Leitsatz (amtlich)
Schließen mehrere Auftraggeber mit einem Werkunternehmer unabhängig voneinander aber gleich abzuwickelnde Werkverträge ab (hier: Einbringen von Nitriergut verschiedener Auftraggeber in denselben Ofen), scheidet die Annahme eines Vertrages mit Schutzpflichten zugunsten Dritter bezüglich der anderen Auftraggeber regelmäßig aus, es sei denn, es bestünden zwischen dem jeweiligen Auftraggeber und dem Werkunternehmer besondere vertragliche Vereinbarungen zugunsten anderer Auftraggeber.
Normenkette
BGB §§ 157, 328, 631
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 21.07.1994) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das am 21. Juli 1994 verkündete Grundurteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
I. Die Firma C. G. in R., die selbst nicht am Rechtsstreit beteiligt ist, befaßt sich mit dem Härten von Werkstücken aus Stahl und anderen Metallen. Die Härtung erfolgt in einem sogenannten Nitrierofen. Im Innern des Nitrierofens befindet sich ein zylindrischer Behälter (Retorte), der mit den Werkstücken, dem sogenannten Nitriergut, gefüllt und bei einer Nitriertemperatur von 515° C betrieben wird.
Die Parteien dieses Rechtsstreits waren jeweils Kunden der Firma G.. Eines Tages befand sich Nitriergut der Parteien gemeinsam im Nitrierofen der Firma G.. Geraume Zeit nach Beginn des Nitriervorganges kam es zu einer Explosion, bei der wesentliche Teile des Nitrierofens im Gewicht von mehreren Tonnen durch die Luft flogen und die Werkhalle der Firma G. erheblich beschädigt wurde.
Die Klägerin hat geltend gemacht, das von der Beklagten zum Nitrieren übergebene Nitriergut habe nicht den Vorschriften der Firma G. entsprochen, weil die geschlossenen Hohlkörper der von der Beklagten gelieferten Walzen Flüssigkeit enthalten hätten. Durch die hierdurch im Nitrierofen verursachte Explosion seien vier im Ofen befindliche Kegelradkränze der Klägerin zerstört worden. Als Schaden macht die Klägerin insoweit einen Betrag von 142.162,72 DM geltend.
II. Das Landgericht hat der Klage antragsgemäß in vollem Umfang entsprochen und den zuerkannten Schadensersatzanspruch auf § 823 Abs. 1 BGB gestützt.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht mit dem angefochtenen Urteil die Auffassung des Landgerichts dem Grunde nach bestätigt, sich aber gehindert gesehen, ohne Beweiserhebung über die Höhe des der Klägerin entstandenen Schadens zu befinden. Im Gegensatz zum Landgericht hat das Oberlandesgericht nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter entschieden.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, um deren Zurückweisung die Klägerin bittet.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts enthielt das Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und der Firma G. Schutzpflichten zugunsten Dritter. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Beklagte habe die ihr obliegende vertragliche Nebenpflicht, die zur Weiterbearbeitung bestimmten Walzen jeweils mit trockenen Hohlräumen der Firma G. zu übergeben, verletzt. Die Werkstücke hätten sich in einem Zustand befinden müssen, der gewährleistete, daß die Rechtsgüter sowohl der Firma G. als auch der anderen Kunden, zu denen die Klägerin gehöre, durch die mit der Nitrierung verbundene Erhitzung nicht zu Schaden kämen. Für die Beklagte sei offensichtlich gewesen, daß in dem Nitrierofen der Firma. G. Werkstücke verschiedener Auftraggeber behandelt würden. Ferner sei bekannt gewesen, daß die zu härtenden Hohlwalzen trocken, fettfrei und sauber angeliefert werden mußten. Das hätten die in erster Instanz vernommenen Zeugen S. und W. eindeutig bestätigt.
Das Berufungsgericht nimmt ferner an, durch die von der Walze der Beklagten ausgelöste Explosion seien auch die im Nitrierofen befindlichen Kegelradkränze der Klägerin beschädigt worden. Das ergebe sich aus der gutachterlichen Stellungnahme des TÜV Rheinland. Angesichts des Ausmaßes der Explosion sei sicher, daß die Kegelradkränze Schaden genommen hätten. Der genaue Umfang des Schadens könne indessen erst durch eine Beweisaufnahme geklärt werden.
II. 1. Das Berufungsurteil kann schon deshalb in der Sache keinen Bestand haben, weil die Haftung der Beklagten nicht auf einen Vertrag zwischen der Beklagten und der Firma G. mit Schutzpflichten zugunsten der Klägerin gestützt werden kann.
a) In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, daß auch dritte, an einem Vertrag nicht unmittelbar beteiligte Personen in den Schutzbereich eines Vertrages einbezogen werden können. Ihnen gegenüber ist der Schuldner dann zwar nicht zur Leistung, wohl aber unter Umständen zum Schadensersatz verpflichtet.
Das Reichsgericht hat schon früh in seiner Rechtsprechung in Anwendung von § 328 BGB geschädigten Dritten bei derartigen Sachverhaltsgestaltungen vertragliche Schadensersatzansprüche zugebilligt. So wurde beispielsweise den Familienangehörigen oder den Hausangestellten eines Mieters, die durch ein Verschulden eines Handwerkers, den der Hauseigentümer und Vermieter mit einer Reparatur an dem Haus betraut hatte, einen Schaden erlitten, im Rahmen des Werkvertrages ein vertraglicher Schadensersatzanspruch zugunsten dieser Personen gewährt (vgl. hierzu etwa RGZ 91, 21, 24; 102, 231 f.; 127, 218, 222; 160, 153 ff., 155). Des weiteren hat das Reichsgericht Schadensersatzansprüche etwa bei Personenbeförderungsverträgen den beförderten Personen zugestanden, die den Beförderungsvertrag nicht selbst abgeschlossen hatten (hierzu etwa RGZ 87, 64, 65; 87, 289, 292). Auch das Kind, für das die Eltern einen ärztlichen Behandlungsvertrag abgeschlossen haben, sollte bei Behandlungsfehlern einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch geltend machen können (vgl. hierzu RGZ 85, 183; 152, 175 f.); das gleiche gilt für das Mitglied einer Krankenkasse, für das diese den Behandlungsvertrag abgeschlossen hat (hierzu nunmehr BGH, Urt. v. 14.07.1992 – VI ZR 214/91, NJW 1992, 2962).
Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsprechung fortgesetzt und ebenfalls im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung Schutzpflichten zugunsten Dritter begründet (für Personenbeförderung s. BGH, Urt. v. 28.05.1957 – VI ZR 136/56, VersR 1957, 455; BGH, Urt. v. 27.11.1959 – VI ZR 112/59, VersR 1960, 153, 155 f.; für den Mietvertrag s. BGHZ 5, 378, 384; für Dienst- und Werkvertrag etwa BGH, Urt. v. 24.02.1954 – VI ZR 315/52, NJW 1954, 874; für die Krankenbehandlung BGHZ 1, 383, 386).
Die Rechtsprechung des Reichsgerichts und die frühe Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist dadurch gekennzeichnet, daß den beurteilten Sachverhaltsgestaltungen nur Personenschäden zugrunde lagen. Maßgebliche Stimmen in der Literatur sehen darin lediglich einen dogmengeschichtlichen Zufall (beispielhaft etwa Lorenz JZ 1966, 143; Staudinger/Jagmann, BGB, 13. Aufl. 1995, Vorbem. zu §§ 328 ff. Rdn. 96). Die Rechtssicherheit und das auch schützenswerte Interesse des Schuldners, für den das Risiko der von ihm eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen überschaubar und kalkulierbar bleiben muß, geboten es, den Kreis der zu schützenden Personen einzugrenzen. Dies geschah dadurch, daß ein Dritter in den Schutzbereich eines Vertrages nur dann einbezogen werden konnte, wenn sich Schutz- und Fürsorgepflichten aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dessen Zweck nicht nur auf den Gläubiger als Vertragspartner beschränkten, sondern auch zwangsläufig Dritte erfaßten. Das wird an den genannten Sachverhaltsgestaltungen sinnfällig; denn dem Schuldner ist hier ohne weiteres einsichtig, daß seinem Vertragspartner gegenüber Dritten eine gesteigerte Fürsorgepflicht obliegt, ihm gleichsam deren „Wohl und Wehe” anvertraut ist. Auf dieser Grundlage wurden vor allem Familienangehörige und Arbeitnehmer des Gläubigers geschützt.
Die Rechtsprechung ist hierbei nicht stehengeblieben. Die Einbeziehung dritter Personen in vertragliche Beziehungen, an denen sie selbst nicht teilhaben, ist auf Vermögensschaden ausgedehnt worden. Diese Entwicklung wurde mit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 1965 eingeleitet (Urt. v. 06.07.1965 – VI ZR 47/64, NJW 1965, 1955 = JZ 1966, 141 m. Anm. v. Lorenz). Sie betraf eine unmittelbare Haftung eines Rechtsanwalts wegen schuldhafter Säumnis gegenüber der Tochter eines Erblassers aus einer Vereinbarung, in der der Rechtsanwalt sich gegenüber dem Erblasser zur Mitwirkung bei der testamentarischen Erbeinsetzung der Tochter als Alleinerbin verpflichtet hatte. Der Bundesgerichtshof ließ sich in jener Entscheidung von der Annahme rechtsgeschäftlicher Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts gegenüber der Tochter aus dem Sinn und Zweck des Vertrages und den Grundsätzen von Treu und Glauben leiten. In jener Entscheidung stand noch ein Schutz- und Fürsorgeverhältnis zwischen den geschützten Dritten und dem Gläubiger im Vordergrund. Der Bundesgerichtshof hat in der Folgezeit auf dieses Erfordernis verzichtet und lediglich nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen geprüft, ob die Vertragsparteien den Willen hatten, zugunsten eines Dritten eine Schutzpflicht zu begründen (vgl. etwa Urt. v. 02.11.1983 – IVa ZR 20/82, NJW 1984, 355).
Auf dieser Entwicklungslinie hat sich eine Berufshaftung für Rechtsanwälte, Sachverständige, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer herausgebildet. Es handelt sich hier um Berufsgruppen, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügen und deren Vertragsleistungen von vornherein erkennbar zum Gebrauch gegenüber einem Dritten bestimmt sind und nach dem willen des Auftraggebers mit einer entsprechenden Beweiskraft ausgestattet sein sollen, so etwa ganz deutlich bei einer Bilanz oder einem Sachverständigengutachten, die nicht für das Innenverhältnis zwischen Auftraggeber und Sachverständigem oder Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bestimmt sind (Einzelheiten hierzu etwa bei Staudinger/Jagmann, a.a.O., Vorbem. zu §§ 328 ff. Rdn. 98; ausführlich MünchKomm./Gottwald, BGB, Bd. 2, 3. Aufl. 1994, § 328 BGB Rdn. 107 ff.; Soergel/Hadding, Komm. z. BGB, Bd. 2, 12. Aufl. 1990, Anh. zu § 328 BGB Rdn. 28 ff.; Erman/Westermann, Handkomm. z. BGB, Bd. 1, 9. Aufl., § 328 BGB Rdn. 37; zuletzt aus der Rspr. d. BGH etwa BGHZ 126, 261; 127, 378; 128, 54, 62).
b) Schon früh wurde zunächst auch deutliche Kritik an der letztlich richterlichen Rechtsfortbildung geübt (beispielhaft etwa Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. 1, 1960, § 16 III, S. 163). Allgemein wurde trotz allmählicher Anerkennung jedenfalls gewarnt, vertragliche Schutzpflichten zugunsten Dritter zu weit auszudehnen (beispielhaft wiederum Larenz, a.a.O., S. 164; ders. Lehrbuch d. Schuldrechts, Bd. 1, 13. Aufl. 1982, § 17 II, S. 208 ff.). Der Kreis der in den Schutz eines Vertrages einbezogenen Dritten ist unter Beachtung einer sachgerechten Abwägung der Interessen der Beteiligten dahin zu begrenzen, daß der Dritte bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommt. Dies entspricht der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung, wenn auch in der Terminologie – nicht aber in der Sache – Nuancen bestehen (vgl. statt aller die Nachweise aus Lit. und Rspr. bei Staudinger/Jagmann, a.a.O., Vorbem. zu §§ 328 ff. BGB Rdn. 103 ff.). Auch die danach geforderte Leistungsnähe des Dritten reicht allein nicht aus. Es muß ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages hinzutreten. Das wird an den bisher entschiedenen Sachverhaltsgestaltungen deutlich; denn es ist beispielsweise den Belangen des Mieters nicht Genüge getan, wenn seine Familienangehörigen und Hausangestellten nicht mit in die vertraglich begründeten Schutzpflichten einbezogen werden. Das gilt genauso für den Schutzbereich eines Kaufvertrages, wenn ein Kind, das den Käufer begleitet, nicht einbezogen würde (z.B. BGHZ 66, 51). Den Interessen des Schuldners, also etwa des Vermieters oder des Geschäftsinhabers, wird dadurch Rechnung getragen, daß die Einbeziehung Dritter und die damit für ihn verbundene Haftungserweiterung erkennbar sein muß. Hierauf hat die Rechtsprechung immer hingewiesen und Zustimmung in der Literatur gefunden (etwa BGHZ 49, 350, 354; 51, 91, 96; Soergel/Hadding, a.a.O., Anh. zu § 328 BGB Rdn. 17; Münch-Komm./Gottwald, a.a.O., § 328 BGB Rdn. 91; Staudinger/Jagmann, a.a.O., Vorbem. zu §§ 328 ff. BGB Rdn. 107; Larenz, a.a.O., 1982, § 17 II S. 210).
Eine Einbeziehung des Dritten ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der überwiegenden Meinung in der Literatur abzulehnen, wenn ein Schutzbedürfnis des Dritten nicht besteht. Sie ist im allgemeinen dann zu verneinen, wenn dem Dritten eigene vertragliche Ansprüche – gleich gegen wen – zustehen, die denselben oder zumindest einen gleichwertigen Inhalt haben wie diejenigen Ansprüche, die ihm über eine Einbeziehung in den Schutzbereich eines Vertrages zukämen. Der Bundesgerichtshof hat diesen Grundsatz in BGHZ 70, 327, 330 bei der Beurteilung der Frage formuliert, ob der Untermieter in den Schutzbereich des (Haupt-)Mietvertrages einbezogen sei. Er hat die Frage verneint. Dem Untermieter stehen deshalb vertragliche Schadensersatzansprüche aus § 538 BGB unmittelbar gegen den (Haupt-)Vermieter nicht zu. Der Bundesgerichtshof hat insoweit Schutzwirkungen des Mietvertrages zwischen Vermieter und (Haupt-)Mieter zugunsten des Untermieters verneint. Es bestehe weder Raum noch gar ein Bedürfnis hierfür, wenn der Geschädigte seinerseits eigene vertragliche Ansprüche desselben Inhalts, wenn auch gegen einen anderen Schuldner, habe wie diejenigen, die er auf dem Weg über die Einbeziehung in den Schutzbereich eines zwischen anderen geschlossenen Vertrages durchsetzen wolle. In einem solche Falle Ansprüche aus dem Gesichtspunkt des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu gewähren, würde auch gegen das von der Rechtsprechung stets hervorgehobene Anliegen verstoßen, eine uferlose Ausdehnung des Kreises der in den Schutzbereich fallenden Personen zu vermeiden (so schon etwa BGHZ 49, 350, S. 354; 61, 227 S. 234).
2. Das Berufungsurteil setzt sich mit diesen Grundlagen einer Anerkennung eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht auseinander. Die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriterien, unter denen Dritte in einen Werkvertrag – oder überhaupt in einen schuldrechtlichen Vertrag –, dessen Vertragspartner sie selbst nicht sind, einbezogen werden dürfen, sind vorliegend nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ersichtlich nicht gegeben.
a) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe eine vertragliche Nebenpflicht für den Zustand, in dem sie das Nitriergut anliefern müsse, übernommen. Diese Auslegung der vertraglichen Beziehungen zwischen der Firma G. und der Beklagten mag als solche nicht zu beanstanden sein. Für die Begründung von Schutzpflichten auch zugunsten weiterer Kunden der Firma G. läßt sich daraus wenig ableiten. Insoweit ist schon nicht zu erkennen, worauf sich die Annahme des Berufungsgerichts stützt, für die Beklagte sei offensichtlich gewesen, daß in dem Nitrierofen der Firma G. Werkstücke verschiedener Auftraggeber behandelt würden.
Die Annahme eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter liegt aber selbst unter Zugrundelegung der Auffassung des Berufungsgerichts fern. Das Berufungsgericht nimmt einerseits an, der Beklagten sei „damit” bekannt gewesen, daß die genannten Sicherheitsanforderungen (geschlossene Hohlkörper müssen innen unbedingt absolut trocken, fettfrei und sauber sein) erfüllt sein müßten, um Schaden von den eigenen Werkstücken und auch von den Sachen Dritter abzuwenden. Andererseits hat die Beklagte geltend gemacht, ihr gegenüber habe sich die Firma G. verpflichtet, selbst sicherzustellen, daß die Hohlräume der Walzen vor Beginn der Behandlung im Nitrierofen entleert worden seien und daß die vorhandenen Bohrlöcher offen gewesen seien. Darüber müßte das Berufungsgericht, das diese Darstellung der Beklagten als bestritten bezeichnet, Beweis erheben, um hierüber näheren Aufschluß zu erhalten. Denn die Annahme des Berufungsgerichts ist mit dem Sachvortrag der Beklagten unvereinbar. Die Firma G. kann die Pflicht zur Gewährleistung ordnungsgemäßer Beschaffenheit des Nitriergutes nicht zugleich der Beklagten übertragen und selbst übernommen haben. Es wirkt gekünstelt und könnte allenfalls bei einem unzweideutigen übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien gerechtfertigt sein, wenn das Berufungsgericht annimmt, die Firma G. sei dann eben Erfüllungsgehilfin der Beklagten zur Erfüllung der dieser von ihr selbst auferlegten Verpflichtung gewesen.
b) Aufgrund des vom Berufungsgericht festgestellten und revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Sachverhalts läßt sich aber schon jetzt beurteilen, daß entscheidende Kriterien fehlen, die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für die Bejahung eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aufgrund einer bestimmten Sachverhaltsgestaltung gefordert werden.
Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hatten Klägerin und Beklagte selbständige und voneinander unabhängige Werkverträge mit der Firma G. geschlossen, deren Inhalt es war, daß die Firma G. angeliefertes Gut von Klägerin und Beklagter in ihrem Nitrierofen härte. Die Hauptleistung der Firma G. bestand sonach in der Herstellung des versprochenen Werkes, und die Hauptleistung der Beklagten als Besteller bestand darin, die vereinbarte Vergütung zu entrichten (§ 631 Abs. 1 BGB). Es bedarf keiner weiterer tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts insoweit; denn es ist offensichtlich, daß die Klägerin mit der Hauptleistung der Beklagten, die in der Zahlung des vereinbarten Werklohns liegt, nicht in Berührung kommt. Damit fehlt die von der Rechtsprechung zur sachgerechten Abgrenzung des geschützten Personenkreises geforderte ausreichende Leistungsnähe. Nach dem bisher festgestellten oder behaupteten Sachverhalt ist auch kein Anhaltspunkt dafür erkennbar, daß die Klägerin – oder andere Auftraggeber der Firma G. – gleichwohl in den Vertrag zwischen der Beklagten und der Firma G. einbezogen werden sollten (vgl. zu dieser Möglichkeit aus der neueren Rechtsprechung des BGH, Urt. v. 20.3.1995 – II ZR 205/94, NJW 1995, 1739, 1747 1. Sp. unter B I.).
Es besteht zudem nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen überhaupt kein Schutzbedürfnis der Klägerin, diese in den Schutzbereich des Vertrages zwischen der Beklagten und der Firma G. einzubeziehen. Dieses von der Rechtsprechung zur Vermeidung einer unangemessenen Ausweitung des von der Rechtsprechung maßgeblich entwickelten Rechtsinstituts für unabdingbar angesehene Kriterium ist nicht erfüllt; denn die Klägerin hat selbst und unabhängig von der Beklagten aufgrund des zwischen ihr und der Firma G. geschlossenen Werkvertrages Gewährleistungsansprüche gegen diese gemäß §§ 633 ff. BGB. Hierauf weist die Revision zu Recht hin. Diese vertraglichen Ansprüche der Klägerin gegen die Firma G. sind ihrem Gehalt nach den Ansprüchen, die die Klägerin über den vom Berufungsgericht gefundenen Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte gegen die Beklagte verfolgt, rechtlich in jeder Hinsicht gleichwertig.
III. Nach allem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Es war deshalb auf die Revision der Beklagten aufzuheben.
Der Senat kann selbst nicht in der Sache entscheiden. Das Berufungsgericht wird in der erneuten Verhandlung den Parteien Gelegenheit geben müssen, zu den Rechtsgrundlagen, auf die die Klägerin ihre Klage gegen die Beklagte stützt, Stellung zu nehmen. Es wird sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der Klägerin gegen die Beklagte deliktische Ansprüche nach §§ 823 ff. BGB zustehen; dabei wird es insbesondere zu klären haben, ob die Beklagte ihre Verpflichtung zur Prüfung des Zustands des angelieferten Gutes zum Nitrieren auf die Firma G. übertragen hat.
Dem Berufungsgericht war auch die Entscheidung über die Kosten der Revision zu übertragen.
Unterschriften
Rogge, Jestaedt, Maltzahn, Broß, Scharen
Fundstellen
Haufe-Index 1553569 |
BGHZ |
BGHZ, 168 |
BB 1996, 2009 |
NJW 1996, 2927 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1996, 1664 |
JZ 1997, 358 |
MDR 1997, 26 |