Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundstücksüberlassung
Leitsatz (amtlich)
Werden im Rahmen einer Grundstücksüberlassung Dienstbarkeiten und Reallasten als Altenteil, Leibgedinge, Leibzucht, Auszug oder im gleichen Sinn als "Wohn- und Unterhaltsrecht" eingetragen, so bedarf es, wenn auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen wird, nicht der Bezeichnung der einzelnen Rechte im Grundbuch; dies gilt - anders als im Rahmen von Altenteilsverträgen i. S. von Art. 96 EGBGB - auch dann, wenn das Grundstück dem Übernehmer nicht auch Zwecken des wirtschaftlichen Erwerbs dient.
Normenkette
GBO § 49; EGBGB Art. 96
Gründe
I.
Die Beteiligten sind die Witwe und die Söhne des am 3. September 1977 verstorbenen Erblassers, den sie ausweislich des gemeinschaftlichen Erbscheins vom 23. Dezember 1991 beerbt haben. Mit notarieller Urkunde vom 4. Februar 1992 übertrugen sie die beiden Nachlaßgrundstücke gegen bestimmte Entgeltverpflichtungen zu Alleineigentum an den Beteiligten zu 2, der ein näher geregeltes Wohnungs- und Unterhaltsrecht zugunsten der Beteiligten zu 1 begründete.
Die Beteiligten haben die Umschreibung des Eigentums auf den Beteiligten zu 2 beantragt, dieser die Eintragung eines (einheitlichen) Wohn- und Unterhaltsrechts nach Maßgabe der notariellen Urkunde. Das Grundbuchamt hat unter anderem beanstandet, das Wohn- und Unterhaltsrecht könne nicht als einheitliches Altenteil gemäß § 49 GBO, sondern lediglich als jeweils selbständiges Wohnungsrecht und als Reallast eingetragen werden. Erinnerung und Beschwerde sind erfolglos geblieben. Der weiteren Beschwerde möchte das Oberlandesgericht Hamm stattgeben. Daran sieht es sich aber durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 1. April 1992 - 2 Wx 7/91 = Rpfleger 1992, 431 gehindert und hat deshalb die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Vorlage ist nach § 79 Abs. 2 GBO statthaft. Das vorlegende Gericht möchte die Vorschrift des § 49 GBO dahin auslegen, daß die Eintragung eines Altenteils durch bloße Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung, d.h. ohne Bezeichnung der einzelnen einzutragenden Rechte, nicht voraussetzt, daß das mit dem Altenteilsrecht zu belastende Grundstück - sei es auch nur teilweise - Zwecken des wirtschaftlichen Erwerbs dient. Es sieht sich daran aber durch den auf weitere Beschwerde ergangenen Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 1. April 1992, 2 Wx 7/91, Rpfleger 1992, 431 gehindert. In dieser Entscheidung hat das Oberlandesgericht Köln den Begriff des Altenteils im Sinne des § 49 GBO mit der Voraussetzung verknüpft, daß der Übernehmer in dem zu belastenden Grundstück wenigstens teilweise seine Existenz finde.
Eine Pflicht - und damit auch das Recht - zur Vorlage bestünde gemäß § 79 Abs. 2 GBO allerdings nicht, wenn über die Rechtsfrage bereits eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes ergangen wäre und das vorlegende Gericht von dieser Entscheidung nicht abweichen wollte (BGHZ 15, 151, 153). So liegt es hier indessen nicht, obwohl das vorlegende Gericht einem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 28. Oktober 1988 (V ZR 60/87, NJW-RR 1989, 451) folgen möchte; denn diese Entscheidung ist zu einer anderen Vorschrift, nämlich zu Art. 96 EGBGB in Verbindung mit § 5 NdsAGBGB, ergangen. Wie der Senat dort ausgesprochen hat, hat ein Altenteilsvertrag, der im Sinne von Art. 96 EGBGB mit der Überlassung eines Grundstücks in Verbindung steht, in der Regel einerseits die Gewährung des Unterhalts zum Inhalt, wobei dem Altenteiler ein Wohnrecht an einem bestimmten Teil des Grundstücks gewährt wird, andererseits wird dem Übernehmer ein Gut oder ein Grundstück überlassen, kraft dessen Nutzung er sich eine eigene Lebensgrundlage schaffen und gleichzeitig den dem Altenteiler geschuldeten Unterhalt gewinnen kann. Allein durch eine Wohnrechtsgewährung mit Pflege- und Versorgungsverpflichtungen wird nach dieser Rechtsprechung eine Grundstücksübertragung noch nicht zum Altenteilsvertrag im Sinne von Art. 96 EGBGB (BGH aaO unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 4. Dezember 1981, V ZR 37/81, DNotZ 1982, 697, 698). Der Begriff des Altenteilsvertrages im Sinne von Art. 96 EGBGB erhält seine Bedeutung und Ausfüllung - zugleich aber auch seine Verengung - durch die Verweisung auf die landesrechtlichen Vorschriften über einen Altenteilsvertrag, der mit der Überlassung eines Grundstücks in Verbindung steht. Allen diesen landesrechtlichen Vorschriften ist u.a. gemein, daß sie unter Abwägung der Interessen des abziehenden Altenteilers und des typischerweise nachrückenden Angehörigen der nächsten Generation die Rückabwicklung des Vertrages materiell-rechtlich stärker erschweren, als dies nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über schuldrechtliche Austauschverträge der Fall ist. Deshalb hat der Bundesgerichtshof das Vorliegen eines Altenteilsvertrages für den Fall verneint, daß der Charakter eines gegenseitigen Vertrages mit beiderseits gleichwertigen Leistungen im Vordergrund steht. Dieser Regelungszusammenhang des Art. 96 EGBGB stellt die Frage nach einer sachgerechten Abgrenzung des Begriffs "Altenteilsvertrag" unter einem besonderen Blickwinkel und mit besonderer Zielrichtung. Dementsprechend bezieht sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Auslegung von Art. 96 EGBGB in Verbindung mit den landesrechtlichen Bestimmungen ausdrücklich auf Verträge, die, wie in Art. 96 EGBGB vorausgesetzt, mit einer Grundstücksüberlassung in Verbindung stehen (vgl. BGHZ 53, 41, 42 - zu § 850 b Abs. 1 ZPO, Art. 15 PrAGBGB; Senatsurteile v. 29. September 1962, V ZR 91/61, NJ 1962, 2249, 2250; v. 19. Juni 1964, V ZR 4/63, LM PreußAGBGB Art. 15 Nr. 6 Bl. 2; v. 3. April 1981, V ZR 55/80, NJW 1981, 2568, 2569; v. 4. Dezember 1981, V ZR 37/81, DNotZ 1982, 697, 698).
Die hier für das vorlegende Oberlandesgericht maßgebliche andere Rechtsfrage ist jedoch, ob die Zusammenfassung der vereinbarten Rechte als Altenteil oder - wie hier - unter einer Bezeichnung gleichen Inhalts gemäß § 49 GBO eintragungsfähig ist. Diese Vorschrift, die den geschlossenen Kreis dinglicher Rechte nicht etwa erweitert, dient der Vereinfachung des Grundbuchverfahrens: Über § 874 BGB hinausgehend erlaubt sie, daß nicht nur zur näheren Bezeichnung des Inhalts der dinglichen Rechte, sondern auch zur Bezeichnung bestimmter Rechte selbst auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen wird. Diese Sonderregelung soll den Grundbuchverkehr vereinfachen und im Interesse besserer Übersichtlichkeit das Grundbuch vor der sonst notwendigen Eintragung einer Mehrzahl dinglicher Rechte bewahren (BGHZ 58, 57, 59; BayObLGZ 1975, 132, 133 m.w.N.). Die Auslegung des § 49 GBO braucht deshalb nicht notwendig zu demselben Ergebnis zu führen wie diejenige von Art. 96 EGBGB in Verbindung mit den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften. Das angeführte Urteil des Bundesgerichtshofes vom 28. Oktober 1988 steht daher der Statthaftigkeit der Vorlage nicht entgegen.
III.
1.
Die weitere Beschwerde ist, wie das vorlegende Gericht zutreffend ausgeführt hat, zulässig. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten folgt bereits aus der Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde.
2.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das vorlegende Gericht, wie auch schon das Landgericht, von einer zulässigen Erstbeschwerde ausgegangen. Die Berechtigung der Beteiligten zur Einlegung der Erstbeschwerde ergibt sich aus ihrem Antragsrecht.
Auch die Ausführungen im Vorlagebeschluß zur Zulässigkeit der Entscheidung des Landgerichts über nur einen Teil der Beanstandungen des Grundbuchamts treffen zu; denn bei der Anfechtung einer Zwischenverfügung bildet jede einzelne Beanstandung einen selbständigen Verfahrensgegenstand.
Die Vorinstanzen haben weiter zu Recht den Standpunkt eingenommen, daß es sich bei der hier vorliegenden Beanstandung um eine nach § 18 GBO zulässige und damit rechtsmittelfähige Zwischenverfügung handelt.
3.
Die weitere Beschwerde ist, wie das vorlegende Gericht im Ergebnis richtig angenommen hat, auch begründet. Anders als im Zusammenhang mit Art. 96 EGBGB ist im Sinne des § 49 GBO die Überlassung eines Grundstücks zwar häufig der Anlaß, nicht aber auch begrifflich Voraussetzung eines Altenteils (vgl. RGZ 162, 52, 57, 59 - zu § 9 EGZPO und in Abgrenzung zu Art. 96 EGBGB; BayObLGZ 1975, 132, 135; Horber/Demharter, GBO 20. Aufl. § 49 Rdn. 3, 8; Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann, Grundbuchrecht 4. Aufl. § 49 Rdn. 2, jeweils m.w.N.). Der Rechtsgrund, dem das Altenteil im Einzelfall seine Entstehung verdankt, ist für seine Begriffsbestimmung nicht wesentlich. Maßgeblich sind allein die seinen Inhalt ausmachenden Rechte. Diese Rechte sind im wesentlichen Ansprüche auf Sach- und Dienstleistungen, die aus und auf einem Grundstück zu gewähren sind, der allgemeinen und persönlichen Versorgung des Berechtigten dienen und - regelmäßig lebenslängliche - Verknüpfung des Berechtigten mit dem belasteten Grundstück bezwecken; sie ruhen als Reallasten und beschränkte persönliche Dienstbarkeiten auf dem Grundstück, aus dem sie zu befriedigen sind. In der Verknüpfung miteinander bilden sie das Altenteil (Leibgedinge; vgl. RGZ 162, 52, 57, 59). Die erweiterte Bezugsmöglichkeit gemäß § 49 GBO rechtfertigt sich daraus, daß ein derartiges selbständiges Rechtsgebilde (RGZ 104, 272, 274) wegen seines durch den Versorgungszweck bedingten und damit typisierten Inhalts in aller Regel durch die gleichen dinglichen Rechte (beschränkte persönliche Dienstbarkeit, Reallast) gesichert wird und deren Wiedergabe im Grundbuch selbst daher auch durch den Grundsatz der Grundbuchklarheit nicht zwingend geboten ist (BayObLGZ 1975, 132, 133).
Ist in diesem Zusammenhang sonach die Überlassung eines Grundstücks zwar wohl die Regel, nicht aber ein Begriffsmerkmal, so folgt schon hieraus, daß auch in den Fällen, in denen es neben der Versorgungsleistung tatsächlich zu einer Grundstücksüberlassung kommt, die Zweckbestimmung des zu überlassenden Grundstücks und seine Eignung zur Sicherung wenigstens eines Teils der wirtschaftlichen Existenz des Übernehmers nicht Voraussetzung der vereinfachten Eintragung nach § 49 GBO sein kann (ebenso Horber/Demharter § 49 Rdn. 3, 8).
Auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift kommt es nur darauf an, daß es sich um eine Bündelung von Rechten handelt, die typischerweise zu Versorgungszwecken als Altenteil im Grundbuch eingetragen werden. Schon dann wird derjenige, der in das Grundbuch Einsicht nimmt, durch den Text der Grundbucheintragung hinreichend darauf hingewiesen, daß er zur vollständigen Information über den Grundbuchinhalt auch den Text der Eintragungsbewilligung zur Kenntnis nehmen muß. Welche schuldrechtlichen Vereinbarungen die Beteiligten neben der dinglichen Absicherung des Versorgungsberechtigten getroffen haben, ist dagegen für die angestrebte Entlastung des Grundbuchs unerheblich. Vielmehr würde der Entlastungs- und Vereinfachungseffekt zu teuer erkauft, wenn das Grundbuchamt jeweils umständliche Ermittlungen und Wertungen darüber anstellen müßte, ob die Gesamtheit der Vereinbarungen etwa den Charakter eines Austauschvertrages trägt und ob das zu belastende Grundstück, wenn es gleichzeitig dem Schuldner der Versorgungsleistungen überlassen wird, diesem mindestens teilweise die wirtschaftliche Existenz sichern soll und sichern kann. Derartige Ermittlungen, die sich u. a. z.B. auf den Verkehrswert erstrecken müßten, würden das Grundbuchamt mit Aufgaben belasten, die dem formellen Grundbuchrecht fremd sind und zu einer vermeidbaren Verzögerung und Verteuerung des Verfahrens führen würden.
Wie in der Rechtsprechung ebenfalls schon seit langem anerkannt ist, braucht das eingetragene Recht nicht ausdrücklich als "Altenteil", "Leibgedinge" o.ä. bezeichnet zu sein. Es genügt, daß sich der Charakter des Rechts (oder der Rechte) als eines Altenteils - wie hier - aus der Grundbucheintragung oder aus der darin in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung hinreichend deutlich ergibt (RGZ 152, 104, 109 f - zu § 9 EG z. ZVG und zu Art. 6 PrAG z. ZVG, OLG Hamm, OLGZ 1969, 380, 381; BayObLGZ 1975, 132, 134).
Fundstellen