Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtszuständigkeit für Streitigkeiten über die Rückforderung von irrtümlich nach dem Tod eines Berechtigten durch den Rententräger weiterbezahlten und so an die Erben gelangten Rentenzahlungen
Normenkette
BGB § 812 Abs. 1 S. 1, §§ 2058, 818 Abs. 3, § 2060
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 14. Juli 1980 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Mutter des Beklagten (in Zukunft: die Erblasserin) bezog nach dem Tod ihres Mannes von der klagenden Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine monatliche Hinterbliebenenrente in Höhe von 420,60 DM, die sie auf ihr Girokonto überweisen ließ. Sie starb am 10. Juni 1973 und wurde von ihren vier Kindern, darunter dem Beklagten, zu gleichen Teilen beerbt. In Unkenntnis ihres Todes zahlte die Klägerin die Rente bis Mai 1974 weiter auf das bisherige Konto der Erblasserin. Erst dann wurden die Zahlungen eingestellt, weil die fällige Lebensbescheinigung nicht vorgelegt wurde. Die das Girokonto führende Sparkasse buchte das dort verzeichnete Guthaben Ende 1974 auf zwei Sparkonten der Erblasserin um.
Der Beklagte löste später die Sparkonten auf und übertrug die Guthaben auf ein Anderkonto. Nach Abzug von Nachlaßverbindlichkeiten zahlte er im Sommer 1977 im Wege der Erbauseinandersetzung an sich und die anderen Miterben je 4.485,07 DM aus.
Nachdem das zuständige Standesamt die Klägerin im September 1977 vom Tode der Erblasserin benachrichtigt hatte, forderte sie im November 1977 den Beklagten auf, die von Juni 1973 bis April 1974 überzahlten Rentenbeträge in Höhe von insgesamt 4.206,00 DM zurückzuzahlen. Die im Mai 1974 überwiesene Rente war ihr bereits von der Rentenrechnungsstelle der Deutschen Bundespost erstattet worden.
Da der Beklagte der Zahlungsaufforderung nicht nachkam, hat die Klägerin die 4.206,00 DM nebst Zinsen eingeklagt. In erster Instanz hat der Beklagte die Klageforderung in Höhe von 1.051,50 DM - entsprechend seinem Erbanteil von 1/4 - nebst anteiliger Zinsen anerkannt und im übrigen die Abweisung der Klage beantragt. Das Landgericht hat den Beklagten über den anerkannten Betrag hinaus voll verurteilt. Nach erfolgloser Berufung verfolgt der Beklagte mit der - zugelassenen - Revision, um deren Zurückweisung die Klägerin bittet, seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß Rechtsstreitigkeiten über die Rückforderung von Rentenzahlungen, die der Rententräger irrtümlich nach dem Tod des Rentenberechtigten weiterbezahlt hat und die so an dessen Erben gelangt sind, vor den ordentlichen Gerichten auszutragen sind. Das ist richtig (BGHZ 71, 180; 73, 202; ebenso jetzt von Heinz, Die Sozialgerichtsbarkeit 1981, 150, 158) und wird auch von der Revision nicht in Frage gestellt.
II.
Das Kammergericht hält den Beklagten nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB für verpflichtet, die überzahlten Rentenbeträge an die Klägerin zurückzuzahlen. Schon vor der Teilung des Nachlasses habe er, wenngleich ohne Haftung mit dem Eigenvermögen, auf die volle Schuld in Anspruch genommen werden können. Daran habe sich durch die bloße Teilung des Nachlasses nichts geändert.
Der Beklagte könne demgegenüber nicht einwenden, die Miterben hätten die aus dem Nachlaß empfangenen Gelder bereits verbraucht. Zwar stehe ihm als Bereicherungsschuldner stets der Einwand zu, die Bereicherung sei ganz oder teilweise nachträglich entfallen. Darauf könne er sich hier aber nicht berufen, weil die jetzt noch bei ihm vorhandenen Nachlaßwerte den Wert der Klageforderung überstiegen; denn insoweit sei der Nachlaß auch nach seiner Teilung als Einheit zu betrachten.
Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.
1.
Die von der Klägerin nach dem Tod der Erblasserin irrtümlich weiterhin überwiesenen Rentenbeträge sind der Erbengemeinschaft ohne Rechtsgrund zugeflossen (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Für diese Verbindlichkeit haftet der Beklagte, welcher der Erbengemeinschaft angehört, als Gesamtschuldner (§ 2058 BGB). Die Rückzahlungsverpflichtung war nämlich eine sog. Nachlaßerbenschuld, da die Erben in ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses für die Erbengemeinschaft das Konto der Erblasserin, auf das die Rente überwiesen wurde, zunächst gesamthänderisch fortgeführt haben (vgl. dazu BGHZ 71, 180, 186 ff m.N.).
2.
An der gesamtschuldnerischen Haftung des Beklagten für die ganze Bereicherungsforderung hat sich durch die Teilung des Nachlasses nichts geändert. Der Beklagte hat allerdings - wie jeweils auch die anderen Miterben - nur ein seinem Erbteil entsprechendes Viertel des im Nachlaß verbliebenen Geldbetrages erhalten. Das hätte zu einer Haftungsbeschränkung in Höhe seiner Erbquote aber nur unter den Voraussetzungen des § 2060 BGB geführt (vgl. auch BGHZ 71, 180, 188), die hier nicht erfüllt sind.
3.
Der Bereicherungsanspruch des Nachlaßgläubigers ist jedoch - wie jeder Bereicherungsanspruch - dem Einwand ausgesetzt, daß der Schuldner nicht mehr bereichert sei (§ 818 Abs. 3 BGB). Der Schuldner kann daher geltend machen, die Bereicherung sei bereits vor der Auseinandersetzung im Nachlaßvermögen oder nach der Teilung bei ihm persönlich entfallen. Darum geht es dem Beklagten hier indessen nicht.
Er beruft sich vielmehr allein auf den Wegfall der Bereicherung bei den Miterben . Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, daß ein bereicherungsrechtlich haftender BGB-Gesellschafter nach der Auflösung der Gesellschaft und der Verteilung des Gesellschaftsvermögens geltend machen kann, die Bereicherung sei bei seinen Mitgesellschaftern weggefallen (BGHZ 61, 338, 344, 345; ebenso Flume, BGB, AT I/1, Die Personengesellschaft, S. 343; Palandt/Thomas, BGB, 40. Aufl., § 818, Anm. 6 A d; Meincke, Betrieb 1974, 1001, 1002 r.Sp.; kritisch H.P. Westermann, ZGR 1977, 552, 566). Inwieweit das auch bei der Bereicherungshaftung von Erben nach Verteilung des Nachlaßvermögens gilt, kann jedoch offen bleiben.
Das Vorbringen des insoweit beweisbelasteten (BGH NJW 1958, 1725) Beklagten enthält nämlich keine konkreten Umstände, die hier die Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB rechtfertigen könnten.
a)
So trägt er vor, der Miterbe Albrecht E. sei am 27. November 1977 verstorben. Dessen Erbschaft habe er ebenso wie seine überlebenden Geschwister ausgeschlagen.
Das sagt nichts darüber aus, ob der Albrecht E. aus dem Nachlaß der Erblasserin zugeflossene Anteil an dem von der Klägerin überbezahlten Rentenbetrag in dessen Nachlaß noch vorhanden ist oder nicht. Daß die noch lebenden Miterben aus diesem Nachlaß wegen der Erbschaftsausschlagung nichts erhalten haben, ist ohne Belang.
b)
Der Beklagte behauptet weiter, die Miterbin Roswitha Kn., geb. E. habe den auf sie entfallenden Anteil "bei nicht mehr näher festzustellenden Gelegenheiten" schon vor dem ersten, die Erstattungsforderung geltend machenden Schreiben der Klägerin "für sich privat verbraucht". Seither habe sie keine eigenen Ersparnisse, sondern bestreite ihren Unterhalt durch das Wirtschaftsgeld ihres Ehemannes.
Auch dieses Vorbringen erlaubt nicht die rechtliche Folgerung, die Bereicherung der Miterbin sei weggefallen. Die Verwendung des Erlangten beseitigt die Bereicherung nur dann, wenn die dadurch erlittene Einbuße nicht durch einen Vorteil im Vermögen des Bereicherungsschuldners ausgeglichen wird (Heimann-Trosien, BGB-RGRK, 12. Aufl., Rdn. 33 zu § 818 m.N.). Das wäre dann der Fall, wenn die Miterbin die entsprechenden Aufwendungen ohne die eingetretene Bereicherung nicht gemacht hätte (BGHZ 55, 128, 132). Das aber kann hier dem Vortrag des Beklagten nicht entnommen werden.
c)
Zu Auskünften über die Vermögensverhältnisse des Miterben Karl-Hermann E. sieht sich der Beklagte außerstande; er sei mit ihm verfeindet. Anders als der Klägerin sei es ihm nicht zuzumuten, seinen eigenen Bruder zu verklagen.
Auch dieser Vortrag ist nicht geeignet, die tatsächlichen Voraussetzungen für einen Wegfall der Bereicherung darzutun.
III.
1.
Die Revision macht weiter geltend, die Inanspruchnahme des Beklagten auf Erstattung der gesamten überzahlten Rentenbeträge verstoße gegen Treu und Glauben. Hätte der Beklagte rechtzeitig von dem Erstattungsanspruch der Klägerin erfahren, so hätte er die Nachlaßmasse erst nach deren Befriedigung verteilt. Er habe aber bei der Teilung des Nachlasses annehmen dürfen, daß die Klägerin keine Ansprüche mehr stellen werde; denn sie habe schon fast 3 1/2 Jahre vorher vom Ableben der Erblasserin und damit der Rentenüberzahlung Kenntnis erlangt.
Das geht fehl.
2.
Ein Recht ist verwirkt, wenn sich ein Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (zuletzt Senatsurteil NJW 1980, 880 m.N.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
a)
Der Gesetzgeber hat in § 2060 BGB ausdrücklich geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein Miterbe nach der Teilung des Nachlasses nur begrenzt haftet. Da in § 2060 Ziff. 2 BGB auch das "Zeitmoment" berücksichtigt ist, bleibt ganz allgemein für die Annahme einer Verwirkung des Anspruchs eines Nachlaßgläubigers vor Ablauf der gesetzlichen Frist von 5 Jahren kaum Raum.
b)
Hier kommt aber noch hinzu, daß den Miterben bei ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses die fortlaufende Überweisung der Witwenrente durch die Klägerin nach dem Tode der Erblasserin nicht hätte verborgen bleiben dürfen. Dann hätte sich ihnen aber auch die Vermutung aufdrängen müssen, daß die weitere Rentenzahlung in Unkenntnis des Todes der Erblasserin erfolgte und zu einer Erstattungsforderung der Klägerin führen würde (vgl. BGHZ 73, 202, 206). Nachdem die Erben es unterlassen hatten, die Klägerin über den Tod der Erblasserin zu unterrichten, konnten sie aus ihrer Sicht von der späteren Rückforderung der Klägerin im November 1977 nicht überrascht sein. Wenn der Beklagte von den Rentenzahlungen nichts gewußt haben sollte, etwa weil der Miterbe, der Vollmacht über das Girokonto der Erblasserin hatte, die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft über die Kontenbewegungen entweder nicht ins Bild setzte oder sie selbst nicht zur Kenntnis nahm, so gehen derartige Versäumnisse im Rahmen der hier nach Treu und Glauben vorzunehmenden Abwägung zu Lasten der Erben und nicht des Nachlaßgläubigers.
3.
Damit verstößt die Klägerin nicht gegen Treu und Glauben, wenn sie von dem Beklagten die Zahlung der vollen Schuld verlangt. Auf den Zeitpunkt, in dem sie von dem Ableben der Erblasserin erstmalig Kenntnis erhielt, kommt es dabei nicht an.
IV.
Nach alledem ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Girisch
Meise
Doerry
Bliesener
Obenhaus
Fundstellen