Leitsatz (amtlich)

Die Rechtsfolgen des § 571 treten nicht ein, wenn der das Mietgrundstück veräußernde Eigentümer nicht zugleich der Vermieter ist (Entschieden für einen Fall der Veräußerung durch eine Miteigentümergemeinschaft und der Vermietung durch nur einen Miteigentümer).

 

Normenkette

BGB §§ 571, 578

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.11.1972)

LG Frankfurt am Main

 

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt (Main) vom 9. November 1972 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die gegen den Erstbeklagten und den Zweitbeklagten gerichtete Feststellungsklage abgewiesen worden ist.

Die Kläger haben 3/10 der Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, soweit über diese noch nicht entschieden ist, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Erstbeklagte war neben seiner unter Vormundschaft stehenden Schwester Elisabeth G. zu 13/16 Miteigentümer des Hausgrundstücks in F., T. straße … Mit schriftlichem Vertrag vom 16. August 1971 vermietete er den klagenden Eheleuten die im Erdgeschoß dieses Hauses gelegenen Gaststättenräume. Der Beginn des Mietverhältnisses wurde auf 1. November 1971, seine Dauer auf zehn Jahre festgelegt. Der Mietzins betrug monatlich 3 200 DM.

Mit notariellem Vertrag vom 13. September 1971 verkauften der Erstbeklagte und seine durch ihren Vormund vertretene Schwester das Grundstück an den Zweitbeklagten für 1,4 Mill. DM. § 4 dieses Vertrages lautet:

„Käufer tritt in die bestehenden Miet- und Pachtverträge bezüglich des Grundstücks ein, …”

Dieser Vertrag wurde am 5. November 1971 vormundschaftsgerichtlich genehmigt. Am 16. Februar 1972 wurde der Zweitbeklagte als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Er überließ die Räume nicht den Klägern, sondern am 15. Oktober 1971 der mitverklagten, am Revisionsverfahren aber nicht mehr beteiligten Deutschen Bundesbahn (DB). Diese benötigt das Grundstück für den S-Bahnbau in F.. Anfang Februar 1972 ließ sie das auf dem Grundstück stehende Gebäude abreißen.

Mit der im Dezember 1971 erhobenen Klage haben die Kläger beantragt, den Erstbeklagten zu verurteilen, die im Hause F.), T. straße … gelegene Gastwirtschaft, bestehend aus einem Gastraum, einer Küche, einem Bierkeller, zwei Lagerkellern und Nebenräumen zu übergeben. Diesen Antrag haben sie im Laufe des Rechtsstreits auf den Zweitbeklagten und die DB ausgedehnt. Das Landgericht wies die Klage ab. Mit der Berufung haben die Kläger unter Aufrechterhaltung ihres Antrags erster Instanz zusätzlich begehrt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 738,50 DM zu verurteilen und festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihnen allen weiteren Schaden zu ersetzen, der daraus herrührt, daß der Mietvertrag vom 16. August 1971 vom Erstbeklagten seit 1. November 1971 nicht erfüllt wird. Das Oberlandesgericht wies die Berufung zurück. Mit der zunächst in vollem Umfang eingelegten Revision verfolgen die Kläger jetzt nur noch ihre gegen den Erstbeklagten und den Zweitbeklagten gerichteten Anträge auf Zahlung und Feststellung weiter. Diese haben gebeten, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

A. Das Berufungsgericht nimmt an, daß die Verpflichtung zur Erfüllung des am 16. August 1971 geschlossenen Mietvertrages untergegangen ist, weil die Vermieterleistung (Überlassung der Mietsache) durch den Abriß des Gebäudes, in dem sich die Mieträume befanden, unmöglich geworden ist. Die daraus folgende Abweisung des Übergabeanspruchs nehmen die Kläger, die insoweit ihre Anträge in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat nicht mehr weiter verfolgt haben, hin.

B. Gegenstand des Rechtsstreits sind daher jetzt nur noch Schadenersatzansprüche.

I. Ersatzansprüche gegen den Erstbeklagten

Der Untergang der Mietsache befreite den Erstbeklagten zwar von der Pflicht zur Erfüllung, nicht aber von der Verpflichtung, den Klägern Schadenersatz zu leisten. Denn die Unmöglichkeit der Leistung hat nicht die Beendigung des Mietvertrages zur Folge (anders Mittelstein, Die Miete, 4. Aufl. S. 229; Roquette, Das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs vor §§ 537 bis 542 Nr. 9). Sie bewirkt vielmehr dann, wenn die Unmöglichkeit vom Vermieter zu vertreten ist, die Umwandlung des Erfüllungsanspruchs in einen Schadenersatzanspruch des Mieters oder in das Recht, vom Vertrag zurückzutreten (§§ 280, 325 BGB).

1. Der Erstbeklagte ist aus dem von ihm geschlossenen Mietvertrag nicht dadurch ausgeschieden, daß das Grundstück, auf dem sich die vermieteten Bäume befanden, am 13. September 1971 an den Zweitbeklagten veräußert wurde. Die Rechtsfolgen des § 571 (oder des noch zu erörternden § 578) BGB, nämlich der Eintritt des Erwerbers in die Vermieterstellung und das Ausscheiden des Veräußerers aus dieser Stellung, treten nämlich nur dann ein, wenn der veräußernde Eigentümer zugleich der Vermieter ist (Palandt, BGB, 33. Aufl. § 571 Anm. 2; Soergel/Siebert aaO § 571 Nr. 3; Mittelstein aaO S. 649 f, 658, 661; Niendorff, Mietrecht, 10. Aufl. S. 305; Roquette aaO § 571 Nr. 20, § 578 Nr. 2). Der Veräußerer soll, das ist der Grund dieser Regelung, nicht wie ein Bürge für Verpflichtungen haften müssen (§ 571 Abs. 2 BGB), die nicht in seiner Person, sondern in der Person eines Dritten bestehen.

Veräußerer des Grundstücks war die Miteigentümergemeinschaft, die zwischen dem Erstbeklagten und seiner Schwester bestand. Vermieter war der Erstbeklagte. Ein Sachverhalt, wie ihn die Anwendung des § 571 BGB voraussetzt, war also bei der Veräußerung an den Zweitbeklagten nicht gegeben (so Mittelstein aaO S. 661). Es ist deshalb gleichgültig, daß der Zweitbeklagte im Kaufvertrag die bestehenden Miet- und Pachtverträge übernommen hat. Das reicht für die Anwendung des § 578 BGB nicht aus, weil diese Bestimmung, von der Überlassung der Mietsache an den Mieter abgesehen, alle sonstigen Voraussetzungen verlangt, die bei § 571 BGB vorliegen müssen. Auch im Falle des § 578 BGB muß also der veräußernde Eigentümer zugleich der Vermieter sein (Roquette aaO § 578 Nr. 2).

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob die §§ 571, 578 BGB dann anwendbar wären, wenn die Grundstücksmiteigentümerin Elisabeth G. (durch ihren Vormund) dem Abschluß des Mietvertrages vom 16. August 1971 zugestimmt hätte. Ein solcher Sachverhalt liegt nicht vor, wie das Berufungsgericht rechtsirrtumsfrei feststellt. Einmal ist der Vertrag vom 16. August 1971 nicht zugleich für die Miteigentümerin als Mitvermieterin geschlossen worden. Außerdem fehlt es an ihrer noch nicht einmal behaupteten Zustimmung zu diesem Vertrag. Das Berufungsgericht hat sich ausdrücklich mit der Frage auseinandergesetzt, ob dem § 4 des Mietvertrages eine derartige Zustimmung entnommen werden könne. Es hat auf Grund rein tatsächlicher Erwägungen rechtlich einwandfrei festgestellt, daß eine Genehmigung nicht erteilt worden ist.

Der Erstbeklagte ist also nicht auf Grund der Veräußerung des Mietgrundstücks an den Zweitbeklagten nach §§ 571, 578 BGB aus dem mit den Klägern geschlossenen Vertrage ausgeschieden.

3. Das Berufungsgericht führt weiter aus, der Erstbeklagte sei auch nicht auf Grund einer Schuldübernahme des Zweitbeklagten (§§ 414, 415 BGB) seiner Vermieterpflichten ledig geworden. Es fehle hierzu, so führt das Berufungsgericht aus, bereits an der nach § 415 BGB erforderlichen Mitwirkung der Kläger. In der Erhebung der Klage gegen den Zweitbeklagten liege keine Genehmigung, weil die zugleich gegen den Erstbeklagten gerichtete Klage zeige, daß die Kläger diesen als Schuldner nicht entlassen wollten.

Diese Begründung ist rechtlich nicht bedenkenfrei. Wie der Erstbeklagte mit Recht geltend macht, hat das Berufungsgericht übersehen, daß nach Sachlage nicht die Annahme einer befreienden Schuldübernahme, sondern einer Vereinbarung der Auswechslung eines Vertragspartners (des Erstbeklagten) durch einen andern (den Zweitbeklagten) nahelag. Eine solche wäre nach dem Prinzip der Vertragsfreiheit an sich möglich gewesen, jedoch nur unter Mitwirkung der Kläger (vgl. zu der rechtlich gleichgelagerten Frage des Mieterwechsels die BGH Urteile vom 27. September 1959 – VIII ZB 112/58 = LM BGB § 535 Nr. 21 a und vom 7. November 1962 – V ZR 120/60 = WM 1963, 217; Soergel/Siebert, BGB, 10. Aufl. § 536 Anm. 50). Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt wird das Berufungsgericht, an das die Sache aus noch darzulegenden Gründen zurückverwiesen werden muß, den Streitstoff erneut zu würdigen und dabei auch zu prüfen haben, ob und inwieweit die im Rechtsstreit gestellten Anträge gegebenenfalls als Zustimmung zu einem Vermieterwechsel beurteilt werden können.

4. Blieb der Erstbeklagte, wovon im Revisionsrechtszug ausgegangen werden muß, den Klägern gegenüber Vermieter, so ist er ihnen zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er die Unmöglichkeit der Leistung zu vertreten hat. Das ist der Fall.

Er hatte die Räume zum 1. November 1971 den Klägern zu überlassen (§ 2 des Mietvertrages). Das ist nicht geschehen. Seit 1. November 1971 befand sich der Erstbeklagte demnach in Verzug (§§ 535 Satz 1, 284 Abs. 2 BGB). Ohne daß es darauf ankommt, ob er durch sein Verhalten den Abriß des Gebäudes verschuldet hat, haftet er nach § 287 Satz 2 BGB für die während seines Verzuges eingetretene Unmöglichkeit der Leistung.

II. Ersatzansprüche gegen den Zweitbeklagten

1. Unter B I 1 und 2 wurde bereits ausgeführt, daß der Zweitbeklagte nicht nach §§ 571, 578 BGB anstelle des Erstbeklagten in den Mietvertrag eingetreten ist. Das Berufungsgericht meint aber, der Zweitbeklagte habe durch § 4 des Kaufvertrages die Erfüllung aller bestehenden Mietverträge übernommen, gleichgültig, ob sie von den Grundstückseigentümern oder wie hier etwa nur vom Erstbeklagten geschlossen seien. Dabei handele es sich um einen Vertrag zugunsten Dritter (vgl. § 329 BGB), durch welchen der Zweitbeklagte es (u. a.) neben dem Erstbeklagten übernommen habe, den Klägern den Besitz an den Mieträumen zu verschaffen.

2. Auch diese Rechtsauffassung bedarf, wie der Zweitbeklagte mit Recht rügt, der Überprüfung.

Es kann nämlich zweifelhaft sein, ob der Zweitbeklagte sich gegenüber den Klägern nach § 328 BGB zur Erfüllung des Mietvertrages verpflichten wollte, ohne daß er seinerseits in die Rechte des Vermieters eintrat. Letzteres war, da einerseits, wie unter B I 1 ausgeführt wurde, §§ 571, 578 BGB nicht eingreifen konnten, und andererseits das Gesetz Verträge zu Lasten Dritter nicht zuläßt, ohne Beteiligung der Kläger nicht möglich (vgl. oben unter B I 3). Es ist aber fraglich, ob der Zweitbeklagte durch § 4 des Kaufvertrages den Klägern gegenüber wirklich Vermieterpflichten übernehmen wollte, ohne ihnen gegenüber zugleich insbesondere hinsichtlich der Zahlung des Mietzinses auch anspruchsberechtigt zu sein. Stellt sieh deshalb auch in diesem Zusammenhang die Frage, ob § 4 des Kaufvertrages die Vereinbarung eines Vermieterwechsels zum Gegenstand hat, so kommt es darauf an, ob die Kläger dem zugestimmt haben und wie dabei ihre im Prozeß gegen beide Beklagten gestellten Anträge etwa zu würdigen sind.

3. Sollte die Überprüfung dieser Frage ergeben, daß der Zweitbeklagte es neben dem Erstbeklagten rechtswirksam übernommen hat, dessen Verpflichtung zur Überlassung der Mieträume zu erfüllen, so hat der Zweitbeklagte diese Verpflichtung, wie das Berufungsgericht rechtsirrtumsfrei ausführt, schuldhaft dadurch verletzt, daß er den Klägern nicht den Besitz an den Mieträumen überließ, vielmehr das Grundstück der DB zum Besitz übergab, obgleich er wußte, daß diese das Gebäude, in welchem die Mieträume sich befanden, abreißen werde.

C. Eine Schadenersatzpflicht beider Beklagter steht dann dem Grunde nach fest.

I. Der Zahlungsanspruch

Die Kläger haben vorgetragen, ihr Architekt habe ihnen für Planungsarbeiten, die sich auf das Mietobjekt bezogen hätten, 738,50 DM in Rechnung gestellt.

Den hierauf gestützten Zahlungsanspruch hat das Berufungsgericht schon deshalb mit Recht abgewiesen, weil den Klägern, solange sie die Architektenrechnung nicht bezahlt haben, nach dem Grundsatz der Naturalrestitution nur ein Anspruch auf Schuldbefreiung zusteht: § 257 BGB. Auf die weiteren Rügen der Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht bezweifelt, daß es sich bei den Planungsarbeiten überhaupt um durch die Vertragsverletzung der Beklagten verursachte Schäden handelt, braucht deshalb nicht weiter eingegangen zu werden.

II. Der Feststellungsanspruch

Mit Recht rügt die Revision hingegen, das Berufungsgericht habe den Feststellungsantrag nicht mit der Begründung abweisen dürfen, die Kläger hätten ihrer Darlegungspflicht nicht genügt und nicht einmal in Ansätzen Umstände vorgetragen, aus denen sich eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den eingetretenen oder künftigen Beginn einer Schadensentwicklung habe ergeben können.

Die Kläger sind Geschäftsleute und betreiben, wie das Berufungsgericht selbst feststellt, bereits eine Gaststätte. Gleichgültig, ob sie diesen Betrieb aufgeben oder den in den Mieträumen geplanten Betrieb zusätzlich führen wollten, war nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, daß sie in den Mieträumen – auch bei einem Mietzins von monatlich 3 200 DM – einen Gewinn erzielen konnten, der ihnen entgangen ist. Es kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine Rede davon sein, daß bei einem 10-jährigen Mietvertrag über eine Gaststätte im Bahnhofsgebiet einer Großstadt die Erzielung von Gewinn noch nicht einmal als möglich angenommen werden könne.

Falls das Berufungsgericht insoweit Zweifel gehabt hätte, wären bei einem solchen Sachverhalt die Kläger zu weiterem Vortrag aufzufordern gewesen (§ 139 ZPO). Wie das in der Revisionsinstanz vorgelegte Schreiben der Binding-Brauerei vom 5. April 1973 zeigt, sind die Mieträume den Klägern von dieser Brauerei mit einer Umsatzerwartung von monatlich 45 hl angeboten worden. Große Brauereien pflegen aber nicht Objekte anzubieten, auf denen ihr Abnehmer (hier die Kläger) keine Gewinnmöglichkeiten haben. Die Abweisung der Feststellungsklage erweist sich deshalb mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung als fehlerhaft.

D. Da das angefochtene Urteil mithin nicht bestehen bleiben kann, soweit der Feststellungsantrag abgewiesen worden ist, war es in diesem Umfang aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Vom Ausgang der Hauptsache hängt auch die Entscheidung über die auf den Feststellungsantrag entfallenden Kosten der Revision ab. Sie war deshalb gleichfalls dem Berufungsgericht zu übertragen. Wegen der Entscheidung über die restlichen Kosten des Revisionsverfahrens vgl. §§ 92, 97, 566, 515 Abs. 3 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Haidinger, Claßen, Braxmaier, zugleich für den beurlaubten Richter Wolf, Hoffmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 950576

NJW 1974, 1551

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