollstreckbaren Herausgabeurteils erforderlichen Zeit überhaupt keine Rolle. Kündigt aber der Verzug des Vorbehaltskäufers seinen Zusammenbruch an oder/und sind sonstige Anzeichen für eine Gefährdung des Eigentums des Vorbehaltsverkäufers ersichtlich, so bleibt diesem ohnehin nur die Möglichkeit, dieser Gefährdung durch eine einstweilige Verfügung nach § 935 ZPO zu begegnen. Außerdem wird in diesem Fall der Vorbehaltsverkäufer in der Regel hinreichenden Anlaß haben, den Vertrag sofort und endgültig durch Rücktritt nach § 455 BGB oder durch Setzung einer Nachfrist nach § 326 BGB aufzulösen. Für das Sicherungsbedürfnis des Vorbehaltsverkäufers spielt deshalb die Zubilligung oder Versagung eines einstweiligen Rücknahmerechts bei bestehenbleibendem Vertrag keine entscheidende Rolle.
Andererseits läuft die Zubilligung eines einstweiligen Rücknahmerechts an den Vorbehaltsverkäufer in einem großen Teil der in Betracht kommenden Fälle, insbesondere in gewerblichen Handel, dem wirtschaftlichen Sinn des Kaufvertrages zuwider. Wenn es sich – wie im vorliegenden Fall – um den Kauf verhältnismäßig hochwertiger Investitionsgüter handelt, so ist es der Sinn des Vertrages, daß diese Güter beim Käufer in der Produktion eingesetzt bleiben und daß aus deren Erträgnissen die Anschaffung finanziert wird. Eine solche Kaufsache für eine beschränkte Zeit dem Vorbehaltsverkäufer zurückzugeben, der sie ungenutzt lassen und für den Vorbehaltskäufer aufbewahren müßte, ist unwirtschaftlich und unpraktisch. Ähnliches würde für den gewerblichen Handel mit Verbrauchsgütern auf den Handelsstufen Erzeuger-Großhändler und Großhändler-Einzelhändler gelten. Sinn des Handels mit Verbrauchsgütern ist es, sie möglichst rasch umzuschlagen. Damit würde sich ein einstweiliges Rücknahmerecht des Lieferanten nur schlecht vertragen. Verschärft wird diese Unverträglichkeit durch die Praxis der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. In gewerblichen Handel werden fast immer die Allgemeinen Bedingungen des Lieferanten dem Geschäft zugrunde gelegt, die in der Regel – wie auch hier – eine mehr oder weniger weitgehende Freizeichnungsklausel mit einem Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsverbot für den Käufer und einen Saldo- oder Kontokorrent-Eigentumsvorbehalt für den Verkäufer enthalten. Kombiniert man diese Klausel mit einem einstweiligen Rücknahmerecht des Vorbehaltsverkäufers, so würde diesem dadurch bei einer Auseinandersetzung mit dem Käufer ein unverhältnismäßig starkes Druckmittel in die Hand gegeben werden. Es kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, daß der Vorbehaltskäufer sich einer solchen Regelung, ohne daß sie besonders vereinbart wird, als selbstverständlich unterwerfen will.
Der Senat ist deshalb der Auffassung, daß beim Schweigen des Gesetzes aus dem Wesen des Eigentumsvorbehalts und den mutmaßlichen Willen der Vertragsparteien nicht die Auslegungsregel entnommen werden kann, der Vorbehaltsverkäufer solle – ohne nach §§ 455, 326 BGB vorzugehen – allein auf Grund Verzuges des Vorbehaltskäufers die Kaufsache von diesem herausverIangen können. Dies kann er vielmehr nur, wenn die Vertragsparteien es besonders vereinbaren, was im vorliegenden Fall nicht geschehen ist.
Das angefochtene Urteil war deshalb gemäß § 564 ZPO aufzuheben. Da es dem Revisionsgericht verwehrt ist, selbst festzustellen, daß die Klägerin nicht vom Vertrage zurückgetreten ist oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt, war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, bei dem ohnehin die Zahlungsklage noch anhängig ist.
Da von der neuen Entscheidung des Berufungsgerichts auch abhängt, welche Partei die Kosten der Revision zu tragen hat, war auch diese Entscheidung dem Berufungsgericht zu übertragen.
Für das weitere Verfahren empfiehlt sich möglicherweise die Verbindung dieses Rechtsstreits mit dem vor dem Berufungsgericht anhängigen Zahlungsrechtsstreit.
Fundstellen
Haufe-Index 609696 |
BGHZ, 214 |
IPRspr. 1970, 13 |