Leitsatz (amtlich)

›1. Für eine schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzung bei der Einlösung eines gefälschten Postbarschecks haftet die Post dem Kontoinhaber in entsprechender Anwendung des § 19 PostG auf Schadensersatz. § 10 Abs. 4 PostgiroO, der keine Freizeichnungsklausel, sondern eine Gefahrtragungsregelung enthält, steht nicht entgegen.

2. Zum Umfang der Prüfungspflicht der bezogenen Postbank bei der Einlösung eines gefälschten Postbarschecks.‹

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine Studentin, unterhält seit dem Jahre 1981 bei der Beklagten ein Postgirokonto. Zur Teilnahme am Postbarscheckverfahren erhielt sie unter Hinterlegung einer Unterschriftsprobe beim Postamt... in H., das sie als Auszahlungsstelle bestimmt hatte, Scheckformulare und eine Ausweiskarte ausgehändigt.

Bei diesem ihrer Wohnung unmittelbar benachbarten kleinen Postamt reichte am 19., 20., 22. und 23. Juni 1989 ein Mann unter Vorlage ihrer Ausweiskarte und Benutzung der ihr ausgehändigten Formulare vier auf der Vorder- und auf der Rückseite mit dem Namen der Klägerin gezeichnete Postbarschecks über 1.800 DM, noch einmal 1.800 DM, 2.000 DM und 1.200 DM zur sofortigen Auszahlung ein. Der Schalterbeamte F., der die Klägerin bei Geldabhebungen in den letzten Jahren hauptsächlich bedient hatte und sie dadurch persönlich kannte, löste die Inhaberbarschecks ohne Prüfung der Identität des Einreichers zu Lasten ihres Postgirokontos, das damals ein Guthaben von etwa 7.000 DM aufwies, ein. Etwa eine Woche später ließ die Klägerin, die sich seit dem 15. Juni 1989 in Untersuchungshaft befand, vertreten durch eine Rechtsanwältin, das Postgirokonto sperren, da die Ausweiskarte und alle Scheckformulare bei einem Einbruch in ihre Wohnung gestohlen worden seien.

Mit der Behauptung, die Unterschriften auf den vier Schecks seien gefälscht, nimmt die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von 5.000 DM zuzüglich Zinsen wegen pflichtwidriger Einlösung der Schecks vom 20., 22. und 23. Juni 1989 in Anspruch. Sie macht geltend, dem mit ihren finanziellen Angelegenheiten vertrauten Schalterbeamten F. habe sich nach Einlösung des Schecks über 1.800 DM bei der Vorlage drei weiterer Barschecks an den folgenden Tagen durch denselben unbekannten Mann der Verdacht einer Fälschung aufdrängen müssen, da sie Barschecks stets nur persönlich eingelöst, nur in Ausnahmefällen über mehr als 1.000 DM und nie viermal binnen weniger Tage über so hohe Beträge ausgestellt habe.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt: Für die Klage sei der Zivilrechtsweg eröffnet. Soweit die Klägerin die Auszahlung ihres Kontoguthabens ohne Berücksichtigung der streitigen Belastungsbuchungen fordere, mache sie einen zivilrechtlichen Erfüllungsanspruch geltend. Soweit sie Schadensersatz verlange, sei der ordentliche Rechtsweg gemäß § 26 Abs. 2 PostG i.d.F. vom 29. Juli 1989 (richtig: 1969) gegeben.

Die Klage sei begründet, da die streitigen Barschecks unabhängig davon, ob sie gefälscht seien, nicht hätten eingelöst werden dürfen. Die Beklagte habe die auch im Postscheckdienst bestehende Pflicht, Schecks vor Einlösung sorgfältig zu prüfen, verletzt. Zwar gebe ein Vergleich der hinterlegten, leicht nachzuahmenden Unterschrift der Klägerin mit den angeblich gefälschten für sich allein keinen Anlaß zu einem Fälschungsverdacht. Der Schalterbeamte F. habe jedoch angesichts der ihm bekannten Gewohnheit der - Klägerin, Schecks jedenfalls in aller Regel persönlich einzulösen und einen Betrag in der für sie beträchtlichen Größenordnung der einzelnen Schecks nur einmal im Monat abzuheben, schon bei Vorlage des zweiten Barschecks über 1.800 DM durch einen unbekannten Mann nur einen Tag nach Einlösung eines Schecks in gleicher Höhe Verdacht schöpfen und Sicherungsmaßnahmen ergreifen müssen. Die Beklagte habe durch die Auszahlung der streitigen Scheckbeträge deshalb keinen Aufwendungsersatzanspruch analog § 670 BGB erlangt mit der Folge, daß das Konto der Klägerin insoweit nicht wirksam belastet worden sei und dieser ein Erfüllungsanspruch auf Auszahlung des ungeschmälerten Kontoguthabens zustehe. Daran ändere sich nichts, wenn die streitigen Schecks, wie die Beklagte behaupte, nicht gefälscht, sondern mit Wissen und Willen der Klägerin vorgelegt worden seien. Auch dann lägen die Voraussetzungen für einen Aufwendungsersatzanspruch der Beklagten nicht vor. In Betracht kämen nur Ansprüche der Beklagten aus §§ 823 Abs. 2, 826 und gegebenenfalls 812 BGB. Deren Voraussetzungen habe die beweisbelastete Beklagte jedoch nicht dargetan. Billige man der Beklagten - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - einen Aufwendungsersatzanspruch zu, etwa weil § 670 BGB durch postrechtliche Sonderregelungen überlagert sei, so stehe der Klägerin ein Schadensersatzanspruch aus positiver Verletzung des Giroverhältnisses zu. Vor Ausräumung des Verdachts einer Straftat zum Nachteil der Klägerin habe der Erfüllungsgehilfe F. der Beklagten die streitigen Barschecks nicht einlösen dürfen. Daß nach Vortrag der Beklagten mit der Möglichkeit eines abgekarteten Spiels zwischen der Klägerin und dem Unbekannten zu rechnen sei, ändere an dem Schadensersatzanspruch der Klägerin nichts. Zwar wäre diese dann im Ergebnis nicht geschädigt. Für die Verteilung der Beweislast seien die mit der Scheckauszahlung verbundenen vermögensrechtlichen Vorgänge aber gesondert zu betrachten. Wenn die Beklagte das Konto der Klägerin ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen des § 670 BGB wirksam belastet habe, so sei es Sache der Beklagten zu beweisen, daß die dadurch eingetretene Minderung des Klägervermögens durch einen Vermögensvorteil ausgeglichen worden sei.

II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

1. Die Ausführungen zur Zulässigkeit des Zivilrechtswegs sind gegenstandslos. Das Berufungsgericht hat die Änderung der Rechtswegvorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes durch Art. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (Viertes Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung - 4. VwGOÄndG) vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2809) übersehen. Nach § 17 a Abs. 5 GVG i.d.F. dieses Gesetzes hat das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht zu prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Diese Vorschrift findet hier Anwendung, da der Rechtsstreit in erster Instanz erst nach Inkrafttreten des 4. VwGOÄndG am 1. Januar 1991 abgeschlossen worden ist (vgl. BGHZ 114, 1, 4). Das Berufungsgericht hätte die vom Landgericht stillschweigend bejahte Zulässigkeit des Zivilrechtswegs daher nicht prüfen dürfen, sondern von ihr ausgehen müssen.

2. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht einen Erfüllungsanspruch der Klägerin auf Auszahlung ihres durch die streitigen Scheckbeträge nicht geschmälerten Kontoguthabens für gegeben erachtet hat, begegnen Bedenken. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht zur Fälschung der Unterschriften auf den Schecks keine Feststellungen getroffen.

a) Die Beklagte hat bestritten, daß die Schecks gefälscht seien. Den Beweis für entsprechendes Vorbringen liefert gemäß § 314 ZPO das Berufungsurteil. Im Tatbestand heißt es u.a., die Klägerin verlange Ersatz für die Einlösung ›angeblich gefälschter Postbarschecks‹. Durch diese Formulierung kommt hinreichend deutlich zum Ausdruck, daß die Echtheit der Schecks streitig ist. Darüberhinaus ist die Fälschung in den Entscheidungsgründen, denen, was Tatsachenfeststellungen angeht, ebenfalls die Beweiskraft des § 314 ZPO zukommt (Senatsurteil vom 19. Juni 1990 - XI ZR 280/89, WM 1990, 1322, 1324), ausdrücklich als streitig bezeichnet worden. Die Revisionserwiderung kann deshalb nicht mit Erfolg geltend machen, die Beklagte habe die Echtheit der Schecks nur in dem der Klage vorausgegangenen Prozeßkostenhilfeverfahren behauptet.

b) Mangels Feststellungen zur Fälschung ist für die revisionsrechtliche Beurteilung von der Echtheit der Unterschriften auf den Schecks auszugehen. Stammten diese von der Klägerin, so lagen, was das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet hat, wirksame Zahlungsanweisungen der Klägerin vor. Die Beklagte war dann berechtigt, die Schecks einzulösen und die ausbezahlten Beträge vom Postgirokonto der Klägerin abzubuchen. Das ergibt sich, ohne daß es eines Rückgriffs auf § 670 BGB bedarf, schon aus § 15 Abs. 1 PostgiroO. Danach kann der Kontoinhaber das Postgiroamt mit Postscheck beauftragen, einen Betrag von seinem Konto abzubuchen und auszuzahlen.

Ob sich an der Wirksamkeit der Kontobelastung etwas ändern würde, wenn der Einreicher zur Verfügung über die echten Schecks nicht berechtigt gewesen wäre und die Beklagte dies grob fahrlässig nicht erkannt hätte, kann offenbleiben. Ansprüche aus §§ 990, 989 BGB i.V. mit Art. 21 ScheckG scheiden aus: Die Klägerin hat selbst nicht vorgetragen, ihr seien ausgefüllte und unterschriebene Schecks abhanden gekommen.

3. Auch die Hilfsbegründung, mit der das Berufungsgericht der Klägerin einen Schadensersatzanspruch zuerkannt hat, ist nicht frei von Rechtsirrtum, Das Berufungsgericht hat auch insoweit zu Unrecht offengelassen, ob die Unterschriften auf den streitigen Schecks gefälscht sind.

a) Sind diese, wovon mangels Feststellungen für das Revisionsverfahren auszugehen ist, echt, so lägen wirksame Anweisungen der Klägerin an die Beklagte vor, die streitigen Beträge an den Scheckeinreicher auszuzahlen. Dann fehlte es, anders als das Berufungsgericht gemeint hat, schon an einem Schaden der Klägerin, weil die Einlösung der Schecks und die dadurch eingetretene Vermögenslage ihrem Willen voll entsprochen und ihr Interesse nicht beeinträchtigt hätten. Darüberhinaus wäre auch der für einen Schadensersatzanspruch erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen einer Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten und einem etwaigen Schaden der Klägerin nicht gegeben. Auch bei sorgfältiger Prüfung hätte die Beklagte die vorgelegten Inhaberbarschecks einlösen müssen.

b) Die angefochtene Entscheidung läßt sich auch nicht mit der Begründung halten, die Beklagte habe keinen Beweis angetreten, daß die streitigen Schecks echt seien. Eines Beweisantrags bedurfte es insoweit nicht. Zur Klärung der Echtheit kommt, abgesehen von einer Vernehmung der Klägerin als Partei, nur ein Schriftsachverständigengutachten in Betracht. Ein solches Gutachten hätte das Berufungsgericht, wenn es nicht über die erforderliche Sachkunde verfügt, nach pflichtgemäßem Ermessen von Amts wegen einholen müssen (§§ 144 Abs. 1, 442 ZPO; MünchKomm ZPO/Damrau § 403 Rdn. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 50. Aufl. § 403 Anm. 1).

c) Feststellungen zur Fälschung der streitigen Schecks waren, anders als die Revision meint, auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Beklagten eine schadensersatzbegründende Pflichtverletzung ohnehin nicht zur Last fiele.

aa) Aufgrund des damals noch öffentlich-rechtlichen Postgiroverhältnisses war die Beklagte verpflichtet, Postbarschecks vor der Einlösung auf ihre Echtheit zu prüfen. Die schuldhafte Verletzung dieser Pflicht löste einen Schadensersatzanspruch des Kontoinhabers aus. Ein solcher Anspruch ergäbe sich mangels eines Auftrags der Klägerin zwar nicht unmittelbar aus § 19 PostG a.F.. Diese Vorschrift müßte angesichts des darin zum Ausdruck gekommenen Grundsatzes, daß die Beklagte für schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzungen im Postscheckdienst haftet, jedoch entsprechend angewandt werden. § 10 Abs. 4 Satz 2 PostgiroO, wonach der Postgiroteilnehmer die Nachteile aus dem Verlust oder dem Mißbrauch von Formblättern trägt, wenn er das Postgiroamt nicht so zeitig benachrichtigt hat, daß eine Zahlung an einen Unberechtigten noch verhindert werden kann, stünde dem nicht entgegen. Diese Bestimmung enthält nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur keine allgemeine Freizeichnungsklausel, sondern hat - ähnlich wie Nr. 11 der Scheckbedingungen der privaten Banken und der Sparkassen - den Zweck, das Fälschungsrisiko, das grundsätzlich derjenige zu tragen hat, der auf eine gefälschte Unterschrift vertraut, von der Beklagten auf die Kontoinhaber abzuwälzen (vgl. RGZ 161, 174, 182 f für § 6 PSchO; OLG Hamburg Archiv PF 1965, 728, 733; OLG Köln Altmannsperger PostRE 2. 08. 1. 6 Nr. 27; Altmannsperger, PostG § 19 Rdn. 28). Ob eine solche Risikoverlagerung wirksam ist, hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung, die Nr. 11 der Scheckbedingungen betraf, mit Rücksicht auf eine Prüfungspflichtverletzung der bezogenen Bank in jener Sache offengelassen (BGHZ 91, 229, 232). Aus dem gleichen Grunde bedarf die Frage, die sich hier unter dem Gesichtspunkt stellen würde, ob § 10 Abs. 4 Satz 2 PostgiroO durch die in § 14 PostverwG enthaltene Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist, auch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

bb) Ausgehend von einer Fälschung der Schecks hat das Berufungsgericht eine schuldhafte Prüfungspflichtverletzung zu Recht bejaht, obwohl ein Vergleich des Namenszuges auf den Schecks mit der hinterlegten Unterschriftsprobe der Klägerin nach den nicht angegriffenen Feststellungen für sich allein keinen Anlaß zu einem Fälschungsverdacht gab. Die Pflichtverletzung der Beklagten liegt darin, daß außerhalb der Scheckurkunde bestehende Verdachtsmomente bei der Echtheitsprüfung nicht die gebotene Berücksichtigung - gefunden haben.

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der das Berufungsgericht ausgegangen ist, ist anerkannt, daß Banken und Sparkassen bei der Echtheitsprüfung von Schecks auch die ihnen bekannten Verhältnisse und Gepflogenheiten des jeweiligen Kontoinhabers zu berücksichtigen haben. Eine oder mehrere auffällige Abweichungen vom bisherigen Kundenverhalten können den Verdacht einer Fälschung begründen (vgl. BGHZ 91, 229, 232; BGH, Urteil vom 9. Dezember 1985 - II ZR 185/85, WM 1986, 123 f). Für den Postscheckverkehr kann nichts anderes gelten (vgl. KG Altmannsperger Post-RE 2.08.1.6 Nr. 29), zumal die gesetzgeberischen Überlegungen bei der Schaffung des § 19 PostG dahin gingen, Postscheckteilnehmer nicht schlechter zu stellen als die Kunden privater Banken oder Sparkassen (Eidenmüller, PostG Vorbem. zu §§ 19 und 20).

Solche auffälligen Abweichungen liegen hier in mehrfacher Hinsicht vor. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war dem Schalterbeamten F. bei Einlösung der streitigen Schecks die langjährige Gewohnheit der Klägerin bekannt, Postbarschecks jedenfalls in aller Regel persönlich einzulösen. Die Rüge der Revision, die Annahme einer solchen Kenntnis sei angesichts des in H. auch bei kleineren Postämtern herrschenden Massenverkehrs lebensfremd, ist unbegründet. Da F. die ihm persönlich bekannte Klägerin bei Geldabhebungen in dem kleinen Postamt ... in den letzten Jahren hauptsächlich bedient hatte, widerspricht die angegriffene Feststellung nicht der Lebenserfahrung. Angesichts dieser Gepflogenheit der Klägerin mußte es F. bei Vorlage der streitigen Schecks als ungewöhnlich auffallen, daß ein unbekannter Mann von deren Konto Geld abhob. Tatsächlich ist ihm dies nach seiner von der Klägerin unwidersprochen vorgetragenen Äußerung auch ›komisch vorgekommen‹. In auffälliger Weise aus dem Rahmen der F. bekannten Gepflogenheiten der Klägerin fällt weiter vor allem die Vorlage von vier Barschecks über insgesamt 6.800 DM an vier nahezu aufeinanderfolgenden Tagen einer Woche. Normal war für die Klägerin nach Feststellung des Berufungsgerichts eine Abhebung in der Größenordnung der einzelnen streitigen Schecks pro Monat. Dieser Feststellung steht, anders als die Revision meint, nicht entgegen, daß die Klägerin am 26. und 29. Januar sowie am 2. Februar 1989 drei Schecks über 300 DM, 1.300 DM und 2.000 DM eingelöst hat. Dabei handelt es sich ausweislich der vom Berufungsgericht ausgewerteten Aufstellung ihres Kontos erkennbar um einen Ausnahmefall. Außerdem fällt die Abhebung von insgesamt 3.600 DM mit drei Schecks binnen acht Tagen durch die Klägerin persönlich auch nicht annähernd so aus dem Rahmen ihrer bisherigen Gepflogenheiten wie die Vorlage von vier Barschecks über insgesamt 6.800 DM binnen nur fünf Tagen durch einen Unbekannten.

Wenn das Berufungsgericht aufgrund dieser Feststellungen angenommen hat, bereits bei der Vorlage des zweiten Barschecks über 1.800 DM und zunehmend der weiteren streitigen Schecks habe F. Verdacht schöpfen müssen, so ist dies entgegen der Ansicht der Revision aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Daß Postgiroteilnehmer rechtlich die Möglichkeit haben, durch Dritte Geld abheben zu lassen, und daß die Vorlage eines Barschecks sowie der Ausweiskarte durch einen dem Schalterbeamten Unbekannten für sich allein grundsätzlich keinen hinreichenden Fälschungsverdacht begründet, ändert nichts daran, daß ein solcher Verdacht aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles bestehen kann und hier näher lag als die Annahme, die Klägerin habe entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit binnen fünf Tagen vier Barschecks über insgesamt 6.800 DM ausgestellt und zusammen mit ihrer Ausweiskarte einem Dritten zur Einlösung übergeben.

Dem Fälschungsverdacht hätte die Beklagte nachgehen und sich, soweit dies mit den Anforderungen des Postscheckverkehrs als Massenverkehr vereinbar ist, Klarheit verschaffen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 1985 - II ZR 185/85, WM 1986, 123, 124). Da die danach gebotene Rückfrage bei der Klägerin zu keinem Ergebnis geführt hätte, weil sich diese damals in Untersuchungshaft befand, hätte F. als Sicherungsmaßnahme zumindest die Identität des Scheckeinreichers anhand des Personalausweises oder eines anderen amtlichen Dokumentes feststellen müssen (OLG Düsseldorf WM 1985, 1030, 1032; OLG Köln WM 1987, 404, 405; Canaris, Bankvertragsrecht 3. Aufl., Rdn. 713). Ob diese Maßnahme hier ausreichend war, oder ob die Einlösung der streitigen Schecks, wie das Berufungsgericht gemeint hat, bis zur Ausräumung des Fälschungsverdachts durch eine persönliche Befragung der Klägerin hätte unterbleiben müssen, kann dahingestellt bleiben. Es ist nicht vorgetragen, daß der unbekannte Scheckeinreicher der Aufforderung, sich vor Einlösung der Schecks auszuweisen, nachgekommen wäre und sich damit der großen Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt hätte. Dies geht zu Lasten der Beklagten, da sie die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, daß der durch die Auszahlung der streitigen Schecks verursachte Schaden auch dann eingetreten wäre, wenn sie sich rechtmäßig verhalten hätte (BGH, Urteil vom 26. Juni 1990 - X ZR 19/89, NJW 1991, 166, 167 m.w.Nachw.).

III. Mangels Feststellungen zur Fälschung der streitigen Schecks war das angefochtene Urteil daher aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993162

BB 1993, 25

DB 1993, 580

NJW 1993, 534

BGHR PostG (1969) § 19 Postscheckverkehr 1

BGHR PostG (1969) § 19 Postscheckverkehr 2

BGHR PostgiroO § 10 Abs. 4 Postscheckverkehr 1

BGHR ScheckG Art. 3 Scheckfälschung 1

BGHR ZPO § 144 Unterschriftsfälschung 1

BGHR ZPO § 314 Bestreiten 2

BGHR ZPO § 442 Unterschriftsfälschung 1

WM 1993, 12

ZIP 1993, 29

MDR 1993, 231

VersR 1993, 196

ZBB 1993, 33

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